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Jubel, Trubel, Lächerlichkeit

Das Zurich Zensur Festival zieht Bilanz. Und keiner widerspricht.

Die Medien überschlagen sich: «Starschwemme – das Erfolgsrezept des Zürich Film Festival» (SRF), «ZFF-Hauptpreis für zwei Frauen» («Südostschweiz»), «Zurich Film Festival mit Zuschauerrekord» (CH Media), «VIP Lounge» («Blick»), Sendepause hingegen bei Tamedia. Wahrscheinlich war die «Kultur»-Redaktion gerade nicht besetzt.

Sehr aufrecht meckert die NZZaS: «Dass Filmfestivals Orte des Austauschs und Auseinandersetzung seien, ist bald nur noch eine Floskel. Denn sie geraten immer stärker unter Druck. Seit Putins Überfall auf die Ukraine 2022 und mehr noch seit dem Angriff der Hamas auf Israel 2023 gehören Proteste und Boykottaufrufe auf den roten Teppichen dazu. Festivals werden zum Schauplatz von ideologischen Machtkämpfen. Das führt zu Überforderung, schlimmstenfalls zu Selbstzensur.» Aufrecht deswegen, weil die NZZ Besitzerin des ZZF ist.

Völlig aus dem Häuschen ist das ZZF selbst. In einer Medienmitteilung jubiliert es in Cinemascope und auf der extra breiten Selbstlob-Leinwand.

«Historischer Meilenstein: mit 140’000 Besucherinnen und Besuchern … festigt seinen Ruf … an jedem Tag präsentierten Stars … ein Festival der Superlative … hochkarätige Filmvorführungen … unvergessliches Erlebnis … neues Festivalzentrum … neue Dimension der Professionalität und Exzellenz … fördert den Austausch zwischen aufstrebenden Regisseuren und dem Publikum

Da hat der PR-Manager Simon Keller schwer in die Harfe gegriffen und in die Schalmei gepustet. Zudem wurden jede Menge Preise verliehen, Hauptpreise in den Kategorien Spielfilm und Dokumentarfilm.

Verständlich, dass die Mannen (und Frauen and everybody beyond) um Big Boss Christian Jungen Lobeshymnen anstimmen. Das gehört sich so, und es wurde ja tatsächlich auch einiges geleistet. Nun ist es aber so, um es in den Worten des ehemaligen Festival-Financiers und CS-Versagerrats Urs Rohner zu sagen, dass das ZZF keineswegs eine weisse Weste hat.

Als im gepflegten Ambiente des Opernhauses die Hauptpreise verliehen wurden, fehlte selbst bei den Erwähnungen und der ellenlangen Preiseliste ein Dokumentarfilm, der absurderweise im Wettbewerb verblieben war, aber nicht gezeigt wurde. «Russians at War» ist eine Dokumentation über russische Soldaten an der Ukrainefront. Zunächst hatte Jungen noch tapfer getönt: «Filme sollen zu Diskussionen anregen», also zeige das ZZF die Arbeit von Anastasia Trofimowa.

Dann geschah Ungeheuerliches. Die ukrainische Regierung und die ukrainische Botschafterin in Bern mischten sich in innerschweizerische Angelegenheiten ein, schissen auf die Freiheit der Kunst und verlangten in harschen Worten, dass der Film nicht gezeigt werde. Begleitet wurde das, wie schon in Toronto, von Hassbotschaften anonymer, wahrscheinlich ukrainischer Feiglinge, die wüste Todesdrohungen ausstiessen.

Statt dass Politik und Festivalleitung diese Unverschämtheit mit kräftigen Worten verurteilt hätten und den Film als «jetzt erst recht» gezeigt hätten – zogen alle Beteiligten den Schwanz ein. Der Film wurde gecancelt; alle sich auf dem grünen Teppich in Begleitung von Hollywood-Promis spreizenden Politiker blieben stumm. Genau wie all die tapferen Künstler, die immer gerne für dieses und jenes Gute eintreten. So lubhudelte Richard Gere den Dalai Lama und beklagte Repressionen gegen diesen Gutmenschen.

Aber ein Wort zu diesem Skandal? Aber nein, mit dem Cüpli in der Hand und chauffiert in einer dicken ZZF-Limousine vom Luxushotel zum Teppich und zurück protestiert es sich schlecht.

Aber damit nicht genug. Die Medien, voller glamouröser Storys über das Festival, vermeldeten diese Zensur knapp – und schwiegen ansonsten verkniffen. Ausser, das ist ihr hoch anzurechnen, die NZZ. Die «Weltwoche» tat das, was alle anderen vermieden: sie gab der anderen Seite eine Stimme und interviewte die Autorin ausführlich.

Ist das die viel gerühmte Presse- und Kunstfreiheit in der Schweiz? Ist das das korrekte Verhalten von Regierungsverantwortlichen, wenn sie einmal im Blitzlichtgewitter Rückgrat beweisen könnten? Ehrt das die Stars und Sternchen, die von eigener Bedeutung besoffenen über den grünen Teppich wandeln, huldvoll posieren, bedeutungsschwangere Worte über Kunst und Film absondern – aber keinen Ton zu diesem Skandal dieses Festivals sagen?

Bei allem Respekt vor der organisatorischen und finanziellen Leistung von Jungen: dieser grosse, dunkle Fleck auf seiner blütenweissen Hemdbrust unter dem knapp sitzenden Smoking wird ihn von nun an begleiten. Statt Zurich Film Festival wird der Anlass Zurich Zensur Festival heissen müssen. Organisatoren, Gäste, Medien und Politiker haben versagt. Kein Happy-End in Sicht.

 

Was vom Zurich Zensur Festival vermeldet wird

Schaulaufen mit Prominenten und Cervelat-Prominenz …

Festival-Direktordarsteller  Christian Jungen, Cervelat-Prominenz Irina Beller mit durchsichtigem Unterschichtenkleid, daneben noch eine Grinsbacke namens Thomas Dürr. So sieht das Niveau des ZZF aus, des Zurich Zensur Festival.

Dazu Freakshow mit Nemo, Jungen in verschiedenfarbigen Smokings, die aber deutlich am Bauch spannten, Roger Köppel mit weisser Fliege (trägt man aber eher zum Frack, nicht zum Smoking), Bundespräsident Cassis, an seiner Seite Stadtpräsidentin Corine Mauch. Auch Nadja Schildknecht gibt sich die Ehre, allerdings fehlt ihr Gatte, der Versagerrat Urs Rohner, unter dessen Präsidium die altehrwürdige Credit Suisse in den Orkus fuhr.

Eine fröhlich grinsende Bundesrätin Baume-Schneider neben Jude Law, an seiner anderen Seite eine ebenfalls gut gestimmte Mauch, Jungen im nachtblauen Smoking. Dazu jede Menge Möchtegerns, Adabeis und Wichtigtuer. Und, Wahnsinn, eine fast nicht geschminkte Pamela Anderson, die sich sicher gewundert hat, wieso sie zu dieser Ehre kommt. Einfache Antwort: richtige Superstars kommen schon lange nicht mehr ans ZZF.

Ist das grosses Kino?

Der Tagi macht extra eine Rubrik draus, obwohl er ja damit der Konkurrenz NZZ hilft, der das Festival gehört. Auch der «Blick» berichtet fleissig dies und das, selbst die NZZ kommt auf Boulevard-Touren und berichtet, dass Kate Winslet das «Schweizer Label Yvy am ZFF trägt». Und auch CH Media vermeldet dies und das in Backfisch-Manier: «Pamela Anderson erscheint in Zürich wie ein märchenhafter Lichtblick».

Also allgemeines Hyperventilieren, weil Zürich endlich mal so tun kann, als sei etwas Glamouröses im Gange, als sei die Zwingli-Stadt doch irgendwie eine Grossstadt und nicht eine Ansammlung von Banken und Boutiquen mit Truffes du jour als kulinarischem und kulturellem Höhepunkt.

Dass das ZZF die Säle des bankrotten «Kosmos» bespielt, wo ein Traum der Erblinken an der Realität zerschellte (auf Kosten von 72 Angestellten, denen niemand eine Träne nachweinte), irgendwie typisch für Zürich.

Nur die NZZ (neben IP, «Weltwoche» und ZACKBUM) beschäftigt sich ausführlich mit dem Skandal, dass auf Druck der Ukraine ein angekündigter Dokumentarfilm aus dem Programm gekippt wurde; die zur Podiumsdiskussion eingeladene Autorin wurde wieder ausgeladen.

Das ist mutig und vorbildlich, wenn die NZZ schreibt: «Zu Versuchen von Zensur darf es nicht kommen, betont unser Filmredaktor. Doch genau das geschieht derzeit. Auch die Ukraine müsse die Meinungsfreiheit achten.»

Der Aufruf sollte sich allerdings auch an die Mainstream-Medien in der Schweiz richten. Denn alle, ausser den oben erwähnten, brachten eine mehr oder minder verkniffene Meldung, dass «Russians at War» nun doch nicht gezeigt werde. Zur Begründung brachte zum Beispiel CH Media einen an Objektivität nicht zu überbietenden Text:

«Filmschaffende werfen Trofimova unter anderem subjektive Haltung, Emotionalisierung des Publikums und mangelnden politischen Kontext vor. Der Film sei reine russische Propaganda und übernehme unkritisch das Narrativ der Soldaten, die keine Ahnung hätten, warum sie überhaupt in diesen Krieg gezogen seien

Wohlgemerkt hatte (ausser dem Filmkritiker der NZZ) keiner der Film- und Medienschaffenden den Dokustreifen gesehen, über den sich alle das Maul zerreissen.

Dass niemand der anwesenden Polit-Prominenz das Rückgrat hatte, wenigstens in einem Nebensatz darauf hinzuweisen, dass sich die Schweiz eine solche Einmischung von Seiten der ukrainischen Regierung und der Botschafterin in Bern nachdrücklich verbitte, eine Schande.

Dass auch keiner der anwesenden B- und C-Promis dazu ein Wort sagte, peinlich. Dass Festival-Direktor Jungen verbindlich lächelnd seine Garderobe ausführte und auch kein Wort des Bedauerns oder der Erklärung fand, dieser Makel wird ihn von nun an begleiten.

Freiheit der Kunst, Erforschung des Hybriden und Non-Binären, Schaulaufen der Eitelkeiten auf dem grünen Teppich, Limousinenflotte, mit der Wichtigkeiten herumkutschiert werden, VIPs, Selfie-Jäger, Blitzlichtgewitter, der übliche Blick aller Prominenz und Pseudoprominenz muss ich den kennen oder nicht eher der mich?, was für ein Jahrmarkt des Gehabes.

Und alle tragen eigentlich des Kaisers neue Kleider, so aufgemaschelt, aufgebürstet, hingefönt, professionell geschminkt und in nicht immer geschmackssicher gewählter Galarobe sie auch schaulaufen mögen. Wem es wirklich um die Freiheit der Kunst, um die Meinungsfreiheit gegangen wäre, der hätte unter lautstarkem Protest nicht teilgenommen oder den grünen Teppich für ein klares Statement benutzt.

Aber wenn alle besoffen von der eigenen oder der geliehenen Wichtigkeit sind, dann bleibt für Zivilcourage natürlich kein Platz. Dann merkt niemand, wie lächerlich doch alle Teilnehmer an diesem Zirkus sind.

 

Mainstream überbietet sich in peinlich

Ob Simon Bärtschi hier Regie führt?

Die Fakten sind schnell wiederholt. Das Zurich Film Festival zeigt den Dokumentarfilm «Russians at War» nicht. Aufgrund massiver Druckversuche der unkrainischen Regierung und gewalttätiger Drohungen aus ukrainischen Kreisen.

Das wurde von den Mainstreammedien mit unbewegtem Gesicht berichtet. Nur die NZZ, immerhin Besitzer und Veranstalter des Festivals, wagt eine leise und anhaltende Kritik («erschreckend, bedenklich») an diesem Einknicken Und natürlich ZACKBUM, sowie ZACKBUM-Autor René Zeyer in der «Weltwoche». Natürlich auch «Inside Paradeplatz», von dem der Tagi inzwischen regelmässig seine Wirtschaftsstorys abschreibt.

Aber damit ist noch nicht das Ende des Versagens erreicht. Nach diesem skandalösen Vorgang – noch nie gab es in der Geschichte der Schweizer Filmfestivals den Vorfall, dass ein Beitrag nach solch massiven Drohungen und Druckversuchen aus Regierungskreisen nicht gezeigt wurde – wäre es das Mindeste, was ein professioneller Journalist tun müsste, worum sich eine Redaktion bemühen müsste: audiatur et altera pars.

Dass die verschreckte Leitung des Zurich Film Festivals (Zensur Film Festival, ZFF) nichts oberhalb der weinerlichen Pressemitteilung sagt, nun ja. Aber da gäbe es doch vielleicht noch eine Hauptbeteiligte, mit der sich ein Gespräch lohnen könnte. Nicht zuletzt, weil sie von schäumenden Journalisten, die weder den Film kennen, noch ein einziges Wort mit ihr gesprochen haben, als Propagandistin im Solde Putins beschimpft wird, der Film sei von russischen Quellen finanziert worden, es sei überhaupt eine Propagandalüge, die man dem Schweizer Publikum zu recht ersparen müsse.

Schwachsinn, wie jeder recherchieren kann, der die öffentlich einsehbare Finanzierung des Films und die namhaften Produzenten genauer anschaut, die sicherlich nicht ihren Namen für ein Moskauer Propagandamachwerk hergeben würden.

Es geht natürlich um Anastasia Trofimova. Was sagt eigentlich die Hauptbetroffene zu dieser Zensurmassnahme? Welche Drohungen wurden genau geäussert, wie sieht sie ihre Rolle, was sind ihre Motive für diesen Film, wie hat sie ihn gemacht?

Das wäre das Normalste der Welt. Darauf würden sich alle Redaktionen stürzen. Wenn ein anti-russischer Propagandafilm wegen Drohungen von pro-russischen Gruppen und vonseiten der russischen Regierung nicht gezeigt worden wäre. Man wäre in Kommentaren ertrunken, jeder Schreibtischtäter hätte seine strengsten Worte der entrüsteten Verurteilung in die Tasten gehauen, von der hässlichen Fratze der Diktatur wäre die Rede gewesen, von der Unfähigkeit des russischen Regimes, mit Kritik umzugehen. Vor allem wäre aber lautstark kritisiert und verurteilt worden, dass die Schweiz, das Film Festival, doch tatsächlich solch üblen Gestalten nachgibt.

Der Regisseur (oder die Regisseurin) dieses Streifens hätte wenig Schlaf gefunden seit Donnerstagabend. Die Person hätte sich nur in Sammelinterviews retten können, wo Batterien von Mikrofonen vor ihr gestanden wären.

Nun handelt es sich aber um einen Dokumentarfilm, in dem die russisch-kanadische Filmerin Anastasia Trofimova versucht, die Rolle des einfachen russischen Soldaten zu porträtieren. Also gibt es ein einziges Organ im ganzen deutschen und Schweizer Mediensumpf, das das Naheliegendste tut: die «Weltwoche» spricht mit Trofimova.

Dafür gebührt Roman Zeller ein dickes Lob. Das wird nur unwesentlich dadurch getrübt, dass fast eine Stunde Gespräch vielleicht ein Tick zu lang ist, bzw. in eine long version für harte Fans und eine geschnittene short version hätte gesplittet werden müssen.

Wer mag, höre es sich selbst an. Natürlich gibt es auch hier Themengebiete, zu denen offensichtlich keine Fragen erlaubt waren. Aber im Allgemeinen entspricht auch hier die Regisseurin in keiner Form dem Klischee einer Sprechpuppe des Kreml.

Erschreckend sind schon mal die Details, die über die Drohungen von ihr ausgeführt werden, obwohl sie vorsichtig für genauere Auskünfte an die Festivalleitung verweist. Schon in Toronto seien sogar Vergewaltigungsdrohungen gegen Mitarbeiter, Ticketverkäufer, Platzanweiser, von pro-ukrainischen Protestgruppen anonym ausgestossen worden.

In Zürich habe es «Todesdrohungen gegen Familienmitglieder der Mitarbeiter und der Leitung des Filmfestivals» gegeben. Sie seien so massiv geworden, dass in Absprache mit der Zürcher Polizei die Entscheidung getroffen worden sei, den Film nicht zu zeigen.

Man stelle sich vor: die Schweiz unterstützt die angeblich so demokratische und freiheitliche Ukraine gegen den russischen Untermenschen. Denn schliesslich würden dort unsere westlichen, freiheitlichen Werte verteidigt. Zudem greift der Schweizer Steuerzahler tief in die Tasche und unterstützt ukrainische Flüchtlinge, unabhängig von deren Motiven, mit über einer Milliarde Franken jährlich.

Und offensichtlich greift nicht nur die ukrainische Regierung zu massiven Drohungen und behauptet, alle russische Soldaten seien Kriegsverbrecher, Kriminelle und Vergewaltiger, weswegen der Film nicht gezeigt werden dürfe, wolle das Film Festival nicht seine Reputation zerstören.

Dazu gibt es feige und anonyme pro-ukrainische Kläffer, die sogar vor Vergewaltigungs- und Todesdrohungen gegen Familienmitglieder der Festivalmitarbeiter nicht zurückschrecken.

Natürlich wird auch die Regisseurin massiv bedroht; eine Webseite wurde gehackt und ihre sämtlichen persönlichen Daten, E-Mail, Adresse, Telefonnummer etc., ins Netz gestellt. Es hagelt auch Drohungen gegen sie.

Hört man da ein Wort der Verurteilung von ukrainischer Seite? Nein.

Hört man ein solch kritisches Wort in den Massenmedien über das Verhalten der offiziellen Ukraine? Nein.

Hört man ein Wort der Verurteilung über diese masslosen und kriminellen Drohungen? Nein.

Lässt man die andere Seite in diesem Propagandakampf zu Wort kommen? Nein.

Ist das ein weiterer Sargnagel für die Glaubwürdigkeit der Schrumpfqualitätsmedien? Ja.

Hört man hier ein kritisches Wort der publizistischen Leiter Simon Bärtschi, dass Qualitätsjournalismus wohl nicht so einseitig, schlapp und parteiisch informieren dürfe? Nein.

Sollten sich nicht die zuständigen Redakteure bei Tamedia, CH Media und Ringier in Grund und Boden schämen, dass sie ihre Berufsethik dermassen verraten? Ja. Tun sie das? Nein.

Peinlich, peinlicher, Medien

35 Meldungen zum feigen Rückzieher des Zurich Film Festival. Darunter eine kritische von ZACKBUM.

Das Medienarchiv SMD weist seit gestern 35 Treffer für die Stichworte ZFF und Dokumentarfilm auf. Die Medien sind ihrer Berichterstatterpflicht nachgekommen. Sie haben vermeldet, dass Festival-Direktor Christian Jungen eine Kehrtwende hingelegt hat.

«Weil das Leben besser mit Filmen ist». Reine Realsatire.

Der Mann trägt den Smoking gut und kann verbindlich auf dem grünen Teppich in die Kameras grinsen. Hinter dieser Fassade verbirgt sich aber ein feiger Wackelpudding, der vor dem Gegröle des Pöbels von nah und fern einknickt. Alleine die ungehörige und rüppelige Intervention der ukrainischen Regierung hätte dazu führen müssen, dass man diesen Zensoren ein kräftiges «nicht bei uns» entgegen hielte.

Aber doch nicht das Film Festival. Gegen diese massive Zensur hätte selbstverständlich auch die Stadtregierung, die Kantonsregierung, die Landesregierung protestieren müssen. Und sich diese unerhörte Einmischung in innere Angelegenheit und die Freiheit der Kunst verbitten sollen. Wo kämen wir hin, wenn in der Schweiz ukrainische Zustände der Zensur und Unterdrückung herrschen würden. Wo bleibt der Respekt gegenüber einem Land, das Zehntausende von kriegsunwilligen Ukrainern mit Sonderstatus aufnimmt und mit Hunderten von Millionen Franken Steuergeldern durchfüttert.

Das alles hätte man tun können. Das alles hätten die Qualitätsmedien der Schweiz vielleicht erwähnen können. Aber mutig sind deren Journalisten nur, wenn es darum geht, Fernes zu kritisieren. Putin, Trump, Maduro, Kim der Dickere, da kann die Journaille Dampf ablassen, billig herumkrakeelen.

Finden Massaker und Tragödien in der falschen Weltgegend und mit Menschen der falschen Hautfarbe statt, bleiben sie ebenfalls stumm. Myanmar, Sudan, Äthiopien, Eritrea: scheiss drauf. Schlägt aber in der Ukraine eine russische Rakete ein, wird grosses Geschrei erhoben. Schlägt in Russland eine ukrainische aus europäischer Produktion ein, eher nicht.

Aber nun passiert in Velodistanz der Redaktionen von «Blick», NZZ und Tamedia etwas Ungeheuerliches. Ein feiger Festivaldirektor nimmt die Sicherheit des Anlasses zum billigen Vorwand, um Zensurrüpeln nachzugeben.

Ein ungeheuerlicher Vorgang. Lediglich die NZZ, obwohl Veranstalter und Besitzer, wagt ein kritisches Wort, was ihr hoch anzurechnen ist. Und die übrigen Medien? Gebührensender SRF? Sendepause. Tamedia, «Blick», CH Media: möglichst neutrale Meldungen. Alle sonst so meinungsstarken Kommentatoren sind verstummt. Oder überlassen krakeeligen Kommentatoren den Raum, die sich öffentlich zum Deppen machen, indem sie einen Dokumentarfilm als russische Propaganda beschimpfen, den sie nicht einmal gesehen haben.

Russische Soldaten sind nicht generell Kriegsverbrecher, Vergewaltiger, Kriminelle, Tiere, Untermenschen? Keine seelenlose Mordmaschinen, wie sie schon von der Nazi-Propaganda dargestellt wurden? Der Iwan gegen den aufrechten Freiheitskämpfer aus der Ukraine, dessen angebräunte Seele und Verehrung für den Faschisten, Antisemiten und Kriegsverbrecher Stefan Bandera lieber verschwiegen wird. Genau wie die Massaker von Wolhynien und Ostgalizien mit wohl 100’000 von ukrainischen Nationalisten ermordeten Polen. Ist das wirklich unser Schwarzweissbild, mit dem wir russische Propaganda und Zensur kritisieren wollen?

Nein, da gilt kein «die auch, wieso dann wir nicht». Aber Kritik an anderen und an Zensur und an Lügen ist nur dann glaubwürdig, wenn sie keine grossen blinden Flecken aufweist.

Angenommen, am Moskauer Filmfestival wäre die Doku «Russians at War» zuerst angekündigt, dann gecancelt worden. Man sähe die Halszäpfchen der Kommentatoren. Typisch. Putin. Zensur. Die armen Russen. Verblendet und einseitig informiert. Denen fehlt halt unsere westliche Meinungsfreiheit.

Welch elende Heuchelei der Mainstream-Medien. ZACKBUM wiederholt sich. Die schaufeln sich nicht in erster Linie das Grab, indem sie das Skelettieren als Weichenstellung zum Qualitätsjournalismus schönschwatzen. Sondern durch ihre abgründige Heuchelei und feige Doppelmoral.

Feiges Filmfestival

Was für ein Wackelpudding ist Christian Jungen.

Es gibt einen Dokumentarfilm über «Russians at War». Festivaldirektor Jungen hatte noch vor Kurzen getönt: «Filme sollen zu Diskussionen anregen. Und wir verstehen diesen Film als Antikriegsfilm.»

Die russisch-kanadische Filmemacherin Anastasia Trofimova hatte während sieben Monaten russische Soldaten im Ukrainekrieg begleitet. Sie sagt, es handle sich dabei um eine menschliche Momentaufnahme von Soldaten, die sich in einem sinnlosen Krieg befinden; sie selbst verurteile die Invasion als ungerecht und illegal.

Der Streifen war bereits an den Internationalen Filmfestspielen von Venedig gezeigt worden – ohne Zwischenfälle. In Toronto war seine Vorführung allerdings zunächst wegen Drohungen abgesagt worden.

Am Zurich Film Festival (ZFF) laufen zudem zwei Dokumentarfilme, die die ukrainische Seite zeigen. Alleine die unverschämte Intervention eines Sprechers der ukrainischen Regierung hätte in einem Land, in dem Meinungsfreiheit hochgehalten wird, scharfe Zurückweisung erfahren müssen:

«Wir fordern die Organisatoren des ZFF dringend auf, die Reputation des Festivals nicht durch die Aufführung von «Russians at War» zu ruinieren. Das ist ein Propagandafilm, der Kriegsverbrechen weisswäscht. Wirkliche Russen sind Invasoren, Kriegsverbrecher und Vergewaltiger. Das zu überdecken macht jeden zum Komplizen.»

Dagegen hielt zunächst der pseudomutige Jungen, dass er sich auf ein «veritables Filmfest mit Substanz und Glamour» freue. Wer sich den Trailer der Dokumentation anschaut, sieht, dass es sich um alles andere als einen Jubel-Propagandafilm handelt. Er zeigt etwas, was ukrainischen Kriegsgurgeln und ihren dümmlichen Apologeten in der Schweiz nicht in den Kram passt: russische Soldaten als Menschen.

Am Donnerstagabend dann die Kehrtwende: «Die Sicherheit unseres Publikums, der Gäste, Partner und Mitarbeitenden steht für das ZFF an oberster Stelle.» Daher wird die Aufführung abgesagt, die angekündigte Podiumsdiskussion mit der Regisseurin, zu der auch der ukrainische Botschafter in der Schweiz eingeladen wurde, ebenfalls. Die Regisseurin wird nicht in die Schweiz reisen.

Das heisst also, dass die Leitung des ZFF einknickt, wenn Antidemokraten und Feinde der Meinungsfreiheit nur genug Lärm machen. Da hierzulande niemand den Film gesehen hat, kann keiner sich eine Meinung darüber bilden, ob es russische Propaganda sei oder nicht. Aber das ist nicht einmal entscheidend.

Entscheidend ist: in Russland und in der Ukraine herrscht Zensur. Kann von Meinungsfreiheit und freier Meinungsbildung keine Rede sein, werden oppositionelle Meinungen unterdrückt, auch mit drakonischen Mitteln. So hat das ukrainische Kulturministerium die Regisseurin Trofimova zu «einer Bedrohung der nationalen Sicherheit» erklärt. Echt jetzt?

In der Schweiz ist das anders. Im Gegensatz zur EU kann man hier auch Russia Today weiterhin empfangen, und das ist gut so. Wer mündige Staatsbürger für so blöd hält, dass sie sich von russischer Staatspropaganda einseifen liessen, sägt an den Fundamenten einer freien Gesellschaft. Wer einen Dokumentarfilm als «russische Propaganda» kritisiert, wie das auch Schweizer Journalisten tun, ohne ihn gesehen zu haben, ist ein Dummkopf und sollte die Lizenz zum Schreiben verlieren. Das wäre mal eine sinnvolle Zensur.

Immerhin schreibt die NZZ, deren Abgesandter nach Venedig den Film offenbar gesehen hat: «Dass sich das ZFF mithin gezwungen sah, die Filmvorführung zu streichen, ist erschreckend.»

Schon der ukrainische Botschafter in Deutschland benahm sich dermassen unmöglich, dass er von seinem Posten abberufen werden musste. Was sich hier die ukrainische Regierung erlaubt, ist ebenfalls unerhört und müsste sowohl vom ZFF wie auch von der Zürcher Regierung genauso scharf beantwortet werden.

Jungen ist es gelungen, den Ruf des ZFF mit leichter Hand zu ruinieren. An der Einladung eines Roman Polanski wird festgehalten, aber ein Dokumentarfilm wird zensiert, wenn genügend Rüpel dagegen protestieren, wenn es gar Drohungen gibt? Überlässt man also dem Pöbel die Entscheidung, was wir anschauen dürfen und was nicht?

Diese Drohungen richten sich nicht in erster Linie gegen das ZFF. Sondern gegen die Meinungsfreiheit. Feige einzuknicken, das ist unehrenhaft, unanständig und desavouiert Jungen als Windfahne ohne Rückgrat.

Nach dieser erbärmlichen Vorstellung müsste er eigentlich seinen Rücktritt erklären. Was er aber nicht tun wird. Das Publikum sollte sie eigentlich mit Buhrufen und Pfiffen quittieren und unter Protest den Saal verlassen. Was es auch nicht tun wird, denn dabei könnte man ja das Cüpli verschütten oder den Auftritt auf dem grünen Teppich versauen. Anstatt sich im Glanz von Hollywoodstars zu sonnen, sollte die Stadtpräsidentin Corine Mauch und jeder Politiker, der sich am ZFF rumtreibt, seine Missbilligung ausdrücken. Was keiner tun wird.

Und wo bleibt der Protest der mutigen Mannen (und Frauen) von Tamedia, vom «Blick», von CH Media?

Erbärmlich.

Die Heuchler vom ZFF

Schokolade? Läderach? Polanski?

Dass der Rohstoff für Schokolade in Westafrika unter Einsatz von Hunderttausenden von Kindern gewonnen wird, denen dadurch ihr Kindheit und ihre Zukunft gestohlen wird – na und?

Dass die dort gebraucht, missbraucht, geschlagen, misshandelt werden – na und?

Dass der Starregisseur Roman Polanski 2011 den Preis für sein Lebenswerk – überreicht vom sich geehrt fühlenden Zurich Film Festival – abholen durfte – claro. Zwei Jahr zuvor war er leider verhindert, er wurde am Flughafen Zürich verhaftet. Dumme, alte Geschichte mit einer Minderjährigen in den USA. Aber wie jubilierte die Festivalleitung: «Wir sind sehr stolz und geehrt, Roman Polanski nun endlich in Zürich empfangen zu können.»

Einmaliger Ausrutscher? Aber nein, 2017 besuchte Polanski nochmals das Festival, um Promotion für seinen Film «D’après une histoire vraie» zu machen. Wurde dagegen gemotzt, wies man darauf hin, dass die Anklage – und sein Schuldbekenntnis –, dass er mit einer 13-Jährigen Sex gehabt hatte, 1977 erfolgte. Also bitte, ausserhalb der USA längst verjährt, was soll das.

Was soll das? Die Übergriffe in einer evangelikanischen Schule liegen ebenfalls Jahrzehnte zurück und wurden durch eine von ihr selbst in Auftrag gegebene Untersuchung schon vor Jahren minutiös aufgearbeitet. Was bleibt, sind höchstens sich widersprechende Aussagen eines ehemaligen Zöglings vom Dok-Film von 2023, dass der ehemalige Boss von Läderach ihn körperlich gezüchtigt haben soll. Vor vielen Jahren. Was von diesem mit eidesstattlicher Versicherung bestritten und rechtlich verfolgt wird.

Seinem Sohn Johannes Läderach, dem aktuellen CEO und Besitzer, kann man so etwas nicht vorwerfen. Er hat sich zudem öffentlich von solchen Praktiken und auch von seinem Vater – und nicht zuletzt von dieser Sektenkirche – distanziert.

Von Polanski hat man nie ein Wort des Bedauerns oder der Reue über sein damaliges Verhalten gehört. Aber Polanski ist halt ein Starregisseur, in dessen Glanz sich das an Stars nicht gerade überreichlich gesegnet Festival sonnen möchte.

Selbst eine Verhaftung und wochenlanger Hausarrest im Fall Polanski hielt das Festival nicht ab, ihn nachträglich zu ehren und gerne nochmals zu empfangen. Niemand wäre bei ihm im Traum auf die Idee gekommen, hätte sich Polanskis Vater etwas zu schulden kommen lassen, deswegen die «Partnerschaft» mit ihm zu beenden.

Es ist unbekannt und unerheblich, ob sich der Boss des Festivals Christian Jungen tatsächlich aufgrund eines Anrufs dazu entschloss, den Dok-Film anzuschauen, danach lange nicht schlafen zu können und dann die Weisung erteilte, dass man nicht länger unbeeindruckt die Partnerschaft mit Läderach fortsetzen wolle, sondern sie in einer Kehrtwende beendete.

Wie auch immer, das ist feige und zeugt nicht gerade von intellektueller Stabilität, sondern von emotionalen Übersprungshandlungen.

Man stelle sich vor, am ZFF können keine Läderach-Schokolädeli verteilt werden, weil der Name doch mit solchen Qualen verbunden sei. Wie sensibel. Wären es Sprüngli Schokolädeli oder Läderach-Bruchschokolade ohne diese aufgewärmte Affaire gewesen, hätte es niemanden, zu allerletzt die Festivalleitung oder Jungen, gestört, wie dafür das Rohprodukt gewonnen wird. Schwarzafrikanische Kinder, Hunderttausende? Ach ja, die Welt ist ungerecht und Westafrika sehr, sehr weit weg.

Das ist eine scheinheilige Doppelmoral, wie sie die katholische Kirche auch nicht besser hinkriegt. Damit ist die Lust von ZACKBUM, an dieses Festival zu gehen, auf null gesunken.

 

La, La, Läderach

Wie schlägt sich Johannes Läderach im kleinen Orkan?

Klarer Fall für Krisenkommunikation. Es war ein Sturm mit Ansage. Spätestens, als die SRG Vater Läderach mit Vorwürfen konfrontierte, an der evangelikalen Privatschule «Domino Servite» habe es Gewalt gegen Zöglinge gegeben und gar einen Vergewaltigungsfall unter Schülern, wusste CEO Johannes Läderach, dass sich Gewitterwolken zusammenballten. Und konnte mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen.

Vergangenen Donnerstag schlug dann der Blitz ein, die Doku wurde ausgestrahlt. Inzwischen zählt das SMD (Stand Montagmittag) bereits 274 Treffer für das Stichwort Läderach. Natürlich sind sehr viele Doubletten dabei, weil die Schweizer Medienszene überwiegend aus Kopfblättern von Tamedia und CH Media besteht, in denen jeweils die gleiche Einheitssauce auf die Leser geschüttet wird.

Am Donnerstag vermeldete SRF die Resultate einer zweieinhalbjährigen Recherche. Darunter diese Aussage eines M.: «Er sei dabei gewesen, als Jürg Läderach seine Mitschüler mit seinem Gurt gezüchtigt habe, erzählt M, der anfangs 2000 auf dem «Hof Oberkirch» zur Schule ging.»

Dagegen steht: «Jürg Läderach dementiert. In einer eidesstattlichen Erklärung lässt er notariell festhalten, dass er «niemals Schülerinnen oder Schüler geschlagen oder anderweitig misshandelt habe»

Das ist die Ausgangslage. Unbestritten ist wohl, dass es in der Schule zu Schlägen und körperlichen Bestrafungen kam; wieweit Sexuelles dabei eine Rolle spielte, ist unklar. Umstritten ist hingegen, ob Läderach Senior selbst auch geschlagen hat, wobei zumindest klare Indizien darauf hinweisen, dass er von körperlichen Züchtigungen wusste.

Nun ist die Firma Läderach nicht irgendwer, sondern Arbeitgeber von rund 1800 Angestellten, laut Aussage des aktuellen CEO und Sohnes des im Feuer stehenden Läderach. Zwei Produktionsstandorte, weltweit 140 Läden, ein Schoggi-Museum in Bilten, für 50 Franken kann man eine geführte Tour inkl. Degustation, Schokoladenbrunnen und selbstdekorierter Schokolade buchen. Umsatz rund 180 Millionen Franken im Jahr. Ein Zwerg im Vergleich zu Lindt & Sprüngli (rund 5 Milliarden Franken Umsatz), aber immerhin.

Also ging es am Donnerstag los: «Happige Vorwürfe gegen Ex-Schoggi-König Jürg Läderach», titelte Tamedia flächendeckend. ««Kinder gezüchtigt»: schwere Vorwürfe gegen Chocolatier Jürg Läderach», echote der «Blick». Etwas gemässigter die SDA: «Vorerst keine Untersuchung von Christlicher Privatschule». Auch CH Media stimmt in den Chor ein: «Schwere Vorwürfe gegen Ex-Chocolatier Jürg Läderach: Auch er soll «Domino Servite»-Schüler gezüchtigt haben

Dann natürlich der Sektenexperte, Fragen nach der Auswirkung auf das Image, wie steht es mit der Partnerschaft mit dem Zurich Film Festival (ZFF). Eher ausgewogen neutral meldete sich die NZZ mit etwas Verspätung zu Wort: «Vorwürfe gegen Ex-Patron von Läderach».

Während das ZFF noch am Freitag tapfer zu Läderach stand, machte es am Samstag kehrtum und beendete die Zusammenarbeit mit der Schokoladenfirma.

Das war die Ausgangslage. Es war völlig klar, dass sich CEO Läderach zwischen zwei Optionen entscheiden musste, nachdem er in einer ersten Stellungnahme die Distanz zwischen Firma und Vater betont hatte und dass die dritte Generation Läderach «keinerlei Verbindungen zu der Kirche» mehr habe.

Entweder es dabei bewenden lassen, Kopf einziehen und abwarten, dass auch dieser Sturm – wie alle anderen auch – mal vorbeigehe. Oder offensiv werden und sich in der Sonntagspresse melden. Auch da ist die Auswahl sehr überschaubar. SonntagsBlick kam eher nicht in Frage, keine angemessene Plattform. NZZaS wäre natürlich eine Option gewesen, aber offensichtlich konnte man sich nicht über die Rahmenbedingungen einigen.

Also kam Rico Bandle von der SoZ zum Handkuss, das grosse Interview. Über die Entstehungsgeschichte, die Vereinbarungen und Absprachen ist natürlich nichts bekannt. Es war aber sicherlich nicht so, dass sich Bandle und Läderach bei einer Schokolade zusammensetzten, dann drückte er auf die Aufnahmetaste, und los ging’s. Dafür stand für Läderach zu viel auf dem Spiel.

Also wurden sicherlich die Themengebiete abgesteckt, die Grenzen der Veränderung bei der Autorisierung auch. Ob das Interview mündlich oder gleich schriftlich geführt wurde, weiss man auch nicht. Auf jeden Fall sind entscheidende Antworten von einer eleganten Glätte, die es fast ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein gestresster Läderach sie so druckfertig äusserte.

Am Samstag hatte noch Tamedia nachgelegt: «Läderach und der Reputationsschaden». Ein vermeintlich schlauer «Marketingexperte» gab Flachheiten zum Besten: «Es ist nun wichtig, dass Läderach proaktiv das Vertrauen bei den Kunden und Geschäftspartnern raschmöglichst wiederherstellt.» Wie er das anstellen soll – vielleicht mit Gratis-Schoggi für alle? – verrät das Marketing-Genie aber nicht.

Aus dem fernen Peru meldet sich Pensionär Alex Baur markig in der «Weltwoche» zu Wort: «SRF betreibt mit dem Läderach-«Dok» Kloaken-Journalismus übelster Machart.». Da ist ihm beim Schreiben etwas die Klobürste in den Weg gekommen.

Dann also Läderach im Interview. Der beste Satz: «Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Im Niveau etwas liefergelegt machte sich dann auch Reza Rafi, der Mikrofonhalter vom SoBli, so seine Gedanken. Er verwies auf den Fall der Pastamarke Barilla, deren Patron gesagt hatte, dass er niemals mit einem homosexuellen Paar einen Werbespot drehen werde. Er unterschätzte etwas den Aufschrei und musste zu Kreuze kriechen und viel Geld für Schadensbegrenzung ausgeben. Und einen Spot mit einem lesbischen Paar drehen.

Was hat das mit den aktuellen Problemen von Läderach zu tun? Genau nix. Macht nix.

Am Montag war das Thema immer noch so heiss, dass es über 50 Treffer für Läderach im SMD gibt. Es wird allerdings weitgehend an alter Schokolade gelutscht. Das ZFF stellt die Zusammenarbeit ein, der Läderach-Sohn büsse für angebliche Taten des Vaters, «Inside Paradeplatz» will wissen, dass er weiter «mit umstrittenem Vater» geschäfte.

Baur legt in der WeWo noch einen drauf: «Die von SRF befeuerte Cancel-Orgie tritt so ziemlich alles mit Füssen, was uns seit der Aufklärung heilig sein sollte. Sie setzt auf Sippenhaft, hetzt gegen religiöse Minderheiten und verstösst gegen die Unschuldsvermutung. Mehr Verlogenheit, mehr Doppelmoral ist kaum noch möglich.»

Gegen den Strom schwimmen muss nicht immer zielführend sein.

Der «Blick» zieht einen weiteren «Reputationsexperten» aus dem Hut: «Die Marke ist stark beschädigt.» Vielleicht, weil sie nicht «proaktiv» vorgeht. Woher er das wissen will, wie er das misst: das bleibt Amtsgeheimnis.

Geradezu brüllend komisch ist die Schlusspointe im «Blick»: «Bleibt die Frage, ob allein der zu erwartende Umsatzrückgang in der Schweiz reicht, damit sich die Firma klar und deutlich von den Ansichten und dem Verhalten der Familie distanziert.»

Abgesehen davon, dass sich der aktuelle CEO bereits überdeutlich von den Ansichten seines Vaters distanziert hat: die Firma gehört der Familie, bzw. CEO Johannes Läderach  …

Ob Schokoladessen schlau macht, Christian Kolbe?

Ach, und das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern, die in den Kakaofarmen in Westafrika schuften müssen, denen Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die misshandelt werden, auch missbraucht – in all den rund 300 aufgeregten Artikeln zum Thema kein Wort dazu. Das ist echt erbärmlich.