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Ringier! THE Place to be!

Journalismus in der Krise? Ach was. Zumindest Ringier ist ein «Great Place to Work®». Gibt’s denn Doppelgänger?

Endlich konnte Corporate Communication richtig in die Harfe greifen: Die Ringier AG sei «für ihre Arbeitsplatzkultur als Great Place to Work® ausgezeichnet. Mit diesem Resultat gehört die Ringier AG zu den besten Arbeitgeberinnen der Schweiz.»

Let’s dance, let’s work together, we can do it! Stimmungsbild von Ringier.

Alle sind glücklich. Der Mitbesitzer der Zertifizierungsbude: «Insgesamt sehen wir Ringier auf dem Niveau der besten Arbeitgeberinnen in der Schweiz! Damit hat Ringier eine beeindruckende Entwicklung bei der Zufriedenheit seiner Mitarbeitenden in den letzten Jahren vollzogen. Die Bewertungen des Vertrauens untereinander und der erlebten Fairness liegen weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Schweizer Unternehmen.» Tatä.

CEO Marc Walder ist auch glücklich: «Die Zufriedenheit und Akzeptanz unserer Mitarbeitenden ist für uns von zentraler Bedeutung. Wir haben hart gearbeitet, viel unternommen und angepasst, um diese zu steigern.» Tatö.

Natürlich ist auch der «Chief People Officer» glücklich: «Unsere Unternehmenskultur ist stark von einem persönlichen Miteinander geprägt – und das möchten wir aufrechterhalten.» Tatä, tatö.

Die Mitarbeiter sind sowieso glücklich.

«Zufriedenheit 87 Prozent, Trust-Index 76 Prozent.»

Das ergab die «anonyme Befragung» in erster Linie unter den Angestellten von Ringier Schweiz. Da soll noch einer sagen, Journalisten würden leiden. Die haben offenbar gelernt, einfach lautstark zu klagen. Dabei geht’s doch super. Spitze. Denn ab 65 Prozent beim «Trust-Index» gibt’s schon die «Zertifizierung Great Place to Work®».

Da müssen an Dufourstrasse wieder mal die Champagnerkorken geknallt haben; der Verkehr musste umgeleitet werden, weil zu viele glückliche, aber beschwipste Mitarbeiter auf der Strasse torkelten und tanzten.

Das hat sicherlich alle davon abgehalten, die Sache mal näher anzuschauen. Ein Zertifikat ist ja immer so gut wie sein Herausgeber. Das ist hier, Überraschung, die Firma «Great Place to Work». Auf ihrer Webseite wirft sie mit dem üblichen Geblubber um sich. «Ihre Arbeitskultur ist unsere Mission». Wunderbar. Als Medienschaffender wendet man sich für weitere Auskünfte natürlich an die Medienstelle.

Aber kein Great Place für Medienanfragen.

Zunächst wundert man sich, wieso die letzte PM von Anfang April stammt – 2019. Die Erklärung bekommt man sofort: der angegebene Medienkontakt «arbeitet nicht mehr für» die Bude, «Ihre Mail wird nicht weitergeleitet». Ob Ben Seiler den «Great Place to Work» doch nicht so great fand? Man weiss es nicht, aber immerhin wird eine Ersatzperson angeboten. Die arbeitet tatsächlich noch und antwortet sehr abstrakt auf konkrete Fragen.

Konkrete Fragen, sehr flauschige Antworten

Zum Beispiel:

«Es gibt wahrlich immer viel zu pflegen auf den Webseiten und wir werden den Kontakt für zukünftige Medienanfragen gerne aktualisieren.» Ach, nach 2,5 Jahren?

Frage: Ringier liege «weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Schweizer Unternehmen», welchen?

«Wir nutzen bei Great Place to Work® eine über Jahrzehnte entwickelte Methodik, um die Arbeitsplatzkultur und das Vertrauen in einer Organisation zu erfassen.» Gut zu wissen, war aber nicht die Frage. Ah, aber vielleicht so: Die Rückmeldung der Mitarbeiter liege «weit über einem repräsentativen Benchmark für die Schweiz (Per Markforschung erhoben, repräsentativ für die Bevölkerung über verschiedene Branchen)». Mark- und Beinforschung?

Aha; aber ein Medienunternehmen sollte wohl mit anderen Medienunternehmen «vergleichbar» sein, die fehlen aber in den Listen von der Great-Firma. Na und, da die Firma «pro Jahr mehrere Millionen Arbeitnehmende» befrage, weiss sie: «eine gute Arbeitsplatzkultur ist demnach keine Frage der Branche. Und die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in einem Medienhaus sind nicht grundsätzlich verschieden als in anderen Organisationen mit vergleichbarer Grösse.» Allerdings:

«In der Schweiz haben wir bisher tatsächlich kein anderes Medienhaus zerfitifiziert.» Ohä, wohl auch nicht zertifiziert.

Aber macht ja nix, nächste Frage: Ringier hat die «Certification only»-Untersuchung in Auftrag gegeben. Laut Eigenbeschreibung eignet sie sich «für Organisationen, die hauptsächlich an der schnellen Auszeichnung zum Great Place to Work® interessiert sind, nur wenige und oberflächliche Einblicke in ihre Arbeitsplatzkultur möchten». Wollte Ringier also nur wenige und oberflächliche Einblicke sowie eine schnelle Auszeichnung?

Aber nein, nein, natürlich nicht. «Der Erhalt einer Zertifizierung macht jedoch im Umkehrschluss keine Aussage dazu, in welchem Umfang wir mit einer Organisation zusammenarbeiten. Ringier möchte mit der Mitarbeitendenbefragung und Analyse einen umfangreichen Einblick und Ergebnisse für Teams und Einheiten erhalten um mit diesen Erkenntnissen weiterzuarbeiten – die Zertifizierung als Great Place to Work ist ein «Sahnehäubchen».»

Alles unklar? Wunderbar. Aber was genau untersucht wurde und was das gekostet hat? Da solle man sich doch an Ringier wenden.

Ringier antwortet noch flauschiger

Nur: leider verzichtet das Unternehmen auf die Beantwortung von 9 konkreten Fragen. Dafür gibt’s eine Kurzzusammenfassung der Jubel-PM, als ob man nur solche blöden Fragen stellen könnte, wenn man die nicht kapiert habe.

Auf jeden Fall sei das eine Super-Sache gewesen: «Das Group Executive Board hat gemeinsam mit HR unternehmensübergreifend Handlungsfelder definiert, die gemeinsam mit interessierten Mitarbeitenden in der nächsten Zeit schwerpunktmässig bearbeitet werden. Zudem setzt sich jeder einzelne Bereich mit seinem individuellen Befragungsergebnis auseinander.»

Wollten wir zwar alles nicht wissen, dafür schon, was denn bezahlt wurde, wie tiefschürfend denn die Befragung war, und dass die Medienseite der Zertifizierungs-Bude in einem jämmerlichen Zustand ist, das bewegt das Medienhaus Ringier auch zu keiner Bemerkung.

Ohne weder oberflächliche noch tiefschürfende Untersuchungen angestellt zu haben, muss ZACKBUM allerdings sagen:

  • «Great Place to Work»: Zertifikat zweifelhaft.
  • Ringier: Zertifikat fragwürdig.
  • ZACKBUM: nicht zerfitifiziert, aber great

Wenn das viel besser als der Benchmark in der Schweiz sein soll, obwohl man nicht weiss, wie der bei «vergleichbaren» Buden erstellt wird, muss es ja grauenhaft zu und hergehen. Ausserhalb von der Insel der Glücklichen, die bei Ringier arbeiten dürfen. Wenn wir das nächste Mal beim Pressehaus vorbeifahren, werden wir darauf achten, wie laut die Jubelchöre sind.

Die Freiheit, draussen bleiben zu dürfen

Ausweitung der Zertifikats-Pflicht? Warum nicht, sagen die Medien. In aller Staatsferne.

Der Bundesrat hat eine Verschärfung der Zertifikatspflicht in die Vernehmlassung gegeben. Kurz gesagt soll der Zutritt zu ziemlich allen öffentlichen Räumen, inklusive Restaurants, Fitness-Centers oder kulturellen Einrichtungen, nur mehr mit den 3G möglich sein. Also «getestet, genesen oder geimpft». Die Presseschau dazu ist erschreckend: nordkoreanische Verhältnisse in der Schweiz. Es werden zwar verschiedene Akzente gesetzt, aber nirgends, nirgends in den Mainstream-Medien steht auch nur ein kritisches, eigenes Wort.

Der NZZ muss man lassen, dass sie eine Position auf den Punkt bringen kann. So lautet der Titel ihres Kommentars:

«Lieber eine «Zweiklassengesellschaft» als einen Shutdown für alle».

Lieber schlimm als ganz schlimm, behauptet die NZZ.

Das ist zwar hübsch formuliert, aber ungefähr so sinnvoll wie die Gegenüberstellung: Lieber Griessbrei als eins in die Fresse. Denn völlig unlogisch ist, dass eine solche «Zweiklassengesellschaft» einen Shutdown verhindern könnte. Aber Logik war noch nie die Stärke der Medien, wenn es um das Thema Corona geht.

Die Presseschau fördert Bedenkliches zu Tage. Beginnen wir nach der NZZ mit dem anderen Ende des Spektrums, also mit «watson»:

«watson» hingegen nimmt’s ganz cool und wird bald ein Listical machen.

Arbeiten wir uns die Gratis-Medien hinauf:

«20 Minuten» sichtet zitternde Wirte. Schon selber einen gesehen?

Schlimm, wenn Boulevard nicht funktioniert, so wie bei dieser Schlagzeile. Andere sind da entspannter, wie zum Beispiel bluewin.ch:

Die grösste Plattform berichtet ganz nüchtern über die Ideen des Bundesrats.

Auch «nau.ch» beschränkt sich aufs Sachliche. Nun ja, der Beitrag ist direkt von der SDA übernommen:

Da weiss man, was man hat: nau.ch, alias SDA.

Wir kommen zum Organ mit dem Regenrohr im Logo, also zum «Blick»:

Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert, dekretierte der Chefredaktor.

Lässt immerhin die Wirte meckern: Tamedia.

Hier zittern keine Beizer, aber sie sind gespalten, die Armen.

CH Media ist sich uneins, da in St. Gallen eine Manifestation von Gegnern der Zertifikatspflicht stattfand.

Das «Tagblatt» kann sich nicht entscheiden, auf welche Seite es sich schlagen will.

Da sieht man wenigstens, wie jährlich 1,2 Milliarden Steuergelder sinnvoll verröstet werden, SRF gönnt sich einen Newsticker.

Schön, dass sich Experten niemals ändern.

Überhaupt nicht zittrig meldet sich hingegen die Standesorganisation GastroSuisse zu Wort und holt den grossen Suppenlöffel aus der Schublade:

«Verfassungswidrige Massnahmen»: GastroSuisse fuchtelt mit der Schöpfkelle.

Dabei geht es eigentlich nur um ein Stück Papier oder ein paar Pixel auf einem Smartphone-Bildschirm:

Am besten auf Mann (und natürlich auch Frau, Transgender und Non-Binär) zu tragen.