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Schmatzbude

So tief kann Qualitätsjournalismus noch sinken.

Yann Cherix ist «Redaktor des hintergründigen und einordnenden Reportagegefäss Seite 3 von Tamedia». Rettet des Genitivs gehört offenbar nicht dazu.

Auf jeden Fall «glaubt er an konstruktiven Journalismus». Das ist wunderbar. Und wie äussert sich das? «Wie ich mich gratis durch Davos ass», der Hammer. Die Recherche. Hintergründig, einordnend, einfach spitze.

«Der Autor hat alles durchprobiert», behauptet der Lead. Offensichtlich ist nicht nur bei Ideen Ebbe im Hause «Tages-Anzeiger», sondern auch das Spesenkonto ist leer. Denn: «Ich habe Hunger und hoffe auf Essen. Meine Möglichkeiten sind aber begrenzt, ebenso mein Wille zu investieren.»

Nun denn: «Lachs-Canapés, arabischer Kaffee, Safran-Madeleines, Bulgur mit Gemüse, heisse Schokolade, Sayadiya Rice, irgendwas mit Hirse, Pierogi, Wodka (polnisch), leichter Weisswein (aber aus, typisch Griechen), Momos».

Die Einordnung am Schluss: «Ich fühle mich überfressen, überzuckert – und schuldig

Einerseits ist es verständlich. Ans WEF geschickt werden, aber nirgends reinkommen und keiner will mit Dir reden (also keiner oberhalb von Security oder Kellner). Das ist natürlich bitter, dagegen muss Süsses ran.

«Savoy Truffle» von den Beatles war wenigstens noch lustig – und musikalisch. Aber ob Cherix das Werk von 1968 kennt? Wahrscheinlich nicht. Aber immerhin, er fühlt sich schuldig. Gegenüber den Lesern, hoffentlich.

Nun kostet ein Billett Zürich – Davos retour, 2. Klasse mit Halbtax, 59 Franken. Das ist heutzutage nicht nix im Elendsjournalismus, und dafür möchte die Chefetage schon Leistung sehen. Also zerbrach sich der Redaktor des Reportagegefässes den Kopf. Ein Wetterbericht aus Davos? Vielleicht doch etwas banal. Eine Beschreibung der luxuriösesten Karren beim WEF? Etwas eindimensional. Gespräche mit Polizisten, die sich die Beine in den Bauch stehen? Gab es schon. Ein kühner Versuch, ohne Berechtigung in die Sicherheitszone einzudringen? Keine gute Idee.

Aber wieso nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Statt zu McDonald’s, denn mehr läge sicher nicht auf Spesen drin, futtern wir uns doch mal durch die Pavillons. Und missbrauchen die Gastfreundschaft von Firmen und Ländern. Als Mitesser.

Ist das vielleicht originell. Lesern, die das nicht so lustig finden, gibt Cherix dann in der Kommentarspalte Saures. Schliesslich lässt er es an sanfter Kritik auch nicht mangeln: «Ich notiere: Saudiarabien – ein Land mit schwieriger Geschichte. Ein etwas bitterer Nachgeschmack. Aber kulinarisch ein sicherer WEF-Wert.»

Schwierige Geschichte? Schwierige Gegenwart; ein Herrscher, der einen Oppositionellen in der Botschaft des Landes zerstückeln lässt und seit Jahren einen blutigen Krieg im Jemen führt. Unterdrückte Frauen, eine absonderliche Spielart des Islam. Wenn man sich das so vorstellt, wenn man einen «Reis mit Meeresfrüchten» verzehrt, ohne sich zu fragen, was da vielleicht sonst noch verwendet wurde, oh je.

Ach, und dann noch den Vorteil des Internets ausgenützt. Denn der ursprüngliche Titel lautete: «Wie ich mich gratis durch Davos frass». Schön, dass (fast) niemand merkt, dass das noch schnell abgesoftet wurde. Denn zwischen fressen und essen besteht schon ein kleiner Unterschied. Aber wieso sollte den ein verfressener Journalist kennen …

PS: Nicht mal die Idee des abgründigen, äh hintergründigen Journalisten ist neu. Schon 2022 frass, Pardon, ass er sich im Saudi House gratis durchs Angebot. Launiger Text schon damals: «Natürlich ist hier der Mord am Journalisten Kashoggi kein Thema … Im Davoser Saudi-House soll es aber leicht bleiben. Und fröhlich.» War damals schon echt widerlich, ist es in der Wiederholung erst recht.

Bildbetrachtung

Besserwisser Yann Cherix liest dem Bundespräsidenten die Leviten.

Cherix leitete einige Jahre den «Züri Tipp» und ist laut Selbstbeschreibung so: «Surft, tschuttet und glaubt an konstruktiven Journalismus.» Das ist wunderbar, und normalerweise äussert sich Cherix zu solchen welterschütternden Ereignissen:

Aktuell sieht Cherix aber ganz anderen Handlungsbedarf; er versucht sich an einer Bildbetrachtung:

Da muss nun Cherix den Aussenminister scharf rügen: «Cassis’ Fotopanne mit Lawrow». Himmels willen, hat unser Bundespräsident dem russischen Aussenminister die bedingungslose Kapitulation der Schweiz angeboten? Die Aufhebung aller Sanktionen? Hat er ihm gar das Matterhorn geschenkt?

Nein, aber er hat doch tatsächlich die Hand seines russischen Kollegen geschüttelt. «Der Fehlgriff – für alle sichtbar. Und das ausgerechnet am Tag der russischen Teilmobilmachung und Putins Atomkriegsdrohungen. Andere wie die Deutsche Annalena Baerbock zeigten Lawrow in New York die kalte Schulter

Baerbock ist ja auch eher Kriegs- denn Aussenministerin («Deutsche Panzer für die Ukraine»). Aber dann setzt Cherix zu einem merkwürdigen Eiertanz an: «Doch Ignazio Cassis hat durchaus Gründe, den russischen Amtskollegen zu treffen.» Denn die Schweiz wird bekanntlich nächstes Jahr Mitglied im UNO-Sicherheitsrat, da liessen sich solche Treffen nicht vermeiden, räumt Weltpolitiker Cherix ein. «Aber es ist eben oft so: Der Neuling ist übermotiviert. Die Hand, das Lächeln. Das ist zu viel. Das wurde vom alten Kämpfer Russland geschickt ausgenutzt.»

Das kann man allerdings auch von Cherix sagen. Der hält nun gnadenlos Gericht über Cassis: «Warum hat sich die Schweiz im Bilderkampf übertölpeln lassen?» Diese Frage muss Cherix allerdings im Raum stehen lassen, dafür weiss er: «Die UNO in New York ist eine grosse Bühne, im Fokus der Weltöffentlichkeit. Das hätte Cassis’ Delegation antizipieren müssen

Es ist halt immer blöd, wenn Cherix gerade im «Paradies für Freestyle-Sportler» unabkömmlich ist und leider keine antizipierenden Ratschläge erteilen kann.

Daher gibt es nur einen dringenden Rat an das EDA: bevor Cassis das nächste Mal jemanden die Hand schüttelt, muss unbedingt Cherix konsultiert werden. Nur er kann verhindern, dass sich unser Neuling im wahrsten Sinne des Wortes eines Fehlgriffs schuldig macht, sich übertölpeln lässt. Andeutungsweise lächelt, statt dem russischen Aussenminister die kalte Schulter zu zeigen. Vor ihm auszuspucken. Den Handschlag demonstrativ zu verweigern.

Also wenigstens in die Hand kneifen hätte er ihn können. Den Krawattenknoten lockern. Die Haare verwuscheln. Oder was auch immer Cherix als Alternative eingefallen wäre. Wir hoffen allerdings doch, dass dem Schweizer diplomatischen Dienst dieser Neuzugang erspart bleibt, wenn es bei Tamedia die nächste Sparwelle gibt.

Allerdings findet Cherix in einem Dummschwätzer seinen Meister. SP-Nationalrat Fabian Molina, der Mann, der prinzipiell schneller spricht als denkt, ist mit einem vernichtenden Urteil zur Hand: «Mit dem lächelnden Händedruck hat Cassis alle Bemühungen zerstört.» Molina frage sich, «wie die Entourage von Cassis diesen PR-Gau zulassen konnte.» Das Bild spiele Russland in die Hände und «schadet dem Ansehen der Schweiz massiv», zitiert ihn nau.ch.

ZACKBUM fragt sich hingegen, wie Molina selbst in eigener Sache diesen GAU zulassen konnte:

Ein Politiker-Rüpel an einer unbewältigten Demo, umgeben von schwarzbekleideten Linksautonomen. Aber damit schadet er nur seinem eigenen Ansehen massiv.