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Credit Suisse: schöntrinken?

Wie man bänglich auf Banglisch kommuniziert.

Es ist eine allgemeine Unsitte geworden, schlechte Nachrichten so aufzuhübschen, dass am Schluss das Wording, die Kommunikation des Absenders kaum noch etwas mit der Realität zu tun hat.

Dabei sind so wunderliche Ausdrücke wie «negatives Wachstum» für Rückgang entstanden. Ganze Horden von Sprachschnitzern sind damit beschäftigt, aus betrüblichen, peinlichen, schlechten und schlimmen Nachrichten etwas zu basteln, das den Verantwortlichen für ein Desaster oder Schlamassel wie Öl runtergeht.

Beim Publikum hingegen unverständiges Kopfschütteln auslöst. Insbesondere Finanzhäuser sind berühmt-berüchtigt dafür, sich das Orchester auf der Titanic als Vorbild zu nehmen. Das spielte bekanntlich beruhigende Weisen, bis der Dampfer in die Tiefe rauschte.

Bei der Credit Suisse ist, gelinde formuliert, Feuer im Dach und Wasser im Maschinenraum. Dieser Zustand scheint aber in der Bonusetage und auf der Kommandobrücke nicht wirklich angekommen zu sein. Oder vielleicht schon. Das ist zumindest für die Aktionäre und Stakeholder der CS zu wünschen. Denn wenn dort alle rosarote Brillen tragen würden, wäre das fatal.

Allerdings lässt die CS keine Gelegenheit aus, in ihrer Kommunikation einen Spalt zwischen Wordings und Wirklichkeit aufklaffen zu lassen, den früher höchstens Triumphmeldungen sozialistischer Parteimedien hinkriegten.

Nehmen wir zum Vergleich einen der letzten Überlebenden dieser unsäglichen Tradition, das Zentralorgan der Kommunistische Partei Kubas:

Das ist die Frontseite der einzigen legalen Tageszeitung auf der letzten Insel des Sozialismus. «Das Epos der Granma, oder das Bollwerk der nationalen Verteidigung», bollert der Titel über der Fotomontage, die an längst vergangene Heldentaten erinnert. Rechts davon behauptet der Präsident Kubas, 2023 müsse ein «besseres Jahr» werden. Darunter wird die «Stärke der Verbindungen zwischen Russland und Kuba demonstriert», und schliesslich wird der «Wiederaufbau von Behausungen als wichtigste Herausforderung» nach einem längst vergangenen Wirbelsturm erklärt.

Für die Kubaner ist zu hoffen, dass 2023 besser wird. Denn dieses zu Ende gehende Jahr zeigte schmerzlich, dass die korrupte und unfähige Führungsclique auch nach 64 Jahren an der Macht nicht in der Lage ist, fundamentale Bedürfnisse wie Strom- und Wasserversorgung zu befriedigen, die Bereitstellung von genügend Lebensmitteln, die Erhaltung der Infrastruktur, medizinische und schulische Versorgung sicherzustellen.

Die Kummer gewohnten Kubaner leiden wie kaum zuvor; selbst der período especial, euphemistische Umschreibung für die schwere Wirtschaftskrise nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers, hat die Bevölkerung nicht so schwer getroffen wie alle Mängel im Jahr 2022.

Daher regen sich die meisten Kubaner nicht einmal mehr über die Schönfärbereien in diesem Blatt auf.

Etwas anders sieht es allerdings bei der CS aus, denn die hat nicht die Lufthoheit über die Interpretation ihres Zustands.Die Selbstschau könnte das allerdings problemlos in einer Banken-«Granma» erscheinen.

Während der Aktienkurs unterhalb jeglicher Peinlichkeitsschwelle auch noch die Limite von 3 Franken nach unten durchschlagen hat, die geplante Kapitalerhöhung zumindest gefährdet ist, rote Zahlen die Quartalsergebnisse begleiten, ist ein besorgniserregender Abfluss von Kundengeldern im Gange.

Im Paralleluniversum der CS-Kommunikation ist dagegen von einer «Stabilisierung» der Kundenabflüsse die Rede, was immer das bedeuten mag. Dazu behauptet der Schweiz-Chef André Helfenstein in Wohlfühlen-Interviews, dass «nur sehr wenige Kunden ihre Konten wirklich geschlossen» hätten. Also nur unwirklich? Sein Präsident Axel Lehmann geht sogar noch einen Schritt weiter und fantasiert in der «Financial Times» davon, dass sich die Abflüsse inzwischen schon wieder «umgekehrt» hätten, sie seien sowieso nur durch ein Stürmchen in den Social Media verursacht worden.

Realität ist: alleine im Wealth Management hat die CS in sechs Wochen über 63 Milliarden Franken Kundenvermögen verloren, ein Aderlass von 10 Prozent. Auf Konzernebene sind es gar 84 Milliarden. Laut den jüngsten erhältlichen Zahlen; aktuelle Auskünfte will die Bank nicht erteilen.

Lehmann spricht auch von einer «fantastic Franchise», was immer das bedeuten mag. Insbesondere, nachdem eine Gewinnwarnung vom Donnerstag klares Indiz dafür ist, dass das Wealth Management auch im vierten Quartal rote Zahlen schreiben wird.

Während der Schönsprech der Bank fabuliert, dass es wenn schon vielleicht ein paar kleine Probleme im Investmentbanking geben könnte, zeigt sich hier, dass diese paar kleinen Probleme längst auch auf andere Abteilungen übergegriffen haben.

Mindestens so abgehoben war die Kommunikation über eine Kapitalerhöhung. Als der normalerweise stockseriöse Nachrichtendienst Reuters von einer kommenden Kapitalaufnahme berichtet hatte, dementierte das die CS via einen grossen Artikel in der «NZZ am Sonntag». Das Blatt muss sich nun in den Hintern beissen, denn nur drei Wochen später kündigte die CS eine Kapitalerhöhung um 4 Milliarden an.

Damit nicht genug, auch hier harzt es. Ein grosser Batzen davon ist von arabischen Scheichs garantiert, aber einen weiteren Teil will die CS beim Publikum und bei bestehenden Aktionären aufnehmen. Dafür bietet sie Bezugsrechte bei einem Kurs von Fr. 2.52 an. Wäre doch eigentlich was. Aber der Kurs der Aktie fällt von Tiefststand zu Tiefststand, wodurch sich die Nachfrage nach solchen Bezugsrechten, die bei Nichtgebrauch verkauft werden können, in überschaubaren Grenzen hält.

Das wiederum bedeutet, dass immer mehr potenzielle Käufer daran zweifeln, oben der Kurs der Aktie zukünftig über 2.52 bleiben wird.

Die Bank hat also auf ihre Art ähnliche Probleme wie das kubanische Regime. Die objektive Lage ist bedrohlich, beunruhigend und unbefriedigend. Normalerweise führt das im Sozialismus dazu, dass die triste Wirklichkeit bunt angemalt und als fantastisch beschrieben wird, wobei es zugegebenermassen vielleicht noch ein bisschen besser werden könnte.

Normalerweise führt das im Kapitalismus dazu, dass die Führungsetage mit ernster Miene den Ernst der Lage einräumt und energische Massnahmen ankündigt. Dabei selbstverständlich auf jeglichen Bonus verzichtet, denn das wäre doch etwas obszön.

Aber genau wie die kubanischen Mitglieder der obersten Führungsetage sogar vorübergehende Probleme bei der Lebensmittelversorgung einräumen, dabei aber ungeniert dicke Bäuche vor sich herschieben, räumt die Chefetage der CS vorübergehende Probleme ein und kassiert weiterhin Topgehälter plus Bonus.

Das ist so unverdient wie demotivierend für alle, die unter dem kubanischen Regime oder der Führungsclique der CS zu leiden haben. Eine Auswechslung wäre dringend geboten. Aber der Leidensdruck der kubanischen Bevölkerung und der CS-Aktionäre ist offenbar noch nicht hoch genug.

Man fragt sich allerdings, wann es beiden mal reicht …

Alles so schön bunt hier …