Hoch lebe Meyer
Hätte ZACKBUM auch nicht gedacht. Aber wir sind fair und objektiv.
Eigentlich gehört Frank A. Meyer, das Hausgespenst des Ringier Verlags, zu den Unkommentierbaren bei ZACKBUM. Aber wer sein Interview liest, das er Michèle Binswanger gegeben hat, kommt nicht umhin, den Hut vor dem 80-Jährigen zu ziehen. Da formuliert er konzis, schlagend und mit messerscharfem Intellekt wie zu seinen besten Zeiten.
Daher ein kleines Best of:
«An einer Bauerndemonstration in Berlin wandte sich jüngst ein Landwirt gegen Leute, «die noch nie gearbeitet und noch nie geschwitzt haben». Er meinte damit jene linksgrüne, elitäre Akademikerschicht, die sich der Sozialdemokratie bemächtigt hat. In der Schweiz geben Cédric Wermuth und Mattea Meyer den Ton an, sozial beflissene Funktionäre, aber eben keine Genossen aus der Arbeiterschaft, weder Pfleger, Maurer noch Schreiner. Das ist das Problem: Erst wenn die Arbeiterbewegung wieder die Bewegung der Arbeiter ist, verschwindet der Rechtspopulismus, der von der Vortäuschung lebt, den Willen des einfachen Volkes zu vertreten.»
«Die linksgrüne Akademikerkaste schafft einflussreiche und einträgliche Positionen für sich und ihre Klientel. In Deutschland gibt es zum Beispiel über 170 Gender-Professuren, überall wimmelt es von NGOs, die heute ja weitgehend subventionierte Regierungsorganisationen sind. Der Aufstieg des Rechtspopulismus ist eine Reaktion auf diese veränderten Herrschaftsverhältnisse bei der Linken.»
«Das aktuelle Beispiel ist der Antikolonialismus der Wokeness-Ideologen: Sie gliedern den Holocaust ein in die Verbrechen des Kolonialismus – und bestreiten damit die Einzigartigkeit des millionenfachen Judenmordes durch die Nazis. Die Gaskammern werden zu einem Ereignis der Kolonialgeschichte – zu einer Untat untervielen. Gleichzeitig wird die Anschuldigung erhoben, auch Israel sei eine weisse, westliche Kolonialmacht und begehe Genozid an den Palästinensern. Der antisemitische Reflex gehört zur Wokenessbewegung wie die reaktionäre Cancel-Culture, die heute durch die Universitäten geistert, von Basel über Berlin bis Princeton und Harvard. Es ist der Versuch der kulturellen Machtergreifung durch ein Akademikermilieu, das sich links nennt, aber rechtsautoritären Aktivismus betreibt.»
«Der Streit ist doch unser Lebenselement – das müsste man meinen. Wenn das zutrifft, dann ist das auch unsere historische Stunde: die Stunde der Streitfreude – das Gegenteil von Anpassung und Korrektheit.»
Auch da, wo er irrt, tut er es mit Verve:
«In dieser Situation können wir nur eines tun: der Ukraine Waffen liefern. Sie muss die Russen so lange bekämpfen, bis sie aufgeben. Dieses Land kämpft um seine Freiheit – und diese Freiheit ist auch unsere Freiheit, denn sie ist unteilbar. Die Ukrainer haben den Westen besser begriffen als der Westen sich selbst.»
Aber wie er seine Rolle bei Ringier beschreibt, das hat dann wieder etwas fast Genialisches:
«Natürlich hatte ich Einfluss. Nicht Macht. Macht hat ein Pflichtenheft. Einfluss ist fliessend, wie es das Wort ja schon zum Ausdruck bringt. Sobald man über Einfluss spricht, schwindet er. Deshalb habe ich nie darüber gesprochen. Und natürlich bestimmte ich nichts, was mir nicht zukam. Ich mischte mich auch nicht ungebührlich ein. Ich war einfach da.»
ZACKBUM hätte auch nie gedacht, dass wir einmal schreiben: schön, dass er noch da ist.