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Analytiker Hossli

USA, das kann er. Meint der Leiter der Journalistenschule.

Mit dieser Position sollte eine gewisse Vorbildfunktion verbunden sein. Nichts gegen Peter Hossli, aber ob er diesem Anspruch wirklich gewachsen ist?

Zunächst meldete der «Blick» noch nachrichtlich:

Das oberste Gericht des Bundesstaats Colorado nahm einen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg stammenden Verfassungszusatz zum Anlass, Präsidentschaftskandidat Donald Trump von den Vorwahlen auszuschliessen. Dieser 14. Zusatzartikel bestimmt, dass niemand ein öffentliches Amt ausüben darf, der einen Eid auf die Verfassung ablegte, sich dann aber an einem Aufstand beteiligte. So wie das Trump bei der Stürmung des Capitols getan haben soll.

Da Colorado ein ziemlich sicher demokratisch wählender Bundesstaat ist, würde selbst ein Nichtantreten Trumps keine gröberen Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen (oder die Vorwahlen innerhalb der republikanischen Partei, wo er haushoch führt) haben.

Aber das Urteil ist ein Triumph für die Trump-Gegner, die mit ähnlichen Klagen bereits in Michigan und Minnesota gescheitert waren.

Nun soll Boulevard etwas kreischiger und ruppiger sein als die gehobene Zeitung. Allerdings soll der «Blick» gar nicht mehr Boulevard sein, dekretierte seine oberste Verantwortliche. Ob Hossli das mitgekriegt hat?

Das nennt man üblen Konjunktiv- oder Vermutungsjournalismus. Das Urteil bedeutet sicher nicht eine Wende bei der US-Wahl, aber es «könnte». Denn ohne dieses Modalverb würde die ganze «Analyse» wie ein Soufflé zusammenfallen. Das ist Journalismus im Stil: Ich könnte im Lotto gewinnen, wenn ich sechs Richtige hätte. Oder: Wenn meine Oma Räder hätte, wäre sie ein Fahrrad.

Aber das ist die Voraussetzung fürs Aufblasen des Soufflés:

«Hat Donald Trump (77) einen Putsch angezettelt? Diese Frage dürften schon bald Amerikas oberste Richterinnen und Richter behandeln. Sagen sie mehrheitlich Ja, kann Trump nie mehr ein öffentliches Amt bekleiden. Sagen sie Nein, hat der ehemalige Präsident gute Chancen, erneut ins Weisse Haus einzuziehen.»

Faktencheck ist dabei Hosslis Sache auch nicht so: «In Michigan ist eine Klage noch hängig.» Nö, ist sie nicht; abgeschmettert.

Peanuts, aber dann pumpt Hossli weiter: «Geht er in Berufung, erhalten die US-Wahlen eine Wende, bevor eine einzige Stimme abgegeben worden ist. Wie im Jahr 2000 hätten neun Richter mehr Macht über das Wohnrecht im Weissen Haus als die rund 170 Millionen amerikanischen Wählerinnen und Wähler. Heisst das Gericht das Urteil von Colorado gut, wäre Trump in allen 50 Bundesstaaten von politischen Ämtern gesperrt

Kühne Interpretation, denn das Oberste Gericht der USA müsste im Fall einer Berufung ja nur entscheiden, ob das Urteil von Colorado Bestand hat oder nicht. Das gälte natürlich nicht automatisch für alle anderen Bundesstaaten.

Auch Hossli selbst ist da nicht ganz verfassungssicher:

«Lehnen die Richter in Washington die Berufung ab, wäre Trump nur in Colorado von den Vorwahlen ausgeschlossen

Also was denn nun? Lehnt das Gericht seine Berufung ab und stützt damit das Urteil von Colorado, wäre er dann nur dort oder überall von den Vorwahlen der Republikaner ausgeschlossen?

Hossli gibt allerdings sowieso Entwarnung: «Auf die dortigen Stimmen wäre er nicht angewiesen, um Kandidat der Republikaner zu werden.»

Wir fassen die Analyse zusammen. Dieses Urteil könnte eine Wende bedeuten. Trump könnte von den Vorwahlen in Colorado ausgesperrt bleiben. Ausser, er geht in Berufung. Dann könnte er in allen Bundesstaaten allenfalls nicht antreten. Oder nur in Colorado nicht. Oder so. Oder anders. Oder who cares.

Dieses Urteil bedeutet wohl keine Wende im US-Vorwahlkampf. Aber es hat immerhin einen wendigen Artikel provoziert. Vielleicht sollte der einfach als Anschauungsmaterial für die Journalistenschüler dienen. Um auch Konjunktiv-Journalismus zu betreiben, nach der Devise: seht Ihr, liebe Eleven, so sollte man das nicht machen. Immer schön die Fakten checken, keinen Vermutungs- oder Konjunktivjournalismus betreiben, sich nicht selbst widersprechen.

Das wäre eine gute Idee, vermutet ZACKBUM. Aber vielleicht sollte man sie nicht publizieren.

Wumms: Michael Hermann

Die Mietmeinung lästert mal wieder bei Tamedia.

Der «Geograph und Politwissenschaftler» ist eine der beiden Allzweckwaffen, wenn es darum geht, vorgefassten Meinungen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben.

Dass Hermann direkt von Staatsaufträgen abhängig ist und daher keinesfalls in völliger Unabhängigkeit zu seinen Meinungen gelangt: was soll’s. Zu seinen regelmässigen Auftraggebern gehören Ämter, die SRG, die Bundesverwaltung und – das BAG.

 

Zu solchen Themen hat er bereits völlig «unabhängig» das gesagt, was seine Auftrraggeber hören wollen. Nun widmet er sich dem Thema Ukraine. Da stellt er das «alte» Europa dem «neuen» gegenüber.

Wie unterscheiden sich die beiden? «So stellte sich Deutschland damals unter Kanzler Schröder mit viel Courage den amerikanischen Kriegstrommeln entgegen. Und dasselbe Deutschland hadert nun kleinmütig mit der Lieferung schwerer Waffen zur Selbstverteidigung der Ukraine. Der Irak-Held Schröder ist als Putins Vasall zu einer der jämmerlichsten Figuren des Westens geworden.»

Das widerspiegelt sich auch in Hassfiguren von Hermann, denen er mutig die Leviten liest:

«Wir brauchen die Gabe, situativ zu handeln, statt in den immer gleichen Reflexen zu verharren. Zu verharren wie jene, die sich stets von der dunklen Seite der Macht angezogen fühlen, wie Roger Köppel, der den amerikanischen Angriff auf den Irak begrüsste und nun Verständnis für Putin aufbringt. Oder wie die demonstrativ Friedliebenden – zum Beispiel Alice Schwarzer oder Jürgen Habermas –, die sich 2003 mit heller Empörung gegen den amerikanischen Imperialismus stellten und nun im Angesicht des russischen Imperialismus zu Zurückhaltung mahnen.»

Was will uns der «Geograph und Politwissenschaftler» damit eigentlich sagen? Schröder war damals sein Held, heute sei der jämmerlich. Köppel fühle sich von der dunklen Seite der Macht angezogen, als sei Publizistik eine Betätigung im Rahmen der «Star Wars»-Serie.

Mit dem nötigen wissenschaftlichen Ernst begegnet Hermann auch Intellektuellen wie Schwarzer oder Habermas. Letzterer ist nun wirklich ein Wissenschaftler, beide haben Gedankengebäude errichtet, in denen sich Hermann heillos verlaufen würde, wenn er überhaupt Zugang fände.

Es wäre ein Ausdruck intellektueller Redlichkeit, Kritik unter Verwendung der Argumente der Kritisierten zu üben. So viel Respekt könnte man eigentlich erwarten, wenn sich jemand Geistesriesen wie Habermas vorknöpft.

Dabei fällt es Hermann nicht einmal auf, dass er sich selbst widerspricht. Er fordert situative Flexibilität statt «immer gleiche Reflexe». Aber genau das stellen die von ihm Angeschnauzten doch unter Beweis. Aber für die leichte Krawallerie, in der Hermann reitet, sind solche Gedankengänge unerreichbar.

Um auf Niveau zu kritisieren, müsste man eines haben, und das ist genau das Problem von Hermann. Sein intellektueller Unterbau reicht lediglich für Wadenbeissereien. Eigentlich müsste ein seriöses Blatt eine solche Kolumne als gewogen und zu leicht befunden zurückweisen. Aber solche Entscheidungen wurden gefällt, als der Journalismus noch nicht zum Jekami verkommen war und die Bedienung der Meinungen der eigenen Klientel nicht das einzige Kriterium für Publizistik.