Erregungsbewirtschaftung
Hurra! Nordkoreaner dürfen jetzt Pornos schauen – in Russland.
Von Felix Abt*
Die westlichen Medien sind genauso erregt wie die nordkoreanischen Soldaten, weil sie in Russland in den Genuss von Pornos kommen und so erleben können, wie geil die Freiheit ist.
Die Nordkoreaner sind an die allgegenwärtige Propaganda in ihrem Land gewöhnt und durchschauen sie, weil sie leicht zu durchschauen ist.
Im Westen ist die Propaganda weniger aufdringlich, aber ebenfalls allgegenwärtig.
Die Medienkonsumenten im Westen glauben wirklich, dass sie gut informiert sind, weil sie die subtilere und raffiniertere Propaganda nicht erkennen können. Das ist nicht verwunderlich, denn die Propaganda im Westen ist tatsächlich viel schwerer zu durchschauen als in Nordkorea. (In diesem Zusammenhang empfehle ich dieses Video-Interview mit einem deutschen Journalismus-Veteranen, der sehr gut erklärt, wie Propaganda hierzulande betriebent wird).
Nehmen wir also das Beispiel der pornohungrigen nordkoreanischen Soldaten. Westliche Medienkonsumenten glauben zu wissen, dass Nordkorea von der Aussenwelt abgeschottet ist, weshalb Pornos, die dort verboten sind, gar nicht erst ins Land gelangen können, abgesehen davon, dass der Besitz und Konsum von Pornos eine sofortige Abschiebung in den Gulag oder eine sofortige Hinrichtung zur Folge hätte.
Ich habe sieben Jahre in Nordkorea verbracht und mit unzähligen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und aus städtischen und ländlichen Gebieten zu tun gehabt, und ich war überrascht, wie gut sie über die Aussenwelt informiert waren. Sie wussten viel mehr über andere Länder als die Menschen im Westen über Nordkorea.
Westliche Medienkonsumenten erfahren, dass die Grenzen vom „bösen Diktator“ im Eremitenreich hermetisch abgeriegelt wurden und wissen nicht, wie durchlässig sie sind. Sie wissen auch nicht, dass hunderttausend Nordkoreaner in China arbeiten und dass jedes Jahr Tausende ein- und ausreisen. Schon vor zwanzig Jahren zirkulierten südkoreanische Dramen, Hollywood-Filme und Pornografie auf USB-Datenträgern in Nordkorea. Sie alle kamen über China ins Land. Und wenn man damals einen Nordkoreaner glücklich machen wollte, schenkte man ihm einen leeren USB-Stick, weil er schon wusste, wie man ihn füllt. Wenn ich Nordkoreaner fragte, ob sie jemals Pornografie gesehen hätten, antworteten sie oft mit einem schallenden Lachen und dachten: „Wie können diese Westler nur so naiv sein!“
*Felix Abt ist der Autor der Bücher „A Capitalist in North Korea: My Seven Years in the Hermit Kingdon“ und „A Land of Prison Camps, Starving Slaves and Nuclear Bombs?”. Sein Amazon-Autorenprofil finden Sie hier.