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Die WeWo dreht auf

Roger Köppel weiss, was antizyklisch bedeutet.

Ganze 218 Gramm bringt die aktuelle Ausgabe Nr. 33 der «Weltwoche» auf die Küchenwaage. Für das Gewicht eines anständigen Entrecôtes legt man am Kiosk 9 Franken hin.

Eigentlich könnte man den Kalauer wagen «frisch gestrichen». Aber der wäre etwas irreführend. Denn die WeWo ist tatsächlich grafisch neu aufgemöbelt worden. Allerdings mit Anleihen an das im Archiv vorhandene Mobiliar, und das ist gut so.

Die WeWo kommt klassischer daher, eleganter, arbeitet mit Freiraum und nur dezent eingesetzten Bildern oder Illustrationen. Da sie ein Blatt des Wortes ist, macht auch das völlig Sinn.

Der Heftumfang ist eine erste Ansage

Aber sie hat sich nicht nur aus dem eigenen Archiv bedient. Natürlich will jedes Wochenmagazin, das etwas auf sich hält, auch ein paar Anleihen beim New Yorker oder dem Atlantic machen. Hier ist es die Marotte des New Yorker, über das ganze Heft kleine Cartoons zu verstreuen, Witzzeichnungen, die ja nicht den geringsten Zusammenhang mit dem sie umgebenden Artikel haben dürfen.

Kann man machen, muss man nicht machen. Aber, das Heft umfasst 82 Seiten, und wenn das nicht nur den Gratulationsinseraten geschuldet ist, ist das schon mal die erste Ansage, die über Formales hinausgeht. Also frisch gestrichen und ausgebaut. Ein klares Signal in den Jammer- und Elendsjournalismus hinein.

Es ist nicht das einzige. Neben einem neuen Design verspricht der Herausgeber, sicher in enger Absprache mit dem Besitzer und dem Chefredaktor, «mehr Kultur und neue Autoren». Ausserdem soll auch eine gute Portion gute Laune mit an Bord sein. Das ist lobenswert, denn manchmal kam die WeWo doch etwas verkniffen daher, vor allem, wenn sie in den politischen Infight geht.

Köppel als Trüffelschwein des Journalismus

Aber, das war und ist das Wichtigste, die WeWo ist ein Autorenblatt. Nur wenige bornierte Autoren wollen auf keinen Fall in diesem Magazin erscheinen und fürchten Köppel und seine Mannschaft als die dunkle Seite der Macht, der man sich ja nicht hingeben dürfe.

Und hier hat Köppel mal wieder einen guten Treffer gelandet. Er holte sich schon von der «Basler Zeitung» die beiden quirligsten Schreiber, als das Blatt Bestandteil des Einheitsbreis aus dem Hause Tamedia wurde. Und nun kann er stolz die Verpflichtung von Daniel Weber vermelden.

Der ehemalige Chefredaktor von NZZ Folio figuriert neu als Herausgeber von mindestens zwölf Seiten Literatur und Kunst. Unterstützt wird er dabei neu vom Jungredaktor Anton Beck. Als hätte der Zufall die Feder geführt, startet Weber den neuen Kulturteil gleich mit einer Rezension des biografischen Gewaltswerks über Karl Kraus. Der mit seiner «Fackel» bis heute das unerreichte Mass aller Dinge ist, wenn man sich nicht einfach als Handwerker versteht. Musik, Kino, Kunst und Klassik, ein starkes, neues Stück in der WeWo.

Auch das Gefäss «Leader» wurde wiederbelebt, ein Dossier für Führungsfragen. Schliesslich auch mehr «Leben heute», also Anregungen für Genuss und Spass im Konsumrausch.

Es ist und bleibt ein Autorenblatt

Treu bleibt sich die WeWo mit ihrer Fähigkeit, den richtigen Autor fürs Thema zu finden und zu überzeugen.

Daher ist es völlig klar, dass nur Peter Rothenbühler über den Wechsel des Anchorman des Westschweizer Fernsehens nach Paris schreiben sollte. Jan Fleischhauer ist der richtige Mann für ein Porträt von Markus Söder. Nur Thilo Sarrazin kann in eigener Sache über seinen Rauswurf aus der SPD räsonieren.

Dazu die üblichen Fundstücke, wer weiss schon, dass auch der Sohn von Peter Ustinov ein hellwaches Multitalent ist. Linus Reichlin ist die richtige Wahl, wenn «Blick TV» kritisch gewürdigt werden soll. Nur die WeWo kommt auf die Idee, mal zu fragen wer eigentlich dieser Vermögensverwalter und Aktionär ist, der dem Murdoch-Sprössling den Einstieg in die Messe Schweiz verweigern will. Und wenn Peter Rüedi zum Nachruf auf Werner Düggelin ansetzt, dann kommt das Stück bei Tamedia noch armseliger als vorher schon daher.

Gut, das war die Lobhudelei, wo bleibt das Kritische? Nun, zunächst: Roger Köppel ist der einzige mir bekannte Chefredaktor deutscher Zunge, der es zulässt, dass man ihm in seinem eigenen Blatt an den Karren fährt. Ich weiss das, ich hab’s schon gemacht.

Widerstand regt an, nicht auf

Auch das macht sicherlich den Charme der WeWo aus. Die politischen Präferenzen des SVP-Nationalrats Köppel sind ja nicht unbekannt. Aber er lässt auch die Gegenrede zu, vorausgesetzt, sie hat ein gewisses Niveau. Das ist kein Feigenblatt vor finsteren, rassistischen, hetzerischen Absichten. Denn was viele missverstehen: Köppel ist ein Mann mit Wumm und Energie, ein überdurchschnittlicher Formulierer, ein Chefredaktor, der mehr Antworten als Fragen hat.

Letzteres ist bedauerlich, aber: Köppel ist kein Ideologe. Sicherlich hat er eine Mission, aber er sieht sich nicht im Besitz der einzigen Wahrheit, er meint nicht, dass nur er zwischen richtig und falsch, gut und böse unterscheiden könnte. Trifft er auf Widerstand oder Widerspruch, dann regt ihn das an. Andere regt das auf, sie wollen nicht verunsichert werden.

Also insgesamt eine kleine Oase, keine Wohlfühloase, sondern eine das Hirn anregende Oase. Knirscht irgendwo der Sand zwischen den Zähnen beim Durchblättern? Nun, mit Verlaub, der Ausbau der Kolumnitis, musste das wirklich sein? Schon länger war man froh, dass Tamara Wernli immer der Hinweisgeber war, dass das Heft nun fertig ist und man es wohlgemut zuschlagen kann.

Aber jetzt auch noch «Zeitzeichen» eines Werbers, eine wöchentliche Kolumne des Wirtschaftschefs, dem noch nie jemand eine elegante Schreibe vorgeworfen hat. Und dann auch noch Katharina Fontana; also die Stelle der Quotenfrau ist doch schon vergeben und gleich doppelt besetzt.

Hält die WeWo die Pace?

Was beunruhigt: Mit dieser Neugeburt hat die WeWo den Ball ganz schön weit ins Spielfeld geworfen. Köppel ist bekanntlich kein Kurzstreckenläufer, aber man fragt sich schon, ob es gelingen wird, das Woche für Woche einzulösen. Als Leser wünscht man es sich.

 

Packungsbeilage: ZACKBUM.ch-Redaktor René Zeyer publiziert gelegentlich in der «Weltwoche».

«Ist das so korrekt?»

Premiere im «Schweizer Journalist»: Der Chefredaktor verunglimpft einen Medienschaffenden

Und muss sich dafür im Blatt entschuldigen. Eine Nachlese.

 Am 10. Februar hatte David Sieber ein Problem. Der ziemlich neue Chefredaktor des «Schweizer Journalisten» hatte fast alle Artikel für die erste Nummer von 2020 zusammen. Ein Porträt über die Politikchefin beim Blick, eine Geschichte über eine Journalistin auf Weltreise und ein paar alte Kamellen über Beförderungen. Sachen, die in einem Branchenblatt halt so vorkommen. Was dem 57-Jährigen noch fehlte, war eine spannende Geschichte für das 15 Franken teure Heft.

Sieber setzte sich am Nachmittag des 10. Februars nochmals an den Rechner hin und schrieb eine E-Mail an Philipp Gut, Ex- stellvertretender Chefredaktor der Weltwoche. Er habe vernommen, so Sieber, dass der Grund für Guts Abgang bei der Weltwoche ein Verhältnis mit Köppels Sekretärin sei. «Ist das so korrekt?» Eine Deadline fehlte. Gut antwortet ihm am 13. Februar, um 12:41 Uhr: «kompletter Unsinn.»

Die Geschichte war klinisch gesehen also tot. Moralisch gesehen, schon früher. Niemand interessiert sich ernsthaft dafür, ob zum Beispiel die Mutter von David Sieber Sex mit dem Gärtner hatte oder nicht. Man nennt so etwas altmodisch «Privatsphäre».

Leider zu spät

Sieber antwortete Gut: «Danke. Leider sind Sie zu spät. Das Heft ist gedruckt, das Gerücht drin, inkl. Köppels Dementi.» In der Nummer 1/2020 frotzelte dann Sieber alias «Dr. Media» genüsslich, dass nicht nur Gut, sondern auch die Sekretärin entlassen worden seien. Der Haken: Die Sekretärin arbeitete zu diesem Zeitpunkt weiterhin bei der «Weltwoche».

Zackbum wollte von Sieber wissen, wann die Antwort von Gut hätte erscheinen müssen, um das Fiasko zu verhindern. Drei Stunden früher, so Sieber. Wahrscheinlich stimmt das auch nicht. Sieber hätte den Artikel verhindern können. Wie sehr er das wollte, ist eine andere Geschichte. Das Heft wurde erst am 14. Februar gedruckt. Sieber hätte den Artikel darum problemlos verhindern können, indem er die entsprechende Druckseite ausgewechselt hätte.

«Da ist mir der Gaul durchgegangen.»

Gut verlangte ein Dementi in der nächsten Nummer. Sieber realisierte langsam, dass er Blödsinn gemacht hat. «Da ist mir der Gaul durchgegangen», schreibt er Gut. In der nächsten Nummer erscheine das Dementi, verspricht er ihm. In der Nummer 2/2020 steht aber nichts. Sieber rechtfertigt sich gegenüber Gut. Wegen der «internationalisierten» Nummer von 2/2020 sei das Korrigenda nicht erschienen. «Ich hätte Sie informieren müssen, was mir leider unterging.»

Fake News sind überall

Gut hatte langsam die Faxen satt. Er wendet sich an den Presserat und nimmt einen Anwalt. Und nun geht alles plötzlich schnell. Man findet einen Kompromiss: Gut lässt die Beschwerde fallen, Sieber frisst dafür Kreide. In der Nummer 3/2020 entschuldigt er sich «in aller Form für die Falschmeldung».

Das Ganze wirft aber ein schiefes Licht auf den Chefredaktor des «Schweizer Journalisten» und ehemaliges Mitglied des Stiftungsratsausschusses des Schweizer Presserates. In einem Interview antwortete er auf die etwas dämliche Frage, ob Fake News eine Gefahr oder eine Chance für die Medien darstellten, mit «Eine Gefahr. Weil Medien immer mal wieder auch Fake-News-Lieferanten sind. Leider.» Ja, leider.