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Kleine Dollarkunde

Die mächtigste Waffe der USA ist ihre Währung.

Die USA sind (noch) die grösste Militärmacht der Welt. Der US-Dollar ist (noch) die wichtigste Währung der Welt. Im Zuge des Vietnamkriegs wurde 1973 die Golddeckung aufgegeben, aber seither hat sich der Dollar als Leitwährung für fast alle Rohstoffe gehalten.

Daher spricht man auch vom Petrodollar. Der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein durfte ungestört sein Volk terrorisieren. Seinen Angriffskrieg gegen den Iran führte er sogar mit US-Unterstützung. Aber als er ankündigte, seinen Ölhandel auf Euro umstellen zu wollen, unterschrieb er sein Todesurteil.

Schätzungsweise 70 Prozent alles Handelsgeschehens auf der Welt spielt sich weiterhin in Dollar ab. Der Euro hätte vielleicht eine Alternativwährung werden können, scheiterte aber als Fehlkonstruktion mit zu vielen unqualifizierten Benutzern. Dagegen sind und bleiben die USA die Herrin des Dollar. Das ist wörtlich zu nehmen. Jede Transaktion in dieser Währung muss den USA gemeldet werden. Im Zeitalter von Big Data Verarbeitung kein Problem.

Der Dollar ist deswegen die mächtigste Waffe der USA, weil sie seine Verwendung verbieten können. Weltweit, überall, per sofort. Für jedes beliebige Finanzinstitut. Das wird damit zum Paria, zum Ausgestossenen der Finanzwelt. Was den sofortigen Tod zur Folge hat. Denn jedes Geldhaus führt normalerweise Hunderttausende von Dollartransaktionen täglich durch. Der Devisenmarkt ist mit einem täglichen Volumen von 5 Billionen (das ist eine Zahl mit 12 Nullen) mit Abstand der grösste Handelsplatz der Welt. Zudem halten Notenbanken weltweit rund 60 Prozent ihrer Reserven in Dollar.

Es gibt Regeln und Regelwerke …

Damit der Handel nicht einen gewaltigen Aufwand verursacht, ist er einem allgemeinen Regelwerk unterstellt. Das erledigt die ISDA, die International Swaps and Derivatives Association. Diese Organisation gibt Musterverträge heraus, die den unablässigen Dollarverkehr zwischen Banken regeln und automatisieren.

Wie Schweizer Banken im Steuerkrieg mit den USA schreckensbleich erfahren mussten, gibt es in diesen Verträgen eine Ausstiegsklausel: eine Anklageerhebung in den USA gegen ein Geldhaus. Das ist der Grund dafür, wieso es keine einzige Schweizer Bank, ja überhaupt keine Bank weltweit wagte, gegen drakonische Bussen und Zahlungen, auferlegt durch die USA, aufzumucken. Wer das getan hätte, musste mit einer Anklageerhebung in den USA rechnen. Sofortiger Kündigungsgrund der ISDA-Verträge, jede Dollartransaktion hätte sozusagen von Hand abgewickelt werden müssen. Unmöglich. Schalter schliessen, Bank tot.

Das beinhaltete wohlgemerkt nicht einmal den Bannstrahl des Verbots der Verwendung der Währung. Aber eine Weiterentwicklung eines Bonmots über das Funktionieren des US-Justizsystems: give them a fair trial – and then hang them. Gebt ihnen eine faire Verhandlung – dann knüpft sie auf.

Die Weiterentwicklung war: selbstverständlich steht euch in einem Rechtsstaat der Rechtsweg gegen eine Busse offen. Nur seid ihr tot, sobald ihr ihn beschreitet. Und einem Toten nutzt ein Urteil nichts mehr.

Noch fataler wird’s, wenn die USA die Verwendung des Dollar verbieten. Diesen Bannstrahl haben sie gegen zunächst einmal zwei russische Banken verhängt, die Sberbank und VTB. Auch die Gasprombank hat eine Niederlassung in der Schweiz, in Zürich. Plus natürlich die Headquarters von Nord Stream in Zug. Angeblich werden über 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Drehscheibe Schweiz abgewickelt.

Womit die kleine Schweiz wieder ins Zentrum der grossen Weltpolitik rückt. Denn im Rahmen ihrer Neutralität hat sie sich bislang keinerlei Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Der Bundesrat hat nur versprochen, Umgehungsgeschäfte gegen diese Sanktionen via Schweiz zu unterbinden. Wobei man gespannt sein darf, wie das funktionieren soll.

Knickt der Rechtsstaat Schweiz wieder ein?

Die andere Frage ist allerdings, ob der Rechtsstaat Schweiz ein weiteres Mal vor der Weltmacht USA einknickt. Denn das war schon im Fall Steuerstreit fatal. Denn es war ein Verstoss gegen ein fundamentales Prinzip der Rechtssouveränität. Was besonders für Kleinstaaten existenziell ist.

Was immer man von der Verwendung des Bankkundengeheimnisses zur Beihilfe zur Steuerhinterziehung halten mag: es war in der Schweiz geltendes Recht. Theoretisch ist keine Bank in der Schweiz bis heute dazu verpflichtet, den steuerlichen Zustand ihr anvertrauter Gelder abzuklären. Identität des Besitzers, Herkunft, das läuft unter kyc, Banglisch für «know your customer», kenn deinen Kunden. Aber schwarz oder weiss: das wäre einerlei. Nur traut sich das keine Schweizer Bank mehr.

Alle Schweizer Finanzhäuser, die damals im Einzugsbereich der US-Gesetze – also konkret innerhalb der USA – Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisteten, machten sich unbezweifelbar strafbar. Alle Banken, die das nur innerhalb der Schweiz, im souveränen Gültigkeitsbereich Schweizer Gesetze taten, verstiessen gegen kein Gesetz. Sie wurden dennoch bestraft.

Nach der Devise: du bist hier mit 50 durchgefahren, Busse. – Halt, wieso, ist doch eine 50er-Zone! – Ja, schon, aber in den USA wäre es eine 25-Meilen-Zone, also Busse.

Der Schlachtruf «Kampf den Steuerhinterziehern und ihren Helfershelfern» übertönte, dass die Schweiz das wichtigste Bollwerk eines Kleinstaats aufgab: die bedingungslose Verteidigung seiner Rechtssouveränität. Dass also, im Rahmen von internationalen Verträgen selbstverständlich, auf seinem Territorium keine fremden, nur eigene Gesetze gelten. Dieses Grundprinzip lässt sich tatsächlich bis auf den Kampf gegen fremde Vögte zurückverfolgen.

Darin ist kein Werturteil über Steuerhinterziehung enthalten. Soweit bekannt, erfüllen die russischen Banken und Firmen alle Vorschriften und Auflagen der Schweiz, verfügen über die nötigen Lizenzen und Bewilligungen zur Ausübung ihrer Tätigkeit. Es wird interessant sein, ob beispielsweise die sonst zahnlose Bankenaufsicht FINMA hier plötzlich Handlungsbedarf sieht. Das wäre dann sehr schräg. Alles, was die Credit Suisse tut, ist erlaubt oder höchstens Pipifax-Vergehen. Sollte aber ein Angestellter einer Russenbank vor einem Kunden ein Glas Wodka kippen, wäre das ein schwerer Verstoss gegen Regelwerke? Man ist gespannt.