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Unpaid Nonsens in der NZZ

Normalerweise steht über so was wie Ermottis Märchenstunde «paid content».

In der NZZ gibt es viel Licht. Aber auch viel Schatten. Dunkelschwarz ist es, wenn Sergio Ermotti auf einer ganzen Seite schwurbeln darf. Er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, dass seine Corporate Communication extra für die alte Tante in die Tasten griff. Sondern die NZZ fasst einfach ein Referat des Bankenlenkers zusammen.

Es ist für alle Kenner der Sachlage fast unerträglich, wie Ermotti die Ereignisse zusammenfasst, die am 19. März kumulierten. Hier fand ein einmaliger Kniefall der Schweizer Regierung vor der UBS statt. Ihr wurde die letzte Konkurrentin Credit Suisse zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken weggegeben. Mit Notrecht wurden mal wieder alle demokratischen Prozesse ausgehebelt.

Für Leichen im Keller der CS wurde eine Staatsgarantie ausgesprochen. Insgesamt gab es Staatsgarantien von 255 Milliarden Franken. Damit sich die UBS noch bequemer ins gemachte Bettchen legen konnte, wurden ausstehende Kredite (AT 1 Bonds) im Nominalwert von 16 Milliarden Franken per amtlichen Federstrich auf null gesetzt. Inzwischen gibt es weltweit Hunderte von Klagen durch geprellte Anleger. Möglicherweise greift hier die Staatshaftung, also wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Die zuständige Bundesrätin Keller-Sutter zeigte sich völlig überfordert («this is not a bail-out»). Die schwierigste Aufgabe für den VR-Präsidenten der UBS war, zu all dem ein staatstragendes Gesicht zu machen und nicht laut herauszuprusten vor Lachen.

Durch diesen Notverkauf unter Wert ist eine Monsterbank entstanden, die zudem wettbewerbsrechtlich zu grössten Bedenken Anlass gibt. Aber wenn schon, denn schon. Auch mit Notrecht übersteuerte gerade die Bankenaufsicht FINMA die berechtigten Einwände der Wettbewerbskommission. Ein staatspolitisches Trauerspiel erster Güte, ein Abgrund von staatlicher Verantwortungslosigkeit.

Oder in den Worten von Ermotti: «Am Wochenende des 19. März 2023 zeigte die Schweiz Stärke und Mut. Die Regierung, die Aufsichtsbehörden und die UBS trugen durch ihr entschlossenes Handeln dazu bei, gravierende Folgen für die Finanzwelt und die Wirtschaft zu verhindern und den Ruf der Schweiz zu erhalten.»

Man fragt sich, in welcher Parallelwelt seine Redenschreiber leben. Allerdings haben sie gelegentlich Sternstunden einer diabolischen Umkehrlogik: «Aus dem Untergang der Credit Suisse sollte man nicht ableiten, dass die einzige verbleibende Grossbank den Preis für das Versagen anderer bezahlen und für ihre globale Bedeutung bestraft werden sollte.» Wer will denn die UBS bestrafen, welchen Preis für das Versagen anderer sollte sie bezahlen? Sie hat einen Sondergewinn von 25 Milliarden durch ein staatliches Geschenk gemacht; die Shareholder der CS haben bezahlt und wurden bestraft, der Schweizer Steuerzahler ging ins Risiko.

Und weiter im wilden Geholper: «Allein die UBS, die Credit Suisse und ihre Mitarbeitenden in der Schweiz zahlten in den vergangenen zehn Jahren rund 25 Milliarden Franken an Steuern. Im Jahr 2023 waren es 2,6 Milliarden.» Oder mit anderen Worten: ein Klacks ein einstelliger Prozentanteil an den gesamten Steuereinnahmen. Ausserdem zahlten sie erst wieder Steuern, nachdem sie die Verlustvorträge durch die Finanzkrise eins ausgeschöpft hatten.

Die ewige Leier, jetzt ist alles anders, besser, darf natürlich auch nicht fehlen: «Die UBS hat heute ein viel sichereres Risiko- und Geschäftsprofil als in der Vergangenheit.» In Wirklichkeit hat die UBS – im Vergleich zu ihrer potenziellen Gefahr für die Schweizer Volkswirtschaft und Stabilität – ein viel zu kleines Eigenkapital und wehrt sich mit Händen und Füssen gegen eine Erhöhung. Schlimmer aber: mangelndes Eigenkapital ist nie das Problem einer Bank in ernster Gefahr. Selbst Lehman Brothers hatte ein höheres Eigenkapitalpolster als die UBS vor dem damaligen Zusammenbruch, dem Startschuss zur Fast-Kernschmelze des internationalen Finanzsystems.

Das Problem einer Bank ist die Liquidität bei einem Bank Run, wenn sie kurzfristig langfristig angelegtes Geld anstürmenden Kunden auszahlen sollte. Wäre das bei der UBS der Fall, müsste die SNB als lender of the last ressort Gelder herbeiklicken, dass der Schweizerfranken seinen Ruf als sicherer Hafen auf Jahre verspielt hätte.

Schliesslich betritt Ermotti mit sicherem Schritt eine Wunderwelt wie Alice: «Wir sollten Bankbilanzen auch nicht mit denen von Industrieunternehmen vergleichenDas ist der feuchte Traum jedes Bankenlenkers. Ja nicht die grundsolide Eigenfinanzierung eines Industrieunternehmens, wo reale Werte geschaffen werden, mit dem Gebastel einer Bankbilanz vergleichen, wo alleine für die Definition des Eigenkapitals mehrere Seiten verwendet werden, bei denen nur Träger eines Black Belts in Accounting überhaupt noch durchsteigen. Vom Anteil von Bilanzposten, die mangels Markt gar nicht bewertet, sondern nur mit dem feuchten Finger in der Luft geschätzt werden können, ganz zu schweigen.

Schliesslich noch Schalmeientöne, was denn im natürlich furchtbar unwahrscheinlichen Fall einer Krise geschehen würde: «Am Montag würde die Bank mit einer gesunden Bilanz und ausreichendem Kapital wieder öffnen, Kunden und Gegenparteien wären beruhigt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Steuerzahler einen Franken verlieren würde, ebenso wenig wie Einleger und vorrangige Gläubiger der Bank.»

Falls es jemand immer noch nicht kapiert haben sollte, wird Ermotti am Schluss nochmal ganz deutlich: «Deshalb brauchen wir eine Regulierung mit Mass und ein Bankensystem, dessen Akteure höchste Integrität beweisen und nachhaltig wirtschaften.»

Ds ist die abgesoftete Version seines Vordenkers im VR Marcel Ospel selig, der vor dem Fast-Zusammenbruch der UBS noch getönt hatte: «Unsere Investmentbank soll die Nummer eins werden.» Auch er empfahl der Politik, sie solle sich aus Angelegenheiten raushalten, von denen sie keine Ahnung habe: «Die Wirtschaft muss dem Staat helfen, sich zu benehmen.» Hochmut kam dann vor dem Fall.

Und wie steht es um die «höchste Integrität?» Ist ein Gehalt von sagenhaften 14,4 Millionen Franken für 9 Monate Arbeit Ausdruck vermittelbarer Integrität? Gehört sich das für einen Bankenlenker, der respektiert und anerkannt werden will? Kann Ermotti wirklich jeden Arbeitstag so viel wert sein wie ein Jahres-Medianlohn in der Schweiz, nämlich rund 80’000 Franken?

Man kann diesen Kotau der NZZ vielleicht auch so sehen: Sie dokumentiert, was sich im Hirn eines Dinosauriers abspielt, dessen Fall die ganze Schweiz erbeben lassen würde. Das Denken von Führungspersonal wie Ermotti zerstört keinesfalls die Bedenken, dass das nicht passieren könnte.

Kompetenzzentrum Tagi

Staatliche Behörden entscheiden bezüglich UBS Ungeheuerliches.

«Die UBS muss nach der Übernahme der Credit Suisse keine wettbewerbs­rechtlichen Auflagen erfüllen.» Mit dieser furztrockenen Aussage beginnt das Qualitätsmedium «Tages-Anzeiger» einen Bericht. Nicht, dass man mit eigenen Kräften dazu in der Lage gewesen wäre. Dafür hat es zu wenig Genderproblematik. Also übernimmt das der Tagi von der SDA. Wozu zahlt man schliesslich das Abo beim Newsticker.

Hinter dieser Meldung verbirgt sich aber ein veritabler Skandal. Um den zu verstehen, bräuchte es aber ein Minimum an finanztechnischen Wissen. Worum geht es, in einfachen Worten?

Eigentlich gibt es in der Schweiz eine Wettbewerbskommission (Weko), die dafür zuständig ist, abzuklären, ob eine Elefantenhochzeit dazu führen kann, dass der Wettbewerb nicht mehr gewährleistet ist, sondern ein Markteilnehmer durch seine monopolartige Stellung die Preise diktieren kann. Wie das die UBS bereits tut.

Nun steht in diesem Artikel weiter unten:

«Aus Sicht der Weko haben sich die Anhaltspunkte bestätigt, dass in gewissen Märkten eine marktbeherrschende Stellung der kombinierten Bank begründet oder verstärkt wurde. Die Weko nennt dabei folgende Bereiche: passives Asset Management und Fondsbereich, Global Custody und Anlageklasse Schweizer Immobilien sowie das Corporate Banking für grosse Unternehmen und Unternehmen mit spezifischen Bedürfnissen.»

Zum Beispiel die Fusion Sunrise/Orange: verboten. Ticketcorner/Starticket: verboten. Es leuchtet nun selbst dem Laien ein, dass durch die Tatsache, dass eine der beiden verbliebenen international tätigen Grossbanken die andere schluckt, gravierende Wettbewerbsprobleme entstehen. Denn  auf vielen Gebieten ist die UBS nun der einzige Schweizer Anbieter; die Möglichkeit, bei der CS eine Gegenofferte einzuholen, fällt weg.

Völlig entspannt sieht das hingegen die Finanzmarktaufsicht Finma. Sie «kommt nach einem kartellrechtlichen Kontrollverfahren zum Schluss, dass der Zusammenschluss der beiden Grossbanken den wirksamen Wettbewerb «in keinem Marktsegment» beseitigt».

Die Behörde räumt zwar ein: «Zwar habe die UBS in gewissen Teilsegmenten ihre Marktposition verstärken können.» Gibt aber gleich Entwarnung:  «Die gesetzlichen Voraussetzungen der Fusionskontrolle für einen Eingriff seien aber nicht erfüllt, teilte die Finma am Mittwoch mit. Das Kontrollverfahren sei damit «ohne Bedingungen, Auflagen und weitere Prüfungen» abgeschlossen worden.»

Wobei auch dieses «Kontrollverfahren» ein besserer Witz ist: «Die Finma hatte die Notübernahme der CS durch die UBS nach Kartellgesetz bereits vorzeitig am 19. März 2023 bewilligt. Diese Massnahme sei im Interesse des Gläubigerschutzes erfolgt, betont sie.»

Die ewig gleiche Leier: also eigentlich geht das so nicht, es gibt klare Regeln und Vorschriften und Abläufe. Aber hallo, wir haben hier einen Notfall, die ganze Too-Big-To-Fail-Gesetzgebung haben wir auch in die Tonne getreten, also wieso dann so Pipifax wire die Zustimmung der «Weko» einholen.

Denn: «Bei der Notübernahme der einst zweitgrössten Schweizer Bank durch die UBS wurde ein Mitspracherecht der Schweizer Wettbewerbsbehörden ausgeschlossen. In Fällen, wo es um die Finanzstabilität geht, darf die Finma eine Fusion genehmigen ohne eine Prüfung durch die Weko.»

Frei nach Radio Erwin: im Prinzip nein, aber.

Und was meint die UBS: «Wir werden uns weiterhin für ein dynamisches, wettbewerbsfähiges und faires Umfeld einsetzen.» Selten so gelacht.

Bundesrat und staatliche Behörden tun alles, um das Bettchen für die UBS möglichst bequem aufzuschütteln. Mögliche Leichen im Keller der CS? Ach, für die ersten Milliarden steht der Staat gerade. Mögliche Liquiditätsprobleme? Reichen 250 Milliarden fürs Erste oder soll es noch mehr sein? AT1 Bonds, also Schulden in der Höhe von nominal 16 Milliarden Franken? Ach, die schreiben wir doch per Federstrich auf null ab, im schlimmsten Fall gilt dann Staatshaftung. Können wir noch etwas tun? Oh, die Weko, ja, die kann manchmal recht bissig sein, da ziehen wir ihr doch einfach den Stecker raus.

Ach, und wir gratulieren zum Milliardensondergewinn, weil die UBS die CS zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden fast geschenkt kriegte.

Ist das ein Gemurkse, ein Skandal, ein Sich-Unterwerfen des Staates gegenüber der Monsterbank UBS, deren Umfallen die Schweiz in ihren Grundfesten erschüttern würde.

Schon, aber na und, sagt der Tagi. Gibt es eigentlich nichts Neues von Nemo? Und welches leckere Rezept bietet Elif, als Ergänzung zum Eiersalat à la Mama? Ach, und Komiker «buckeln vor dem Papst», statt knackige Witze zu reissen? Wollten wir das dem alten Mann wirklich antun, dass Hazel Brugger, Mike «Arschloch»-Müller, Patti Basler oder Victor Giacobbo einen ihrer unterirdischen Blödscherze zum Besten geben? Oder wie wär’s mit Sauglattismus: «So erwärmen Sie Ihre Gäste für Eiswürfel. Ein Franken für einen Eiswürfel – wie es gewisse Bars halten: Das muss nicht sein. Hier sind fünf praktische Tipps für die Hingucker im Cocktailglas.»

Von «Inside Paradeplatz» geklaut, lahm weitergedreht. Ein Desaster, der Tagi.

Arbeitsbiene Rutishauser

Der Chefredaktor der SoZ leistet alleine so viel wie 50 Nasen der «Republik» zusammen.

Verdient aber entschieden weniger als die. Legt man den angeblichen Einheitslohn von 8500 Franken brutto zugrunde, kommen die Republikaner auf locker über 400’000 Franken im Monat. Das kassiert Arthur Rutishauser im Jahr nicht.

Dennoch hat er gerade mal wieder ein Editorial und drei Artikel in der neusten SoZ rausgehauen. «Der Rohrkrepierer von Economiesuisse», in seinem Kommentar spiesst er die völlig missglückte Intervention von vier ehemaligen Bundesräten gegen die 13. AHV-Rente auf. Sein Verdikt:

«Dass so ein Aufruf beim Volk schlecht ankommt, wäre eigentlich voraussehbar gewesen. Um glaubwürdig zu wirken, hätten die Ex-Magistraten schon während ihrer Amtszeit überlegen müssen, ob es wirklich noch zeitgemäss ist, wenn ein Regierungsmitglied eine Rente bekommen soll – selbst wenn sie oder er mit unter 50 Jahren abtritt oder abgewählt wird.»

Dann vermeldet er, dass die UBS eine teilweise Schwärzung des WEKO-Berichts verlangt. Zum Hintergrund: Die UBS hat bekanntlich 2023 nur deswegen einen Riesengewinn gemacht, weil sie die CS zum Schnäppchenpreis nachgeworfen bekam. Sonst läuft das Geschäft schlecht.

Nun prüfte die zahnlose Bankenaufsicht Finma diesen Notverkauf. Und prüft und prüft und prüft. Dabei hat die Wettbewerbskommission WEKO ihren Bericht bereits im Oktober letzten Jahres eingereicht, Aber der darf erst dann veröffentlicht werden, wenn die Finma zu Potte gekommen ist. Das lässt aber auf sich warten; Rutishausers Bilanz: «im Resultat führt das dazu, dass die UBS bald ein Jahr nach der Fusion ihre Marktmacht ausspielen und Fakten schaffen kann».

Dann hat Rutishauser offensichtlich ein Hörrohr in der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), die sich ebenfalls mit dieser Affäre CS – UBS befasst. Seine bittere Zusammenfassung, was bislang geschah: «Jahrelanges Versagen und übertriebener Formalismus der Aufsicht, aber keiner ist schuld. Das ist das Zwischenfazit der parlamentarischen Untersuchungskommission.» Insbesondere habe die Finma einen geplanten Verkauf des US-Geschäfts der schlingernden Bank durch übergrossen Formalismus verhindert. Und damit einen Beitrag zum Untergang geleistet.

Und schliesslich nimmt sich Rutishauser nochmals den Präsidenten der Bank Bär zur Brust. Der hat bekanntlich seinen CEO geopfert und hält sich selbst krampfhaft an seinem Sessel fest. Obwohl Romeo Lacher unter anderem im Risikoausschuss sass, der alle inzwischen geplatzten Kredite an den österreichischen Hasardeur René Benko durchwinkte.

Noch schlimmer sei aber das Wirken von Lacher als VR-Präsident der Schweizer Börse Six. Dort habe er sogar einen doppelt so grossen Verlust als die über 600 Millionen bei der Bank Bär zu verantworten. Einmal ein lausiger Verkauf des Kreditkartengeschäfts an die französische Worldline. Dafür erhielt Six deren Aktien «und diese verloren im letzten Jahr 70 Prozent ihres Werts». Und dann noch der versemmelte und viel zu teure Einstieg bei der spanischen Börse, der zu einem gewaltigen Goodwill-Abschreiber führte, aus dem letztes Jahr ein Verlust von 340 Millionen resultierte. Also alles in allem weit mehr als das Doppelte im Vergleich zu Bär.

Rutishauser resümiert: «Ausbaden muss die gescheiterte Strategie nun sein Nachfolger Thomas WellauerDer ehemalige McKinsey-Mann «versuchte um die Jahrtausendwende, die Winterthur-Versicherung mit der Vermögensverwaltung der CS zusammenzubringen. Damals scheiterte er.»

Was wieder die Frage aufwirft, wie gigantisch man eigentlich in der Finanzwelt versagen muss, um vom Präsidentenstuhl abmontiert zu werden.

Aber im Journalismus leben ja diverse Leichen auch immer noch, und durchaus komfortabel, von links bis rechts. Von der «Republik» über «bajour» bis zum «Nebelspalter».