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Kopieren statt recherchieren

Auch «watson» leidet unter dem Sommerloch.

Der Grossanalyst und Weltstratege Philipp Löpfe präsentiert dem staunenden Leser einen Fund:

Schon der Titel des Kopierstücks ist, nun ja, angelehnt. Denn das Buch, das Löpfe hier nacherzählt, heisst «Der Sozialist vom Paradeplatz».

Nun muss ein Journalist ja nicht unbedingt originell sein. Es reicht manchmal auch, dass er aufmerksam andere Zeitungen liest.

Oder ist es gar so, dass sich Löpfe von ZACKBUM inspirieren lässt?

Man könnte hier vielleicht von Gebrauchsleihe sprechen. Wir wollen hingegen durchaus ein Lob aussprechen. Wenn Löpfe einem Gastbeitrag des Buchautors Urs Hafner in der NZZ nachschreibt, tut er etwas nicht: er «analysiert» nicht selbst das Weltgeschehen, die Geschichte, die Wirtschaft oder was auch immer nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Das ist eine Wohltat, für die man nicht genug danken kann.

Durchaus mehr Brainfood enthält normalerweise die «Weltwoche». Nein, das muss ZACKBUM nicht sagen, weil Redaktor René Zeyer gelegentlich auch dort publiziert. Aber hier fragen wir uns auch, wer das Huhn und wer das Ei ist:

Das ist sozusagen das Ei, und brav gackert die WeWo:

Man ist sich bekanntlich uneins, ob Neid (Wilhelm Busch oder Arthur Schopenhauer) oder Nachahmung (Oscar Wilde) die aufrichtigste Form der Anerkennung sei.

 

Unsere Leichen leben noch

Auch ZACKBUM spürt den Sommer.

Also fragten wir uns: gibt’s «bajour» eigentlich noch? Was das ist? Nun, für Zürcher und andere Nicht-Basler: das ist so eine Online-Veranstaltung, die von Hansi Voigt ins Leben gerufen wurde. Das sagt eigentlich schon alles.

Es hätte lediglich in den ersten drei Jahren mit den Millionen einer reichen Pharma-Erbin unterstützt werden sollen. Denn es ist sozusagen das Nachfolgeprojekt für die «TagesWoche», die auch mit den Millionen einer reichen Pharmaerbin … Bis das Blatt dann nach einer der grössten Bescheissereien um die Auflagenhöhe kläglich einging.

Nun wird «bajour» – quengeln kann Voigt – nach den ersten drei Jahren weitere Jahre mit den Millionen einer reichen Pharmaerbin … Putzige Begründung: verlängert wegen Erfolglosigkeit. Also nach dem Geldverrösten ist vor der Geldvernichtung, und das alles endet dann wohl dort, wo sich der Zürcher «Kosmos» heute schon befindet.

Früher, ja früher gab «bajour» noch gelegentlich Auskunft über die Entwicklung der Leserzahlen oder der «Member». Aber zu viel Transparenz ist auch nicht gut, Tempi passati.

Diese Zahlen sind wohl die aktuellsten:

Sie stammen allerdings – von 2021.

Grösste Mühe gibt sich «bajour», den paar Lesern jede Menge Möglichkeiten aufzuzeigen, ihr Geld loszuwerden:

Für welche Gegenleistung? Nun, die ist überschaubar, sehr überschaubar:

Das sind die letzten sechs Beiträge, visioniert am 24. Juli. Brandaktuell; bereits der 6. stammt vom 18. 7., aber immerhin 2023.

Ach, und dann gibt es noch das hier:

Das nennt sich das Barbie-Briefing, Pardon, das Basel-Briefing.

Aber man muss auch Nachsicht üben, während die Geldverschwendungsangebote munter spriessen und locken, ist hier eine ziemliche Schrumpfung festzustellen:

Während grossspurig «Herausgeber» und «Geschäftsleitung» ganze sieben Nasen umfassen, dabei Voigt gleich in einer Doppelfunktion, muss dieser Overhead genau gleich viele Journalisten leiten und lenken. Worunter zwei Trainees und eine Praktikantin verzeichnet sind. Also sozusagen erwachsene Redakteure gibt es genau vier.

Dieser Beitrag kann hingegen nur als gelungene Realsatire gewertet werden; er ist zudem so zeitlos, dass er seit April die Homepage ziert. April 2023, aber den Scherz hatten wir schon:

Sagen wir so: Liane oder Strick? Wenn es einen News-Dschungel gibt, dann ist «bajour» offenbar die Lichtung, die Leere, die Pause, der newsfreie Raum. Das ist ein interessantes Angebot. Aber wieso genau soll dafür bezahlt werden?

Bevor Voigt auch hier das passiert, was ihm schon bei «20 Minuten» und bei «watson» widerfuhr, sollte er sich vielleicht weniger um seine Präsidentschaft bei «Netzcourage» kümmern, sondern um diese Liane, bevor sie mangels Düngung eingeht.

Wird der Leser dumm gemacht?

Zumindest verkauft ihn «watson» für dumm.

Gut, das riecht nun etwas nach Sommerloch. Aber he, ganze Redaktionsmannschaften kratzen Newsreste zusammen, da darf die One-Man-Show ZACKBUM doch auch mal.

Und wer gibt immer einen Lacher oder zwei oder drei her? Genau, die Karikatur einer journalistischen Plattform namens «watson». Sagen wir mal so: was Hansi Voigt zur Welt brachte, kann ja nur eine Missgeburt sein.

Besonders lustig wird es, wenn «watson» ernst werden will. dafür ist die Allzweckwaffe Philipp Löpfe zuständig.Der weiss alles über alles, oder nichts über nichts:

Sagen wir mal so: es steht zu vermuten,  dass sein Geheimdienst Putins kleinstes Problem ist. Dann folgen zwei Beiträge zum Thema «das wollten wir schon immer wissen»:

Noch dringlicher ist der Informationsbedarf hier:

Wer ist Cachita, was ist ein Fondue-Interview, wieso ist sie am Handy betrunken, und wieso braucht es gleich drei Schreibkräfte für ein bescheuertes Interview? Das alles wollen wir nicht wissen.

Dann gleich ein Dreierschlag:

Und nun überschreiten wir alle Schmerzgrenzen:

Diese Parallelisierung ist an Geschmacklosigkeit wohl nicht zu überbieten. Oder doch, «watson» wird’s sicherlich schaffen.

Gut, hiermit nicht, das ist einfach nur bezahlte Werbung und unbezahlter Blödsinn:

Wie sagen wir immer so richtig: ZACKBUM hat fertig. Und ist fertig.

 

Kriegsberichterstattung, reloaded

Kann man absurd steigern? Die Medien probieren’s.

Neues vom Sändele im militärischen Sandkasten. Das Kriegsglück schwankt, die Meldungen sind widersprüchlich, aber energisch vorgetragen.

In der militärischen Kommandozentrale des «Blick», aka Samuel Schumacher, «Ausland-Reporter» mit Einsatzgebiet Newsroom, herrscht Konsternation:

Statt Triumphmeldungen von den tapferen Ukrainern muss Schumacher Trauriges vermelden: «Das Fiese am russischen Killer-Kopter: Er kann seine Raketen aus bis zu zehn Kilometern Entfernung abfeuern und sie mit seinem integrierten Laserstrahl auf jedes erdenkliche Ziel in seinem Blickfeld lenken – bei Tag und bei Nacht. Damit liegt der Alligator ausserhalb der Reichweite der allermeisten ukrainischen Flugabwehrgeräte an der Front. Ein verzweifelter ukrainischer Soldat sagte gegenüber der «Bild»: «Wir haben nichts, um die russischen Helikopter in acht Kilometern Entfernung zu bekämpfen

Ist ja wirklich fies von den Russen, eine neue Wunderwaffe einzusetzen, mit der niemand gerechnet hat. Wobei: «Seit 2008 wird der 310-Stundenkilometer schnelle Killer-Heli in Russland seriell hergestellt.» Also eher ein Oldie auf dem Schlachtfeld.

Schon am 21. Juni musste Chiara Schlenz, «Ausland-Redaktorin» mit Einsatzgebiete Bildschirm, Unerwartetes von der Front vermelden:

Da sind die fernen «Kriegsbeobachter» mal wieder «überrascht», diese schwankenden Gestalten. Sie können ja auch nur abschreiben, was geschrieben steht: «Berichte über eine heftige russische Gegenoffensive zur Gegenoffensive häufen sich in den letzten Tagen.» Und versuchen, das Beste draus zu machen: «Diese aufwendigen Verteidigungsanlagen zeugen aber nicht nur von guter russischer Vorbereitung – sondern auch von russischer Angst.»

Wechseln wir zu Organen, die wenigstens behaupten, Journalismus in langen Hosen zu betreiben. In der neu benannten Rubrik «Russlands Krieg» zeigt Tamedia Tierliebe («Tiere suchen nach der Flut von Cherson ein neues Zuhause», was man als Tierporno bezeichnen könnte). Dann erholen sich «Ukrainierinnen, die von Russen missbraucht worden sind, im Zistertienserinnenkloster in Freiburg». Putin gebe «sich ganz volksnah», und im «Ticker» wird auch nur Pipifax vermeldet. Alles ruhig an der Front, wenn man Tamedia glauben will.

Auch CH Media berichtet weitab vom Kampfgeschehen: «Rache ist süss – Putin liquidiert das Wirtschaftsimperium des Söldner-Chefs». Auch der «Ukraine-Newsblog» muss News zusammenkratzen: «Selenski will Ukraine für Basis für Rakentschutzschirm in Europa machen» und «Bedrohter Getreidedeal: EU -Staaten erwägen Zugeständnis an Europa». «Will» und «erwägen», die beiden Allheilverben für: alles reine Spekulation. Eine knallharte Reportage hingegen ist das hier: «Die besten Skiakrobaten der Ukraine trainieren in der Schweiz – was macht der Krieg mit ihnen

Ach, und: «Rätselhafter Angriff in der Wüste – der Druck auf die Wagner-Söldner ausserhalb von Russland steigt». Das haben wir noch vergessen: «Druck steigt», die Allerweltsformel für «nichts Genaues weiss man nicht».

Nun ein militärstrategischer Zwischenruf der Kriegsmaschine «watson»:

Das trifft sich gut; da Putin bekanntlich auch wahnsinnig ist, müssten sich die beiden ausgezeichnet verstehen.

«20 Minuten» hat die geheimen Operationskarten des ukrainischen und des russischen Generalstabs durchgeblättert und versucht es mit einer grafischen Darstellung der Lage:

Korrekt ist sicherlich Transnistrien eingezeichnet, der Rest ist allerdings gegendarstellungsfreier Vermutungsraum.

Weit in die Vergangenheit blickt hingegen die NZZ, um weit in die Zukunft zu schauen:

Tatsächlich korreliert der Rückzug aus Afghanistan mit der Auflösung der UdSSR, wieweit er auch kausal daran beteiligt sein soll, weiss nur Ulrich Schmid, der Russland-Experte auf allen Kanälen. Noch wilder ist sein Blick in die Zukunft: «Was geschieht mit dem Vielvölkerstaat Russland nach einer Niederlage in der Ukraine?» Wenn man das auch historisch sehen will: nichts. Abgesehen davon, dass es zu einer Niederlage noch weit, sehr weit hin ist. Und zur Voraussetzung hätte, dass auch Russland, wie die USA in Vietnam oder Korea, gegen den Ratschlag der Militärs auf den Einsatz von Atomwaffen verzichten würde.

Aber die NZZ sorgt sich auch um die Heimatfront: «Die Schweiz wird als Spionage-Drehscheibe für Russland wichtiger – müssen die Behörden härter durchgreifen?» Die Frage stellen, heisst natürlich für die NZZ, sie auch beantworten.

Wer sich die Mühe machen würde, die Kriegsberichterstattung im Ersten oder Zweiten Weltkrieg durchzublättern, würde wenig überrascht zur Kenntnis nehmen: dass die Wahrheit im Krieg zuerst stirbt, ist eine ewig gültige Wahrheit.

Falscher Titel, macht aber nix

Löpfe ist der Mann fürs Doofe bei «watson».

Der Titel ist reisserisch: «Der seltsamste Fast-One-Night-Stand meines Lebens». Oh, Pardon, ZACKBUM meint natürlich diesen hier: «Was ist in China los?» Ja was denn nur, ist ein Reissack umgefallen? Nein, viel schlimmer, vermeldet Philipp Löpfe im Blatt für Intelligenzler und Freunde der Quantenphysik «watson». «Rekordhohe Jugendarbeitslosigkeit und sinkende Konsumlust». Au weia. «Die Finanzgemeinde», also das Gemeindemitglied Löpfe, «wird durch die neusten Zahlen aus China aufgeschreckt».

Huch, welche Zahlen? Die Jugendarbeitslosigkeit sei auf «über 20 Prozent geklettert, ein trauriger Rekord der jüngeren Vergangenheit». Nun ja, in der jüngsten Vergangenheit, nämlich im Jahr 2022, kratzte sie auch schon mal an der 20-Prozent-Schwelle. Aber solche Hintergründe würden ja nur stören. Und woher hat Löpfe diese Zahl? Aus offiziellen chinesischen Quellen? Nein, sie sind von Goldman Sachs. Das ist etwa so intelligent wie neue Zahlen über die Schweizer Wirtschaft nicht vom Statistischen Bundesamt, sondern von einer Amibank zu beziehen.

Löpfe hat noch eine zweite Zahl auf Lager. Der «Index der Einkaufsmanager» sei von April auf Mai von «49,2 auf 48,8 Punkte gesunken». Das hat er von «Statista» abgeschrieben, samt der Erläuterung, dass ein Wert unter 50 Punkten eine «sich abschwächende Wirtschaft» anzeige. Nun beruht diese Zahl auf einer Meinungsumfrage, auf nicht mehr oder weniger. Auch da kommt es darauf an, wer sie macht und wem man glaubt. So sagt das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin, der Index sei von 50 auf 49,5 Punkte gefallen. Also auf einen Wert, der oberhalb des von Löpfe behaupteten liegt.

Nachdem er so zweimal den feuchten Finger in die Luft gehalten hat, zitiert er den «Chefökonom für China bei Goldman Sachs», der von «mangelndem Vertrauen» und «schwächelnden Investitionen» spricht. Was nicht wirklich verwundert, da er wohl den Zahlen seines eigenen Hauses schlecht widersprechen kann. Ob die zutreffen oder nicht, das ist eine andere Frage.

Letzter «Beweis»: der CEO der US-Bank JPMorgan «und der derzeit unbestrittene Star in der Banken-Szene» warne vor «Unsicherheiten» bei der chinesischen Regierungspolitik. Was der Chefökonom von «watson» dabei vielleicht übersieht: zwischen den USA und China wachsen die Spannungen, wirtschaftlich sehen die Amis China immer mehr als ihren Hauptkonkurrenten und -feind.

Also sind diese Aussagen ungefähr so objektiv, wie wenn man russische Quellen zur Beschreibung des wirtschaftlichen Zustands der Ukraine herbeiziehen würde. Aber damit kommt Löpfe erst in Fahrt: «Nicht nur die Investoren werden nervös, auch die Rohstoffpreise sind angesichts der sinkenden Nachfrage aus China ins Rutschen geraten

Öhm, also beispielsweise der Preis für ein Barrel Brent Rohöl ist tatsächlich von knapp 124 US-Dollar auf unter 76 gefallen. Allerdings in einem Jahr

Dann schwingt sich Löpfe zu den Begriffen «Decoupling» und «De-Risking» auf. Der erste soll ein Abkoppeln der westlichen Wirtschaft von China postulieren, der zweite eine Verminderung des Risikos einer Abhängigkeit. Beides ist Geschwätz, denn gerade die USA sind der grösste Schuldner Chinas, oder umgekehrt ist China der grösste Gläubiger der militärischen Supermacht. Dazu die Abhängigkeit von Lieferketten, der Absatzmarkt China, die Importe aus China: gerade die USA würden sich tief ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie einen Wirtschaftskrieg mit China beginnen würden.

Daher fallen auch die Kritiken daran, dass China auf Sanktionen gegen Russland pfeift und das Handelsvolumen stetig ausweitet, von US-Seite eher verhalten aus. Da prügelt man lieber auf die Schweiz ein; die ist klein und schwächlich.

Also kommt Löpfe zum Schluss: «Ein Abkopplung hingegen würde Firmen wie Apple vor kaum lösbare Probleme und die deutsche Autoindustrie ins Verderben führen. Und China hätte dann ebenfalls weit gravierende Probleme als arbeitslose Jugendliche.»

Ach, genau, da hat er ja seinen Blindflug durch die Welt gestartet, bei den arbeitslosen chinesischen Jugendlichen und der angeblich schwächelnden Wirtschaft. Um dann bei der Unmöglichkeit des Entkoppelns zu landen.

Aber schön, hat er darüber geredet. Verstanden hat’s nur niemand; er selbst wohl auch nicht.

«watson» für Dummies

Man kann auch mit einer einfachen Grafik alles in den Sand setzen …

ZACKBUM wusste zwar, dass in der Schweiz kein Deutsch gesprochen wird. In Österreich ebenfalls nicht. Aber auch nicht in Deutschland selbst? Dafür aber schwergewichtig in Frankreich, der Türkei, den USA und Brasilien? Dazu in Russland, Südafrika, Neuseeland oder Spanien?

Wer «watson» liest, wird jeden Tag schlauer. Oder so.

Michael Hermann greift ein

Woran merkt man, dass ein Thema ausgelutscht ist?

Da gibt es inzwischen vier Möglichkeiten. Marko KovicIch versuche, über Wichtiges nachzudenken») meldet sich zu Wort. Raphaela Birrer schreibt einen Leid-, Pardon, Leitartikel. Jacqueline Büchi verfasst eine «Analyse». Oder aber, der «Politgeograf» Michael Hermann gibt etwas zum Besten.

Das gerät meistens zum Lachschlager, wenn die Mietmeinung immer wieder ein Loblied auf die EU singt. Diesmal aber muss er sogar noch Büchi hinterherarbeiten, die im schrankenlos nach unten offenen Tagi bereits mit untauglichen Mitteln und kleinem Besteck an der Umfrage unter Uni-Studentinnen rumgenörgelt hatte.

Damit ist dieser Multiplikator für Hermann durch, in der NZZ hat Katharina Fontana zum Thema ein Niveau vorgelegt, dass Hermann nur unterbieten könnte. Also hat er sich, in der Not frisst der Teufel Fliegen, oder sagten wir das schon, für das Qualitätsorgan, das Intelligenzlerblatt «watson» entschieden.

Denn auch bei Politgeografen gilt: any news is good news. Sagt man länger nix, verschwindet man aus der Kurzwahlliste der Sparjournalisten, wenn die einen «Experten» brauchen. Mit seiner üblichen Fingerfertigkeit setzt «watson» schon mal den falschen Titel: «Kritik an Studentinnen-Studie wird lauter». Nein, Lautstärke ist leider auch kein Argument.

Den Artikel selbst muss man – ausser man leidet unter Schlaflosigkeit oder weiss wirklich nicht, was man mit seinem Leben anfangen soll – nicht lesen. Denn der Lead alleine genügt schon für einen kräftigen Lacher:

«Es sei «beelendend», wie die «SonntagsZeitung» über das Thema Gleichstellung berichte, sagt Politgeograf Michael Hermann. Seine Forschung belege, dass studierte Frauen sehr wohl arbeiten.»

Komisch, die Umfrage belegt keinesfalls das Gegenteil. Aber vielleicht hat Hermann eine angeschaut, in der tatsächlich stünde, dass studierte Frauen keineswegs arbeiteten. Selbst Hermann arbeitet. Allerdings an seinem «Forschungsinstitut» Sotomo. Dort forscht er gerne im Auftrag von staatlichen Behörden oder der SRG. Völlig unabhängig von seinen Zahlmeistern, darunter das BAG, gab er in seiner Tagi-Kolumne schon mal bekannt: «Trotz Verschwörungstheorien und neuen Freiheitsfreunden: Staatliche Massnahmen haben in einer Phase grösster Verunsicherung Sicherheit und Vertrauen geschaffen.»

Darauf angesprochen, dass da vielleicht ein Interessenkonflikt bestehe, den er doch dem Leser seiner Kolumne offenlegen sollte, meinte Hermann: «Wenn der Massstab wäre, alle Akteure in meiner Kolumne zu deklarieren, bei denen ich  schon Aufträge hatte, müsste ich dies bei praktisch jeder tun

Der war nicht schlecht. Inzwischen ist er seine Kolumne los, umso grösser sein Bedürfnis, anderweitig Gehör zu finden. Aber gut, damit ist Hermann überstanden. Wir wappnen uns schon für den Auftritt von Birrer und Kovic.

 

 

Fremdschämen

Einfache Aufgabe: Tiefpunkte suchen.

Wer qualitativ Hochstehendes aufspüren will, hat’s in den Schweizer Medien schwer. Bei der Suche nach Tiefergelegtem hat man die Qual der Wahl …

Als Opener Lebenshilfe im Gratis-Segment von «20 Minuten».

Da kann auch «nau.ch» locker mithalten. Geheimnis Autositz, gaaaanz einfach erklärt.

Aber auch im Bezahl-Bereich wird’s nicht viel besser, wie CH Media beweist. Was sich heutzutage Essay nennen darf …

Der «Blick» versucht’s mangels News mit Nicht-News …

Die neuen Kolumnisten bei Tamedia hangeln sich von Tiefpunkt zu Tiefpunkt.

Das Problem von Benimm-Ratgebern ist, dass das Thema bereits so ausgelutscht ist, dass nicht einmal der NZZ noch was Originelles einfällt.

Wer allerdings vom Zwangsgebühren-TV SRF qualitativ höherstehende Lebenshilfe erwartet, wird enttäuscht.

Natürlich haben wir uns den absoluten Tiefpunkt bis zum Schluss aufgespart, er stinkt, wie sollte es anders sein, aus «watson».

 

Spar-NZZaS

Früher Abschluss, weniger Inhalt. Merkt man was?

«Auf einen Teil der Aktualität verzichten, Produktion früher abschliessen und den Umfang leicht reduzieren.» Das bedauert der NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer ausserordentlich.

Der immer noch nicht bewältige Cyberangriff macht der alten Tante weiterhin zu schaffen. Und das gerade an Ostern, wo sich die Redaktionen sowieso mühsam von Thema zu Thema hangeln und bei jedem Fundstück lauter gackern als die Henne beim Eierlegen. Oder der Hase beim Eierverstecken, oder so.

Wagen wir wieder einen Blick aufs Cover, womit will die NZZaS den Leser erfreuen?

Vergiftete Trüffelsuchhunde im Piemont (gut, das ist das «Magazin», das ist sowieso ausser Kontrolle und Konkurrenz), die Psychologin sagt etwas zur Arbeitskultur, dann ein Anriss auf die (Verlags-)Beilage Bildung (ein Inserateschmiermittel).

Dann ein Titel mit dem sich, mutig, die NZZaS beim Schweizer Hauptexporteur (mit Abstand) nicht gerade beliebt macht. Ein netter Hinweis darauf, dass nicht nur im «Kosmos», sondern in der Kultur ganz allgemein Millionen verlocht werden, insbesondere während Corona.

Die brennende Riesenrose soll, welche merkwürdige Wahl an Ostern, dafür Werbung machen, Artikel über Paartherapien zu lesen. Vielleicht sollte der verantwortliche Blattmacher auch mal …

Seite zwei ist dann nicht gerade ein Beweis dafür, dass der geschrumpfte Platz sinnvoll genutzt wurde. Ein suspendierter Geistlicher, der gleichgeschlechtliche Paare segnete – in Italien. Ein Riesenfoto und minimaler Text über Trump. Der wurde doch, breaking news, angeklagt.

Dann ein Abgesang auf den verglühenden Politstar Robert Habeck. Fast boulevardesk, die NZZaS. Zuerst einen hochschreiben, um ihn dann besser niedermachen zu können.

Dann ein Artikel, wie er auch problemlos im Ersten Weltkrieg hätte erscheinen können. Abgründig:

Das hätte Ernst Jünger nicht besser dichten können: «Ukrainische Kriegsversehrte kommen als Helden in das Prothesenzentrum in Kiew und werden erst einmal zu dem gemacht, was sie sind: Patienten. Sie wollen aber nur eins, zurück an die Front

Den Patienten wurden meistens Beine oder Arme weggeschossen oder -gesprengt. Beim Kriegshetzer-Autor muss man sich eher ums Hirn Sorgen machen.

Was macht eine Redaktion, wenn sie schon ziemlich auf dem Zahnfleisch läuft? Richtig, einen Artikel über das E-Voting. Den muss man nicht mal neu schreiben …

Wirklich lustig in seiner gelungenen Mischung aus Einblicken ins eigene (hoffentlich nicht erdichtete) Beziehungsleben und allgemeinen Schlussfolgerungen ist dann der Hauptkommentar von Chefredaktor Projer. Der erwähnt allerdings die beiden wohl wichtigsten Schmiermittel in einer Ehe nur indirekt: Humor und Selbstironie.

Dann kolumnieren allerdings Aline Wanner und Patrick Imhasly. Also hatte man doch zu viel freien Platz. Aber dann, auf Seite 15, aber immerhin, wird ein Thema aufgenommen, das an diesem Wochenende eine gewisse Bedeutung hatte: «An Ostern ist Wirklichkeit geworden, was niemand für möglich hielt». Ja was denn, dass eine katholische Priesterin diesen Kommentar schreibt? Nicht ganz, es ist eine reformierte Pfarrerin …

Dann kommt der eindeutige Tiefpunkt der Ausgabe. Dennis Frasch behauptet, viele Menschen seien «Im Banne des Gauklers». Er fragt sich und den Leser: «Warum glauben Menschen, was nachweislich falsch ist? Ein Abend mit Ganser und seinem Publikum.» Wer den Artikel liest, findet spontan eine erste Antwort: weil es solche Artikel gibt.

Er ist vier Spalten lang. Fast zwei davon verbraucht Frasch, um ausgewählte Exemplare des Publikums zu beschreiben. Dann will er ganze zwei Tricks der «Ganserichen Rhetorik» entlarven. Mässig überzeugend. Fraschs Tricks sind hingegen offensichtlich. Ausgewählte Beobachtungen und Behauptungen «Eine weisse Taube flimmert über die Leinwand. Bald sind es Verschwörungstheorien.» Bis dann aber mal eine kommt, sind wir bereits auf der letzten Spalte angelangt.

Der «Höhepunkt des Abends» sei «der angebliche Putsch 2014 in Kiew, der mit der Flucht des ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch endete. Ganser sagt, das Ganze sei eine von amerikanischen Geheimdiensten gesteuerte Verschwörung gewesen

Obwohl das nicht nur Ganser sagt, sondern auch eine ganze Reihe ernstzunehmender Wissenschaftler, zitiert Frasch eine Nada Boskovska, Professorin für Osteuropäische Geschichte an der Universität Zürich. Die ist zwar ausgewiesene Spezialistin für Makedonien oder «Die russische Frau im 17. Jahrhundert», aber als Ukraine-Kennerin ist sie noch nicht sonderlich aufgefallen. Auf jeden Fall sagt sie hier wunschgemäss, es sei «kein ausländischer Putsch» gewesen.

Womit dann Ganser wohl als Verschwörungstheoretiker entlarvt und bis auf die Knochen blamiert wäre. Nein, das ist eher der Autor – und das Blatt, das so eine erbärmliche und weitgehend argumentenfreie Hinrichtung publiziert. Denn selbstverständlich kann man Gansers Ansichten kritisieren. Aber können sollte man das halt schon. Dass Frasch als freier Journalist  häufig für das Qualitätsmedium «watson» arbeitet, muss nicht unbedingt gegen ihn sprechen. Aber auch nicht für ihn.

Schon alleine wegen des Autors muss der Artikel «Der Warner, der abgestraft wurde», gelobt werden. Denn Felix E. Müller hat hier schon einige Male Dresche bezogen. Nun aber hat er offenbar den ehemaligen VR der Credit Suisse Jean-Daniel Gerber dazu gebracht, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Beziehungsweise Müller seine Abschiedsrede zugänglich zu machen, die Gerber 2015 beim «Chairman’s Dinner» hielt. In Anwesenheit von Urs Rohner und der GL sowie dem VR kanzelte er die Entschädigungspolitik ab und nannte viele Faktoren, die schliesslich zum Untergang der CS führten.  Dafür sei er dann nachträglich von Rohner per Mail gerüffelt worden.

Einen hübschen Knaller hat dann der Bund «Kultur» zu bieten. «Was ist mit den 80 Millionen passiert?» So viel schüttete der Bund während Corona-Zeiten für sogenannte «Transformationsprojekte» aus, zusätzlich zu Ausfallentschädigungen. Knackeboul, (30’000 Franken), die Fondation Beyeler (95’800) und natürlich der «Kosmos»-Bruchpilot Samir (173’142) bekamen Steuergelder für «Transformationsprojekte».

455 Millionen zahlte der Bund, um Kulturbetriebe während der Pandemie am Leben zu erhalten. Darüber hinaus gab es bis vor Kurzem (allerdings wohl nicht bis «Oktober 2023» wie die NZZaS schreibt) 80 Millionen obendrauf. Allerdings: von den entsprechenden «Transformationsprojekten» ist keine Spur sichtbar. Was machte Knackeboul mit seinen 30’000 Franken? Auf wiederholte Anfragen antworte sein Management: «keine zeitlichen Kapazitäten für ein Interview».

Da bleibt der NZZaS nur spitze Ironie: «Womöglich befindet er sich gerade in einer intensiven Phase der Transformation.» Allerdings fände er Zeit, bis zu fünfmal am Tag zu twittern. Ach, und Samirs Produktionsfirma antwortet erst gar nicht auf die Anfrage. Ach, und der gescheiterte «Kosmos», bei dem Samir regelmässig für leere Kinosäle und jede Menge interne Querelen sorgte, kriegte auch noch 300’000 Franken. Wohl dafür, sich in den Bankrott zu transformieren.

Allerdings: Ende Oktober müssen Schlussabrechnungen eingereicht und von einer externen Treuhandfirma überprüft werden. «Spätestens dann könnte der eine oder andere Betrieb ziemlich ins Schwitzen kommen«, vermutet die NZZaS. Wetten, dass allen genügend Geschwurbel und Geschleime einfallen wird?

Man würde sich fast versöhnt von der NZZaS verabschieden, wenn auf Seite 53 nicht die 6. Folge einer Fortsetzungsgeschichte von Jan Weiler erschienen wäre. Ein Kulturchef, der das zu verantworten hat, müsste fristlos einer anderen Tätigkeit zugeführt werden. Welcher? Schwer zu sagen, denn was kann Teuwsen eigentlich?

Ein Klaps für CH Media

ZACKBUM ist gerecht und kritisiert alle.

Durch das Fehlen eines Leitmediums gerät CH Media immer wieder etwas aus dem laserscharfen Fokus von ZACKBUM. Hoppla, das war ja ein Bild, das die CS verwendete, als sie noch plapperte. Aber item, wie schlägt sich denn der Konzern der Träger von weissen Socken und Lederkrawatten, also der Aargauer, in der CS-Krise? Es geht.

Oberchefredaktor Patrik Müller (der letzte Überlebende des einstigen Triumvirats Dorer, Rutishauser, Müller) kommentiert sehr originell: «Bankenbeben. Zu dieser Katastrophe hätte es nie kommen dürfen.» Kam es aber, was sagst du nun. Seine Wirtschaftschefin Florence Vuichard ergänzt mit dem nächsten Stehsatz-Titel: «Erst scheitern, dann kassieren: Auf das CS-Ende folgt die Boni-Malaise».

Es folgen im «Tagblatt» die «Wandertipps», dann «Essen & Trinken», denn das muss ja auch sein.

Weiter oben berichtet das CH Media-Imperium über die «Rolle der Saudis im CS-Drama». Das hört sich nach einer guten Idee an, bis man liest, dass sie von «watson» stammt. Die Berichterstattung des Listicals-, Katzenvideos- und Blödel-Blatts sieht insgesamt so aus:

Wenn Philipp Löpfe einen Ratschlag gibt, ist man gut beraten, genau das Gegenteil zu tun. «40’000 Jobs auf der Kippe: Panische CS-Banker fluten Personalvermittler», so lautet eine weitere Schlagzeile. Die halten sich offenbar nicht an den Ratschlag von Löpfe. Um auf diese Horror-Zahl zu kommen, zählt «watson» einfach die Stellen der UBS und der CS in der Schweiz zusammen – und rundet schwer auf. Befindet sich also mal wieder im weiteren Streubereich der Wahrheit. Oder eigentlich ausserhalb.

Aber was weiss denn die Praktikantin Lea Oetiker über die Scheichs? Nun, all das, was sie aus meist englischen Quellen brav abschreibt. Dass die Scheichs im Allgemeinen zu den Grossaktionären der CS gehörten, dass die Saudi National Bank bei der letzten Kapitalerhöhung der CS zuschlug und mit knapp 10 Prozent der grösste Aktionär wurde. Und dass deren Präsident den berühmten Ausspruch auf die Frage tätigte, ob er weiter Liquidität einschiessen würde: «Absolut nicht, und zwar aus vielen Gründen, abgesehen vom einfachsten Grund, der regulatorischer und gesetzlicher Natur ist.»

Soweit, so bekannt und gähn. Das nennt man im Journalismus Rehash; man hackt Bekanntes, mixt es neu zusammen und serviert es dem Leser als Aufgewärmtes.

Interessant wäre allerdings gewesen, zu erfahren, warum der Bankenpräsident das sagte. Denn anscheinend machte die gleiche Saudi-Bank in letzter Minute ein 5-Milliarden-Angebot, um die CS zu retten. Das wurde angeblich abgelehnt, weil die Saudis die gleichen Garantien forderten, die die UBS dann bekam.

Spinnt also der Scheich? Keineswegs, denn sein Hinweis auf regulatorische Bestimmungen war natürlich völlig richtig. Beim Überschreiten bestimmter Grenzen sind in der Schweiz bürokratische Formalien zu erledigen, es gibt sogenannte Aktienschwellen, deren Überschreiten Meldepflichten nach sich ziehen. Davon gibt es jede Menge: bei mehr als 3, 5, 10, 15, 20, 25, 33⅓, 50 oder 66⅔ Prozent der Aktien.

Offensichtlich wollte die saudische Bank die Schwelle von 10 Prozent nicht überschreiten, aus welchen Gründen auch immer. Und genauso offensichtlich war sich der Bankpräsident nicht bewusst, in welch wackliger Verfassung sich die Bank bei seiner Aussage befand. Er hatte den Behauptungen der Bank und der Schweizer Behörden vertraut – ein schwerer Fehler heutzutage.

Also hört die Story von «watson», gleich von den anderen Medien von CH Media übernommen, dort auf, wo es eigentlich interessant werden würde. Irgendwie typisch.