Schlagwortarchiv für: Wappler

Unwürdige Glaubwürdigkeit

Worauf stützen wir uns Weltverständnis?

Findet in der Ukraine ein Krieg statt? Waren die Corona-Massnahmen gerechtfertigt und zielführend? Gilt bei Christian Dorer die Unschuldsvermutung? Stimmen die Vorwürfe von Anuschka Roshani? Ist US-Präsident Joe Biden senil? Greift China nach der Weltherrschaft? Interessieren jemanden die Hunderttausenden von Toten und Millionen von Vertriebenen im Tygrai?

Was sollen diese Fragen gemeinsam haben? Ganz einfach: Ihre Antworten entziehen sich unserer persönlichen Überprüfbarkeit. Wir sind dafür auf Boten angewiesen. Auf Nachrichtendienste, auf die Presse, auf Medien.

Es ist eine Binse, dass es eine sogenannte objektive Realität nicht gibt. Oder wahrscheinlich gibt es sie, aber sie ist unseren Aufnahmemöglichkeiten nicht in dieser Form zugänglich. Im schlimmsten Fall gilt sogar die Heisenbergsche Unschärferelation, dazu die Erkenntnis von Gödel, dass ein ausreichend komplexes System niemals in sich selbst widerspruchsfrei sein kann.

Weniger abstrakt ausgedrückt: es gibt nur Annäherungen an die Wirklichkeit. Ob die gelungen sind oder nicht, dafür gibt es allerdings einige Kriterien. Wird die Wirklichkeit durch eine ideologische Brille betrachtet, sind die Ergebnisse nicht sehr überzeugend. Beziehungsweise überzeugen sie diejenigen, die schon vor der Aufnahme der Nachricht Anhänger dieser Ideologie waren. Dabei ist aber der Erkenntnisgewinn nahe null.

Was ist denn nun aber der Wesenskern einer Nachricht? Was sollte sie sein, damit sie sinnvoll ist? Nehmen wir ein einfaches Beispiel, die Prognose. Die Wetterprognose. Wenn berichtet wird, dass Meteorologen aufgrund ihrer wissenschaftlichen Ausbildung und  in Interpretation der vorliegenden Daten zur Ansicht gekommen sind, dass es morgen schneien wird, kann der Empfänger der Botschaft entsprechende Vorkehrungen treffen. Also Winterkleidung hervornehmen, einen Schirm einpacken und Handschuhe. Sollte die Prognose nicht eintreffen, ist der Schaden überschaubar.

Wichtig ist noch, dass die Prognose eben mit wissenschaftlichen Methoden erstellt wurde. Basiert sie auf der Interpretation von Wolkenformationen und Vogelflug als Zeichen der Götter, ist sie abergläubischer Unfug, selbst wenn sie zufällig eintreffen sollte.

Also wieder abstrakt: Informationen über die Welt sollten gewissen handwerklichen Ansprüchen genügen. Während eine Wetterprognose direkten Einfluss auf mein Verhalten haben kann, sind Nachrichten aus aller Welt nicht unbedingt mit meiner Lebenswirklichkeit verknüpft. Dennoch ist der Mensch neugierig und möchte verstehen, was um ihn herum und in der Welt, in der er lebt, so vorgeht.

So kann auch der Krieg in der Ukraine direkte Auswirkungen auf seine Lebenszusamenhänge haben. Er könnte sich zum Beispiel in einen Atomkrieg verwandeln oder dazu führen, dass der Leser aus seiner Wohnung geschmissen wird, weil Platz für ukrainische Flüchtlinge geschaffen werden soll. Oder er muss eine exorbitante Energierechnung begleichen oder auf den Kauf russischer Güter verzichten.

Von den Corona-Massnahmen war jeder ganz direkt und in seinem Lebenszusammenhang betroffen. Theoretisch sollte bei Christian Dorer, wie bei Pierin Vincenz, die Unschuldsvermutung gelten. Die Vorwürfe von Roshani hätten nicht nur auf ZACKBUM einem banalen Faktencheck unterzogen werden sollen. Der geistige Zustand des 80-jährigen Biden kann mit entsprechenden Untersuchungen einigermassen analysiert werden. Welche machtstrategischen Absichten China hat, kann man einschlägigen Ankündigungen entnehmen, vorausgesetzt, man kann Chinesisch. Die Toten und Vertriebenen von Tygrai interessieren keinen, weil sie in der falschen Weltgegend leiden und die falsche Hautfarbe haben.

In all diesen Fällen muss konstatiert werden, dass in den Massenmedien eine Vereinheitlichung der Meinungen, ein ideologisch-moralischer Tunnelblick, eine selbstverliebte Rechthaberei ohne entsprechende Kompetenzen zunehmend um sich greift.

Bezüglich des Ukrainekonflikts klar Partei ergreifen, das ist erlaubt. Wenn aber die Kriegsberichterstattung es dem Konsumenten unmöglich macht zu beurteilen, wer hier Fortschritte macht und wer Rückschritte, wer Kriegsverbrechen begeht und verbotene Waffen einsetzt. Wenn klare Analysen fehlen, wie verwurzelt die faschistische Ideologie, die Verherrlichung eines Nazi-Kolaborateurs und Kriegsverbrechers wie Stepan Bandera noch ist. Wenn kein Massenmedium beispielsweise durch die Publikation verschiedener Blickwinkel die Positionen beider Kriegsparteien dem Konsumenten zumindest darbietet: dann verlieren unsere Messfühler in die Welt ihre Glaubwürdigkeit.

Wenn es auch im Nachhinein kaum möglich ist, die staatlichen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie kritisch aufzuarbeiten, wenn beispielsweise die «SonntagsZeitung» eine zur Stellungnahme eingeladene kritische Meinungsäusserung einfach kommentarlos unterdrückt, wenn es zu praktisch jedem Thema auf der Welt eine vorgefasste Redaktionslinie gibt, von der keine Abweichung toleriert wird: dann verlieren unsere Nachrichtenboten ihre Glaubwürdigkeit.

Wenn der Kommentar die Analyse verdrängt, wenn die Betrachtung des eigenen Bauchnabels den Blick nach aussen ersetzt, wenn Klatschgeschichten aus dem Innenleben von Redaktionen wichtiger werden als die Berichterstattung über Aussenereignisse, wenn fehlende Kompetenz kein Grund für Schweigen ist, wenn für Beförderungen das Geschlecht der ausschlaggebende Faktor wird: dann verlieren unsere Medien ihre Glaubwürdigkeit.

Wenn die privaten Besitzer dieser Nachrichtenquellen ihren Blättern ihre Meinung aufdrücken, so wie der Wannerclan es bei CH Media vorexerziert, oder der familiennahe Mitbesitzer und CEO bei Ringier, wenn sie gleichzeitig darauf achten, dass ihre Pfründe satte Gewinne abwerfen, während den sogenannten Content Providern sogar noch das Hungertuch weggespart wird und weniger und magerer Inhalt dem Käufer zu exorbitant steigenden Preisen als angeblicher Mehrwert verkauft wird: dann verlieren unsere Newskonzerne ihre Glaubwürdigkeit.

Wenn schliesslich wildes Gehampel über Genderfragen, inkludierende Sprache, Vergewaltigungen der deutschen Syntax und Grammatik wichtiger werden als Inhalte, wenn herrschaftsfrei und nichtdiskriminierend Schwachsinn erzählen wertvoller wird als kenntnisreichen Inhalt zu liefern: dann verlieren unsere Wirklichkeitsverarbeiter ihre Glaubwürdigkeit.

Wenn es nicht mehr erlaubt sein sollte zu konstatieren, dass faktisch alle weiblichen Führungskräfte im Journalismus nicht durch ihre Fähigkeiten in diese Positionen gelangten, dort durch Inkompetenz wie Wappler, Unsichtbarkeit wie Heimgartner oder durch peinlich-banale Kommentare wie Hasse auffallen, dann verlieren unsere angeblich pluralistischen Plattformen ihre Glaubwürdigkeit.

Der Prozess kann als beinahe abgeschlossen betrachtet werden. ZACKBUM ist gespannt, welche neuen Formen der Informationsvermittlung als Geschäftsmodell sich durchsetzen werden.