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Querschüsse von CH Media

Im Aargauer Kopfsalat variieren die Titel. Aber die Stossrichtung ist die gleiche.

Etwas vornehmer titelt das «Bieler Tagblatt»: «Manöver gegen Wille und Wappler». Direkter zur Sache geht das «Aargauer Tagblatt»: «Generaldirektor: Die beiden Favoritinnen erfüllen die Kriterien nicht – welches Spiel treibt die SRG

Der Medien-Spezialst des Wanner-Clans Francesco Benini hat mal wieder zugeschlagen. Er hat sich das Anforderungsprofil des Headhunters genauer angeschaut, der im Auftrag des Verwaltungsrats der SRG nach einem Nachfolger für Gilles Marchand sucht.

Angesichts einer drohenden Einnahmekürzung ist das eine entscheidende Personalfrage. Nun stehe aber im Anforderungsprofil, dass der Kandidat «Führungserfahrung in einer Organisation «mit ca. 500+ Personen»» haben sollte. Schlecht für Susanne Wille; die Kulturabteilung von SRF umfasst bloss 222 Angestellte. Aber auch für Nathalie Wappler sieht es eher düster aus: «Ideales Alter im Zeitpunkt der Wahl: ca. 42-55 Jahre», stehe weiter im Anforderungsprofil. Wappler ist 56.

Daraus schliesst Benini messerscharf, dass der VR möglicherweise eine Geheimagenda mit einem Kandidaten hat, den er zurzeit noch nicht outen möchte. Er erinnert an frühere Zeiten: «2010 war es so: Niemand hatte Roger de Weck auf der Rechnung. Auch dank der Fürsprache des damaligen Medienministers Moritz Leuenberger (SP) stach de Weck aber die Bewerber aus, die als aussichtsreich galten.»

Dann kriegt noch Wappler ihr Fett ab: Sie «verkündet derweil ein neues Sparprogramm beim Schweizer Fernsehen. Sie gibt dabei weder die Summe noch die Anzahl Stellen an, die eingespart werden müssen. Entlassungen seien in jedem Fall unvermeidbar, im Sommer wisse man mehr. Der frühe Zeitpunkt der Ankündigung fällt auf.»

Ist da was dran oder spekuliert Benini im luftleeren Raum? Spätestens nach der etwas hysterischen Reaktion von SRG-Präsident Jean-Michel Cina muss man vermuten, dass Benini einen Punkt hat. Denn Cina polterte auf X: «Es gibt Journalisten, die in einer ungebrauchten, leeren Tasse Kaffeesatz lesen wollen. Das erinnert mich an Luftgitarre spielen. Es kommen keine Töne raus. ‹But the show must go on!›»

So xt der oberste Chef der SRG tatsächlich vor sich hin? Hatte sein Kommunikationsberater gerade frei? Leidet der Mann unter einer Profilneurose? Arbeitet er nach dem Prinzip: Scherz, komm heraus, du bist umzingelt?

Wenn diese Eignungskriterien im Anforderungsprofil stehen und tatsächlich ernstgenommen werden sollten, dann wären Wille definitiv und Wappler höchstwahrscheinlich draussen. Das ist dann kein Luftgitarrenspiel und auch kein Kaffeesatzlesen.

Man kann gespannt sein, wie Cina den geordneten Rückzug antreten will, sollte es eine der beiden Damen nicht werden …

Gute Nachrichten von Wanners

CH Media kann aufatmen. Schloss und Weinberg gehen es gut.

Man schätze sehr den «fairen Dialog» mit der Personalkommission, wird CEO Michael Wanner zitiert. Das habe dazu geführt, dass man statt 150 «nur» 140 Vollzeitstellen abbaue. Ach ja, und nach fröhlichen Weihnachten werden dann im Januar 80 Mitarbeiter auf die Strasse gestellt. Da kommt Freude an den Festtagen auf.

Dieses Desaster erklärt, wieso die Trennung vom erfolgreichen CEO Axel Wüstmann recht rumpelig erfolgte. Der wusste sich nicht anders zu helfen, als den Kamikaze-Expansionskurs des Wanner-Clans in die elektronischen Medien öffentlich in Frage zu stellen. Das kostete ihn wie wohl beabsichtigt den Job. Zuerst sollte er seinen Nachfolger, einen Wanner-Sprössling, noch einarbeiten. Dann stellte sich wohl heraus, dass das eine eher schwierige Aufgabe wäre.

Also wurde aus der vorausschauend langfristig geplanten Übergangsregelung eine Freistellung per sofort.

Am Sozialplan für die Massenentlassung werde nun nicht mehr geschraubt, lässt das Unternehmen noch mitteilen. Ach, und auf Anfrage von persönlich.com wurde bestätigt, dass die Teppichetage nicht auf Lohn und Boni verzichte. Dazu sei man gezwungen: «Lohn und Boni sind Teil der Vertragsvereinbarung, an die sich Arbeitgeber halten müssen», bedauert die Kommunikationschefin.

Ein weiterer Beitrag zu: für wie dumm hält der Wanner-Clan eigentlich seine Konsumenten und Mitarbeiter? Natürlich kann ein Unternehmen nicht einfach zugesicherte Leistungen verweigern. Aber die Versager in der Geschäftsleitung, die für dieses Schlamassel verantwortlich sind, könnten ja freiwillig ihre Solidarität mit den Gefeuerten zeigen. Oder so kundtun, dass auch sie selbst mit ihrer jämmerlichen Performance nicht so ganz zufrieden sind.

Aber bei diesen materiefremden Managern herrscht die gleiche Mentalität wie bei Bankern. Gewinn, Verlust, Drama, Vollversagen – völlig egal, satter Lohn und üppiger Bonus muss sein.

Ein Stellenschwund von 7 Prozent, das sind keine Peanuts. Nachdem bereits durch die Installation einer Zentralredaktion und die Belieferung unzähliger Kopfblätter mit einer Aarauer Einheitssauce kräftig eingespart wurde.

Auf der anderen Seite kaufte Wanner die NZZ aus dem gemeinsamen Joint Venture, gleichzeitig kaufte das Medienhaus alle Privat-TV- und Radio-Stationen auf, die erhältlich waren. Ohne es damit zu schaffen, zu einer echten Konkurrenz des grossen Bruders SRF zu werden.

Man ist v ersucht, Parallelen zum Wunderwuzzi aus Österreich zu ziehen. Aufkauf um des Aufkaufs und des Namens willen, Tele Züri, Radio 24, die 3+-Senderfamilie, diverse Lokalsender, die nun auch teilweise mit einer Einheitssauce bespielt werden. Strategie dahinter? Das Joint Venture mit der NZZ im Bereich Tageszeitungen. mit Ausnahme des Fasses ohne Boden «watson». Strategie? Dann Abkauf der NZZ-Anteile. Strategie?

«Der Stellenabbau bei CH Media ist aber weiterhin dringlich und für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens unvermeidbar», tönt Filius und CEO Wanner. Wir holzen kräftig ab, auf dass der Wald gedeihe. Was an einer Massenentlassung zukunftsfähig sein könnte, das weiss wohl nur Wanner.

Zukunftsfähig wäre es, wenn die Chefetage eine Strategie ausgebrütet hätte, mit der das Wanner-Imperium zukunftsfähig würde. Das wäre dann eine echte Sicherung, auch von Arbeitsplätzen. Aber so? Beruf Tochter oder Sohn, das ermöglicht zwar den ungebremsten Aufstieg, reicht aber nicht unbedingt als Qualifikation für höhere Positionen.

So wie die UBS schon längst durchrechnete, was ihr eine Übernahme der Credit Suisse bringen würde, beschäftigen sich bei Ringier und Tamedia garantiert auch schon ein paar Nasen damit, zu welchem Preis eine Übernahme von CH Media Sinn machen würde.

Letztlich ein typisches Problem der dritten Generation in Unternehmen …

Wirtschaftsschwache CH Media

Das grosse Rausschmeissen geht weiter.

Frohe Weihnachten auf Unternehmerart wünscht auch der Wanner-Clan seinen Mitarbeitern. 150 Stellen werden schon im ersten Quartal 2024 abgebaut.

Denn, konnte ja keiner kommen sehen, es gebe Umsatzeinbussen in den «Kernmärkten» Entertainment und Publishing. Erstaunlich, denn in den letzten Jahren hat CH Media in einem eigentlichen Kaufrausch das Joint Venture mit der NZZ beendet, indem es deren Anteile übernahm. Und auf elektronischem Gebiet so ziemlich alles aufgekauft, was einen Sendemast hat.

Und nun? Michael Wanner, der noch nicht so alte CEO, darf exklusiv in persoenlich.com die Chose erklären, ohne Angst vor kritischen Nachfragen haben zu müssen. Stattdessen kann er ungestört das übliche Manager-Blabla ablassen:

«Der schwache Geschäftsgang hat sich leider akzentuiert, insbesondere wegen fehlender Werbeeinnahmen im traditionell umsatzstärksten dritten Trimester. Es wäre fahrlässig, jetzt nicht zu reagieren.»

Natürlich kommen den Wanners fast die Tränen auf ihrem Schloss, wenn sie an die Mitarbeiter denken: «… bedaure diesen Schritt ausserordentlich … leider keine andere Wahl … finanzielle Performance ist entscheidend, um weiter in die Zukunft investieren zu können …»

Aha. Oder könnte es daran liegen, dass in der Vergangenheit zu viel investiert wurde? Niemals: «Die getätigten Investitionen, etwa in die 3+ Gruppe, in die Radio-Stationen oder Watson haben unser Portfolio ideal ergänzt.» Grossartig ist auch diese Leerformel:

«Wir sparen uns nicht blind in die Zukunft.»

Hier verkündet Wanner so nebenbei ein kleines Wunder. Er kann in die Zukunft sehen. Das mag die rund 2000 Mitarbeiter beruhigen. Obwohl die nicht in die Zukunft sehen können, aber noch vor Weihnachten erfahren werden, wen’s lupfen wird und wen nicht.

Besonders traurige Weihnachten wird es dabei für einen ganz spezifischen Typus von Mitarbeiter geben. Der ist über 50 Jahre alt, aber noch nicht im Frühpensionsalter. Dennoch aber durch diverse Lohnerhöhungen aus den besseren Jahren viel zu teuer im Vergleich zu einem Kindersoldaten. Der sich zudem viel gelenkiger in den sozialen Medien und modernen Kommunikationswegen auskennt als der Oldtimer.

Aber selbst mit Ü-55 ist es bis zur Frühpensionierung doch noch zu weit hin. Was tun stattdessen? Nun, mit Fassung tragen, dass der Weg in die Sozialhilfe vorgezeichnet ist. Aber als Trost hilft sicher: so können die Wanners in ihrem Schloss mehr als ein Cheminée gleichzeitig anzünden, der Pflege des Weinbergs muss es an nichts mangeln, und die nächste Generation darf weiterhin frohgemut, aber nicht sonderlich kompetent vor sich hinwerkeln.

Michael Wanner war erst diesen Frühling als neuer CEO angetreten, nachdem sich das Haus Wanner eher ruppig vom erfolgreichen Vorgänger Axel Wüstmann getrennt hatte. Mit dem hatte man zunächst einen Friede-Freude-Eierkuchen-Ab- und Übergang kommuniziert. Und dann, zack, «einigte» man sich darauf, «die Zusammenarbeit per sofort» zu beenden.

Lustige Begründung: «Nun sind beide Seiten zur Einsicht gelangt, dass es für die Unternehmung und für die Mitarbeitenden besser ist, wenn der Übergang zur neuen Führung schneller vonstattengeht.» Dieser Übergang ging dann allerdings so schnell vonstatten, dass es zwischen November ’22 und Frühling ’23 eine Übergangslösung in Form des COO brauchte.

Oder mit anderen Worten: es krachte kräftig im Gebälk, weil Wüstmann mit seiner Kritik am Kaufrausch nicht hinter dem Berg gehalten hatte. Und nun muss Wanner Junior gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit den Mitarbeitern die Schrumpfkur verkünden.

So zu investieren, dass damit tatsächlich gesteigerte Wertschöpfung betrieben werden kann (oder zumindest das bisherige Niveau gehalten wird), das war dem Wanner-Clan nicht möglich. Erfolgreicher Kritiker weg, stattdessen entscheiden die Familienbande – man müsste blind sein, um nicht eher dunkelgrau in die Zukunft von CH Media zu schauen.

Das Logo des Medienhauses zieren vier, nun ja, Punkte oder Kreise. Angesichts von vier Wanners kursiert unter den Angestellten eine Interpretation, die hier nicht wiedergegeben werden kann.

 

Die Welt spinnt

Geklaut von der WoZ. Aber gut.

Die Lage ist ernst, die Ereignisse zerfurchen manche Stirne, es wird mit Zeigefingern gefuchtelt, dass Handchirurgen Überstunden leisten müssen.

Also höchste Zeit für Spass und Tollerei. Gibt’s ja auch. Zuvorderst, aber die Konkurrenz ist hart auf den Fersen, der «Blick» Wer das hier (mit Bild!) online stellte, riskiert garantiert seine Weiterbeschäftigung:

Was, entledigen sich die Schweizer massenhaft ihrer Dildos? Nicht ganz, es handelt sich um den Aufruf einer Kinder-Wohltätigkeitsorganisation in – Wales. Noch schlimmer: «Welche Art von Sexspielzeugen die Filiale genau erhielt, wurde nicht öffentlich bekannt gegeben.» Das ist eine Meldung, ungefähr so unbefriedigend wie einen Orgasmus vortäuschen.

Aber vielleicht schafft hier der nächste Artikel von «Blick online» Abhilfe:

Okay, der nicht von der «Blick»-Redaktion, könnte also zutreffen. Aber oh je, verschämt oben rechts steht doch «Präsentiert von amorama». Nein, nicht präsentiert, bezahlt.

Für einen sicheren Lacher ist auch «bajour» immer gut, die künstlich beatmete Postille vom Internet-Crack Hansi Voigt in Basel:

Das ist endlich mal Lokalberichterstattung at its best. Nur mit der Aktualität hat’s es «bajour» nicht so, aber man kann auch über den Geruch von eingeschlafenen Füssen lachen:

Auch auf die Gefahr hin, dass man ZACKBUM vorwirft, nur zum Naheliegenden zu greifen: wohin denn sonst?

Eine solche Mischung von Vollgaga-News kriegt in der Schweiz nur «watson» hin. Da capo:

ZACKBUM ist gerecht und verteilt Lachtränen in alle Richtungen. Nur die «Aargauerzeitung» aus dem Hause Wanner traut sich, so aufzumachen:

Nun ja, auch das St. Galler «Tagblatt» hat’s gerne bunt und komisch gemischt:

Auch die alte Tante kann ganz witzig werden. Vor allem, wenn sie sich am Angstgegner der FDP abarbeitet, der SVP. Da lässt sie dann jegliches Bemühen um Objektivität fallen:

«Die SVP erringt den Wahlsieg mit einem Luftschloss». Diesen Knaller würde sich nicht mal Patti Basler oder sonst ein Linkskomiker trauen.

Und der Tagi? Der ist eigentlich nicht komisch, vielleicht tragikomisch:

Das Problem hier ist: kein Kommentar ausser einem, aber der ist auf Englisch, enthält irgend etwas Erhellendes, Interessantes, gar Witziges.

 

Traumtänzerei

Was wäre, wenn der Journalismus funktionieren würde?

«Die Frage, wieweit Canonicas Opferhaltung glaubwürdig ist, soll nun auch im «Magazin» publizistisch «angemessen» thematisiert werden. Am Mittwoch waren zumindest entsprechende Aufforderungen an die Redaktion zu hören.»

Das schreibt Lucien Scherrer in der NZZ. Er will über den Verlauf einer Aussprache bei Tamedia informiert sein, die letzten Mittwoch stattgefunden haben soll. Bei ihr seien der Tamedia-Boss Pietro Supino und der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser aufgetreten. Supino soll von einer «schmutzigen Geschichte» gesprochen haben, auf die «man jedoch korrekt reagiert habe», will die NZZ wissen.

Zunächst: korrekt reagiert? Wenn Supino das wirklich meint, muss man sich Sorgen um die Tx Group machen. Denn wenn der Chef den Kontakt zur Realität verliert, ist Feuer im Dach. Tamedia eierte sich kommunikativ (als Medienhaus!) geschickt in einen GAU hinein.

Zunächst der edle Verweis auf «Persönlichkeitsschutz», der leider weitere Informationen verbiete. Ausser, dass man die Vorwürfe von Roshani sehr ernst genommen habe. Bereits einen Tag später war es mit dem Schutz vorbei; ohne bei den Betroffenen ihr Einverständnis einzuholen, wurde fröhlich eine Zusammenfassung einer externen Untersuchung veröffentlicht. Zuerst an die Angestellten verteilt, im sicheren Wissen, dass sie so in einer Minute überall gestreut sei.

In dieser Zusammenfassung bekommen sowohl Canonica wie Roshani ihr Fett ab. Der Bericht forderte im Fall Canonicas nur Sensibilisierung, Coaching und Führungskurse. Stattdessen suchte er Mitte letzten Jahres keine neue Herausforderung, wie bislang das Wording war, sondern wurde gefeuert. Ebenso wie Roshani dann im September.

Wie auch die berühmten, nicht namentlich genannt sein wollenden Quellen ZACKBUM versichern, herrscht zurzeit bei Tamedia eine Bombenstimmung. Denn nicht nur Canonica, eigentlich alle Redaktoren kriegen zu hören, bei welchem Schweinebackenverlag sie denn arbeiten würden.

Vielleicht wäre der Vorwurf angebrachter, bei welchem Verlag von Inkompetenten sie ihre üppigen Saläre einstrichen. Denn in all diesen Fällen von Sexismus-Vorwürfen sind die Journalisten in keiner Weise ihrer angeblichen Kernkompetenz nachgegangen: recherchieren, untersuchen, Beleg sammeln, Zeugen finden, Artikel machen.

78 erregte Tamedia-Journalistinnen hatten einen Protestbrief unterzeichnet, der mehr als 60 verbale Übergriffe aufzählte. Fast zwei Jahre danach ist es in keinem einzigen Fall bekannt, ob er sich wirklich so zugetragen hatte – oder nicht. Das ist ein klägliches Versagen.

In der neusten Attacke behauptet die Autorin Anuschka Roshani, dass verbale Ausfälligkeiten ihr gegenüber nicht nur unter vier Augen oder Ohren stattfanden, sondern coram publico. Also in Anwesenheit von Zeugen. Canonica hingegen behauptet in einem Verteidigungsschreiben, dass das alles gelogen sei. Zudem habe die gesamte Redaktion einen Brief verfasst, in dem sie die Anschuldigungen Roshanis als «absurd» zurückgewiesen hätten und ihm den Rücken gestärkt. Dieser Brief sei an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat gerichtet gewesen.

Es liegen also genügend recherchierbare Behauptungen vor. Eine klare Ja/Nein-Sache ist auch, dass die Verlagsleitung behauptet, Roshani sei der Inhalt des Untersuchungsberichts über ihre Anschuldigungen zur Kenntnis gebracht worden. Roshani bestreitet das.

Gibt es diesen Brief, gab es Ausfälligkeiten Canonicas vor Zeugen, hat Roshani den Bericht oder nicht, sind die von ihr belegten Beispiele aus dem Zusammenhang gerissen, wie Canonica behauptet, Ausdruck einer freundschaftlichen Scherzebene, über die beide gelacht hätten – oder sind es widerliche Ausrutscher?

Hat Canonica anzüglich mit einer Frauenbrust aus Plastik gespielt oder war es ein Brustimplantat, das er bei einer Reportage erhielt? Zumindest ein aus anonymer Quelle stammender Vorwurf ist weggeräumt: Big Boss Supino zwang CH Media zu einer «Korrektur und Entschuldigung». Der Wanner-Clan hatte dem Vertreter des Coninx-Clans schriftlich unterstellt, er habe Canonica nahegestanden und seine schützende Hand über ihn gehalten.

Ein weiteres Thema, die «anonymen Quellen». Der «Blick» arbeitet damit, CH Media arbeitet damit, die NZZ auch, sogar die «Zeit» will von gleich fünf ehemaligen Mitarbeitern dies und das bestätigt bekommen haben.

Auch das wäre ein Thema für Recherchen. Gibt es diese anonymen Quellen? Oder sind sie erfunden? Wenn es Ohren- und Augenzeugen gegeben haben soll, was sagen die? Wann wird dieser Solidaritätsbrief veröffentlicht, wenn es ihn gibt? Was kann man über die Arbeitstätigkeit von Roshani sagen? Stimmt es, dass sie eine Blindbewerbung auf die damals noch von Canonica besetzte Stelle des Chefredaktors «Magazin» bei der Geschäftsleitung deponiert haben soll?

Wie man sieht: es gäbe jede Menge Pisten, Hinweise, Andeutungen, Behauptungen, denen man nachgehen könnte. Dass feministische Schreihälse wie Franziska Schutzbach diese Anschuldigungen zum Anlass nehmen, sich mal wieder über die unerträgliche Machokultur im Journalismus zu beklagen, obwohl sie via ihren Partner und «Magazin»-Redaktor eigentlich aus erster Hand schon lange wissen sollte, wie es dort zuging – oder eben nicht –, geschenkt, das ist billiger Klamauk.

Aber wieso bildet die «Magazin»-Redaktion nicht eine Task Force, die diesen konkreten Fall aufarbeitet? Wäre das nicht eine Sache für das sogenannte Investigativ Desk, mal eine Abwechslung zum Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen?

Oder kurz gefragt: Wieso gehen die Hunderte von Journalisten im Hause Tamedia nicht einfach mal ihrem Beruf nach? Wieso lassen es alle anderen beim zitieren von angeblichen Quellen bewenden, die offenbar auch – anonym macht mutig – Stuss erzählen?

War es wirklich «noch viel schlimmer», sind Roshanis Anschuldigungen nur «die Spitze des Eisbergs», herrschte «Psycho-Terror»? Oder ist Canonica ein weiteres Opfer einer rachsüchtigen Untergebenen?

Das sollte doch rauszufinden sein. Aber eben, welcher Journalist arbeitet heute eigentlich noch als Journalist?

Schönsprecher Supino

Der Präsident des Verlegerverbands gewährt nach seiner krachenden Niederlage ein Interview.

Pietro Supino war eher schweigsam in den letzten Wochen. Verständlich, denn er musste einen herben Schlag wegstecken. Die geballte Meinungsmacht aller Mainstream-Medien, mit Ausnahme der NZZ, war für die Annahme des Medienpakets. Zuvorderst auch seine Tamedia, wo er höchstselbst zum Mittel des Leitartikels griff und damit schön unter Beweis stellte, dass die behauptete Trennung zwischen Verlag und redaktionellem Inhalt ein Witz ist, dazu noch ein schlechter.

Ein Sieg an der Urne hätte den angeblich notleidenden Medienclans, den Coninx, Wanner und Ringier, einen grossen Extrabatzen in die Kassen gespült. Dagegen kämpfte nur ein kleines Grüppchen mit sehr überschaubaren finanziellen Mitteln und sehr wenig Sprachrohren.

Daher musste auch Supino einen langen Weg zurücklegen. Zunächst als aussichtslos ignorieren. Nach der schnellen und erfolgreichen Sammlung von Unterschriften fürs Referendum immer noch als unangenehm, aber aussichtslos abqualifizieren. Und umso näher die Abstimmung rückte, desto nervöser und hektischer wurde dagegen angegangen. Als Höhepunkt dann eine völlig vergeigte Werbekampagne mit einem lachhaften Tell, der mit einer Zeitung eine Mauer zusammenhaute.

Selten zeigte sich so offenkundig, dass viel Geld haben nicht unbedingt bedeutet, dass man auch viel Grips einsetzen kann. Also kam es, wie es kommen musste: abgelehnt. Dass Supino einen Supergewinn seiner TX Group verkündete, half auch nicht gerade, das Verständnis zu verstärken, dass die Medien dringend Steuergelder bräuchten. Genauso wenig wie die Zusammenlegung der Handelsplattformen mit Ringier, womit ein potenzieller Milliardengewinn entstand.

Aber nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung. In dem Sinn, dass Supino ja alle an die Wand gemalten Schreckensbilder, die benutzt wurden, um doch an die Kohle heranzukommen, nicht einfach abhängen und im Archiv verstauen kann. Das macht es etwas tricky, sich einem Interview zu stellen.

Dabei ist hilfreich, dass Matthias Ackeret nicht dafür bekannt ist, seine Interviewpartner in die Zange zu nehmen. Entweder war das vorher so abgesprochen, oder aber er verzichtete freiwillig auf eine ganze Latte von kritischen Fragen, die man Supino hätte stellen können und müssen.

Die entscheidende Frage ist natürlich auch, wie es nun weitergehe. Was sind also die Folgen der Ablehnung; wird es zu Eimsparungen und weiteren Einschnitten kommen?

«Nicht unmittelbar. Aber wenn die Zustellkosten steigen und die Abopreise nicht erhöht werden können oder wenn Printabonnements nicht erneuert werden, muss das Geschäftsmodell früher adaptiert werden. Auf längere Sicht bleibe ich aber davon überzeugt, dass es in der Schweiz eine Nachfrage und damit eine nachhaltige Geschäftsgrundlage für guten Journalismus gibt.»

Wenn man diese Wortwolken etwas auswringt, bleibt ja nicht viel übrig. Ausser der Frage vielleicht, was denn Supino unter «gutem Journalismus» genau versteht. Zur medialen Behandlung der Pandemie sagt er: «Die Berichterstattung und die Einordnungsleistung waren nicht nur verlässlich, sondern immer wieder hervorragend.»

Das ist nun sehr bedenklich. Denn entweder meint er das wirklich so, oder aber auch das ist Schönsprech. In beiden Fällen zeugt es von einem anhaltenden Realitätsverlust. Denn mit der einseitigen, obrigkeitshörigen, parteiischen und rechthaberischen Berrichterstattung über die Pandemie, mit der Ausgrenzung kritischer Stimmen, mit dem Hang zur Skandalisierung und zu Horrorgemälden haben die Medien einen guten Teil ihrer eh schon angeschlagenen Glaubwürdigkeit verspielt.

Wo bleibt die Manöverkritik, die Analyse der eigenen Fehler?

Das kann in der Hitze des Gefechts vielleicht passieren, aber danach wäre nun doch eine Manöverkritik, eine kritische Analyse des eigenen Verhaltens angebracht. Aber die Corona-Kreische Marc Brupbacher kann als Symbol dafür genommen werden, dass auf dem Gebiet Corona bis heute null Selbstreflexion oder gar Selbstkritik möglich ist.

Inzwischen hat sich die Ameisenmühle der Journalisten einfach auf ein neues Thema geworfen, und letzte Mohikaner wie Brupbacher wirken noch lächerlicher als vorher, weil das Interesse an ihrer kontinuierlichen Aufregung auf Twitter doch deutlich nachgelassen hat.

Aber was Not täte, von Supino abwärts bis Brupbacher, wäre eine kritische Aufarbeitung der Ursachen, die zur Ablehnung des Medienpakets führten. Stattdessen mit «Adaption des Geschäftsmodells» zu drohen, also auf Deutsch mit weiteren Sparmassnahmen und/oder Preiserhöhungen, damit schreitet Supino auf dem Weg ins Nichts weiter voran.

Denn auch er sollte doch eigentlich ein einfaches Grundprinzip der freien Marktwirtschaft verstanden haben: für weniger mehr verlangen, das funktioniert nicht. Weder bei Suppentüten, noch bei Contentprovidern.

 

Zweierlei Mass

Einfordern, was man selbst nicht einhält: so sind die Medien.

Nehmen wir an, im Bankenwesen wird die Öffentlichkeit mit der Mitteilung überrascht, dass der CEO sich mit dem VR-Präsidenten darauf «verständigt» habe, «das Arbeitsverhältnis aufzulösen». Per sofort.

Dazu hiesse es nur knapp: «Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart.» Garniert wird diese Meldung mit der üblichen Lobhudelei, welche grossartige Arbeit der CEO geleistet habe, dass sein Abgang bedauert und für die Zukunft alles Gute gewünscht werde.

Sofort würden die Medien Fragen stellen. Aufklärung fordern. Darauf bestehen, dass bei einer solchen Personalie, einem Abgang per sofort, aus heiterem Himmel, die Öffentlichkeit das Recht habe, die Gründe zu erfahren.

Es würden Gerüchte kolportiert, Vermutungen angestellt, Indizien zusammengetragen, ein Zerwürfnis, Fehlverhalten, Krach, Krieg, Machtkampf hineininterpretiert.

Es würden ungenannte, aber wohlinformierte Quellen zitiert, gerne auch mehrere, voneinander unabhängige. Es würde über die ungenügende Kommunikation lamentiert, Beschwerde geführt, dass man das doch nicht so mitteilen dürfe, wenn man keine üblen Gerüchten aufkommen lassen möchte.

Es würde also Gezeter und Zirkus aufgeführt, bis sich die Medien wieder beruhigt hätten und einem anderen Thema zuwendeten.

Überschätzt, verschätzt, tendenziell mal weg.

Geht es aber um eine Personalie in eigener Sache, dann wird verkniffen und schmallippig die Öffentlichkeit mit einer Ankündigung abgespeist, die alle Fragen offen lässt.

Denn es ist natürlich offenkundig und unbestreitbar: Wenn es im obersten Kader eines Unternehmens zu einem sofortigen Abgang kommt, wenn es gewaltig gekracht hat und man den Abgänger das Gesicht wahren lassen möchte, indem man – aber nur ganz dezent – andeutet, dass er sich «verständigt» habe, in Wirklichkeit aber verständigt worden ist – dann hätten alle Stakeholder das Recht, mehr zu erfahren.

Geht es um eine persönliche Verfehlung? Gab es strategische Differenzen? War sein Leistungsausweis ungenügend? Wollte Wanner nicht länger den Reputationsschaden hinnehmen, der durch Hollensteins unermüdliches Eintreten für JSH entstand? Wurde der Widerstand in den Redaktionen zu gross?

Traute sich Patrik Müller, endlich die Frage zu stellen: er oder ich? Hielt sich Hollenstein für den nächsten Frank A. Meyer? Gab er einmal zu viel einen besserwisserischen, ungebetenen Ratschlag? Musste ein weiterer Jubel-Artikel über JSH auf der Zielgeraden abgefangen werden?

Oder fragte man sich schlichtweg: Was macht der Mann eigentlich für das viele Geld? Fragte man sich: mal angenommen, der ist weg, was würde dann fehlen? Oder sah man ein: mit dem so eingesparten Geld könnten sich Wanners noch ein paar Rebstöcke leisten? Lieber Rebensaft als Hollenstein?

Erschwerend kommt noch hinzu: wie und wann wollte man das eigentlich kommunizieren? Denn erst aufgeschreckt durch eine Anfrage der «Weltwoche» kam CH Media in die Gänge und pustete die nichtssagende Mitteilung raus.

Die in den eigenen Blättern kommentarlos und gehorsam abgedruckt wurde, sonst keine Resonanz fand.

So sicher wie das Amen in der Kirche: Selbst nach dem Abgang von Hollenstein, das ist keine zusätzliche Milliarde Steuergelder wert.

«Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht»

So endet «Der Prozess» von Franz Kafka. So können die Medien enden.

Seit es das Internet und das Digitale gibt, ist der Satz «lügt wie gedruckt» leicht veraltet. Aber nur technologisch, nicht inhaltlich.

Seit dem Aufkommen der Presse, was auch noch nicht so lange her ist – weder Ägypter noch Griechen kannten das –, wogt die gleiche Debatte. Wer entscheidet wonach, was es wert ist, publiziert zu werden?

Ein Genie verfilmte Kafka mit einem genialen Anthony Perkins.

Wer entscheidet wonach, wie es kommentiert, gefärbt, beurteilt wird, moderndeutsch «geframt»? Haben sich die Medien das Schmähwort von der «Lügenpresse» redlich verdient oder ist das ein dümmlicher Kampfbegriff von Marginalisierten und Verpeilten?

Gedrucktes ist normalerweise schwarz auf weiss, seltener weiss auf schwarz. Die Wirklichkeit ist aber mindestens grau, häufig bunt, scheckig und kompliziert.

Wo fängt unzulässige Beeinflussung an, wo hört die redaktionelle Unabhängigkeit auf? Ist es eine Karikatur aus dem Bilderbuch des Antikapitalisten, dass der Besitzer der Produktionsmittel, hier des Verlags, befiehlt, wo’s langgeht? Oder geben die Schweizer Medienclans die grossen Linien vor? Lesen wir also im Wesentlichen, was Coninx-Supino, Ringier-Walder , Wanner-Wanner oder Lebrument-Lebrument genehm ist?

In Krisen und Kriegen stirbt die Wahrheit zuerst

Fangen wir mit den Basics an. Erinnert sich irgend jemand, in deren Hausorganen einen kritischen Bericht über diese Clans gelesen zu haben? Ist doch auch logisch, wenn mir «Tages-Anzeiger» oder «Blick» gehören würden, fände ich es auch nicht lustig, von meinem eigenen Blatt in die Pfanne gehauen zu werden.

In Krisenzeiten scharen sich Massenmedien gerne um die Regierenden. In den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts wurde Unsägliches auf allen Seiten publiziert. Gelogen, gehämt, gekeift, gehetzt, ganze Weltbilder auf Lügen und Verzerrungen aufgebaut.

Vor dem Gerichtshof der Massenmedien.

Auch im Kalten Krieg gab es unschöne Auswüchse. Unvergessen die Hetze der NZZ gegen den Kommunisten und Kunsthistoriker Konrad Farner Mitte der Fünfzigerjahre. Unvergessen der Inserateboykott der Autolobby gegen den «Tages-Anzeiger». Unvergessen das Schreibverbot gegen Niklaus Meienberg, das damals Otto Coninx unverblümt als persönliche Abneigung verteidigte: «Daneben aber hat sich ein ungutes Gefühl bei mir verdichtet, ich verspürte einen Aberwillen gegen M.s Schreibart, seine Einseitigkeit, seine Verzerrungen, sein Verhältnis zur Schweiz, seine Animosität, seine Manipulation, der ich mich persönlich als Leser ausgesetzt sah.»

Beziehung Medien – Masse: es ist kompliziert

Einzelfälle, dagegen steht eine lange und strahlende Geschichte von durch die Medien aufgedeckten Skandalen? Muss man dann nicht auch die Glanztat eines Hansjörg Abt erwähnen, der hartnäckig den Hasardeur und Betrüger Werner K. Rey zur Strecke brachte? Auch hier könnte man eine lange Latte von Beispielen aufführen.

Aber sind das alles Gross- und Schandtaten aus der Vergangenheit, weil es an Beispielen aus der Gegenwart mangelt? Durchaus nicht. Das Internet ermöglicht ganz neue Formen der Recherche und Aufdeckung. Was früher mühsam in Archiven oder vor Ort zusammengesucht werden musste, ist heutzutage mit etwas Gelenkigkeit am Bildschirm möglich. Allerdings sind die ewigen «Leaks» und «Papers» kein Glanzlicht dieser neuen, schönen Welt. Sondern verantwortungslose Verwertung von Hehlerware, die von anonymen Quellen zugesteckt wird, ohne dass man deren Motive kennen würde.

Blick in einen Newsroom …

Zudem sind die Medien in einen fast perfekten Sturm geraten. Einbrechende Inserate im Print, im Web nehmen ihnen Internet-Giganten wie Google, Facebook oder Amazon die Butter vom Brot. Inhaltliches und im Umfang dramatisch Geschrumpftes wird hartnäckig zu den gleichen Preisen wie früher angeboten.

Die Personaldecke wird dünn und dünner; drei der vier überlebenden Tageszeitungskonzerne verdienen ihr Geld längst mit journalismusfremden Tätigkeiten. Um für wegfallende Einnahmen kompensiert zu werden, fahren sie zudem einen erkennbaren Schmusekurs gegenüber Staat und Regierung.

Grenzenlose Vermischung von Bezahltem und Berichtetem

Auch die Pandemie ist Anlass, staatstragende Geräusche von sich zu geben. Das ist nicht verboten, aber da es inzwischen faktisch Tageszeitungsmonopole gibt, wäre es schön gewesen, wenn die Behauptung, Forumszeitung und Plattform zu sein, mehr als ein Lippenbekenntnis wäre.

Die schon immer sehr dünne Grenzlinie zwischen bezahltem und selbst erstelltem Inhalt verblasst bis zur Unsichtbarkeit. Früher inhaltsschwere Worte wie «recherchiert», «investigativ», «undercover» oder «Reportage» denaturieren zu Lachnummern.

Das alles sind unangenehme Begleiterscheinungen. Aber die Wurzel des Übels liegt woanders: Glaubwürdigkeit behält man, wenn man nicht heuchelt. Vertrauen geniesst man, wenn man nicht lügt. Kompetenz und Nutzwert strahlt man aus, wenn man inhaltlich und intellektuell etwas zu bieten hat.

Den Anspruch, «wir liefern euch gegen Bezahlung eine professionell gemachte Auswahl der wichtigsten News des Tages, kompetent dargeboten, eingeordnet und analysiert», den kann man behaupten. Wenn man an ihm Tag für Tag scheitert, dann schafft man sich selbst ab.

Arbeiten an der Selbstabschaffung

Genau daran arbeiten die drei grossen Medienkonzerne der Schweiz. Der vierte versucht immerhin, auf Content, Journalismus und Inhalt zu setzen. Und die Staatsmedien, denn nichts anderes ist die SRG, können trotz garantierten Einnahmen immer weniger den Anspruch erfüllen, die Grundversorgung an Informationen aufrecht zu erhalten.

Wenn’s im «Prozess» dem Ende zugeht.

Nur ein Symbol dafür: Wer eine Wirtschaftssendung wie «Eco» ersatzlos streicht, setzt keine Sparmassnahme um, sondern holzt einen Grundpfeiler des Service publique ab.

Die schrumpfende Bedeutung der Medien, der zunehmende Verlust der Deutungshoheit in der öffentlichen Debatte, mangelnde Ressourcen und bescheidene intellektuelle Kapazitäten werden kompensiert mit verbitterter Rechthaberei, mit Kommentaren, die sich mit dem eigenen Bauchnabel, eingebildetem oder geklautem Leiden befassen. Die ungefragt und sowohl haftungs- wie verantwortungsfrei kreischig Ratschläge erteilen, Forderungen aufstellen, Handlungsanleitungen geben.

Einen guten Ruf erarbeitet man sich über lange Zeiten. Verspielen kann man ihn mit wenigen Handgriffen. Wir haben keine «Lügenpresse» in der Schweiz. Aber «All the News That’s Fit to Print» ist’s schon lange nicht mehr.

Wie tief runter geht’s eigentlich?

Ein Verlegerclan, der «Mein peinlichster Sexunfall» für sendefähig hält, hat auch mit «watson» keine Probleme. Aber man ist im Hause Wanner doch sehr schmerzfrei.

Vielleicht hilft der Rebensaft von den eigenen Weinbergen unterhalb des eigenen Schlosses, dass Wanners die unablässigen Versuche von «watson», die Latte noch tiefer zu legen, kommentarlos ertragen.

«watson»-Niveau wäre hier: ha, ha, Latte, tieferlegen, da kriegt einer keinen hoch, gröl. Ist jetzt etwas bösartig?

Ach was:

Die «watson»-Leserin mit dem fantasielos erfundenen Namen «Anouk» hat nämlich folgendes Problem: sie habe besoffen im Ausgang zugestimmt, dass ihr Freund auch mal Sex mit einer anderen haben dürfe. Oder wie «Anouk» das formuliert: «Weil ich besoffen JA gesagt habe, soll er mich jetzt also betrügen dürfen – ich hätte es schliesslich erlaubt – so seine Argumentation. Ich meine, hallo? Hackts?!»

Es hackt, stimmt da die genauso blödsinnig erfundene «Emma Amour» zu:

«Man kann es drehen, wie man will: Alkohol kann schon ein ausserordentlich grosser Wi***er sein. So wie in deinem Fall. Ich kann dir so gut nachfühlen. Mir hätte dieses «Suff-Gate» auch sehr gut passieren können.»

Wieso Konjunktiv, Pardon, Möglichkeitsform? Passiert in dieser Kolumne doch ständig und in aller Öffentlichkeit. Alle Sex-Ratgeberinnen von «Liebe Marta» abwärts rotieren jetzt in ihren Gräbern, wenn hier geraten wird: «Findet raus, ob es sich nur um eine Fantasie handelt oder ob er sich das so ganz ernsthaft wünscht.»

Wenn’s vorbei sein sollte, geht’s noch weiter

Ist damit die Peinlichkeit vorüber? Nein, nicht ganz: «Und was würdest du Anouk antworten? Und nun: Lustige Bilder von betrunkenen Menschen.»

Also liebe Familie Wanner, bei allem Verständnis dafür, dass Schloss, Weinberg und Lebensstil halt auch kosten: dafür wollt Ihr wirklich eine Subventionsmilliarde dem Steuerzahler aus der Tasche ziehen? Ach so, für «watson» würdet ihr nix kriegen, weil das eine Gratisgazette ist? Dafür denkt ihr doch daran, so eine Art Club einzuführen, damit es doch Batzeli gibt.

Schliesslich ginge auch die «Republik» eigentlich leer aus, da sie ja nicht abonniert werden kann, sondern jeden Trottel, der dafür Geld rausschmeissen will, gleich zum Verleger macht. Aber das konnte noch geflickt werden, also dürfte auch «watson» schon noch Steuerknete für solchen Schwachsinn kriegen.

Vorausgesetzt allerdings, das Referendum gegen die Unterstützung armer Multimillionäre kommt nicht durch.

Ach, diese Kolumne ist halt ein Ausrutscher? Nun ja, da hätten wir auch die Meldung «Britney Spears hat sich verlobt – und kann es nicht fassen». Wie äussert sich denn ihre Fassungslosigkeit? «I can’t fucking believe it.»

Gut, auch kein Stabhochsprung des Journalismus. Dafür hätten wir an diesem Zertifikats-Montag aber noch die Unterschiede zwischen vor Corona und heute «in 9 Grafiken». Gut, das ist sicherlich etwas anspruchsvoller:

Nein, das haben wir nicht selbst gezeichnet.

Drunter steht doch tatsächlich: «grafik: watson». Wenn’s nicht ironisch gemeint ist, ist’s völlig schmerzfrei.

Aber gibt’s denn kein Zipfelchen Qualitätsjournalismus, wenigstens eine Eigenleistung? Doch, allerdings:

Das war immerhin ein Rundblick ohne Beiträge von Philipp Löpfe oder Simone Meier. Aber wir wissen, wann wir aufgeben müssen.

Ihr solltet Euch was schämen.

Intransparenz herrscht

Die Verleger-Clans lassen über Privates, Intimes und Persönliches berichten. Aber sie selbst bleiben im Schatten.

Der Ringier-Verlag hat den Schweizer People-Journalismus erfunden und gewährt bis heute Einblicke in Privates und Intimes von Cervelat- und anderer Prominenz. Badewanne, Sofa, Wohn- und Schlafzimmer, immer gut ausgeleuchtet und sympathisch fotografiert, dazu einfühlsame bis liebedienerische Texte.

Das ist eines der Hauptfelder der Berichterstattung. Nur gibt es da einen blinden Fleck. Alles, was mit dem Ringier-Clan zu tun hat, bleibt aussen vor. Wie leben die Ringiers? Wie verstehen sich die Familienmitglieder? Wie sieht ein lustiger Abend mit Marc Walder aus? Trägt Frank A. Meyer auch zu Besuch ein Jackett mit Poschettli, dazu Hosen in unmöglichen Farben?

Der Ringier-Clan für ein Mal vereint.

Welches Aston Martin-Modell fährt Michael Ringier aktuell? War der deutsche Ex-Bundeskanzler Schröder jemals in seinem Büro an der Dufourstrasse? Und wenn ja, bekam er dort eine Currywurst? Das sind vielleicht nicht weltbewegende Fragen, aber so investigativ der Ringier-Verlag bei anderen ist, all das ist absolute Tabuzone.

Auch die anderen Clans leben verschlossen wie eine Auster

Auch Tamedia, T oder die Tx Group hat bei allen Namenwechseln eine Konstante. Der Coninx-Clan besitzt die Aktienmehrheit des börsenkotierten Konzerns und hat ihn fest im Griff. Aber so ausführlich über das Privat- und Intimleben eines Pierin Vincenz, eines Tidjane Thiam und von vielen anderen berichtet wird: die weit verzweigte Familie Coninx ist Tabu. Wie geht es bei einem Familientreffen zu? Wie lang ist die Yacht? Über wie viele Villen, Häuser, Feriendomizile verfügt sie? Schweigen im Blätterwald.

Das gilt genauso für den Wanner-Clan oder den Hersant-Clan in der Westschweiz. Das Intimlebens eines ehemaligen Badener Stadtammanns wird seziert und detailliert ausgebreitet. Aber wie steht es denn bei den Wanners selbst? Wie geht’s auf deren Schloss zu, wenn die Champagnerkorken knallen? Tabuzone, nichts weiss man.

Nun sind wir ja alle dafür, dass die Intimzone, das Private privat bleiben sollte, geschützt werden muss, keine billige Neugier befriedigt, kein Schlüsselloch-Journalismus betrieben wird.

Wohin fliessen 400 Millionen Steuerfranken genau?

Nur: Wenn der Steuerzahler schon rund 400 Millionen pro Jahr aufwerfen soll, um diesen Verlagshäusern unter die Arme zu greifen, wäre es da nicht an der Zeit, etwas mehr über die Lebensumstände der Besitzer zu erfahren? Selbst der Chefredaktor der diskreten NZZ hatte keine Mühe damit, dass seine Frau über das Wellness-Hotel in der NZZ Loblieder sang, in dem das Ehepaar Ferien verbracht hatte; er selbst liess ich zu einem Interview in der Hauspostille herab.

Wie verbringen denn Ringiers, Wanners, Coninx’ oder Hersants ihre Ferien? Golf, Polo, Himalaya-Expedition? Schnorcheln auf den Malediven, Städtetrip nach Hongkong, Test des neusten Sushi-Schuppens in Tokio? Möchte man doch gerne wissen, denn dieser Lebensstil wird ja zu einem gewissen Teil von unseren Steuergeldern finanziert.

Wäre da gelegentlich eine Postkarte mit fröhlichen Feriengrüssen an die lieben Schweizer Steuerzahler nicht angebracht? Muss gar nichts Intimes sein, eine fröhliche Runde in Harry’s Bar in Venedig, ein Diner im Pariser Ritz, ein High Tea im Peninsula, mehr möchte man doch nicht sehen.

Aussen unscheinbar, innen voller Geschichte.

Oder, das zeichnet ja zumindest Ringier und Coninx aus, der Besitzerstolz beim Ankauf eines neuen Kunstwerks, da möchte man doch dabei sein. Denn die meisten der in ihren Gazetten dargestellten oder vorgeführten Personen beziehen keine Subventionen vom Staat.

Wir wollen endlich die Homestorys lesen und sehen

In einem Satz: Wann kommt die Homestory? Wie sieht die Badewanne bei Ringiers zu Hause aus? Auf welchem Sofa entspannt Coninx? Steht Supino auch mal in seiner Küche? Haben Wanners einen Split-TV zu Hause, auf dem zeitgleich alle ihre Privat-TV-Stationen laufen? Wie unterhält man sich bei Hersants? Gibt’s dort eine Bibliothek oder eine Sammlung von Fabergé-Eiern?

ZACKBUM weiss, unser Beitrag zu den 400 Millionen Staatsknete ist überschaubar. Aber nicht null. Dafür hätten wir es doch verdient, dass dieser Vorhang ein klitzekleines Bisschen gehoben wird. Vielleicht zum Anfang nur einen Blick in die Garagen der Hauptwohnsitze. Bitte, das kann doch nicht zu viel verlangt sein.

Sieht’s so aus wie bei Jay Leno zu Hause?