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Nebensächliche Fake News

Wie dummes Geschwätz ohne Recherche die Debatte vergiftet. Oder: das kommt Somm chinesisch vor.

Der Grosskommentator Markus Somm regte sich furchtbar auf: «Was die Hamas-Terroristen und ihre Anhänger im Westen fordern, nämlich die Vernichtung des Judenstaats, ist in China bereits vollzogen worden.»

Er echauffierte sich über eine Meldung des «Wall Street Journal». Das wollte nämlich «entdeckt» haben, dass Israel auf chinesischen Landkarten als Name nicht mehr existiere. Das WSJ wiederum bezog sich auf einen Tweet einer chinakritischen Bloggerin, die auch schon Fake News wie die streute, dass der chinesische Präsident Xi unter Hausarrest stünde.

Das Fehlen des Namens Israel hatte sie auf irgend einer Landkarte der chinesischen Suchmaschine Baidu entdeckt.

Und schon ist eine Mär geboren, die dann als Endmoräne das Gewäffel von Somm auslöste. Im Gegensatz zu ihm hat sich ZACKBUM die Mühe gemacht, dem verschwundenen Israel nachzugehen. Es ist richtig, dass auf einer solchen Karte von Baidu weder Israel noch Palästina namentlich eingezeichnet sind; die Landesgrenzen hingegen schon und akkurat. Also nicht wirklich ein Zeichen, dass China den Slogan summt «from the river to the sea».

Wer sich dann die Mühe macht, bei der «National Platform for Common Geospatial Information Services» nachzuschauen, benützt dann als Quelle das amtliche chinesische Karteninstitut.

Und siehe da:

ZACKBUM gesteht, dass wir weder flüssig noch trocken Chinesisch sprechen oder die Zeichen lesen können. Aber wozu gibt es moderne Camera Translator. Die können natürlich auch im Dienste dunkler Mächte stehen, die sich der «Vernichtung des Judenstaats» verschrieben haben und daher falsche Angaben machen. Das könnte zumindest Somm, der grosse Recherchierjournalist, vermuten.

Denn der Translator gibt hier das vollständige Verzeichnis der Ländernamen an, darunter Jordanien, Syrien, Libanon und – Israel sowie Palästina.

Bezüglich der Darstellung des gleichen Gebiets von Google Maps gäbe es dann auch noch ein paar Sachen zu sagen:

Man schaue sich zum Beispiel die interessante Grenzziehung bei den Golanhöhen an.

Aber wer nicht so einäugig und gleichzeitig verblendet wie Somm ist, zieht aus solchen Darstellungen nicht so absurde Schlüsse wie den von der «vollzogenen Vernichtung des Judenstaats» durch China.

Ausgangspunkt für diese kleine Recherche war die Anwendung der Vernunft; das ist Somm (und nicht nur ihm) leider nicht gegeben. Die Vernunft führte zur naheliegenden Frage: will China tatsächlich die «Vernichtung» Israels so ankündigen oder darstellen, indem es den Namen Israels von Landkarten streicht? Das kann ja wohl nicht wahr sein. Ist’s auch nicht.

China hat Israel als Staat und diplomatisch anerkannt; daran hat sich in den letzten Jahren und auch aktuell nichts geändert.

Womit mit einigem Aufwand eine Fake News entlarvt worden wäre.

Was aber bleibt: was soll man Journalisten wie Somm eigentlich noch glauben? Was soll man seinem Organ «Nebelspalter» noch glauben? Wer einen solchen Pipifax wie einen fehlenden Namen auf irgend einer Landkarte zu einem solchen Monster aufbläst, und damit erst noch auf die Schnauze fällt – hat der sich nicht als ernstzunehmende Informationsquelle desavouiert? Disqualifiziert?

Aber er profitiert sicher davon: das interessiert doch gar nicht gross, neuer Kommentar, neues Spiel, schnell wird Somm das nächste Schwein durchs Dorf treiben, obwohl das letzte geschlachtet wurde.

Wahrheit, zumindest Wahrhaftigkeit, eigene Recherche statt ungeprüfte Übernahme von Behauptungen? He, das wäre doch Journalismus. Pfui, machen wir nicht mehr, kommt auch nicht wieder rein.

Sparmassnahmen in der Wirtschaft

Bei Schweizer Banken wird an Kompetenz gespart. In den Wirtschaftsredaktionen auch.Die  Ergebnisse sind ernüchternd.

Es gibt die versammelte Schweizer Wirtschaftspresse. Die NZZ bemüht sich immerhin noch, Schatten alter Grösse an die Höhlenwand zu werfen. Aber sonst? Der Prozentsatz von Wirtschaftsjournalisten, der ohne zu stottern sagen könnte, was ein ETF ist, nimmt sozusagen täglich ab.

Der Prozentsatz der Journalisten, die in der Lage wären, die Schieflage der Credit Suisse à fond zu analysieren, liegt im Promillbereich. Für Schlagzeilen kann diese Journaille eigentlich nur noch auf zwei Arten sorgen.

Tamedia beteiligt sich mal wieder an der Ausbeutung von Hehlerware. Also irgendwelche irgendwo auf der Welt von unbekannten Tätern gestohlene Geschäftsunterlagen werden aufbereitet und portionenweise auf die beteiligten Medien verteilt. Dann werden sie in Leaks, Papers oder Files umbenannt, je nachdem, was am besten alliteriert. Also niemals Panama Leaks, sondern natürlich Panama Papers.

Dann wird ein grosses Gegacker und Flügelschlagen veranstaltet, Abgründe von Verbrechen gemutmasst – bis sich alles in Luft auflöst. Wie bei einem schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann, dem übelste Machenschaften bei der Verwaltung eines angolanischen Staatsfonds vorgeworfen wurden. Alles Unsinn, stellte sich heraus.

Die zweite Art entsteht durch Anfüttern. Also der Oberchefredaktor oder wer auch immer wird mit ganz heissen News angefüttert. Die er dann als Ergebnis einer schweisstreibenden Recherche unter Einsatz von Leib und Leben an seine Leserschaft verfüttern kann.

Interessiert das Schicksal einer der beiden Schweizer Grossbanken überhaupt noch?

Es gäbe noch theoretisch eine dritte Möglichkeit. Durch eigene Recherchen zu Ergebnissen kommen. Für die meisten Wirtschaftsjournalisten in der Schweiz ist das aber Jägerlatein aus Zeiten, wo möglicherweise tatsächlich nicht die pfannenfertig angelieferte Kommentierung des Geschäftsberichts per copy/paste ins Blatt gehoben wurde.

Wer überhaupt noch den Nerv hat, sich für das Schicksal der beiden einstmals grossen Schweizer Grossbanken zu interessieren (selbst als Aktionär will man lieber einfach nichts mehr wissen), dürfte mitbekommen haben, dass die Credit Suisse neue Höhepunkte der verantwortungslosen Zockerei mit grösseren Teilen des Eigenkapitals vorgeführt hat.

So ging die Bank beim Hedgfonds eines wegen Insiderdelikten Vorbestraften mit Milliarden ins Risiko. Genauer, sie zockte bei Wetten mit, die mit max. 10 Prozent Eigenkapital unterlegt waren, in den schlimmsten Zeiten hatte die CS über 20 Milliarden Dollar in diesem Spekulantenfonds im Feuer; die Hälfte des Eigenkapitals.

Wie ist eine solche Verluderung nur möglich?

Bei einem anderen wilden Zocker in Australien passierte fast zeitgleich genau dasselbe. Wie war das möglich? Nun, da sendet die Schweizer Wirtschaftspresse mal wieder das Pausenzeichen, nachdem sie wiederholte, was die «Financial Times» recherchierte. Eigenleistung: null. Aufmerksam gemacht auf die Berichterstattung der FT wurde die Journaille erst noch durch den munteren Finanzblog «Inside Paradeplatz», bei dem eine Einzelmaske die wohl grösste Anzahl von Primeurs der letzten Jahre zu verantworten hat.

Wenn berichtet wird, dann so oberflächlich wie aktuell in Tamedia, dass der neue VR-Präsident der CS «aneckt». Weil er im Gegensatz zu seinem Vorgänger versuchen will, den Kahn vor dem völligen Absaufen zu bewahren. Das fänden irgendwelche anonymen Nulpen in den oberen Rängen nicht so toll. Was für die Zukunft der CS ungefähr so wichtig ist wie die farbliche Gestaltung der Menükarte in der Angestellten-Mensa.

Nachdem aber die FT vorgelegt hat, zieht das «Wall Street Journal» nach. Mal wieder «Inside Paradeplatz» wagt es, den Inhalt des ausführlichen und sich vom Schweizer Niveau wie Tag und Nacht unterscheidenden Artikels zusammenzufassen:

Er «entlarvt eine der grössten und wichtigsten Firmen der Schweiz als einen Hallodri-Laden, bei dem die höchsten Chefs null Ahnung haben von dem, was tatsächlich vor sich geht, und die sogenannte Key Risk Takers mit Millionen vergolden, welche mit ihren Wetten das ganze Unternehmen aufs Spiel setzen.»

Nichts hat sich gebessert, fast alles hat sich verschlimmert

Will man dem WSJ glauben, und wie die FT unterlaufen dem Blatt selten bis nie gravierende Fehler, ist es diesmal noch schlimmer als bei der Finanzkrise eins. Ein Laden, der völlig und im wahrsten Sinne des Wortes ausser Kontrolle geraten ist. Wenn der aktuelle CEO (muss man sich den Namen eigentlich merken?) blubbert:

«Risk control has always been a top priority, it’s key to every bank. I’m absolutely focused on that, not only now: I was, and I will be»,

erregt das nicht mal mehr Ärger oder Kritik, sondern reines Mitleid.

Trauriger Plauderi vor Bankfassade.

Ärgerlich sind nur drei Dinge. Dass diese versammelten Pfeifen immer noch Multimillionengehälter verdienen. Dass der Schweizer Steuerzahler – too big to fail – in der Haftung ist. Und dass die Schweizer Wirtschaftspresse, die sich weiterhin angelegentlich um jeden Pipifax in der Affäre Vincenz kümmert, angesichts des Niedergangs einer der beiden Symbolbanken der Schweiz schlichtweg stumm bleibt.

Abschreibt, was die letzten englischsprachigen Wirtschaftsmedien mit der Fähigkeit zum Recherchieren herausfinden. Dabei genauso schamlos Gehälter von einigen hundert sogenannten «Wirtschaftsjournalisten» kassiert werden, die etwa gleichviel leisten wie die Chefetage der Credit Suisse.

Grossverlage und Grossbanken haben inzwischen staatliche Unterstützung

Staatsgarantie haben inzwischen beide. Weitere Parallelen sind unverkennbar. Die grossen Clans, die die Schweizer Medienlandschaft beherrschen, kassieren weiterhin Multimillionen, ohne nur den Schatten eines Gedankens zu produzieren, wie ihre Verlage aus eigenen Kräften aus der aktuellen Misere herausfinden könnten.

Während das Angebot ausgedünnt wird, die Redaktionen zusammengelegt und -gehackt, und das Ganze als Verbesserung, Synergie, Straffung dem fluchenden Abonnenten verkauft wird. So wie die CS jeden verzweifelten Rettungsversuch als tolle Leistung den fluchenden Aktionären verkaufen will.

Verblüffend, wie sich da zwei gefunden haben. Die Schweizer Privatmedien und die Privatbanken. Arm in Arm in den Sonnenuntergang wankend.