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Keine deutsche Wertarbeit

Eine Qualitätszeitung braucht Qualitäts-Korrespondenten. Theoretisch.

Eigentlich ist das grosse Unternehmen Tamedia in den USA mit eigenen Korrespondenten nicht schlecht bestückt. Umso erstaunlicher, dass es auch hier deutsche Dummschwätzer von der «Süddeutschen Zeitung» in die eigenen Spalten lässt.

«So sterben Demokratien», raunte Hubert Wetzel noch vor einem Monat, der grosse Analytiker der SZ (und damit auch von Tamedia) in Washington. Das ist glücklicherweise dummes Geschwätz von gestern: «Die USA sind im Grossen und Ganzen eine erfolgreiche, stabile Demokratie», säuselt er inzwischen.

Leichte Unsicherheiten zeigt aber der Tagi bei der Titelsetzung. Hiess es noch in der ersten Version «Die US-Demokratie besiegt Donald Trump – und die Republikaner», ist das Qualitätsblatt inzwischen auf den Titel der SZ eingeschwenkt: «Die Demokratie funktioniert doch». Auch die Oberzeile «Analyse» sorgte offensichtlich für so viel Gelächter, dass sie durch ein neutrales «Wahlen in den USA» ersetzt wurde.

Ein deutscher Oberlehrer erklärt den Amis die Demokratie

Es ist immer wieder erfrischend, wenn ein deutscher Oberlehrer, der neben dem Untertan in jedem Teutonen steckt, den Amis mit erhobenem Zeigefinger erklärt, wie Demokratie so geht – und wie nicht. Nur 75 Jahre, nachdem die Amis, zusammen mit der UdSSR, den Deutschen mal wieder Demokratie einbläuen mussten – wogegen sich die Reichsbürger bis zum Letzten wehrten.

Seinen übrigen unangenehmen Eigenschaften hat Wetzel eine weitere hinzugefügt: Er ist auch noch Hellseher. Denn um mit seiner «Analyse» vorne dabei zu sein, ging er Montagmittag davon aus, dass die Wahlmänner mehrheitlich für Biden gestimmt hätten – obwohl diese Formalie noch bis am Abend in vollem Gang war. Man sollte Wetzel hören, wenn Venezuelas Maduro oder Russlands Putin ohne – das sowieso schon vorher feststehende – Wahlresultat abzuwarten, es verkünden würden, bevor der Wahlprozess beendet wäre.

Aber Wetzel hat alle Hände voll zu tun, den USA zu erklären, was demokratisch geht und was nicht. So habe Trump versucht, «durch Tricks im Amt zu bleiben, die vielleicht legal waren, aber auf keinen Fall legitim». Nun ja, Trump ist mit all seinen Versuchen gescheitert, das Wahlergebnis auf dem Rechtsweg anzufechten. Das zeigt einmal mehr, dass er ein Loser, aber gleichzeitig ein schlechter Verlierer ist. Aber dass ihm ein Deutscher Bescheid stösst, was legal und was legitim sei, das hat er nicht verdient.

Crescendo gegen die Republikaner

Wetzel neigt dazu, sich zuerst warmzuschreiben, um damit ein geradezu wagnerianisches Finale con tutti einzuleiten. Da Trump ja bald Geschichte ist, konzentriert Wetzel seinen analytischen Muskel auf die Republikaner. «Schamloser Angriff auf einen Eckpfeiler der amerikanischen Demokratie, ein blanker parteipolitischer Stunt», schäumt Wetzel auf.

Dabei haben sich bloss ein paar republikanische Parlamentarier einer völlig legalen (aber wohl nicht legitimen) Klage in Texas gegen das Wahlergebnis angeschlossen. Was sowohl ihr politisches, wie auch juristisches Recht ist. Ob es schlau ist, wäre eine andere Frage.

Das führt Wetzel, mit einem Zwischenschritt, zum üblichen Crescendo am Schluss. «Demokratie überlebt nur, wenn es genügend Demokraten gibt.» Ein grossartiger Satz von einem Deutschen, in dessen jüngerer Vergangenheit es mehrfach nicht genügend Demokraten gab. Im Gegensatz zu den USA, dort ist die Tradition seit 1776 ungebrochen.

Huldigen die Republikaner einem Möchtegernautokraten?

Nun sei aber nicht mehr ganz klar, ob die «Republikaner noch eine demokratische Partei sind». Oder doch nur «ein Führerkult, der einem Möchtegernautokraten huldigt». Gut, das Wort Führer habe ich reingeschmuggelt, weil es sich Wetzel nicht zu schreiben traute.

Mal für Mal keine deutsche Wertarbeit, sondern die Wiederbelebung des hässlichen Deutschen. Rechthaberisch, überheblich, formt die Realität nach seiner Vorstellung. Als Korrespondent sollte man – dafür ist man vor Ort – dem Leser seine Umgebung verständlich machen, erklären, einordnen. Da ist Wetzel ein Vollpfosten, rausgeschmissenes Geld. Hier gäbe es bedeutendes Sparpotenzial. Zumindest, was die Belästigung durch sein Gefuchtel in Schweizer Medien betrifft.