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Sind die Russen die neuen Juden?

Achtung: ein gewagter, aber begründbarer Vergleich in Frageform.

Schlupflöcher schliessen, Sanktionen verschärfen, Vermögen beschlagnahmen. Russe, reich, zwei ausreichende Gründe, den Rechtsstaat in die Tonne zu treten. Zumindest fordern das einige.

Der «Tages-Anzeiger»-Konzern hat vor der Parlamentsabstimmung über die mögliche Waffenlieferung an die Ukraine via Drittstaaten eine Kampagne gefahren, um den Befürwortern Schub zu geben. Vergeblich, die «Lex Ukraine» scheiterte im Nationalrat endgültig und ist vom Tisch.

Der Druck aus dem Ausland auf die Schweiz steigt, dass sie sich energischer an den Sanktionen gegen Russland beteiligen solle, jegliche Vermögenswerte russischer Firmen oder Personen im Zugriffsgebiet der Schweiz sollten am besten beschlagnahmt werden. So behauptet ein kleines US-Licht im «Tages-Anzeiger»: «Neutralität hilft nur noch Moskau». Die Schweiz solle alle russischen Vermögen suchen und «aktiv prüfen». Sie stünden «seit letztem Jahr unter einem Generalverdacht».

Es ist den USA – oder der EU – unbenommen, in ihren Herrschaftsgebieten ein paar rechtsstaatliche Grundsätze über Bord zu werfen. Damit beschädigen sie zwar die Fundamente des zivilisierten Zusammenlebens, aber da wollen wir uns nicht einmischen.

Wir wollen aber nochmals darauf hinweisen, dass die deutschen Rüstungsmittelexportgesetze genau wie die schweizerischen glasklar die Ausfuhr von Waffen in Kriegs- oder Krisengebiete untersagen. Natürlich auch via Drittländer, sonst hätten diese Restriktionen ja ein Loch, grösser als ein Scheunentor. Nun hält sich Deutschland nicht an seine eigenen Gesetze.

Auch das ist deren Problem, obwohl Deutschlands historisch gesehen recht kurze Geschichte als Rechtsstaat die Regierenden davon abhalten sollte, einen solchen Murks zu veranstalten. Aber immerhin hat der Schweizer Bundespräsident Alain Berset bei einem Besuch in Berlin gegenüber dem deutschen Bundeskanzler Scholz klargestellt, dass sich die Schweiz an ihre Gesetze halte. Eigentlich eine überflüssig-selbstverständliche Bemerkung. Aber nicht mehr in den heutigen Zeiten.

Auch beim Treffen von 45 Regierungs- und Staatschefs in der Moldau hat Berset dem teilnehmenden Selenskyj zu erklären versucht, was die Schweizer Neutralität ist, was in ihr erlaubt ist und was nicht. Ob das der autokratische Präsident eines zutiefst korrupten Staates verstanden hat?

Aber das ist dessen Problem. Die Schweiz hat ihre eigenen. Vor allem zwei. Nicht nur aus dem Ausland, konkret von den G-7-Staaten, wird der Druck auf die Schweiz erhöht, sich über klare Vorschriften und Gesetze hinwegzusetzen. Nach der Devise: der gute Zweck, die Bestrafung Russlands für seine Ukraine-Invasion, heilige auch schlechte Mittel. Das wird leider auch in der Schweiz von einigen Medienschaffenden befürwortet. Sowohl, was Waffenlieferungen betrifft, wie auch, was eine illegale Ausweitung der Sanktionen betrifft.

Dabei ist die unkritische und ungeprüfte Übernahme von USA- und EU-Sanktionen schon für sich rechtsstaatlich mehr als fragwürdig. Unser zweites Problem: Der Bundesrat beschliesst das in eigener Regie. Das Parlament hat kein Mitspracherecht, die Betroffenen können nicht den Rechtsweg beschreiten. Ihnen wird also ein fundamentales Recht des Rechtsstaats genommen. Jeder, der vor allem von einer staatlichen Zwangsmassnahme betroffen ist, kann sich vor Gericht dagegen wehren. Hier aber nicht.

Der Bundesrat masst sich die Kompetenzen der Legislative und der Judikative an. Wer sich mangels Alternativen als Betroffener von Sanktionen an ihn wendet, bekommt schlichtweg keine Antwort. Das ist schrecklich, eines Rechtsstaats unwürdig.

Aber das ist erst der Anfang dieses Irrwegs. Die Stimmen werden immer lauter, die fordern, dass alle jüdischen, Pardon, russischen Vermögen unter einen Generalverdacht gestellt werden. Nach der einfachen Devise: Russe, reich, Räuber.

Es gibt fundamentale Prinzipien eines funktionierenden Rechtssystems. Dazu gehört die Unschuldsvermutung. Niemand muss seine Unschuld beweisen, jedem muss seine Schuld über jeden vernünftigen Zweifel hinaus nachgewiesen werden. Im Zweifel für den Angeklagten; sollte es an seiner Schuld doch noch Zweifel geben, ist zu seinen Gunsten zu entscheiden, nicht gegen ihn. Dann braucht es einen Anfangsverdacht, und der darf nicht aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe bestehen. Solche Zustände hatten wir zuletzt in den dunklen, braunen Zeiten, als in Deutschland und darüber hinaus jeder Jude unter dem Generalverdacht stand, seine Besitztümer unrecht erworben zu haben – weshalb man sie ihm skrupellos und ohne die Möglichkeit zur Gegenwehr wegnehmen konnte.

Jüdische Vermögen standen damals auch unter einem «Generalverdacht». Besonders kritisiert wurde, dass Juden versuchten, ihre Besitztümer in Sicherheit zu bringen. Typisch, verschlagen, hinterlistig. Schon damals mit entsprechenden Konstrukten wie Trusts, Holdings und Auslagerungen. Was völlig legal war. So wie solche Konstruktionen heute völlig legal sind, auch wenn sie von Russen verwendet werden. Ausser, man kann im Einzelfall beweisen, dass es zu illegalen Taten kam. «Reicher Russe, das reicht», das kann ja nicht im Ernst das Prinzip eines Rechtsstaats sein. Auch nicht: «der wurde mal im gleichen Raum wie Putin gesichtet, das reicht doch.»

Wer so argumentiert, beschädigt den Rechtsstaat. Er wird zum Antidemokraten, wenn er darüber hinaus die Schweizer Neutralität für obsolet erklärt, Ausnahmen machen möchte. «Neutralität hilft Moskau», dieser Satz ist so dümmlich, wie wenn zu Zeiten des Dritten Reichs gesagt worden wäre: «Neutralität hilft Berlin, hilft Hitler». Natürlich hat die Schweizer Neutralität nicht dabei geholfen, Hitler zu besiegen. Aber sie hat immerhin das unbeschädigte Überleben der Schweiz ermöglicht, was bei allen unschönen Dingen damals keine kleine Leistung war.

Schon jetzt wird die Neutralität der Schweiz von Russland nicht mehr anerkannt, weil die Eidgenossen die Sanktionen übernehmen, obwohl sie nicht vom UN-Sicherheitsrat beschlossen wurden. Dass das nie passieren wird, ist keine Schweizer Schlaumeierei, sondern ein Konstruktionsfehler dieses UNO-Gremiums mit den Vetorechten der Supermächte.

Wer angesichts angeblich besonderer, spezieller, einmaliger Umstände eine Ausnahme vom Prinzip fordert, beschädigt dieses Prinzip schwer. Ohne dass damit der Ukraine gross geholfen oder Russland grosser Schaden zugefügt worden wäre.

Der Hinweis hilft sicherlich, dass das ganze Gedöns über Sanktionen und Waffenlieferungen von haargenau 10 Staaten der Welt aufgeführt wird, wenn wir die EU als eine Union betrachten. Über 160 Staaten, darunter Schwergewichte wie China, Indien oder Brasilien, haben sich dieser Politik nicht angeschlossen. Warum genau sollte es die Schweiz tun, unter Aufgabe ihrer Neutralität und ihrer rechtsstaatlichen Prinzipien?

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Stefan Millius

Die Linke und die Waffen

Waffenexporte sind pfui. Bührle und so. Ausser aber …

Eine vornehmste Aufgabe des Intellektuellen besteht darin, Locken auf der Glatze zu drehen. Sogar Glatzen auf der Locke. Also mit viel Hirnschmalz etwas hin- oder wegerklären, was für den Normal-Vernünftigen ein schreiender Widerspruch ist.

Paradebeispiel dafür die die grüne Energiepolitik. Wenn etwas noch schlimmer als AKW sei, dann Kohlekraftwerke. Dreckschleudern, Umweltverschmutzer, widerwärtig. Niemals würde ein Grüner dafür plädieren, Kohlekraftwerke weiter laufen zu lassen, gar neue zu bauen. Ausser, er ist grüner Wirtschaftsminister in Deutschland.

Wenn die SP mit den Grünen, überhaupt mit allen Linken und Alternativen etwas eint, dann ist es die Abscheu gegen Krieg. Ausser, man ist grüner deutscher Aussenminister und befürwortet den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien und die Abspaltung des Kosovo, obwohl auch Deutschland die territoriale Integrität Serbiens nach dem Zerfall Jugoslawiens garantierte. Und die Schweizer SP-Aussenministerin dafür sorgte, dass die Eidgenossen zu den ersten und bis heute wenigen Ländern gehört, die den Kosovo anerkennen.

Niemals würde ein grüner Minister seinen Staatssekretär entlassen, nur weil der mal einen Fehler gemacht hat. Ausser, er entlässt ihn, weil der einen Fehler gemacht hat. Es gäbe auch in der Schweiz genügend Beispiele für unsinnige und widersprüchliche Forderungen von Molina, Wermuth, Glättli, Arslan, Seiler Graf oder Schlatter.

Besonders peinlich ist aktuell das Eiern in der Frage «Waffenlieferungen an die Ukraine». Denn eigentlich sind Kriegsmaterialexporte des Teufels, die Schweizer Rüstungsindustrie profitiert von Leid und Tod auf der Welt, Bührle lässt grüssen, jede Verschärfung des Waffenexportgesetzes ist zu unterstützen, stopft hier die letzten Löcher.

In all diesen Fällen wird (vergeblich) viel Hirnschmalz, Rabulistik, Rhetorik, geradezu scholastische Umdeutung, Auslegung, Verbiegung und absurde Logik verschwendet, um am Schluss sagen zu können: die Erde ist doch eine Scheibe, und auch das Gegenteil vom Gegenteil ist wieder richtig. Je nachdem.

Blöd nur für all diese Schwurbler: die Kirche kann sich wenigstens auf das geoffenbarte Wort Gottes berufen, bei freibleibender Interpretation. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt? Nun ja, also ausser, er kauft sich mit einem Ablass von dieser Sünde frei. Du sollst nicht töten? Im Prinzip niemals, besonders keine ungeborenen Kinder. Aber im Krieg, nun, wenn der Pfaffe die Kanone gesegnet hat, wenn der Papst die Kreuzritter mit «deus vult» (Gott will es) dazu aufstachelt, Jerusalem zu «befreien» und dafür in Blut zu waten, dann ist das etwas anderes.

Vor ähnlichen Problemen stehen Schweizer Grüne und SP-Genossen, wenn es um die strikte Einhaltung des Rüstungsexportgesetzes geht, um den entschlossenen Kampf gegen das Töten von Menschen mit Schweizer Waffen. Ausser …

Wenn man sich eher unter sich fühlt, wird man gesprächig. Daher ist ein Interview, das die beiden Sicherheitspolitikerinnen Priska Seiler Graf (SP) und Marionna Schlatter (Grüne) der WoZ gaben, herausragend komisch. Seiler Graf muss die Kehrtwende wegsalben, die die SP bei der Frage von Waffenexporten vollführte. Von strikt dagegen zu «im Prinzip nein, aber über Drittländer schon». Das sei, was sonst, «ein relativ schmerzhafter Prozess» gewesen. Denn natürlich bleiben Waffenexporte das, was dieselbe Seiler Graf noch im September 2021 anprangerte:

«Es kann nicht sein, dass der Bundesrat über die Hintertüre wieder Waffen in Länder wie die Ukraine oder die Türkei exportieren kann.»

Dumm gelaufen, da gilt natürlich das gute Politiker-Wort: Was geht mich mein dummes Geschwätze von gestern an, und hoffentlich erinnert sich niemand mehr an meine damalige Pressemitteilung. Denn nach vielen Schmerzen hat Seiler Graf nun ein geniales neues Argument gefunden: «Wir versuchen, eine extreme Aufweichung des Kriegsmaterialgesetzes zu verhindern

Augustinus jubelt im Himmel über diese geniale Verdrehung. Die SP ist nicht mehr strikt gegen Waffenexporte, sondern für ein bisschen, aber nur, damit es nicht zu viel wird. Grossartig. Und warum sollten eigentlich über Drittstaaten Waffen an die Ukraine geliefert werden? «Die Ukraine verteidigt unsere demokratischen Werte, da braucht es Unterstützung, nötigenfalls auch mit Waffen.»

Ach was, gehört auch zu den verteidigungswerten demokratischen Werten die korrupten Präsidialherrschaft in der Ukraine, in der oppositionelle Parteien verboten werden und eine Pressezensur wie in Russland herrscht, in der gerade ein Richter des obersten Gerichts wegen Annahme von Schmiergeld verhaftet wurde? Aber gut, Seiler Graf kann sich natürlich nicht enthalten, auch noch eine Spitze gegen die Schweizer Grünen abzuschiessen: «Die Grünen in Deutschland sehen das ja auch so.» Denn die tragen sogar Regierungsverantwortung dafür, dass unter klarem Rechtsbruch immer mehr und immer schwerere Waffen, inklusive Panzer (was kurz zuvor noch «ausgeschlossen» war), an die Ukraine geliefert werden.

Die Schweizer Grünen sind aber strikt dagegen. Was fällt da Schlatter Schlaues ein? «Deutschland ist Mitglied der Nato und damit Teil eines Militärbündnisses. Wenn ich in Deutschland in der Regierung wäre, würde ich auch anders entscheiden als hier in einem kleinen, neutralen Land.» Ach so, die Frage von Waffenlieferungen kann so oder so beantwortet werden. Je nach Grösse und so.

Wie meint Schlatter dann noch weise: «Der Krieg hat viele Linke in ein Dilemma gestürzt, das wir aushalten müssen.» Aber während es momentan nur Geeier im Dilemma geben kann, ein klares «Jein», ein «ja zu nein, aber auch ein nein zu ja, trallala», stimmt die grosse Perspektive noch, auf die sich beide Schwurbler (generisches Maskulin) einigen können: «Langfristig können wir diesen Teufelskreis nur mit globaler Abrüstung durchbrechen, besonders der Atomwaffen

Kurzfristig Waffenlieferungen für einen Krieg, was beide grundsätzlich befürworten, die eine will das nur nicht mit Schweizer Beteiligung. Aber langfristig werden wir dann alle Brüder (und Schwestern), Amen. Und da soll noch einer sagen, Politiker (generisches Maskulin) täten nichts gegen den zunehmenden Vertrauensverlust.

 

Auch Anwälte wollen werben

Christophe Germann passt sich dem Tamedia-Niveau an.

«Legal thinking out of the box», so preisen sich «Germann Avocats» aus Genf an. Das Team besteht aus Dr. Christophe Germann und Dr. Flavia Germann, höchstwahrscheinlich verwandt oder verschwägert.

Nun dürfen Anwälte bis heute keine Werbung für sich machen. Aber Tamedia bietet gerne nicht nur eigenen Mitarbeitern Gelegenheit, Unsinn zu verzapfen: «Die Schweiz hat den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ratifiziert. Die kürzlich fusionierten Banken UBS und CS tragen massiv zur Verletzung dieses internationalen Abkommens bei

Oha, ist das eine Tatsache oder einfach eine Behauptung? Zweiteres: «Credit Suisse und UBS sind gemäss dem neusten Bericht von PAX und der Friedensnobelpreisträgerin International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (Ican) «Risky Returns: Nuclear Weapon Producer and Their Financiers» die einzigen Schweizer Geldinstitute, die noch beträchtliche Finanzdienstleistungen für das Kernwaffenwettrüsten liefern. Diese NGOs schätzen die Investitionen beider Banken in Unternehmen, die nukleare Massenvernichtungsbomben produzieren, auf über 5 Milliarden Dollar.»

Was NGOs so alles behaupten, wenn der Tag lang ist. Dann stellt Germann weitere absurde Behauptungen auf, bei denen er aber selbst einen solchen «Beleg» schuldig bleibt: «Der Scherbenhaufen CS kostet die Schweizer Öffentlichkeit voraussichtlich den Betrag von 109 Milliarden Franken, was ein Viertel der Kosten eines Wiederaufbaus der Ukraine ausmacht, welche die Weltbank zurzeit auf 411 Milliarden Dollar schätzt.»

Kann Germann behaupten, mit dem dritten Auge der Zukunftssicht ausgestattet zu sein? Es sind insgesamt 259 Milliarden, die im Feuer stehen. Ob davon überhaupt etwas von der «Schweizer Öffentlichkeit», also vom Steuerzahler, berappt werden muss, steht in den Sternen. Dass der Wiederaufbau der Ukraine entschieden mehr als 411 Milliarden Dollar kosten wird, das ist hingegen ein Fakt.

Nach diesem Ausflug in die Ukraine kehrt Germann mit mehr schlechten Nachrichten in die Schweiz zurück: «Dieses Geld wird voraussichtlich verpulvert, nachdem die Nationalbank im letzten Jahr einen Verlust von 134 Milliarden Franken hat verbuchen müssen. Eine volkswirtschaftliche Apokalypse ist zu befürchten: Beim nächsten Börsen-Windstoss wird das Kartenhaus zusammenfallen. Allzu grosse Bank, um unterzugehen, allzu kleiner Staat, um zu überleben.» Was die Staatsgarantien für die Bankenfusion mit den Verlusten der SNB zu tun haben, das erklärt Germann genauso wenig wie seine düstere Ansage einer Apokalypse, dem drohenden Untergang der Schweiz gar.

Nun steigert sich Germann am Schluss seines «Gastkommentars» selber zum apokalyptischen Reiter: «Im Vergleich zu diesem relativ harmlosen Szenario riskiert die Ukraine hingegen einen Weltuntergang im leibhaftigen Sinne, der heute nicht bloss volkswirtschaftlich durch selbst verursachte Misswirtschaft jederzeit erfolgen kann. Es geht ums schiere Überleben dieser Nation. Die Schweizer Neutralität ist im Lichte dieser Realität neu zu definieren – wer Zeuge wird von Vergewaltigung und Meuchelmord am helllichten Tag und auf offener Strasse, kann nicht einfach gegenüber Opfer und Täter «neutral» wegschauen. Dasselbe gilt für schlimmste Verletzungen des Völkerstrafrechts: Unser Land muss sich krasse Doppelmoral vorwerfen lassen, wenn es die Lieferung von konventionellen Waffen zur Verteidigung der Ukraine gegen das kriminelle Putin-Regime verweigert und gleichzeitig amoralischen Ultralaxismus bei der Finanzierung von nuklearen Massenvernichtungsmitteln betreibt.»

Eine «volkswirtschaftliche Apokalypse» samt Untergang der Schweiz wird also zu einem «relativ harmlosen Szenario». Nun geht es plötzlich gar nicht mehr darum, sondern um die Schweizer Neutralität und die mit ihren Gesetzen übereinstimmende Weigerung, in ein Kriegsgebiet Waffen zu liefern. Gerade für eine Anwalt ist das schon speziell, wenn der die Schweizer Regierung dazu auffordert, gegen Schweizer Gesetze zu verstossen.

Gegen das Mitteilungsbedürfnis einer Genfer Anwaltskanzlei ist nichts einzuwenden; Werbung in eigener Sache ist erlaubt, wenn’s Tamedia zulässt. Nur sei eine kleine Frage gestattet: Würden Sie einen Anwalt mandatieren, der mit wilden Behauptungen um sich wirft und offen zum Rechtsbruch auffordert?

 

Wumms: Fabian Renz

Bei Tamedia ist inzwischen alles erlaubt.

Dann lümmelt er weiter: «Von der Schweiz haben die Angegriffenen in der Ukraine nichts zu erhoffen und die russischen Aggressoren nichts zu befürchten. Stattdessen werden wir pflichtschuldig beiden Seiten unsere Guten Dienste anbieten. Die Neutralität zeigt wieder mal ihr kaltes Zahnpastalächeln

Ob diese Zügellosigkeit, diese Rechtsfeindlichkeit, diese erschreckende Nonchalance, dieses kalte Lächeln womöglich ungeputzter Zähne gegenüber dem Rechtsstaat erlaubt ist, weil mit Raphaela Birrer eine schwache Chefredaktorin eingesetzt wurde? Renz führt dann seinen Feldzug gegen gültige Gesetze bezüglich Rüstungsmittelexport, gegen die Regeln der Schweizer Neutralität fort: «Sollte ein Staat der Ansicht sein, die Schweiz verletze das Neutralitätsrecht, könnte er Klage erheben. Dieses Risiko dürften wir angesichts des Ukraine-Kriegs eingehen

Verstehen wir ihn richtig? «Die Schweiz», also Renz, möchte gerne gültige Gesetze in die Tonne treten und dann schauen, ob jemand dagegen klagt? Der Mann muss verbotene Substanzen eingenommen haben, anders lässt sich dieser Ausraster nicht erklären.

Waffenexporte in Kriegsgebiete, an eine kriegsführende Partei sind verboten. Auch über Drittstaaten, sonst gäbe es dort ein scheunentorweit klaffendes Loch in diesem Gesetz. Um das zu kapieren, muss man nicht Journalismus studiert haben. Ein Restbestand von gesundem Menschenverstand reicht.

Aber bei Renz geht Rechtsstaat so: Also gut, Diebstahl ist verboten. Aber für eine gute Sache klaue ich mal ein Portemonnaie. Wenn jemand denkt, das sei ein Gesetzesverstoss, dann soll er doch klagen.

Wahnsinn ohne Methode, unglaubliche Zustände im Hause Tamedia. Es deutet alles darauf hin, dass Pietro Supino völlig die Kontrolle verloren hat. Oder aber, es ist ihm völlig schnurz, was in seinen Blättern publiziert wird.

Panzer für den Jemen!

Unterstützen wir die Freiheitsnation!

Der Jemen, vor allem die ehemalige demokratische Volksrepublik, ist in der mühsamen Metamorphose vom post-sowjetischen Korruptionshub zur Freiheitsnation. Daran gehindert wird er von der «operation decisive storm».

Seit 2015 bomben und schiessen Saudi-Arabien, unterstützt von Ägypten, den USA und England, das von einem Bürgerkrieg zerrissene Land in die Steinzeit zurück. Die Folgen sind dramatisch. Im Jemen spielt sich laut UNO die grösste humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts ab. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung sind von Hilfslieferungen abhängig.

Eine beinahe vollständige Blockade des von Importen abhängigen Landes führte zu einem weitgehenden Zusammenbruch der Infrastruktur, des Gesundheitswesens und der staatlichen Ordnung. Im seit 8 Jahren andauernden Gemetzel wurden von den Truppen des mittelalterlichen saudischen Regimes unzählige Kriegsverbrechen begangen.

Daher erschallt überall, vor allem in den Medien des Ringier-Verlags, der Ruf: Wer dem Jemen militärisch nicht zu Hilfe eilt, obwohl er könnte, unterstützt Mohammed bin Salman al-Saud. Das ist der Diktator, unter dessen Regime Oppositionelle auch mal in einer saudischen Botschaft bestialisch ermordet und in Einzelteilen beiseite geschafft werden.

Genauso markig erschallt in den Schweizer Medien die Forderung, sämtliche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien sofort einzustellen. Denn von diesem fundamentalistisch-fanatischen Land aus, gelenkt von religiösen Wahnsinnigen, wüte sonst die Pandemie des Bösen auch in diesem Jahr weiter.

Gleichzeitig wird der Bundesrat energisch auch von Journalisten von Tamedia aufgefordert, endlich Besitztümer reicher Scheichs in der Schweiz zu beschlagnahmen; alleine um den Genfersee herum würde sich da einiges zusammenläppern. Zudem sei endlich zu untersagen, dass im Jumbojet einfliegende Mitglieder der korrupten Herrscherclique ganze Etagen in Genfer Luxushotels in Beschlag nehmen.

Gegen das saudische Regime, das fordern selbst Vertreter von CH Media, sei ein internationaler Gerichtshof einzurichten, der die Verantwortlichen für den Völkermord im Jemen zur Verantwortung ziehen solle. Zugleich müsse Saudi-Arabien dazu gezwungen werden, für die unermesslichen Schäden aufzukommen, die seine völkerrechtswidrige Invasion im Nachbarland verursacht habe.

So könnte es sein. So wäre es, wenn nicht in Wirklichkeit Doppelmoral, abgründige Heuchelei, Einäugigkeit und Weltvergessenheit in den Schweizer Medien herrschen würden.

Was fehlt dem Jemen, damit er auch auf der publizistischen Landkarte wie die Ukraine aufleuchtete? Leider einiges. Seinen Herrschern fehlt die Beratung durch Profis und Spin Doctors der teuersten US-amerikanischen PR-Buden. Zudem hat der Jemen den falschen Feind. Nicht den bösen Putin und sein Unrechtsregime, sondern den lieben Salman mit seinem westlich-modernen Staat. Schliesslich, so einfach ist das, haben die Einwohner die falsche Hautfarbe, keine nennenswerten Rohstoffe und sind überhaupt ziemlich weit weg.

Es wäre wohl zu viel verlangt, wenn über die Barbarei im Jemen gleich oft berichtet würde wie über die Kriegshandlungen in der Ukraine. Aber so ab und an, das wäre doch möglich. Wäre es, wenn die skelettierten Redaktionen noch in der Lage wären, sich mehr als einem Thema aufs Mal zu widmen.

Wumms: Christian Dorer

Feiger Chefredaktor der «Blick»-Gruppe.

Gerade noch hat Dorer in einem «Statement» verkündet, dass sich der «Blick» von niemandem beeinflussen lasse. Nicht mal von Bundesrat Berset. Geschweige denn von Besitzer Michael Ringier. Und erst recht nicht von CEO Mark Walder. Noch viel weniger von «Blick»-CEO Ladina Heimgartner, obwohl er mit der zusammen eine Mitteilung verfasste, völlig unbeeinflusst, versteht sich.

Selten so gelacht. Nun zeigt Dorer in einem «Blickpunkt», von wem er sich sonst nicht beeinflussen lässt. Unter dem harschen Titel «Feige Schweiz» behauptet er, die Einhaltung Schweizer Gesetze durch die Schweizer Regierung sei «ein schwerer Fehler». So formuliert er’s nicht ganz, dafür so: «Dass unser Land nicht direkt Waffen an die Ukraine liefert, kann man vielleicht halbwegs verstehen». Vielleicht, halbwegs?

Völlig unverständlich für Dorer ist allerdings, dass sich die Schweiz auch mit dem Verbot der Lieferung Schweizer Waffen durch Drittländer an ihre Gesetze hält.

Dann vergreift sich Dorer völlig im Ton und im Vergleich:

«Im Zweiten Weltkrieg forderten gewisse Politiker die Übernahme nazifreundlicher Gesetze. Andere wollten braune Uni-Rektoren und Chefredaktoren einsetzen, um die Nazi-Nachbarn zu beschwichtigen. Die Situation heute erinnert entfernt daran.»

Wie bitte? Ist dem Mann in Davos eine Dachlawine aufs Haupt gedonnert?

Da behaupte doch Bundesrat Cassis in Davos, zum Unmut Dorers: «Wir sind ein neutrales Land und müssen den Neutralitätsgesetzen gehorchen.» Das findet Dorer nun richtig falsch. Völlig unbeeinflusst von der Meinung des Ringier-Hausgespensts Frank A Meyer; die graue Eminenz hatte nämlich völlig verpeilt geschrieben: «Wer der Ukraine militärisch nicht zu Hilfe eilt, obwohl er es könnte, der eilt Putin zu Hilfe

Andersrum wird ein Schuh draus: Wer die Schweizer Regierung auffordert, Schweizer Gesetze zu brechen und die Neutralität aufzugeben, der zeigt damit ein Rechtsverständnis wie Putin. Der eilt seiner Auffassung zu Hilfe, dass die westliche Demokratie dekadent und deren Rechtsstaat für den Arsch sei.

Auch das hätte Dorer natürlich unbeeinflusst von niemandem schreiben können. Nur getraut hat er sich nicht.

Bewaffnete Neutralität

Frieden schaffen mit viel Waffen.

Die deutschen Grünen legen noch den letzten Salto in Sachen Opportunismus, Wankelmütigkeit und Verrat an allen Prinzipien hin.

AKW? Gute Sache, sollte man gleich noch in Reserve halten. Kohlekraftwerke? Na ja, im Notfall …

Die Gründerväter (und -mütter) rotieren im Grab. Immerhin müssen das Petra Kelly oder Gerd Bastian nicht mehr erleben. Wer das war? Ach, so zwei prinzipientreue, pazifistische und aufrechte Kämpfer für grüne Anliegen, als es noch obligatorisch war, diese Buttons zu tragen:

 

Oder diese Fahne flattern zu lassen:

Das sehen die deutschen Grünen inzwischen sehr entspannt. Dass die Aussenministerin Annalena Baerbock eine unerträgliche Stimme hat, dafür kann sie nichts. Aber für das, was sie sagt, alles. Denn inzwischen befürwortet sie die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine.

Das wäre dann das weite Mal in den letzten 80 Jahren, dass in der Ukraine deutsche Räder rollen bis zum Sieg. Oder so. «Luftabwehr, Artillerie, Mehrfachraketenwerfer», Baerbock hört sich inzwischen an wie eine Waffenhändlerin, nicht wie eine grüne deutsche Aussenministerin. Aber das hat bei den Grünen Tradition, schon Joschka Fischer, damals Aussenminister, verteidigte 1999 den völkerrechtswidrigen Einsatz der Nato im Jugoslawien-Krieg. Dafür fiel ihm auf dem Sonderparteitag der Grünen ein ungeheuerlicher Vergleich ein: «Auschwitz ist unvergleichbar. Aber ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus.»

Der Kosovo-Krieg war dann eine «humanitäre Intervention». Man sieht, dass Kreml-Herrscher Putin nicht ganz alleine ist im Erfinden euphemistischer Beschreibungen für Kriegsverbrechen. Ein solches war beispielsweise die Bombardierung von Belgrad ohne Zweifel.

Schon damals rumorte es etwas an der grünen Basis, aber da alle Grundsätze der Gründungsgrünen der Teilhabe an der Macht geopfert worden waren, kam Fischer damit durch.

Nun haben wir einen grünen Wirtschaftsminister in Deutschland, der von Wirtschaft keine Ahnung hat. Und eine grüne Aussenministerin, die wohl lieber Kriegsministerin wäre.

In der Schweiz sind die Grünliberalen auf den Spuren der deutschen Grünen. Die Fraktionschefin Tiana Moser befürwortet Schweizer Waffenlieferungen an «demokratische» Länder, «wenn die angegriffen werden». Gut, damit wären solche Lieferungen an die Ukraine eigentlich ausgeschlossen, denn dort wird die Präsidentschaft nicht in Wahlen entschieden, sondern gekauft. Aber mit solchen Details will man sich bei den Grünliberalen nicht aufhalten.

Die Schweizer Grünen sind noch etwas zurückhaltender, weil hierzulande noch diese dumme bewaffnete Neutralität im Raum steht. Inklusive Verbot, an Kriegsparteien Waffen zu liefern, unabhängig von der demokratischen Ausrichtung. Und auch unabhängig davon, wer Angreifer und wer Angegriffener ist.

Allerdings mehren sich auch in der Schweiz die Stimmen, dass man sich von einem angeblich überholten Neutralitätsbegriff verabschieden müsse. Wenn es (mal wieder) um Gut gegen Böse ginge, könne die Schweiz nicht einfach abseits stehen. Sie müsse sich auf einer Seite engagieren, natürlich auf der guten. Die gute Seite ist dort, wo die Nato steht, so die Banallogik der Analyse. Dabei wird auch geflissentlich übersehen, dass die Schweiz nicht Mitglied bei der Nato ist.

Allerdings, das ist wahr, stand sie im Kalten Krieg unter dem Schutzschirm des westlichen Verteidigungsbündnisses, und bei allen Sandkastenspielen der Schweizer Militärs kam Rot, also der Feind, immer von Osten. Nie von Norden oder gar Süden, obwohl aus diesen Richtungen schon entschieden mehr Gefahr gegen die Schweiz ausgegangen war.

Wie viele edle Haltungen ist Neutralität kein Problem, wenn sie nicht auf dem Prüfstand steht. «Wir sind neutral» zu sagen, wenn das niemand in Frage stellt, ist einfach. «Ich bin ehrlich, anständig und kein Dieb», das ist eine wohlfeile Aussage, wenn die Lebensumstände angenehm und der Mensch gesättigt ist. Anders sieht’s schon aus, wenn es ums Überleben ginge, ums Verhungern. Eine edle Haltung ist wohlfeil, wenn sie keinen Versuchungen oder Prüfungen ausgesetzt ist.

Ist die Schweizer Neutralität Versuchungen ausgesetzt? Zumindest Forderungen, dass sie überdacht werden sollte, nicht mehr zeitgemäss sei, man sich doch nicht nur den Sanktionen, sondern auch militärischer Hilfe anschliessen solle. Nach dem üblichen Argument: Neutralität heisse, indirekt oder gar direkt den Aggressor Russland zu unterstützen.

Das ist Unsinn, aber verführerischer Unsinn. Natürlich war die Neutralität der Schweiz nie unbefleckt und vollkommen. Natürlich hat die Schweiz schon Waffen an Länder geliefert, die sie dann in inneren oder äusseren Konflikten einsetzten. Aber das waren eindeutig Fehler. Wieso dann solche Fehler wiederholt werden sollten, entzieht sich ebenfalls jedem logischem Verständnis.