Die Zürcher Staatsanwaltschaft …
… ist ein Desaster.
Wirtschaftsdelikte brauchen ein gewisses Know-how und Kompetenz. Das ist bei der Zürcher Staatsanwaltschaft Mangelware.
Schon beim Swissair-Debakel fuhr die Staatsanwaltschaft eine krachende Niederlage ein. Freispruch auf ganzer Linie für alle Angeklagten. Obwohl die diese fliegende Bank in den Boden krachen liessen. Banker, verantwortlich für Milliardenverluste oder den Untergang einer traditionellen Bank? Nun ja, shit happens.
Am Unispital Zürich kommen in der Herzchirurgie mehrere Dutzend Patienten unter merkwürdigen Umständen zu Tode, während der Klinikchef ein von ihm entwickeltes und untaugliches Produkt ausprobiert, das er für viele Millionen verkauft? Kein Anlass für Unruhe. Aber derjenige der das Schlamassel aufräumt, wird von Intriganten angeschwärzt und angezeigt? Strafanklage. Krachende Niederlage in der ersten Instanz? Na und, Rekurs ans Obergericht, das sich nun mit diesem Unsinn befassen muss.
Aber dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt der Fall Vincenz. Den gefallenen Starbanker von Raiffeisen verfolgte Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel wie eine Furie. Schon ganz am Anfang stand die Strafuntersuhung unter einem schlechten Stern. Indem er Vincenz (und seinen Kompagnon) über 100 Tage in U-Haft schmoren liess, legte er die Latte für die Anklage ungebührlich hoch.
Spesenbetrug hätte da nicht ausgereicht, also betrat Jean-Richard juristisches Neuland mit einer gewaltig gewagten Konstruktion. Damit erreichte er zwar eine Verurteilung und drakonische Strafen in der ersten Instanz. Aber lange konnte er sich, nach so vielen vorherigen Niederlagen, nicht in diesem Ruhm sonnen («Die Strategie der Anklagebehörde ist aufgegangen»).
Eine fürchterliche Klatsche vom Obergericht traf ihn. Urteil aufgehoben, Anklageschrift zu ausschweifend und unpräzise, alles wieder auf Null. Auch dagegen, obwohl eigentlich aussichtslos, ging die Staatsanwaltschaft in Rekurs. Ist ja bloss Steuergeld.
Zum Fremdschämen peinlich. Aber was zuvor schon gerüchteweise die Runde machte, scheint sich zu bewahrheiten, und das bedeutet nochmals grosses Ungemach für Jean-Richard. Die NZZaS schreibt, dass ihre Recherchen ergeben hätten, dass der Staatsanwalt den emeritierten Professor Andreas Donatsch als externen Experten zur Überprüfung der Anklageschrift beigezogen haben soll.
Das wäre dann eine Verletzung des Amts- wie des Untersuchungsgeheimnisses. Das ist keinesfalls ein Kavaliersdelikt. Besonders frappant scheint laut NZZaS auch zu sein, dass diese Kontakte zwischen dem Staatsanwalt und dem Betreuer seiner Habilitationsschrift zu einer Kehrtwende in der Strategie des Anklägers geführt haben sollen. Denn im Januar 2019 hatte die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten mitgeteilt, die Untersuchung sei demnächst, voraussichtlich im April bis Juli, abgeschlossen, dann folge die Anklageerhebung.
Im April, nach Konsultationen zwischen Jean-Richard und Donatsch, sei das dann über den Haufen geworfen worden. Neue Untersuchungen, erst im April 2020 kam es zum Abschluss.
Sollten diese Kontakte tatsächlich stattgefunden haben, ist das Desaster perfekt. Rund 6 Jahre nach der spektakulären Verhaftung von Vincenz muss der Staatsanwalt nicht nur nochmals von vorne beginnen, wobei ihm die Verjährung mögliche Straftaten durch die Finger rieseln lässt. Erhärtet sich der Verdacht einer Amtsgeheimnisverletzung – ausgerechnet in der Staatsanwaltschaft – hat er zudem selber ein Problem.
Eigentlich handelt es sich dabei um ein Offizialdelikt, dem die Staatsanwaltschaft obligatorisch nachgehen müsste. Tut sie das? Kein Kommentar. Wenn schon, müsste das sowieso ein ausserkantonaler Staatsanwalt tun.
Wenn eine Behörde in einem einzigen Fall dermassen viele Frag- und Merkwürdigkeiten aufeinanderstapelt (strengere Worte verbietet das Strafgesetzbuch, das in diesem Fall sicherlich gnadenlos zur Anwendung gebracht würde), dann haben wir ein systemisches Problem, nicht das Versagen eines Einzelnen.
Obwohl das beunruhigend ist, wird die Staatsanwaltschaft das nach Beamtenart aussitzen.