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Entgleisungen

Wie ein Tod das Hässliche zum Vorschein bringt.

Natürlich ist das elende Sterben von Alexei Nawalny ein Ereignis, das niemanden unberührt lässt. Natürlich ist das Sterben von Nawalny eine ausgezeichnete Gelegenheit für Propagandagedöns. Natürlich ist das Sterben ein Anlass, Primitives, Hässliches, Unausgegorenes, Vorurteile und unverdauten Gedankenbrei auszuspeien.

Das Bedürfnis nach Erkenntnisgewinn, Debatte, Auseinandersetzung mit dem Ziel, andere von der Richtigkeit der eigenen Meinung zu überzeugen, ist ungefähr so hoch wie die Temperaturen im Straflager Polarwolf.

Putinisten, Putin-Versteher, Putinknechte auf der einen Seite, Dummköpfe, die auf westliche Propaganda hereinfallen, Lakaien der USA, der EU, Gläubige der Lügenmedien  auf der anderen Seite. Dummköpfe natürlich hüben und drüben. Das Internet erweist sich mal wieder als Klowand, auf der jeder meist anonym herumkritzeln darf. Als Triebabfuhr, als Bedürfnisanstalt für das Absondern des Hässlichen im Menschen.

Früher regelte der Mensch solche Meinungsverschiedenheiten mit der Keule oder den Fäusten. Heutzutage ist man immerhin so zivilisiert, dass man verbale Keulen schwingt und beim Andersdenkenden dennoch am liebsten die Zähne rausfliegen sähe.

Selbstverständlich ist der Tod Nawalnys Anlass für eine Propagandaschlacht. Es wird ins Feld geführt, dass man sich doch fragen müsse, wer daraus Nutzen ziehe. Wie absurd es doch sei, Putin dafür verantwortlich zu machen, da die Tragödie doch nur seinen Gegnern nütze. Ausserdem sei Nowotny ungefähr so sehr demokratischer Oppositioneller gewesen wie die Ukraine ein demokratischer, freiheitlicher Staat sei.

Dann wird angeführt, wie es denn mit Julian Assange stünde, den rechtsfreien Zuständen auf der US-Militärbasis im kubanischen Guantánamo, mit den US-Folterknästen im Irak, mit der üblen Sitte, dass die USA Terrorismusverdächtige nach Polen oder Ägypten auslagern, wo sie dann kräftig gefoltert werden können. Es werden sogar Vergleiche zwischen dem US-Gefängnissystem und stalinistischem Gulag gezogen.

Selbstverständlich ist es richtig, dass beispielsweise der Tod von Assange ein gefundenes Fressen für alle Kritiker des Westens wäre. Selbstverständlich sind die Hinweise auf die zahlreichen schwarzen Flecke auf der vermeintlich blütenweissen Weste des Westens, der behauptet, tiefsten Respekt vor den Menschenrechten zu haben, korrekt.

Ebenso die Hinweise auf nicht so schöne Aussagen und Verhaltensweisen von Nawalty. De mortuis nil nisi bene, das gilt eigentlich nie, in solchen Fällen sowieso nicht.

Unverständlich ist aber, wie all diese Japser, Beisser, Kräher und Krakeeler meinen können, ihre Eruptionen brächten irgend jemanden zum Nachdenken, zum Überdenken seiner eigenen Position. Hier zeigt sich mal wieder, dass Kommunikation, so sinnvoll, hilfreich, unverzichtbar sie auch ist, ihre dunkle Seite hat. Sozusagen eine hässliche, verkrüppelte, übelriechende Schwester mit Fäulnis im Mund, die nur Gift und Galle speit.

Zu welchem Behuf? Um auszudrücken, dass alle anderen, zumindest alle, die nicht gleicher Meinung sind, Kretins seien, Vollidioten, entmündigt werden müssten, zumindest die Schnauze halten sollten? Oder gar als Schandfleck von der Erde getilgt?

Man liest dieses Gewäffel und muss wieder einmal ernüchtert feststellen, dass ein bedenklich hoher Prozentsatz der Menschheit so hohl in der Birne ist, dass die wenigen Hirnzellen sich im Vorbeiflug melancholisch zuwinken. Und dabei handelt es sich nur um die Minderheit, die überhaupt in der Lage ist, einigermassen verständlich ein paar Buchstaben aneinanderzureihen.

Das ist natürlich auch mit dem Holzhammer argumentiert. Aber ZACKBUM verteidigt sich damit, dass wir ja schliesslich hier auch eine Plattform gratis zur Verfügung stellen, wo sich der Mob austoben darf. Natürlich in den Grenzen des Spielfelds und nach unseren Spielregeln, aber wir sind bekanntlich liberal.

Wir können es uns auch leisten, das eigene Publikum zu beschimpfen, denn die Einschaltquote ist uns völlig wurst. Wir sind klare Anhänger des guten Satzes: lieber alleine als in schlechter Gesellschaft. Wir sind auch Befürworter davon, dass sich jeder öffentlich zum Deppen machen kann und darf. Wir fragen uns manchmal, was es wohl für Auswirkungen hätte, wenn nicht wenige, sondern alle Kommentatoren das unter ihrem richtigen Namen tun müssten. Denn anonym macht auch Feiglinge mutig.

Ach, was ZACKBUM zum Tod von Nawalny zu sagen hat? Eigentlich nicht viel. Da ist ein Mensch zu Tode geschunden worden. Einer mehr der viel zu vielen, die natürlich nicht nur in russischen Straflagern leiden und darben. Man kann ihn als mutig oder tollkühn oder übergeschnappt bezeichnen, dass er sich freiwillig wieder in die Fänge des russischen Unrechtsstaats begab.

Aber hier ist ein tapferer Mensch gestorben, der sich offenbar nicht brechen liess, was zu respektieren ist.

Und Präsident Putin, das Schicksal des Autokraten, der vielleicht nicht an allem schuld, aber für alles verantwortlich ist, steht mal wieder als der Versager und Trottel da, der er halt ist. Denn er hätte es natürlich in der Hand gehabt, die Lebensumstände von Nawalny so zu gestalten, dass er triumphierend hätte sagen können: seht her, wie ihr mit Dissidenten wie Assange umspringt. Bei uns geniessen auch Oppositionelle wie Nawalny eine fürsorgliche, menschenwürdige Betreuung.

Aber dazu ist Putin halt, das könnte auch die «Weltwoche» mal einsehen, zu blöd. Er arbeitet lieber mit Killerkommandos, die im In- und Ausland unliebsame Gegner ausschalten. Die erst dadurch eine Bedeutung bekommen, die sie vorher nicht hatten.

Und bevor die Japser aufheulen: ja, auch Friedensnobelpreisträger Obama zeichnete in seiner Amtszeit wöchentlich eine Kill List ab; die Erlaubnis, im Ausland auch US-Bürger umzubringen, denen man vorwirft, Terroristen zu sein. Dass es bei den Drohnenangriffen Kollateralschäden gibt, nun ja, shit happens. Und ja, auch der Mossad beschäftigt Mordkommandos, die weltweit Menschen abmurksen, denen man vorwirft, Terroristen zu sein. Ebenfalls mit Kollateralschäden.

Denn auch das Gute muss halt mal böse werden, sonst wird es dem Bösen nicht Herr, nicht wahr.

Und ja, der umzimperliche Umgang mit echten oder eingebildeten Feinden der Herrschenden wird fast überall auf der Welt praktiziert, meistens kräht kein Hahn danach. Aber so sind halt die Spielregeln, wenn jemand wie Nawalny stirbt, gibt es ein Riesenhallo. Das weiss Putin natürlich, aber es ist ihm scheissegal. Auch deswegen ist er ein unfähiger Versager, zuallererst aber wegen des militärischen, wirtschaftlichen, politischen und internationalen Desasters in der Ukraine. Das Netteste, was man da über ihn sagen kann: er ist dem Westen in die sperrangelweit offene, deutlich sichtbare Falle getappt wie ein Anfänger. In der jüngeren Geschichte Russlands seit 1917 hatte das Land nie einen dermassen unfähigen Herrscher; Putin schlägt selbst Jelzin, und das will etwas heissen.

Köppel rides again

Ist es Sturheit, Beratungsresistenz oder Tollkühnheit?

Die «Weltwoche», ein Problem von fehlenden Checks and Balances, titelt «Der Missverstandene» über Präsident Putin. Wem das bekannt vorkommen sollte: richtig, so titelte die WeWo schon mal. Roger Köppel hat seit dem unsterblichen Titel «La crise n’existe pas», passgenau zum zweiten UBS-Desaster, ein Händchen dafür, im genau falschen Moment ein Cover in den Sand zu setzen.

Als er im Februar 2022 sich einfühlsam mit der sensiblen Seele des Kremlherrschers befasste, beziehungsweise völlig unparteiische Autoren wie Thomas Fasbender damit befassen liess, marschierte der Missverstandene gerade in die Ukraine ein. Schon damals musste ZACKBUM Köppels bedingten Reflex kritisieren:

«Wenn alle dafür sind, bin ich dagegen. Worum geht es eigentlich? Keine Ahnung, macht aber nix

Putin stehe für eine Abrechnung zwischen «Tradition, Familie, Patriotismus, Krieg, Religion, Männlichkeit, Militär, Machtpolitik und nationale Interessen» und dem «Zeitgeist», der für die «Woke»- und «Cancel-Culture»» stehe, «der unsere Intellektuellen und viele unserer Politiker so inbrünstig huldigen», schwurbelte damals mannhaft-martialisch Köppel.

Also hier der Naturbursche mit nackten Oberkörper, dort die verweichlichten Memmen des Westens. Nun könnte man meinen, dass Köppel nach diesem Sprung mit beiden Beinen in einen riesengrossen Fettnapf am liebsten Gras über die Sache wachsen lassen möchte. Aber da kennte man ihn schlecht.

Sozusagen zum Jahrestag meint er da capo, nochmal, weil’s so schön (unsinnig) war. Köppel selbst legt im Editorial mit diesem frömmlerischen Ton los, den er sich in letzter Zeit zugelegt hat: «Siehe, die Welt ist noch nicht verdammt». Siehe, Köppel hat immer noch nicht die Kriminalgeschichte des Christentums gelesen.

Dann darf, soll, muss, will Wolfgang Koydl eine Eloge, ein vermeintlich verständnisvolles Porträt über die «Persönlichkeit des Kremlchefs» schreiben. Der Ferndiagnostiker ist ihm ganz nahe gekommen und horcht in Herz und Seele:

«Putin ist und bleibt Herr des Narrativs über sich selbst und sein Leben … Auf Putins Privatleben trifft zu, was Winston Churchill über Russland sagte: ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium … Gerhard Schröder schwärmte von einem «lupenreinen Demokraten», US-Präsident George W. Bush erkannte bei einem Blick in Putins Seele einen vertrauenswürdigen Partner … Vielleicht aber ist er es auch nur müde, vom Westen ständig missverstanden zu werden …»

Die WeWo muss mal wieder Hosianna singen, weil es der ins Religiöse abgeglittene Chef so will. Apotheose von Koydl: «Putin ist absolut berechenbar: Er tut, was er sagt – sei es Versprechen oder Drohung. Und er wird einen Weg finden, beides einzulösen. Daher lohnt es sich, ihm genau zuzuhören.»

Wer ihm genau zuhörte, bekam von diesem Lügner erzählt, dass nicht beabsichtige, die Ukraine zu überfallen. Wenn ein Staatsvertrag, der die territoriale Integrität der Ukraine gegen die Rückgabe der Atomwaffen zusichert, kein gebrochenes Versprechen ist, was dann? Wenn einer einen inzwischen über ein Jahr andauernden Krieg als «militärische Spezialoperation» tituliert, die in wenigen Tagen vorbei sei, was ist der dann? Ein Versager, jemand, der eine Situation völlig falsch eingeschätzt hat. Der US-Präsident Johnson, dem das gleiche mit Vietnam passierte, hatte immerhin das Rückgrat, das Amt aufzugeben. Putin klammert sich an die Macht, bis man ihn aus dem Kreml tragen oder putschen wird. Denn es ist nur den wenigsten Autokraten vergönnt, wie Fidel Castro im Bett zu sterben.

Am lächerlichsten wird Koydl, wenn er Putin über dessen angeblich mehrfache Lektüre der «Toten Seelen» von Nikolai Gogol zu erklären versucht. Offensichtlich hat das Koydl kein einziges Mal gelesen, sonst wüsste er, dass dieses Provinzschelmenromanfragment keinen Deut dazu beiträgt, dass man das heutige, «das chaotische, das träge, das gleichgültige, das letztlich unregierbare Russland» verstünde.

«Es würde sich lohnen, Putin zuzuhören», behauptet die «Weltwoche». Damit hat sie natürlich ein Stück weit recht; die keifige Reaktion auf das über zweistündige Interview von Tucker Carlson in den Mainstream-Medien ist kein Ruhmesblatt für die.

Auf der anderen Seite ist es doch sehr ermüdend, wenn man dem historischen Mäandern des Präsidenten zuhört, der geschichtliche Ereignisse wie die Teilung Polens zwischen Hitler-Deutschland und der UdSSR in einer Art umbiegt, dass man wirklich an seinem Geisteszustand zweifeln muss. Das ist sicherlich Ausdruck eines Problems, das jeder autokratische Herrscher hat: keiner traut sich, ihm zu widersprechen, wenn er Blödsinn verzapft.

Also, Sturheit, Beratungsresistenz oder Tollkühnheit? Ein mutiges «hier stehe ich immer noch und kann weiterhin nicht anders?» Ein echter Versuch, Putin zu verstehen? Leider nein. Es ist viel schlimmer. Es enthält keinerlei Erkenntnisgewinn, erklärt nicht, wieso sich Putin dermassen desaströs verschätzen konnte. Er gleicht darin dem von ihm bewunderten Stalin. Der war nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion, der ihm bis aufs exakte Datum von mutigen Spionen vorhergesagt worden, was er aber als feindliches Täuschungsmanöver vom Tisch gewischt hatte, einige Tage nicht handlungsfähig. Und verachtete die anderen Mitglieder des von ihm gesäuberten Politbüros umso mehr, als die ihn nicht einfach als unfähig wegräumten, sondern anflehten, endlich die Führung im Kampf gegen Hitler zu übernehmen.

Putin hat, da nützt alles Schönschwätzen von Kriegswirtschaft und Umorientierung nach Asien nichts, der russischen Wirtschaft einen Schaden zugefügt, an dem das Land noch viele Jahre zu leiden haben wird. Vom Blutzoll dank unfähigen Generalen ganz zu schweigen. Welche katastrophale Auswirkungen das offensichtliche Ungenügen der russischen Waffen auf die Waffenexportindustrie – neben Rohstoffen die wichtigste Einnahmequelle – hat, ein Desaster. Das Fehlen von Ersatzteilen und Chips, die Russland nicht selber herstellen kann: verheerend.

Russlands Führung, als Lügner, wortbrüchig, brutal unfähig und beratungsresistent gebrandmarkt, wer wird denn Putin noch jemals glauben oder vertrauen, wenn er einen bindenden Staatsvertrag unterzeichnet?

Es ist lachhaft, die Verteidigung der Ukraine als Frage von Freiheit, Demokratie und westlichen Werten gegen ein slawisches Unrechtsregime misszuverstehen. Die Ukraine, zutiefst korrupt, undemokratisch, geführt von einem schlecht beratenen Präsidentendarsteller, der unbedingt an der Macht bleiben möchte, ist nicht einmal die Karikatur dieser Werte.

Aber noch dramatischer ist, wie sich Putin in eine Falle locken liess, wie mit Milliardengeldern aus den USA und der EU (und einem schrecklichen Blutzoll der Ukrainer) Russland als unfähige Regionalmacht vorgeführt wird, die nicht mal mit einem militärischen Zwerg fertigwird.

Wie schreibt Koydl am Schluss: «Deshalb sind alle Vorhersagen, dass das Volk Putin stürzen werde, ebenso falsch wie alle anderen Prognosen, Einschätzungen und Urteile über den Herrn im Kreml.» Inklusive seine. Wenn der Kremlherrscher etwas Ehre und Anstand im Leib hätte, würde er nach dieser Katastrophe selber die Konsequenzen ziehen. Was er aber nicht tun wird.

Zwei Gescheiterte

Nicht einmal ein Interview können die Helden vom «Blick».

Normales Handwerk. Zwei Redaktoren empfangen einen Gesprächspartner zum Interview. Aus der mündlichen Aufzeichnung entsteht eine schriftliche Fassung. Im deutschen Sprachraum (im angelsächsischen nicht) wird die dem Interviewten zur Autorisierung vorgelegt.

Nun ist es das Normalste der Welt, dass die Verschriftlichung eine verdichtete, zusammengefasste Variante der Aufzeichnung darstellt. Normales Handwerk. Es ist auch normal, vor allem bei Kontroversen, dass der Interviewte an der ihm vorgelegten Fassung Änderungen vornehmen möchte.

Unter Profis macht man deswegen ab: es gilt das gesprochene Wort. Allerdings liegt das Recht an diesem Wort, wie das Recht am Bild, beim Sprecher. Also ist es eine Frage des Handwerks, dass man sich bei Änderungswünschen zusammenrauft.

Ausser, die interimistische Oberchefredaktorin Steffi Buchli und der frischgebackene SoBli-Chefredaktor Reza Rafi tun sich zusammen:

Auch das kommt ab und an vor. Normalerweise schmeisst man dann das Manuskript in den Papierkorb, bzw. versenkt es im elektronischen Archiv. Aber doch nicht die Restenverwertungsanstalt «Blick».

Wenn schon diese beiden Koryphäen ihre wertvolle Zeit aufwendeten, wenn schon Buchli ein gestelltes Blick TV-Interview mit Marco Rima machte, in der Abteilung Sauglattismus, wenn man dann eine geschlagene Stunde miteinander sprach (was normalerweise für eine Seite gedrucktes Interview reichen würde; beim SoBli wäre es sicherlich auf mindestens drei Seiten ausgewalzt worden), dann kann man dieses welterschütternde Ereignis dem Leser nicht vorenthalten.

Dann erzählt man gerne und hemmungslos die Geschichte des eigenen Versagens. Im Print steht nur Rafi als Autor da, online gesellt sich noch Buchli dazu, obwohl sich am Text nichts geändert hat.

Eingeleitet wird die Story eines gecancelten Interviews mit Nachtreten: «Die Mutation vom Sonnenkönig zum Nachtschattengewächs war nicht mehr zu stoppen.» Welch schiefes Bild, welche Bösartigkeit.

Aber das ist erst der Vorspann: «Am Abend meldete sich seine Frau und Managerin Cristina: So könne man das Stück unmöglich freigeben, ihr Mann werde absolut unvorteilhaft und oberflächlich dargestellt.»

Auch diese Reaktion ist nicht unbekannt, wie der SoBli sogar selber einräumt: «So weit, so gewöhnlich im Medienbetrieb. SonntagsBlick wartete die autorisierte Fassung ab. Am Samstag lag sie vor. Doch fanden sich im abgeänderten Manuskript wohlformulierte Sätze im Polit-Jargon, die der Befragte so nie gesagt hatte. Das ist bei Interviews nicht unüblich, allerdings eher bekannt von Bundesräten oder Firmenchefs; PR-Arbeit eben

Dann die Schlusspointe: «Die SonntagsBlick-Redaktion respektiert das – hält es aber für wenig sinnvoll, ein Gespräch abzudrucken, aus dem die streitbarsten Passagen nachträglich entfernt wurden

Auch das ist erlaubt. Rima darf – wenn eben keine professionellen Abmachungen getroffen wurden – am gesprochenen Wort rumfummeln. Der SoBli darf auf den Abdruck verzichten (was er bei einem Bundesrat zum Beispiel, wenn dessen Nachnamen mit B. beginnt – nein, nicht B wie Blocher – niemals tun würde).

Jetzt kommt aber das Problem. Der SoBli enthält dem Leser vor, worum es hier geht. Hat sich das Umfeld von Rima zu recht über eine unvorteilhafte und oberflächliche Darstellung aufgeregt? Hat Rima mit wohlformulierten Sätzen im Politjargon geglättet?

Man weiss es nicht, man erfährt es nicht.

Problem: bei der mangelnden Glaubwürdigkeit, die sich der SoBli mit viel Arbeit erwirtschaftet hat, nimmt doch kein mündiger Leser diese Erklärung ab. Abgesehen davon, dass ein solches Scheitern nicht dem Interviewpartner anzulasten ist.

Dass gleich zwei Chefredaktoren sich nicht entblöden, das eigene Versagen öffentlich zu machen, ist an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Oder doch, durch das Editorial von Rafi. Aber das wäre dann eine echte Überdosis. Wir denken an die Gesundheit unserer Leser und lassen das.

Und dieses Bild ist so was von gestellt
(man beachte das Ladekabel).

Lieber Pietro Supino

Offener Brief: Sagen Sie beim Abschied leise «ciao».

Wissen, wann man aufhören sollte, ist das Schwierigste in einer Managerkarriere. Sie waren als Anwalt bei Bär & Karrer tätig, als Consultant bei McKinsey, als Gründungspartner des Vermögensverwalters Private Client Partners. Man erinnert sich an «Moonstone Trust», aber Schwamm drüber.

2007 wurden Sie als Nachfolger von Hans Heinrich Coninx Präsident des Tamedia-Verwaltungsrats. Sie gestatten, dass wir die Bude weiterhin so nennen, weil die ständigen Namenswechsel zwar gutes Geld für die Schilderwechsler am Haupteingang bedeuteten, sonst aber eher nerven. Aber gut, Sie sind auch noch «Executive Chairman» der «Tx Group».

Unter ihrer Führung wurde das Haus Tamedia um- und abgebaut. Sie verwandelten es in eine Ansammlung von Profitcentern unter dem Dach einer Holding. Die Bezahlmedien wuchsen durch den Ankauf dicker Brocken wie der «Basler Zeitung», der «Berner Zeitung», des «Bund» zum zweitwichtigsten Konglomerat in der Deutschschweiz; Sie beschallen damit über eine Million Leser.

Dem Flaggschiff «Tages-Anzeiger» wurden die Einkommensquellen der Handelsplätze weggenommen und als Tx Markets ausgegliedert. Dermassen ausgehungert, wurden die Redaktionen zu Skeletten heruntergespart; in Zürich stellt eine Zentralredaktion die Einheitssauce her, die sich dann in alle Blätter ergiesst, die dazu noch rudimentäre Lokalberichterstattung stellen. Zum inhaltlichen Schwund gesellt sich der Schwund an zahlenden Lesern.

Bei der Abstimmung über die zusätzliche Subventionsmilliarde agierten Sie als Präsident des Verlegerverbands mehr als unglücklich. Die Bekanntgabe einer Sonderdividende und des milliardenschweren Zusammengehens der Handelsplattformen mit Ringier, plus eine selten bescheuerte Kampagne, sorgten dafür, dass die Abstimmung verlorenging. Ein seltenes Kunststück, wo doch die geballte Medienmacht der Mainstream-Verlage dafür war.

Das Geschäftsergebnis des letzten Jahres ist desaströs, ein gewaltiger Gewinneinbruch, trotz weiteren Sparmassnahmen in Multimillionenhöhe, die der Glaubwürdigkeit der Bezahlorgane den Rest geben werden.

Sie sind also geschäftlich gescheitert.

Wie Sie die Affäre Roshani gehandhabt haben, ist ein Musterbeispiel, wie man es nicht machen sollte. Juristisch gingen Sie nur gegen die Konkurrenz von CH Media vor, als Sie persönlich angegriffen wurden. Ihren ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica liessen Sie im Regen stehen, die interne Kommunikation war unter jeder Sau, offen gesagt.

Nachdem Sie und ihre beiden Geschäftsführer in dieser Affäre jämmerlich versagt hatten, liessen Sie den sachkompetenzfreien Mathias Müller von Blumencron Wortblasen zur zukünftigen Strategie schwatzen, dass es dem Leser ganz blümerant wurde und man sich zusätzlich Sorgen um die Zukunft der Tamedia-Redaktore machen musste.

Unabhängig davon, ob das angeblich schon lange geplant war; die Degradierung von Arthur Rutishauser zum Nur-noch-Chefredaktor der «SonntagsZeitung» liess klar erkennen, dass nach der versemmelten Roshani-Affäre ein Bauernopfer fällig war. Schon bei der bis heute nicht bewältigten Affäre um unbewiesene Anschuldigungen von 78 erregten Tamedia-Redaktorinnen machten Sie eine ganz schlechte Figur.

Als Krisenkommunikationsmanager sind Sie mehrfach gescheitert.

Aber als Familienmitglied des Besitzerclans Coninx sind Sie unantastbar.

Nun haben Sie mit der Wahl der Nachfolgerin von Rutishauser nochmals unter Beweis gestellt, dass Ihnen Qualität, Kompetenz, strategische Fähigkeiten und Glaubwürdigkeit bei den Bezahlmedien schnurzegal sind. Die Wahl von Raphaela Birrer kann nur als Sparmassnahme in jeder Beziehungen interpretiert werden.

Dass Charaktermasken wie Philipp Loser, Andreas Tobler, Marc Brupbacher oder Christian Brönnimann unzensiert und ungeniert von Flop zu Flop publizieren und wüten dürfen, ist ein Armutszeugnis sondergleichen.

Während es vor Jahren noch einen Konkurrenzkampf zwischen der NZZ und dem «Tages-Anzeiger» gab, ist Ihr Blatt inzwischen runtergewirtschaftet, übernimmt im Übermass Inhalt von der Münchner «Süddeutschen Zeitung», garniert ihn mit Tickermeldungen der SDA und schmeckt das Ganze mit besserwisserischen und völlig überflüssigen Kommentaren ab.

Die Auswechslung des Kolumnistenteams ist ein weiteres Beispiel für den beschleunigten Weg nach unten. Wer sich gegen dessen Willen und auf unschöne Art von Rudolf Strahm trennt, um ihn durch No-Names zu ersetzen, darunter ein Mode-Dummschwätzer, der schneller vergessen gehen wird als er zu zweifelhaftem Ruhm aufstieg, das Wirken einer Nora Zukker als Literaturchefin, das sind alles Mosaiksteine auf einem Sargdeckel.

Dass für dieses heruntergewirtschaftete Angebot weiterhin stolze Preise im Abonnement und im Einzelverkauf verlangt werden – nach der Devise: weniger Inhalt für gleiches Geld –, ist eine Bankrotterklärung.

Sie haben als Content-Manager krachend versagt.

Offenbar sind Sie nicht in der Lage, dringend nötige strategische Impulse zu geben. Die ewige Leier, dass das alles zur Qualitätsverbesserung diene, dass man sich der Bedeutung der Medien als Vierte Gewalt und Kontrollinstanz bewusst sei – das wirkt nicht mal mehr lächerlich, sondern nur noch peinlich.

Wenn Ihnen wirklich etwas an Publizistik liegt, an dringend nötiger Kontrolle, statt liebedienerischer Lobhudelei staatlicher Massnahmen wie während der Pandemie, dann sollten Sie Platz machen für einen Nachfolger, der noch weiss, worum es bei Newsproduzenten geht.

Treten Sie zurück, Herr Supino, die Leser, das Land, die Mitarbeiter werden es Ihnen danken.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-REdaktor René Zeyer war bei der «Sonntagszeitung» tätig.

CS und «Republik»: Unterschiede?

Alles nur eine Frage der Nullen.

Mal Hand aufs Herz, wer erkennt fünf Unterschiede zwischen dem Online-Medium «Republik» und dem Geld-Medium Credit Suisse? Abgesehen von der Anzahl Nullen? Also der Anzahl Nullen hinter der Zahl, die angibt, wie viel Geld verröstet wird. Oder der Anzahl Nullen, die in führenden Positionen sind.

Immerhin einen Unterschied gibt es, ganz klar. Bei der «Republik» ist der Verwaltungsratspräsident zurückgetreten, seine beiden Kollegen wollen es ihm so schnell wie möglich nachmachen. Ob sie sich mal mit den einschlägigen Bestimmungen bezüglich Haftung von VR vertraut gemacht haben? Aber eigentlich müsste sich niemand Sorgen machen. Weder beim «Kosmos», noch bei der «Republik» und schon gar nicht bei der CS wird auch nur einem Verantwortungsträger ein Haar gekrümmt werden, geschweige denn, ins Portemonnaie gegriffen.

Kontinuität ist auch keine Qualität, die «Republik» oder CS auszeichnet, somit haben wir hier eine zweite Gemeinsamkeit. Allerdings gibt es bei der «Republik» eine «Stabsstelle Chefredaktion». Eine solche Position wurde bei der CS für abgehalfterte CEO nicht geschaffen.

Aber beim Geldverrösten geben beide Buden ihr Bestes, und das ist nicht wenig. Natürlich hat hier die CS ganz andere Möglichkeiten als die «Republik». Daher sind bei deren Zahlen ein paar Nullen mehr hintendran. Aber  eine gewisse Ähnlichkeit gibt es wiederum bei der Art finanzieller Probleme. Bei der «Republik» sind sie steuerlicher Art, was für ein Blatt der Steuerehrlichkeit, das sich dem Kampf gegen Steuerhinterzieher gewidmet hat, eher peinlich ist.

Bei der CS sind sie Reinfälle von anderem Kaliber, Kredite an ein korruptes und armes Land in Afrika, an einen vorbestraften Geschäftsmann, an einen Hasardeur mit einem windigen Geschäftsmodell. Bei beiden Buden scheint die Compliance, das Controlling, nicht wirklich geklappt zu haben, obwohl dafür ein Heidengeld ausgegeben wird. Und beide versuchen, diese Desaster schön- und kleinzureden.

Ganz nahe beieinander sind die beiden Hohlgefässe beim Verstreuen von Worthülsen. Bei beiden existiert das Wort Krise nicht. Höchstens als Chance, als Neustart, als Schärfung der Strategie. Wobei man zugeben muss, dass die Leerformel vom «laserscharfen Fokussieren» eigentlich von Wortschnitzern der «Republik» stammen sollte, aber von der CS erfunden wurde.

Beide wiederum bedanken sich artig bei abgehalfterten Führungspersonen, seien das Chefredaktore oder CEOs. Allerdings hat hier die «Republik» die Besonderheit, dass sie seit langer Zeit die Position des CEO a.i. kennt. Wiederum gemeinsam ist beiden, dass unabhängig vom Geschäftsgang branchengemäss üppige Gehälter bezahlt werden. Auch für Berater, Sesselfurzer, für Positionen, die eigentlich kein Mensch braucht, die aber mal geschaffen wurden.

Man muss auch sagen, dass beiden Trümmelunternehmen zunehmend ihre eigentliche Aufgabe etwas aus dem Gesichtsfeld rückte. Bei der «Republik» wäre das das Verfassen von interessanten Essays, spannenden Reportagen, aufsehenerregende Enthüllungen. Bei der CS wäre es die Beherrschung von Risiken, mehr Geld einzunehmen als rauszuhauen, bei beiden das Herstellen von Vertrauen in die Geschäftstätigkeit und Zukunftsfähigkeit.

Oder ganz einfach; eine überzeugende Antwort auf die Frage zu geben: wozu braucht’s euch eigentlich? Geldgeschäfte beherrschen auch Postfinance, ZKB oder Raiffeisen. Buchstabensortieren wird auch von Tamedia, CH Media oder NZZ gewährleistet.

Nun gibt es zwischen kapitalistischen und sozialistischen Wirtschaftssystemen einen entscheidenden Unterschied. Im Kapitalismus ist eine Entität, die in keiner Form Mehrwert produziert, überflüssig, zum Untergang verurteilt und wird auch aus ideologischen Gründen nicht künstlich beatmet. Ausser, es handelt sich um ideologische Produkte wie «TagesWoche», «Kosmos» oder «Republik». Aber auch das regelt sich mit der Zeit …

Die Medien kriegen’s nicht hin

Und der Journalist ist der Rechthaber im Nachhinein.

Es gibt wenige Ausnahmen, Arthur Rutishauser gehört dazu. Aber da Kompetenz (und Loyalität) im Hause Tx keinen besonders hohen Stellenwert geniesst, wurde er trotz seiner ständigen Warnrufe Richtung CS als Bauernopfer degradiert. Weil Pietro Supino auch die Kommunikation in der Affaire Roshani versemmelt hatte.

Die übrige Journaille tat das Gleiche, was sie nun dem Bundesrat und der Aufsichtsbehörde FINMA vorwirft: Sie schaute mehr oder minder tatenlos zu, wie die Credit Suisse gegen die Wand geklatscht wurde. Ringier versank in Lobhudeleien der Kurzzeit-Chefs, unvergesslich das Doppelinterview mit dem Alptraumpaar Gottstein Horta. Plisch und Plum waren ein Dreck dagegen.

Ansonsten zeigten weite Teile der Wirtschaftsjournalisten, was sie können. Nämlich nichts. Den Geschäftsbericht einer Bank lesen, das überfordert 90 Prozent von ihnen. Die Zusammensetzung des Eigenkapitals verstehen: Fehlanzeige. Erklären können, was ein CoCo ist: nur im Abschreibemodus. Die wichtigsten Indikatoren identifizieren, um den Zustand einer Bank messen zu können: hä?

Aber damit wissen sich die Mainstream-Medien mit ihrer Regierung einig: frei von Sachverstand kann man am besten vom Blatt lesen. Das war der Zustand bis kurz vor dem Exitus der Bank.

Währenddessen wurde weiterhin ab Blatt gelesen, ab der «Financial Times». Denn im fernen London war man besser über die Verhandlungen, den Inhalt und vor allem die heiklen Punkte informiert als die geballte Fachkraft der Schweizer Medien in Bern.

Auf welches Notrecht stützt sich der Bundesrat genau, was bedeutet der Abschreiber von 16 Milliarden Franken, wieso musste die UBS läppische 3 Milliarden Franken bezahlen, erhält ein Risikopolster von 9 Milliarden plus Liquidität bis zu 200 Milliarden? Kann man Aktionärsrechte so aushebeln? Riskiert der Bundesrat keine Staatsklagen, steht er eventuell in der Verantwortung für diese Entscheidungen – und ihre Kostenfolgen?

Und vor allem: war das mal wieder alternativlos? In welchem Schweizer Medium las man vor dem grossen Showdown vor einer Woche, wie Alternativen aussehen könnten? Dass die Bank schlecht geführt war, das war spätestens seit dem Amtsantritt von Urs Rohner offenkundig. Aber forderte je – ausser dem Autor dieser Zeilen – jemand seinen Rücktritt, mahnte Haftbarkeit an?

Aber nach dem Fall, da kommen nun alle Besserwisser aus den Löchern und überschlagen sich mit Kritiken, basteln grosse Zusammenstellungen von Fehlern und Flops, von dummen Sprüchen der Bankenlenker. Der Lobhudel-«Blick» räumt plötzlich dem alten Schlachtross Oswald Grübel die Spalten frei, der auch kräftig losgaloppiert – nachdem auch er zuvor mit Kritik gelinde gesagt sehr zurückhaltend war. Sicher, als ehemaliger CEO beider Banken, der CS und der UBS, musste er aufpassen, was er sagt.

Aber eigentlich gab es mal wieder nur einen Einzelkämpfer, der sogar so viel Gas gab, dass ihn die CS mit einer mehrhundertseitigen Klageschrift fertigmachen will. Denn Lukas Hässig fährt auf seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz»* einen scharfen Reifen. Und lässt regelmässig die gesamte Konkurrenz alt aussehen. Er erlegte fast im Alleingang Pierin Vincenz und veröffentlichte ein Jahr lang eine Bombenstory nach der anderen über den einstmals strahlenden Banker – ohne dass jemand das Thema aufnahm.

Hässig steht auch auf der Shitlist von Daniel Vasella ganz, ganz oben, seit er verhinderte, dass der Pharma-Boss 72 Millionen hätte kassieren sollen – für süsses Nichtstun.

Irgendwie ist die «Blick»-Penisgeschichte symptomatisch für den aktuellen Zustand der Medien. Eigentlich möchte man gerne ein heikles Thema aufgreifen, das nun (fast) jeden Mann interessiert. Denn Nullwachstum in der Hose, das ist auch für Banker schlimmer als Nullzinsen.

Aber früher hätte der Fachmann höchstens als Feigenblatt dafür gedient, den Voyeurismus von weiblichen und männlichen Lesern zu befriedigen. Die Schlagzeile wäre auf der Hand gelegen: «Wenn Sie dieses Foto nicht erregt, sollten Sie zum Arzt». Welcher Art das Foto gewesen wäre, nun, wir breiten den Mantel des Schweigens darüber.

Aber wie löst das der «Blick» heute? Das einzige Boulevard-Organ mit einem Regenrohr im Logo zeigt doch tatsächlich einen Kaktus als Penissymbolbild. Wobei der Kaktus durchaus erigiert erscheint. Allerdings dürfte er weder bei Männern, noch bei Frauen erotische Empfindungen auslösen. Das gilt höchstwahrscheinlich auch für alle anderen Genderklassen, vielleicht mit Ausnahme von Masochisten.

«Der Penis ist die Antenne des Herzens», der Satz ist so blöd, der könnte glatt von diesem Kim irgendwas sein. Nein, so blöd ist er dann auch nicht.

Wieso nicht «Die UBS ist die Bank der Schmerzen», «von der Credit Suisse zur Debit Suisse zur Debil Suisse».  Oder gleich «Der Kontostand ist der Messfühler des Portemonnaies», «Die Kreditkarte ist die Windfahne der Begierde», «Der Zeigefinger ist das Instrument am Bankomat», «Die Credit Suisse ersetzt den Bankomat durch den Dankomat». Und nur echt mit dem Foto eines kompetent dreinblickenden Fachmanns.

Das kann man alles machen. Aber noch Geld dafür verlangen und behaupten, man sei unverzichtbar als Vierte Gewalt in der Demokratie – das ist nicht nur lachhaft, wenn es die «Republik» behauptet.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt gelegentlich auf IP.

CS: Keiner dran schuld …

Jetzt geht’s dann ganz schnell …

Vorgestern noch solide wie das Matterhorn. Gestern noch solider als manch andere Bank. Heute bröselt und bröckelt es. Und morgen? Morgen ist’s mit der Credit Suisse, wie wir sie kannten, vorbei.

Die Lage der zweitgrössten Bank der Schweiz ist so dramatisch, da muss man zum Dichterwort greifen und Franz Kafka zitieren:

«Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoss sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.»

Das perfekte Bild für den aktuellen Zustand der CS. Sie bestätigt wieder einmal eine alte Regel im Wirtschaftsleben: wenn etwas ins Rutschen kommt, geht’s holterdipolter und sehr, sehr schnell.

Das vorher schon überforderte Management (sonst wäre die einstmals stolze Escher-Bank ja nicht in diese Schieflage geraten) ist völlig von der Rolle. Seine Aussagen sind nur noch mitleiderregend: «Wir haben noch einen weiten Weg vor uns», sagte der CEO Ulrich Körner im Februar dieses Jahres. Im März sieht es ganz danach, aus, als ob er schon am Ende des Weges angekommen sei.

Wenn’s schnell geht, ist «zu wenig, zu spät» der Todeskuss für einen komatösen Patienten. Selbst die Notinfusion durch die Schweizerische Nationalbank vermochte es nicht, dem moribunden Opfer rosa Bäckchen zu verpassen.

Die meist wohlinformierte, zumindest besser als alle Schweizer Wirtschaftsmedien informierte «Financial Times» berichtet bereits, dass Bern und die SNB die Spitzen von UBS und CS dazu gedrängt hätten, übers Wochenende eine Lösung zu finden, bevor am Montag die Börsen öffnen.

Denn die Nachricht, dass die CS über 50 Milliarden Liquidität verfügen könne, also auf die unbeschränkte Feuerkraft der SNB zählen dürfe, hat an der Börse nur das ausgelöst, was der zynische Börsianer einen «dead cat bounce» nennt. Wenn eine Katze aus dem Hochhaus fällt, prallt sie auf den Boden und ist tot. Aber durch die Wucht des Aufschlags wird sie nochmal in die Luft geschleudert, was man aber nicht mit einer Wiederbelebung verwechseln darf.

So ist es nach 167 Jahren leider Zeit, Bilanz zu ziehen. Rund 160 Jahre lang war die Schweizerische Kreditanstalt SKA der Stolz Zürichs. Der Stolz des Freisinns. Der Stolz der Schweiz. Wie die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) trug sie als Trustmark das Wort Schweiz im Titel. Schweiz stand für stockseriös, bieder, korrekt, zuverlässig, solide. Kein Glamour, keine Angeberei, der Topbanker nahm das Tram zur Arbeitsstelle, hatte eine abgewetzte, alte Ledertasche bei sich.

Er trug Anzüge von ABM, eine grau gemusterte Krawatte war das Äusserste an Modestatement, die Gürtelschnalle war mächtig, aber billig, der Schuh ausgetreten und dunkelbraun oder schwarz. Eigentlich sah jeder Banker wie Walter Roderer aus und benahm sich auch so wie der Schauspieler in seinen Paraderollen als Buchhalter Nötzli. Der leicht verklemmte, biedere, schüchterne Bünzli, aber mit Charakter und Anstand.

Aber schon um die Jahrtausendwende hatte auch bei der SKA, die sich unnötigerweise in Credit Suisse umbenannt hatte, der Wahnsinn Einzug gehalten. Der Wahnsinn in Gestalt von grössenwahnsinnigen US-Investmentbankern, die sich für die «Masters of the Universe» hielten, sich selbst «big swinging dicks» nannten, was wir lieber nicht übersetzen wollen. Das Gleiche passierte auch bei der SBG, neu UBS.

Nicht das Geld war verrückt geworden, aber seine Götzendiener. Sie erfanden Ableitungen, Derivate, Wettscheine, die so kompliziert wurden, dass es Nerds und Quantenphysiker brauchte, um sie zusammenzulöten, mit ellenlangen Algorithmen zu jonglieren. Weder die Hersteller, noch die Anwender verstanden diese finanziellen Massenvernichtungswaffen, die Anwender wussten nur eins: aus ihnen tropfen Bonuszahlungen in unvorstellbarer Höhe. Und das Beste war: unabhängig von Verlust oder Gewinn, der einzige Massstab war der Umsatz.

Da schauten die Buchhalter Nötzli aus der Schweiz mit offenem Mund zu und begannen, auch zu sabbern und zu verdienen. Mit Oswald «Ossi» Grübel trat dann 2007 das letzte Schlachtross bei der CS ab, der noch einigermassen einschätzen konnte, welche Risiken man nehmen durfte – und welche nicht.

Sein Nachfolger wurde der eiskalte US-Investmentbanker Brady Dougan, der sich wie ein Rodeo-Reiter benahm und den Eindruck zu vermitteln versuchte, er lasse sich niemals aus dem Sattel werfen. Für ihn stimmte das, als er abstieg, war er um ein paar hundert Millionen reicher, die CS alleine an Bussen- und Bonuszahlungen um ein paar Dutzend Milliarden ärmer.

Begleitet und vermeintlich überwacht wurde das vom Juristen Urs Rohner, der zehn unselige Jahre als VR-Präsident amtierte und von Anfang bis Ende nur darauf bedacht war, selbst eine «weisse Weste» zu behalten. Dass die von Verlusten rotgesprenkelt war, das kümmerte ihn überhaupt nicht. Als er nach dem Doppelschlag Archegos und Greensill abtrat, fand er lediglich leise Worte des Bedauerns, auf die schon niemand mehr hörte.

Nach Dougan hatte er im Alleingang den Vollversager Tidjane Thiam auf den Posten des CEO gehievt. Der kassierte in seiner nur fünfjährigen Amtszeit satte 100 Millionen und stolperte über einen idiotischen Überwachungsskandal, nachdem er vergeblich versucht hatte, Rohner aus dem Sattel zu werfen. Aber ein VR-Präsident kann einen CEO entlassen, umgekehrt geht nicht.

Dann gab es ein kurzes Zwischenspiel von zwei weiteren Nulpen, bis dann die zweite Garnitur Lehmann/Körner ans Gerät ging, weil schon letztes Jahr kein erstklassiger Banker sich mehr die Finger an diesen Jobs verbrennen wollte. Und seither ging’s nur noch bergab. Dabei: was 160 Jahre lang gestanden ist, kriegt man nicht einfach mit der üblichen Menge von Fehlentscheidungen in die Knie.

Ein solches Gebilde steht wie ein altes Haus schon mal aus Gewohnheit, selbst wenn man tragende Wände rausspitzt. Trotz Umbenennung, trotz idiotischem Logo mit zwei Segeln (wohl eine Anspielung auf die grosse Seefahrernation Schweiz), trotz Geldverpulvern mit einer leichten Anpassung des Logos, trotz oder gerade wegen der Beschäftigung mit solchem Pipifax schlingerte der Tanker nicht nur, sondern bekam immer mehr Schlagseite.

Von der Kommandobrücke kamen lediglich beruhigende Geräusche, man arbeite an einer Rettungsstrategie, das ginge dann im Fall nicht von einem Tag auf den anderen, das sei dann schon ein ganz dickes Ei, das gelegt werde. Als dann mit viel Gegacker und Flügelschlagen das Ei präsentiert wurde, war es nur mit der Lupe erkennbar, dafür in den schönsten Farben der Kommunikationslehre angemalt. Aber kein Börsenhändler liess sich von einem solchen Kuckucksei überzeugen. Der Kurs kannte unaufhaltsam nur eine Richtung: nach unten.

Dann kam noch das übliche Gezeter, natürlich sei der Kurs nicht befriedigend, aber einstellig werde er niemals, ausserdem sei der Aktienkurs nicht alles im Leben einer Bank, stabil, gut aufgestellt, liquide, starke Marke, optimistisch in die Zukunft, Kurswechsel greift, alles kommt gut und besser, wir liefern, Blabla.

Das Publikum, die Investoren, die Kunden, die grossen und kleinen Besitzer der Bank fragten sich zunehmend, in welchem Paralleluniversum eigentlich die Führungscrew der Bank lebte. Und manch einer fragte sich schon, ob die wohl verbotene Substanzen oder verschreibungspflichtige rosa Pillen einwürfen.

Aber wenn der Baumstamm, der so stabil und mit dem Boden verwachsen erscheint, was er nicht ist, wenn der Baumstamm, der nicht leicht wegzuschieben ist, dennoch ins Gleiten, ins Rutschen gerät, dann ist das kein unseliges Schicksal, kein Pech, keine Verkettung unglücklicher Umstände, nichts Unvorhersehbares. Dann ist das das Resultat eines mutwilligen, fast absichtlichen Versagens der Kommandobrücke. Als hätte die sich den Befehl gegeben, den altehrwürdigen Tanker CS mit Volldampf gegen den Eisberg zu lenken. Auf Grund zu steuern, auf die Sandbank zu setzen, in die Klippen zu manövrieren.

Was bleiben wird, leider: niemand war dran schuld. Keiner hat Verantwortung. Alle werden haftungsfrei ihre Millionen geniessen.

Die oben. Die im Maschinenraum werden absaufen, wie immer. Der 50-jährige Anlageberater, die 55-jährige Sachbearbeiterin, der Kundenbetreuer, der sich schon seit Jahren die Beschimpfungen anhören musste, die die da oben verdient hätten: all die werden auf der Strasse stehen, nach dem RAV in die Sozialhilfe absinken.

Dafür fehlen die Worte. Nein, sie gäbe es, aber leider funktioniert das Legal Department, die juristische Abteilung einer Grossbank, immer bis zum Schluss …

Die Jahresbilanz

Wie war 2022 für die Medien? Katastrophe.

Die Wirklichkeit müsste wie die Nemesis über ihre mediale Darstellung herfallen. Für die Ungebildeten unter den Journalisten: Die Nemesis ist die griechische Göttin des gerechten Zorns, der ausgleichenden Gerechtigkeit.

Denn die grossen Massenmedien und sogenannten Qualitätszeitungen haben sich auch 2022 noch weiter von ihrer eigentlichen Aufgabe entfernt. Ihren Konsumenten und Zahlern ein bearbeitetes, eingeordnetes, nach Bedeutung gewichtetes Bild der Realität zu vermitteln.

Es gibt keine objektive Realität, wie schon viele Verteidiger des Marxismus-Leninismus leidvoll erfahren mussten. Aber es gibt mehr oder minder kompetente Versuche, eine Interpretation zu liefern, die dem Konsumenten einen Erkenntnisgewinn verschafft, ihn ein wenig begreifen lässt, was über 8 Milliarden Menschen in über 200 Staaten so treiben.

Wie sie leben, welche Träume sie haben, welche Mentalität sie prägt, welche geschichtlichen Erfahrungen. Wie sie Konflikte lösen oder eben nicht. Was sie so treiben, um das zu erreichen, was wohl der Traum jedes Erdenbürgers ist: sein kleines Glück im Diesseits verwirklichen.

Der Mensch ist ein widersprüchliches Wesen, gesteuert von Rationalität und auch Irrationalität. Die einen mehr, die anderen weniger. Er lebt in einer widersprüchlichen Wirklichkeit, einer multipolaren Welt, zersplittert, fragmentiert, granuliert und dennoch durch die Globalisierung so eng vernetzt wie noch nie in der Geschichte.

Dank Internet haben inzwischen rund 5 Milliarden Menschen Zugang zu einem Meer von Informationen. Das ist aber noch verschmutzter als die Weltmeere; dem Nutzer geht schnell die Luft aus und er ersäuft in wilden Strudeln von Belanglosigkeiten.

Dagegen zimmert er sich ein Rettungsboot, er schliesst sich einer Gruppe (oder mehreren) an. Hier versammeln sich die Kenner der Andamanen, die Sammler von Bierdeckeln, Sportsfreunde, Rechte, Linke, Abartige und Fetischisten, Kenner der Philosophie und Sammler von Pornos um wärmende Lagerfeuer, angefacht von Gleichgesinnten.

Dadurch wird die Welt vom bunten Kaleidoskop zu einem trichterförmigen Bildausschnitt, gleichförmig grau statt bunt, geordnet statt chaotisch, erklärbar statt geheimnisvoll. Rund statt kantig, einschränkend statt bewusstseinserweiternd.

In unsicheren Zeiten sucht der Mensch nach Sicherheiten. Will Bestätigung der eigenen Vorurteile, will nicht mit Widerspruch herausgefordert werden. Denn denken tut nicht weh, ist aber anstrengend. Schwarzweiss ist beruhigender als bunt und farbig. Aber Schwarzweiss-Seher sind wie blinde Maulwürfe, die sich durch die Erde graben und keine Ahnung haben, welche wahren Wunder sich an der Oberfläche abspielen.

Heinrich von Kleist verzweifelte an der einfachen Frage, wie es denn wäre, wenn alle Menschen grüne Brillen tragen würden, ohne das zu wissen. Dann käme ihnen die Realität grün vor, obwohl sie das nicht ist:

«Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urtheilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken, sind grün — und nie würden sie entscheiden können, ob ihr Auge ihnen die Dinge zeigt, wie sie sind, oder ob es nicht etwas zu ihnen hinzuthut, was nicht ihnen, sondern dem Auge gehört. So ist es mit dem Verstande. Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint. Ist das letzte, so ist die Wahrheit, die wir hier sammeln, nach dem Tode nicht mehr — und alles Bestreben, ein Eigenthum sich zu erwerben, das uns auch in das Grab folgt, ist vergeblich.»

Sind wir 2022 weiter als 1801, als Kleist das schrieb? Spielt in unserem Alltag die Nemesis noch eine Rolle? Damit sie das könnte, müsste man sich an sie erinnern. Nemesis, Zeus, Schwan, Helena, um derentwillen der Trojanische Krieg geführt wurde? Nemesis wird begleitet von Aidos, der Göttin der Scham. Ihre Hauptaufgabe ist, menschliche Hybris zu bestrafen und die Missachtung von Themis, der Göttin des übergeordneten Rechts und der Sittlichkeit.

Womit wir schon mitten im Problem der Medien wären. Brüllende Bildungsferne, historischer Analphabetismus, Schamlosigkeit und Unkenntnis des Begriffs Sittlichkeit: das sind Merkmale, mit denen man den modernen Journalismus ziemlich erschöpfend beschreiben kann. Es wird zunehmend gejapst und gehechelt, in ermüdenden Schlaufen die gleichen Narrative durchgekaut, die Bestätigung von Vorurteilen geliefert, statt die Bausteine für Urteile.

Denn, so ist der Mensch: er möchte die Welt schon verstehen. Er ist nicht bösartig von Natur aus, sondern eigentlich anteilnehmend und mitleidig. Nur kommt er so selten dazu. Er mag’s gerne kommod und bekömmlich. Aber bei der Lektüre der modernen Massenmedien (wenige Ausnahmen bestätigen die mächtige Regel) wird ihm Fastfood serviert. Angereichert mit Geschmacksverstärkern und Zucker als Geschmacksträger, der dank geschicktem Lobbying den Kampf gegen Fett längst gewonnen hat.

So wird das Drama der abserbelnden Medien zur Tragödie. Denn  eigentlich hätten die Helden des Stücks, die Journalisten und Publizisten, den Ausgang in der Hand. Seit rund 30 Jahren gibt es das Internet. Es ist damit eine Generation alt, und es wäre die Rettung für alle Anbieter bearbeiteter News mit Nutz- und Mehrwert.

1605 erschien die wohl erste Zeitung Europas, das Wochenblatt «Relation aller Fürnemmen und gedenckwürdigen Historien». 400 Jahre lang war Print das Medium der Wahl, nur ergänzt durch Radio und dann TV. Alles Medien, die keine Interaktion zulassen, keine Individualisierung, keine Vernetzung, keine verschiedenen Ebenen der Vertiefung, keine Dreidimensionalität. Im Gegensatz zum Internet.

Aber in den dreissig Jahren seiner Existenz ist den grossen Verlagen, immer noch geprägt von der Druckermentalität, nichts Neues eingefallen. Ausser: Internet muss auch sein, das ist dann einfach digital und flimmert. Aber wie man damit Geld verdienen könnte, dieses Geheimnis aufzudecken, ist noch niemandem vergönnt.

Also klagen und jammern die Medien, krähen nach Staatshilfe, weil sie angeblich für die Demokratie unersetzlich seien. Aber weil sie als Ausweg aus der Krise nur eins kennen – sparen, bis es quietscht und knirscht –, nimmt ihnen das die Bevölkerung nicht wirklich ab. Die verlorene Abstimmung über eine Steuermilliarde Subventionen, trotz der geballten Medienmacht derjenigen, die davon profitiert hätten, ist wie ein Menetekel an der Wand. Das ist ein Rebus und bedeutet wohl: «Gott hat dein Königtum gezählt und beendet

Der babylonische König Belsazar soll sich in frevlerischem Hochmut an Gott versündigt haben und sich über ihn gestellt. Wie dichtete Heinrich Heine, der wohl begabteste Lyriker deutscher Zunge, so schön (leicht gekürzt):

«Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.
Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam’s hervor wie Menschenhand;
Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.
Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.
Belsatzar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.»

Es gab Zeiten, da meinten irre gewordene Banker, sie seien die «Master of the Universe». Es gab Zeiten, da meinten Medienclans, sie hätten Gelddruckmaschinen im Keller stehen, bis in alle Ewigkeit.

2022 bedeutet nicht das Ende der Newsmedien. Aber ihre selbstverschuldete Verzwergung, ihren beschleunigten Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Begleitet von rechthaberischem Geschrei, unbrauchbaren und haftungsfreien Kommentaren, fuchtelnder, aber verantwortungsloser Besserwisserei und unappetitlicher Betrachtung des eigenen Bauchnabels.

Sie gleichen immer mehr dem Idioten von Shakespeare, leicht abgewandelt trifft’s auf den Punkt:

«News are a tale
Told by an idiot
Full of sound and fury
signifying nothing.»