Mordsjubel beim Tagi
So macht Menschenmorden richtig Freude. Zumindest einem Autor.
Ob man es auf die Herkunft von Enver Robelli zurückführen muss? Auf jeden Fall kümmert er sich mit glänzenden Augen um die Beantwortung der Frage:
Dass es bei den «gezielten Tötungen» die Richtigen erwischt, davon ist Robelli überzeugt: «Iranische Wissenschaftler, Hamas-Führer, hochrangige Hizbollah-Offiziere und andere Übeltäter» werden vom israelischen Geheimdienst umgebracht.
Mit aller gebotenen Objektivität berichtet der Tagi-Redaktor: «Anfang April wurden bei einem Angriff Israels in Gaza drei seiner Söhne und mehrere Enkelkinder getötet. Nun hat es Haniya erwischt – in Teheran.»
Anlass zu Schwärmereien: «Um die Aktionen des israelischen Auslandsgeheimdienstes ranken sich Legenden und Mythen.» Einige erzählt Robelli dann: «Wie gelingen Israel so oft gezielte Tötungen? Klassische Spionage, Überwachung, bezahlte Mörder, Doppelagenten, moderne Waffen und Cyberattacken stehen im Mittelpunkt der Mossad-Operationen. Glück gehört auch dazu.»
Zum Beispiel im November 2020, als «Israel den Iranern einen empfindlichen Schlag versetzte». Genauer, einem Iraner: «Damals wurde östlich von Teheran der Atomphysiker Mohsen Fakhrizadeh bei einem Anschlag getötet.»
Die Frage liegt nahe, was Robelli wohl schäumen würde, wenn ein israelischer Atomphysiker, der am Bau der existierenden Atombombe beteiligt war, ermordet würde. Der würde schon mal sicherlich nicht «bei einem Anschlag getötet».
Aber hier ist Robelli richtig in Mordsstimmung:
«Um feindlich gesinnte Iraner auszuschalten, setzt Israel nicht nur auf Bomben und Scharfschützen. Manchmal kommt offenbar auch Gift zum Einsatz. Im Frühjahr 2022 starben zwei iranische Wissenschaftler aus militärischen Forschungseinrichtungen: Beide entwickelten unabhängig voneinander nach einem Abendessen Symptome einer Lebensmittelvergiftung.»
Erst gegen Schluss seiner Mordshymne bremst sich Robelli etwas ein: «Völkerrechtlich sind die Attacken Israels höchst umstritten und möglicherweise illegal.» Möglicherweise? Der Mann hat Nerven. Dann fällt ihm noch das billigste aller Argumente ein: nicht nur wir, die auch: «Vor allem der Iran finanziert und bewaffnet Terrorgruppen wie die palästinensische Hamas, die libanesische Hizbollah, die Huthi-Milizen im Jemen und verschiedene Extremisten im Irak und Syrien. Sie alle wollen Israel von der Landkarte tilgen.»
Interessant, dass Robelli nicht das naheliegendste Beispiel einfällt: die Kill List, die dem US-Präsidenten wöchentlich vorgelegt wird, und bei der auch der Friedensnobelpreisträger Obama veranlasste, dass weltweit angebliche Terroisten, darunter sogar US-Staatsbürger, ermordet werden. Kollateralschaden wie die Bombardierung einer Hochzeitsgesellschaft in Afghanistan inbegriffen.
Aber das würde Robelli natürlich «ausschalten, gezielte Tötung, empfindlicher Schlag» nennen. Eine solche geistige Verrohung in einer Schweizer Tageszeitung lesen zu müssen, das ist bedenklich. Die meisten dieser Ermordeten waren mutmassliche Massenmörder, Verbrecher, ihr Tod erfüllt jeden, der nicht fundamentalistischer Wahnsinniger ist, mit klammheimlicher Freude? Sicher, aber viel wichtiger ist:
Wenn das Gute beim Kampf gegen das Böse selber böse wird, dann verschwinden die Grenzen – und die Legitimität, gegen das Böse vorgehen zu dürfen.
Wenn es noch eines weiteren Beispiels bedürfte, um die Sittenverluderung, den Verzicht auf jeglichen Anstand, auf die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit bei Tamedia zu illustrieren, hier ist’s. Es gilt die Unschuldsvermutung, kein Urteil ohne Prozess vor einem ordentlichen Gericht? Erst recht bei einer drohenden Todesstrafe? Pipifax, unnötig. überflüssig, solche Mordanschläge sind höchstens «umstritten» und bloss «möglicherweise illegal».
Definitiv illegal sind sie, wenn sie von bösen Buben wie dem Iran, Russland, Nordkorea verübt werden. Wundert sich da noch jemand, wieso Westeuropa mit seiner heuchlerischen Doppelmoral von den meisten Ländern der Welt verachtet wird, die genau deswegen auch nicht seine Sanktionen gegen Russland unterstützen?
Nein, nicht abstrakt wegen Europa. Sondern wegen Typen wie Robelli, der allerdings in der Journaille nicht allein ist.