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Jammern auf billigem Niveau

«Inside Paradeplatz» begrüsst einen neuen Mitautor.

Mark van Huisseling ist sonst eher dafür bekannt, dass er (Markenzeichen Nebensätze in Klammern) in der «Weltwoche» und anderswo die Schönen und Reichen und ganz schön Reichen und die Prominenten mit genau der richtig dosierten Menge an Ironie begleitet, die sie noch vertragen.

Da erzählt er auch gerne von seinen Autos, Sonnenbrillen und sonstigen Statussymbolen. Nun taucht er aber erstaunlicherweise als Autor bei «Inside Paradeplatz» auf. Obwohl zuvor noch nicht wirklich als Finanzspezialist aufgefallen, poltert er hier: «Lykke-Pleite: Gründer Olsen droht Strafantrag».

Für Leser, die mit Bitcoins und anderen Blockchain-Währungen nicht auf Du und Du sind: das ist so ein Krypto-Handelsplatz, wo man diese virtuellen Währungen handeln kann. Denn bei allem Faszinosum von Bitcoin & Co.: Die Anwendung im täglichen Leben ist eher beschränkt, die Hoffnung auf Währungsgewinne unbeschränkt. Und gerade hat doch Bitcoin die Marke von 100’000 Dollar durchstossen.

Wobei die einzige Wahrheit bislang in dieser Welt ist: Kryptowährungen sind für Leute, die «no risk, no fun» als Lebensmotto haben. Nun ist es gemeinhin so, dass der Gentleman und auch der Beobachter der High Society geniesst und schweigt. Oder aber leidet und schweigt.

Aber nicht so van Huisseling. Der drischt auf IP kräftig auf den Krypto-Opa Richard Olsen ein:

«Am Freitag vergangener Woche schloss Richard Olsen, Gründer und CEO von Lykke, seinen Krypto-Handelsplatz. Seither können Kundinnen und Kunden des Schweizer Unternehmens ihr Wallet, eine elektronische Brieftasche, nicht mehr öffnen.»

Das ist natürlich furchtbar für die Betroffenen, darauf muss die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit gelenkt werden, auch auf IP. Da jammert Mark (wir sind per du, wieso das hier ändern): «Man bekommt dann zwar recht als Gläubiger, aber kein Geld. Stattdessen einen Verlustschein, der sich zum Aufhängen über der Toilette eignet, beispielsweise.»

Ds ist ja schon furchtbar, aber Mark hat auch keine gute Meinung von unseren Strafverfolgungsbehörden: «Bei uns geht es darum, einen allfälligen Täter zu schützen, nicht seine Opfer, so sieht’s aus. Einige Geschädigte wählen deshalb einen anderen Weg, den sogenannten Strafantrag

Das hätte laut Mark den Vorteil, dass die Geschädigten direkten Zugriff auf das persönliche Portemonnaie von Olsen hätten.«Der Nachteil: Noch ist unklar, ob Olsen, ein Urenkel von Julius Bär, dem Gründer der Zürcher Privatbank, Geld hat (ein Steuerauszug von ihm wurde angefragt)».

Das ist ja alles ganz furchtbar für die Betroffenen, denen man höchstens vorwerfen könnte, dass sie zu blöd waren, die Handelsplattform, die ihre Kryptowährung verwaltet, genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn bei allen unbestreitbaren Vorteilen, die Kryptowährungen haben: wer bei einer Schweizer Bank Schweizerfranken deponiert hat, kann davon ausgehen, dass er einen Teilbetrag (oder den vollen Betrag bei Voranmeldung) problemlos in Cash ausgezahlt bekommt. Das ist bei Kryptos definitiv anders.

Aber zurück zu Mark. Irgendwo im Artikel outet er sich in einer seiner legendären Klammerbemerkungen:

«(Enthüllung: Ich bin Geschädigter sowie Mitglied einer Gruppe, die einen Strafantrag vorbereitet.)»

Dann wird Mark, der Demagogie aus eigener Betroffenheit nicht abgeneigt, noch richtig fies: «Die nachdenkliche Nachricht zum Schluss: In Amerika wurde ein Krypto-Plattformbetreiber mit Namen Sam Bankman-Fried wegen Taten, die teilweise vergleichbar sind, zu über zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt.»

Meine Güte, aus Verzweiflung ein Vergleich mit der US-Wildwest-Justiz, die absolut und in keiner Form auf die Schweiz übertragbar ist?

Disqualifiziert ihn das, einen anklägerischen Artikel darüber zu schreiben, wie ihm selbst Geld abhanden kam? Disqualifiziert ihn das, darüber zu schreiben dass er sich hübsche Extraprofite in einem volatilen Markt erhoffte? Disqualifiziert ihn  das, weil er offensichtlich in eigener Sache medialen Druck aufbauen möchte?

Ja, das disqualifiziert ihn und leider auch ein wenig IP, das dieses Selbstmitleidgejammer veröffentlicht.

 

Dritte Generation …

Das Haus Wanner in den roten Zahlen.

«Hoch die Flaschen». Mit dieser unsterblichen Zeile illustrierte der grossartige Tagi-Zeichner Nico einstmals die Liste der Beförderungen in der Schweizer Armee. Darüber ein Offizier, der eine Champagnerflasche schüttelt.

Unwillkürlich ist man daran erinnert, wenn man die neusten Zahlen von CH Media zur Kenntnis nimmt. Oder aber, es ist das klassische Phänomen der dritten Generation. Die erste gründet, die zweite baut auf, die dritte setzt es in den Sand.

Denn als einziger Schweizer Medienkonzern weist CH Media einen Verlust von 2,4 Millionen Franken aus. Nun kann man bei einem Umsatz von 445 Millionen von Peanuts sprechen. Wenn man diesen Verlust mit den Renditevorstellungen eine Pietro Supino bei Tamedia gegenschneidet, ist es allerdings ein jämmerliches Resultat.

Die Begründung dafür ist nicht minder weinerlich. Rückgang im Printgeschäft, im Werbemarkt, Investitionen in neue (verlustreiche) Geschäftsfelder, das fortgesetzte Aufkaufen von Privatradios, Investitionen in eine eigene IT-Struktur und schliesslich der Cyberangriff (den die mehr betroffene NZZ allerdings wegsteckte): was hier als strukturelle oder unvorhersehbare Probleme verkauft wird, ist klassisches Managementversagen.

Seit dem abrupten Abgang von Axel Wüstmann und seinem holterdipolter-Ersatz durch Michael Wanner zeigt sich wieder einmal, dass Beruf Sohn nicht unbedingt die beste Voraussetzung dafür ist, einen Konzern zu lenken.

140 Mitarbeiter von CH Media, die dank diesem Versagen auf der Strasse stehen, werden das sicherlich ähnlich sehen.

Gleichzeitig fantasiert der Verlag mit den üblichen Erfolgszahlen; mehr Abos, Steigerung von Marktanteilen, alles läuft eigentlich super, nur muss natürlich die «Kostenstruktur» etwas nach unten angepasst werden. Aber natürlich nur, um für zukünftige Verluste, Pardon, Steigerungen, besser aufgestellt zu sein.

Es wird immer deutlicher: da Ringier nach der Übernahme des Schweiz-Geschäfts von Axel Springer noch am Verdauen ist, kommt ja nur Tamedia in Frage, das lahmende Wanner-Imperium zu übernehmen. Die Frage ist allerdings, ob sich Supino davon einen Zugewinn verspricht.

Ansonsten wäre die Aufgabe leicht. Es braucht zweimal eine Position «Mann am Fenster», also so in der Art «strategische Entwicklung des Geschäfts im Fernen Osten, mit ausführlicher Rekognoszierungsreise». Und einmal «Analyse Zukunft des digitalen Radios, gestern, heute und vorgestern». Beides Aufgaben, die mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen. Dazu noch das Dulden einer Kommentatorin, die auf die falsche Bundesratskandidatin setzt und regelmässig nach oben gerollte Augen bei den Redaktoren auslöst.

Aber mit solchen Kollateralschaden wird man fertig. Schliesslich gibt es ja eine ganz bösartige Interpretation, wofür die vier, nun ja, Rundumeli im Logo stehen …

Wahnsinns-PR

Volles Rohr für die Harley-Davidson der ZKB im «Blick».

Das ist mal eine erfolgreiche PR-Aktion. Die ZKB schafft es in Print und online ganz nach vorne beim Organ mit dem Regenrohr im Logo.

Online gleich noch ergänzt durch den Ratgeber «So musst du vorgehen, wenn du die Bank wechseln willst». Unverständlich, wieso nicht getitelt wurde «wenn du zur ZKB wechseln willst». Aber man kann ja noch nachlegen.

Kaum zu übertreffen ist die Schleimspur, die im Interview mit dem ZKB-Chef Urs Baumann hingelegt wird. Das fängt bei der Einleitung an:

«Vor den Fenstern des Konferenzraums blinken die Lichter der traditionellen Weihnachtsbeleuchtung an der Zürcher Bahnhofstrasse. Zum Gespräch mit dem Chef der Zürcher Kantonalbank (ZKB) werden Weihnachtsguetzli von Sprüngli serviert. Das Angebot für einen (alkoholfreien) Punsch lehnen wir dankend ab.»

Fehlt nur noch, dass dem Journalisten ein Sparbüechli und ein Goldvreneli als Weihnachtsgeschenk überreicht wurde. Hier darf Baumann ungehemmt schwelgen: «Unsere Vision ist es, dass das Alltagsbanking bei uns kostenlos ist.» Da spricht der Weihnachtsmann persönlich, keine Frage. Am Bart arbeitet Baumann noch, aber nächstes Jahr dürfte das dann auch klappen.

Es muss herrlich sein, wenn Corporate Communication höchstens noch ein paar Glanzlichter auf das gesagte setzen muss: «… ist es unser Anliegen, dass auch die Kleinsparer davon profitieren können … alle ohne Zusatzbedingungen vom neuen kostenlosen Alltagsbanking profitieren können … substanzielles Dankeschön an unsere Kundschaft … wir haben viele Privatkunden dazugewonnen …» Ist das nicht etwas repetitiv? Ach was, wenn’s so schön ist und das Christkind im Raum schwebt …

Gibt es denn keine Wermutstropfen im alkoholfreien Punch? Nun ja, der «Blick»-Journalist müsste nicht unbedingt so aussehen wie ein «Blick»-Journalist:

Sonst noch was? Ach, nur Kleinigkeiten. ZKB-Zinsen auf einem Privatkonto: 0,00 Prozent. Jugendprivatkonto bis 25’000 Franken: 0,25 Prozent, danach 0,00. ZKB Sparkonto: bis 50’000 Fr. 0,85 Prozent, danach 0,25, ab 250’000 noch 0,00 Prozent.  Eine ZKB Festhypothek, Laufzeit 10 Jahre, kostet dagegen 2,36 Prozent. Ach, Teuerung in der Schweiz im Jahr 2023: 2,2 Prozent. Das heisst, bei all diesen Angeboten kann der ZKB-Kunde zuschauen, wie seine Einlage abschmilzt. Macht er nicht Gewinn, sondern Verlust.

Aber he, wieso soll der «Blick» dem Chef der ZKB unangenehme Fragen stellen? Das wäre doch Journalismus, vielleicht gar vom Boulevard, und das will man (oder frau) nicht mehr. Schliesslich bekommt Baumann noch einen klitzekleinen Tritt ans Schienenbein im Kasten «Persönlich»: «Eines seiner Hobbys gehört allerdings nicht zu den umweltfreundlichsten: Der ZKB-Chef braust gern mal mit der Harley-Davidson über Landstrassen». Aber auch das wird abwattiert: Er «kommt zum Ausgleich dafür ab und zu aus der Seegemeinde Kilchberg mit dem Stand-up-Paddle zur Arbeit».

Vermisst man sonst noch was an dieser Lobeshymne? Schon, trotz angestrengtem Suchen findet man nirgends einen Hinweis wie «native ad» oder «sponsored content» oder gar «Publireportage».

Pietro «George» Supino

Jahresbilanz verhagelt, aber es geht voran.

Der Big Boss der Tx Group und der Statthalter des Coninx-Clans hat ein zunehmendes Problem mit der Realität. Die neuste Sparmassnahme bei Tamedia, die Ernennung der mediokren Raphaela Birrer als Nachfolgerin des Bauernopfers Arthur Rutishauser, verkaufte Pietro Supino noch vor Kurzem so: «Im letzten Jahr hat die Redaktion wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung ihres Angebots erarbeitet, die nun schrittweise eingeführt werden.»

Weiterentwicklung des Angebots? Diese «Weiterentwicklung» besteht im Wesentlichen darin, dass die Bezahlmedien der Tx Group bis Ende 2023 satte 70 Millionen einsparen sollen. Davon seien bereits 65 Prozent – wohl im Rahmen der «Weiterentwicklung des Angebots» – realisiert, fehlen als nur noch rund 25 Milliönchen. Der CFO von Tx verweist stolz darauf, dass bei Tamedia bereits 80 Vollzeitstellen im Jahr 2022 eingespart wurden.

Der sogenannte «Sustainability Officer» Ursula Nötzli weist zudem darauf hin, dass die «Kostensituation» ein wichtiges Thema bleibe. Unter Nachhaltigkeit versteht man im Hause offenbar nachhaltig sparen. Oder auf Deutsch: raushauen, feuern, runterholzen, verkleinern, verzwergen.

Aber trotz allem Sparen bis es quietscht, rauschte der Betriebsgewinn (auf Stufe EBIT) um über 90 Prozent in den Keller. Gesamtresultat: Verlust von 4,6 Millionen, im Vergleich zu einem Vorjahresgewinn von 833 Millionen.

Was den Coninx-Clan gar nicht freuen wird: die Dividende wird von Fr. 3.20 auf 0.30 runtergesäbelt. Muss nun die Bestellung der neuen Yacht warten, muss Supino statt im Luxusanwesen im Zelt schlafen? Keine Panik, es gibt dafür eine «Sonderausschüttung» von Fr. 4.20 aus der Zusammenlegung der Handelsplattformen mit Ringier.

Nun bräuchte es schon einen George Orwell, um diesen Doublespeak, dieses Doublethink, diesen Newspeak zu würdigen. Indem gespart wird, wird das Angebot weiterentwickelt. Es muss gespart werden, weil der Gewinn eingebrochen ist, aber es gibt einen Milliardensondergewinn. Die Mantelredaktion, ein Euphemismus für die Zentralredaktion in Zürich, die für alle Kopfblätter die Einheitssauce herstellt, soll statt Tamedia nun «Tages-Anzeiger» heissen, was den Stellenwert der «Basler Zeitung» oder der «Berner Zeitung» oder des «Bund» – der niemals mit der «Berner Zeitung zusammengelegt werden sollte – sicherlich deutlich verstärkt.

Dafür soll die Lokalredaktion Zürich des Zürcher «Tages-Anzeiger» aus diesem neuen Konstrukt herausgelöst werden. Super, so organisiert man richtig um.

Gleiche Sauce in neuem Namen, das ist Orwell. Wir sparen zum Ausbauen. Orwell. Wir verdienen uns dumm und dämlich, jammern aber. Orwell.

Wenn man statt Orwell mal Klartext sprechen will: Supino war zuvorderst daran beteiligt, dass die Subventions-Milliarde an der Urne gekippt wurde. Supino hat alle Handelsplattformen und den Stellenanzeiger vom Tagi weggenommen und zu eigenen Profitcentern gemacht. Gleichzeitig verlangt er von den Bezahlmedien, die gleiche Rendite wie alle anderen Einheiten abzuwerfen. Weil «20 Minuten» so profitabel ist, wird es zum eigenen Profitcenter gemacht und von den übrigen Printprodukten separiert geführt. Wenn es um die Entlassung eines Lokalredaktors, um einen Protestbrief oder um die Affäre Roshani geht: ungeschickter, unbeholfener und inkompetenter als Supino kann man kaum kommunizieren.

Und nun sprudelnde Dividenden und Sondergewinne in Milliardenhöhe auf der einen Seite, pickelharte Sparziele mit ganz «präzisen Vorgaben» auf der anderen Seite. Eine schon zum Skelett runtergesäbelte Rumpfmannschaft mit 80 Stellen weniger soll noch weitere Millionen einsparen. Das sorgt ungemein für Stimmung unter den Redaktoren, die die bisherigen Sparübungen überlebt haben und sich bang fragen, ob es diesmal den Nebenmann (oder eher weniger die Nebenfrau) oder sie selbst erwischt.

Genauso für Stimmung sorgt, dass das Wort Teuerungsausgleich keinem der Bonusbezüger aus der Chefetage über die Lippen kam. Offenbar will Supino den gleichen Orwell nochmal durchgeben, der doch schon bei de Abstimmung über die Subventionsmilliarde für Furore gesorgt hat. Sondergewinne und Sonderdividenden vermelden, aber aus dem normalen Geschäftsgang einen Verlust – und deswegen ernsthafte weitere Sparmassnahmen ankündigen. Das motiviert die verbliebenen Rumpfredaktoren zusätzlich ungemein.

Abgesehen davon, dass spätestens seit dem Auftauchen von Kerstin Hasse in der Chefredaktion und der Nominierung von Raphaela Birrer als Nachfolgerin des Bauernopfers Rutishauser alle männlichen Mitarbeiter wissen, dass Beförderungen nach Geschlecht, nicht nach Kompetenz erfolgen.

Und dem Konsumenten, dem Leser, soll all das – geschrumpfter Inhalt, geschrumpfter Umfang, geschrumpftes Niveau – als Ausbau serviert werden. In jedem Unternehmen, wo nicht die Clanzugehörigkeit vor allem schützt, wären schon längst personelle Konsequenzen gezogen worden. Denn eine Sparmassnahme ganz oben würde Wunder wirken. Nach dem abrupten Abgang von Marco Boselli wäre auch bei Andreas Schaffner und vor allem bei Mathias Müller (mit dem Zusatz von Blumencron) grosses Sparpotenzial. Plus beim Kopf des Fisches