«Blick»: Recherchieren war gestern
Heute ist behaupten angesagt. Das Blatt liefert Anschauungsmaterial.
Die Story ist ein Selbstläufer. Eine tapfere Schweizer NGO zeigt in einer umfangreichen Studie auf, dass der weltgrösste Verarbeiter von Gold, die Tessiner Raffinerie Valcambi, Edelmetall aus zweifelhaften Quellen benützt.
Man weiss ja, dass der Abbau von Gold nicht nur sehr umweltschädlich ist, sondern vor allem in Afrika unmenschliche Arbeitsbedingungen, der rücksichtslose Einsatz von Kindern und die Verwendung von Gold für Waffenkäufe von lokalen Warlords üblich sind.
Also hat sich Swissaid dieses Themas angenommen und der «Programm Offizier» Marc Ummel hat in einer 80-seitigen Studie mit 664 Fussnoten die Thematik aufgearbeitet. Rechtzeitig zur Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative erblickte sie das Licht der Öffentlichkeit.
Nun hat sich die im Zentrum der Kritik stehende Firma Valcambi zu etwas entschlossen, was in der eher verschwiegenen Branche unüblich ist. Der Chef gibt ein ausführliches Interview (hinter Bezahlschranke in der SoZ), ausserdem wird Swissaid verklagt: Rufschädigung, in der Schweiz unter dem UWG erfasst, dem Gesetz über unlauteren Wettbewerb.
Dumm gelaufen: Die Firma wehrt sich
Denn Valcambi sagt, dass die Anschuldigungen von Swissaid falsch seien, zudem keinerlei Belege aufgeführt würden. Mehr noch: «Wir haben ein LBMA-, RJC-, Fair-Trade- und Fair-Mined-Zertifikat. Wir werden laufend geprüft. Unsere internen Abläufe und unsere Kundenbeziehungen werden unter die Lupe genommen. Ich sage, die Schweizer Metallindustrie ist die bestüberwachte Branche von allen.» Sagt Michael Mesaric, und fügt hinzu: «Gewisse Geschäfte lohnen sich für uns nicht, könnten aber ein Risiko für uns werden. So geben wir in Peru Kleinbergbauern Darlehen zu 3,5 Prozent Zins. Sie bekämen von der Bank keinen Kredit, von uns schon. Keine NGO wollte bei dem Projekt mitmachen.»
Er räumt ein, dass die Herkunft von sogenanntem artisanalem Gold, also in kleinem Massstab gewonnenem, schwer zu überprüfen sei und zudem häufig mit Kinderarbeit verbunden. Deshalb kaufe Valcambi kein solches Gold.
Also die klare Ansage: Wir tun, was wir können, um Gold von zweifelhafter Herkunft nicht zu verarbeiten. Zudem, das muss man Swissaid im ersten Anlauf lassen, hat die private NGO mit sich offiziell anhörenden Namen im Internet alle Gegenargumente von Valcambi aufgelistet. Auch das ist ein umfangreiches Dokument geworden, wo die meisten Einwände von Valcambi mit dem Satz beginnen: «Das ist falsch.» Anschliessend wird richtiggestellt und meistens sich auch darüber beklagt, dass Swissaid diese Behauptung ohne die geringsten Belege aufgestellt habe.
Valcambi wollte tiefen Einblick in die Bücher geben
Mehr noch, Valcambi habe Swissaid tieferen Einblick in seine Geschäftsunterlagen geben wollen, wenn die NGO dafür ein NDA unterschreibt, eine Stillschweigensvereinbarung. Denn oftmals besteht die Schwierigkeit von Firmen, sich gegen Anschuldigungen zu wehren, in den Worten Geschäftsgeheimnis oder Datenschutz. Swissaid habe abgelehnt.
Es handelt sich also um eine, gelinde gesagt, eher komplizierte Auseinandersetzung, inklusive hitziger Diskussion und Klage. Aber für das Organ mit den grösseren Buchstaben und den kleineren Recherchefähigkeiten ist es kein Problem, das runterzubrechen:
«Um Hilfswerk in Misskredit zu bringen: Swissaid wird vor Gericht gezerrt.»
«Es geht um die Konzernverantwortungsinitiative», wird im «Blick» der SP-Nationalrat und Swissaid-Copräsident Fabian Molina zitiert. «Deshalb sollen die Absender des Volksbegehrens diskreditiert werden», weiss der «Blick». Wie das solche Unternehmen halt tun, mit Anwälten und mit der Hilfe einer PR-Agentur.
Wasserdicht und pure Verzweiflung
«Unsere Recherche ist wasserdicht», behauptet Molina, der daran überhaupt nicht beteiligt war. Aber warum klagt dann der Goldverarbeiter? «Das ist die pure Verzweiflung, bei der Kovi-Abstimmung vom 29. November zu unterliegen», weiss Molina, der damit auch das Schlusswort erhält.
Denn heute ist behaupten Trumpf, recherchieren und beide Seiten anhören, das war gestern. Wozu auch sich die Mühe machen, die umfangreichen Richtigstellungen von Valcambi zu studieren. Dafür hat man doch keine Zeit, ausserdem könnte das den schönen Artikel kaputt machen. Böser Konzern mit schmutzigen Rohstoffen geht auf tapfere, kleine NGO los.
Schauen wir uns Swissaid genauer an
Allerdings: klein ist die NGO keineswegs. Sie hat weltweit rund 190 Mitarbeiter in Lohn und Brot, alleine in der Schweiz knapp 40. Ach, Simonetta Sommaruga, die Bundespräsidentin, war die vorletzte Präsidentin der Stiftung, sie wird zu 30 Prozent vom DEZA finanziert, dazu kommen milde Gaben von Gemeinden, Kantonen, Stiftungen und privaten Spendern.
Das ergibt ein Budget zwischen 18 und 23 Millionen Franken pro Jahr. Dieses Budget schwankt, aber eines geht stetig nach oben: der administrative Aufwand. 2016 betrug er noch 16 Prozent, 2018 war er auf 22 Prozent gestiegen. Wir wollen nicht hoffen, dass das mit dem Amtsantritt von Molina in diesem Jahr zusammenhängt.
Schliesslich gehört Swissaid zum Trägerverein, der die Konzernverantwortungsinitiative auf den Weg brachte. All das zu erwähnen, viel zu kompliziert für den «Blick»-Schnellschreiber.
Swissaid niedermachen, leicht vollbracht
In seinem Stil könnte man allerdings einen knackigen Bericht schreiben, wie es denn sein kann, dass eine NGO fast ein Viertel der Einnahmen für sich selber verbraucht, denn nichts anderes ist der «administrative Aufwand».
Um es besser als Swissaid und der «Blick» zu machen: ein paar anklagende Zahlen aus dem aktuellen Geschäftsbericht; Stellungnahme unnötig, könnte nur stören.
So bekommt die Präsidentschaft des Stiftungsrats pauschal 9000 Franken im Jahr. Das ist nicht viel, aber Swissaid ist Zewo-zertifiziert, und daher sollte die Arbeit des Führungsgremiums ehrenamtlich sein. Was sie nicht ist.
Zahlen mit einigen Stellen mehr bekommt man, wenn es um die Entschädigung der Geschäftsleitung geht: Insgesamt 635’804 für fünf Nasen. Ach, und das Präsidium hat sich seine magere Entschädigung noch mit 10’500 Franken für «Pauschalen, Sitzungsgelder, Spesen» aufgepolstert.
Jedes GL-Mitglied verdient im Schnitt 130’000 Franken
Insgsamt verbrät Swissaid pro Jahr rund 1,5 Millionen Franken für «Personalaufwand». Und dann hätten wir noch ganz kapitalistisch «Honorare Vermögensverwaltung und Depotgebühren» von Fr. 129’070. Auch dafür müsste ein Armer in den Einsatzländern von Swissaid mehr als ein Leben lang malochen. Selbst wenn er durch eine zehnköpfige Familie unterstützt würde,
Was er wohl davon hält, dass die Mitglieder der GL, Spesen separat, pro Nase immerhin rund 130’000 pro Jahr verdienen? Zudem mit einer bombensicheren Anstellung, denn solange sie den NGO-Talk repetieren, werden die Mitglieder des Stiftungsrats, die üblichen Verdächtigen wie Matthias Aebischer, Sibel Arslan, Carlo Sommaruga plus ehemalige DEZA-Mitarbeiter, niemals zu einer Entlassung greifen.
Prozess verloren? Kein Problem, Swissaid zahlt
Dafür sorgt schon die schiere Grösse des Stiftungsrats, der deswegen einen Stiftungsratsausschuss braucht, um überhaupt entscheidungsfähig zu sein. Ich fasse zusammen: Gutbezahlte Mitarbeiter einer vom Staat massiv unterstützten NGO veröffentlichen zeitgenau zur von der NGO mitgetragenen Konzernverantwortungsinitiative einen anklagenden Bericht über eine Schweizer Goldraffinerie. Offenbar in der Hoffnung, dass die sich schon nicht dagegen wehren wird.
Als sie es dennoch tut, «zerrt» sie laut «Blick» die Rufschädigung vor Gericht. Was die NGO nicht weiter erschüttert, denn ihre Mitarbeiter sind natürlich haftungsfrei gestellt. Sollte doch etwas passieren mit Kostenfolgen – wozu hat Swissaid denn seine Millionen an Zuwendungen?