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Schlacht mit Herzblut, Teil 3

Wie Maisanos Triumphzug vor dem Ziel scheitert.

Die ersten zwei Teile finden Sie hier und hier.

Nach seiner Gegenoffensive in der Öffentlichkeit sah sich Prof. Maisano schon wieder in Amt und Würden. Aber das täuschte.

6. Akt: Statt Triumph die bittere Niederlage

Das hätte man rechtzeitig noch am Freitag, den 31. Juli, herauspusten können. Dann kam der 1. August, dann der Sonntag, und am Montag würde ein glücklicher Maisano sich vor seiner Klinik ablichten lassen, ein kurzes Statement abgeben, wie froh er sei, dass er sich nun wieder um das Wohl der Patienten kümmern könne, und Entschuldigung, die Pflicht ruft.

Aber auch diese Träume zerplatzten wie eine Seifenblase. Denn stattdessen teilte das USZ am Freitag vor dem 1. August mit, dass Maisano nicht länger beurlaubt sei, sondern seines Amtes enthoben. Es hätten sich neue Verdachtsmomente ergeben, dass er seinen Zugang zu internen Datenträgern für Manipulationen missbraucht habe. Deshalb sei ihm per sofort Zugang und Zutritt verwehrt.

Statt Rückkehr aus dem Zwangsurlaub Amtsenthebung

Mörgeli dürfte nicht wirklich in Feierlaune geraten sein, Maisano ebenso wenig. Statt fröhlich mit Schweizerfähnchen zu winken, standen da zwei wie begossene Pudel da. Aber war das nun das Ende, das Aus für Maisano? Wurde hinter den Kulissen bereits über die Modalitäten seines Abgangs gefeilscht?

Offenbar nicht wirklich, denn Maisano scheint Nehmerqualitäten zu haben. Also legte die Spitalleitung noch ein Scheit drauf und liess durchsickern, dass sie nun auch Strafanzeige gegen Maisano eingereicht habe. Und um dem Stück für Stück demontierten Herzchirurgen zu zeigen, was alles noch auf ihn zukommen könnte, sollte er sich weiterhin nicht einfach vom Acker machen, feuerte wiederum auf «Inside Paradeplatz» Lukas Hässig eine weitere Salve auf ihn ab.

Und zwar mit dem grösseren Maschinengewehr. Maisanos Helfer, seine Firmenkonstrukte mit Namen und Sitz, wer da für ihn den Verwaltungsrat bestückt, selbst die «Phalanx seiner Gegner» zählt Hässig namentlich auf. Um als Schlusspointe auf mögliches zusätzliches Ungemach für Maisano hinzuweisen, für den aber natürlich die Unschuldsvermutung gelte. Immerhin eine kleine Verbeugung Richtung NKF.

Ein wohlgezielter Blattschuss

Dieser Blattschuss verdient besondere Analyse. Zweifellos ist auch in diesem Fall ein Journalist von interessierten Kreisen mit Munition versorgt worden. Und zwar gleich palettenweise. So etwas würde man in gehobenen Ärztekreisen wohl als consilium abeundi bezeichnen. Oder auf gut Deutsch: Verpiss dich. Sonst können wir dann noch ganz anders.

Aber wer sind diese interessierten Kreise? Ein dialektischer Kniff des Maisano-Lagers, um antizipativ Vorwürfe aufzublättern und ihnen so die Wirkung zu nehmen? Unwahrscheinlich, zudem fallen Farner und NKF zwar durch ihre stattlichen Honorare auf, aber nicht unbedingt durch Köpfchen und Cleverness.

Der Whistleblower? Auch eher unwahrscheinlich, der hat seine Beschwerde deponiert, ist wieder rehabilitiert und will sich keinen neuen Ärger einhandeln. Der interimistische Leiter der Herzklinik? Auch sehr unwahrscheinlich. Er hat von Anfang an klar gemacht, dass es sich nur um ein begrenztes Mandat handelt, und wieso sollte er seine eigene Position gefährden, wenn er so aus dem Nähkästchen plaudert?

Damit bleibt im logischen Ausschlussverfahren nur noch eine Quelle übrig. Und die dürfte sich im Umfeld der Spitalleitung lokalisieren lassen. Denn der Kreis der Wissensträger von all dem, was Hässig aufgefahren hat, ist überschaubar.

Wohl von höchster Stelle abgenickt

Aber damit wäre die logische Deduktion noch nicht zu Ende. Angesichts der kritischen Lage, des öffentlichen Rüffels durch die oberste Vorgesetzte und angesichts der Tatsache, dass sich weder der Spitalrat noch die Spitalleitung in der ganzen Affäre mit Ruhm und Ehre bekleckert haben, liegt auf der Hand: zu diesem Schritt, dem Anfüttern, hat man sich nur in Rücksprache mit weiter oben getraut.

Da dürfte der übliche Tanz stattgefunden haben, um das herzustellen, was der Politiker «plausible deniability» nennt. Sollte es ein Rohrkrepierer werden, dann hat er nichts davon gewusst und hätte auch niemals seine Einwilligung gegeben.

7. Akt: Preisverleihung an herausragende Mitspieler

Ist das so, dann kann man amtlich festhalten: Natalie Rickli musste in ihrem ersten Regierungsamt schon mit der Pandemie einigermassen fertigwerden. Und dann auch noch mit diesem potenziell sogar ihren Stuhl gefährdenden Skandal am USZ. Womit wir zur Preisverleihung an die wichtigsten Protagonisten dieses unglaublichen Theaters kämen.

Immer unter der Voraussetzung, dass diese logische Schlussfolgerung stimmt, gebührt der Regierungsrätin der erste Platz. Mit Auszeichnung, denn schliesslich ist das das erste Mal, dass Rickli ein Exekutivamt ausübt, und erst noch eines, das ständig im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit steht.

Der zweite Platz geht ex aequo an den Whistleblower und an Prof. Vogt. Beide haben ihr Ding bislang durchgezogen. Ruhig, besonnen, ohne ständigen Wirbel in den Medien. Beide haben ihre Ziele erreicht. Maisano ist weg und kommt nicht wieder, nun muss das grosse Aufräumen und Reinemachen noch gelingen.

Sonst gibt es nur Verlierer

Damit wären die einzigen Sieger benannt. Ein Mittelfeld gibt es nicht, nur noch Verlierer. In absteigender Bedeutung wären das der Spitalrat und die Spitalleitung. Hier wird es anschliessend zum Hauen und Stechen kommen. Wer feuert wen, wer wird gefeuert? Eigentlich ist die Hierarchie klar: Der Spitalrat kann die Geschäftsleitung des Spitals feuern, umgekehrt geht nicht. Aber auch hier wird Regierungsrätin Rickli das letzte Wort haben.

Die nächsten Verlierer sind Farner Consulting und NKF. Alle ihre teuer bezahlten Bemühungen, die öffentliche Meinung auf die Seite von Maisano zu bugsieren, sind krachend gescheitert. Solidaritätsadressen, ein wilder Ritt von Mörgeli, das Ausplaudern des Namens des Whistleblowers, eine vorsichtige Wende bei der NZZ von schweren Vorwürfen zu heikler Vorverurteilung, die gut einstudierten und wenigen öffentlichen Auftritte von Maisano: alles für die Katz, rausgeschmissenes Geld.

Was treibt Maisano an?

Der grösste aller Verlierer ist natürlich Prof. Maisano selbst. Was ihn wohl dazu bewogen hat, angesichts des Umfangs und der Dimension der Vorwürfe gegen ihn, diesen aussichtslosen Kampf zu wagen? Hybris, ein Halbgott in Weiss, ein sich als internationale Koryphäe unantastbar glaubender Chirurg? Schwer zu sagen. Auf jeden Fall ist das das Ende seiner Karriere. Und der mögliche Tiefpunkt ist noch gar nicht erreicht.

Sollte eine der Strafanzeigen zu einer Verurteilung führen, ist er seine Approbation los und kann höchstens noch als Berater seine Brötchen verdienen. Wenn ihn nach diesem Skandal überhaupt noch jemand will.

Völlig unbekannt ist, welche Auswirkungen Maisanos Fall für die mit ihm verbandelten Firmen und Mitarbeiter hat. Genauso unbekannt wie die Reaktion des US-Medizinriesen, der seinen Aktionären erklären muss, wieso es eine gute Idee gewesen sein soll, 700 Millionen Dollar für eine inzwischen praktisch wertlose Firma auf den Tisch zu legen. Wie es bei Amis Brauch ist, könnte sich hier noch ein längeres juristisches Fingerhakeln entwickeln. Grundlagenirrtum, Täuschung, Unwirksamkeit des Kaufvertrags, Kohle zurück.

Schadensbilanz ist noch ausstehend

Aber vielleicht auch nicht, denn es ist nicht anzunehmen, dass Maisano oder einer der anderen Beteiligten mal schnell 700 Millionen Dollar auftreiben könnte.

8. Akt: Strafanzeigen hüben und drüben

Wenn nicht noch im wahrsten Sinne des Wortes Leichen in Maisanos Keller auftauchen, dann bleibt von diesem Skandal, dass wirklich mit fast allen Mitteln und Tricks gearbeitet wurde, um die heutzutage entscheidend wichtige öffentliche Meinung zu gewinnen. Beziehungsweise Journalisten hüben und drüben zu instrumentalisieren, indem man ihnen die Gegenpartei schädigende Informationen zusteckte.

Offener Schlagabtausch

Inzwischen ist es zum offenen Schlagabtausch ausgeartet. Das Unispital deckt Maisano mit einer Strafanzeige ein, sozusagen als Retourkutsche bekommt der Whistleblower auch eine übergebraten. Das vermeldet Medinside. Diese «Online-Plattform für die Gesundheitsbranche», ein Projekt des IT-Spezialisten Christian Fehrlin, fiel schon mehrfach mit mehr als parteiischen Artikeln im Sinne Maisanos auf.

So berichtet es nicht nur als erstes Organ über diese Strafanzeige und schwärzt die berufliche Qualifikation des Whistleblowers kräftig an. Auch in diesem neusten Bericht behauptet Medinside nicht ganz faktengetreu, es habe sich bislang «weder ein strafbares Verhalten noch sonst eine substanzielle Verfehlung des Klinikdirektors Maisano» herausgestellt.

Tröstlich mag für die Öffentlichkeit sein, dass sich wieder einmal bewahrheitet hat, dass der Rudolf Farner, dem Gründer der Agentur zugeschriebene Satz falsch ist. Farner soll sinngemäss gesagt haben, dass er mit Hilfe einer Million auch einen Kartoffelsack zum Bundesrat machen könne. Obwohl es vielleicht unentdeckte Versuche gab, wenn man sich das Personal im Bundesrat der letzten Jahrzehnte vor Augen führt: Ein Kartoffelsack war aber nie dabei.

Fortsetzung folgt sicherlich.

Schlacht mit Herzblut, Teil 2

Wie ging es in der epischen Story um den Zürcher Herzchirurgen Francesco Maisano weiter?

Die ersten drei Akte in diesem Arzt-Skandal finden Sie hier.

Teil zwei

 

4. Akt: Stellungskrieg ohne Geländegewinne

Bis Mitte Juni geschah dann nichts Weltbewegendes, die befristete Beurlaubung wurde in eine unbefristete umgewandelt, und der gefeuerte Whistleblower wehrte sich gegen seine Entlassung. Die Medien zupften da und dort, raunten etwas von unerklärlichen Todesfällen, aber eigentlich hofften wohl alle Beteiligten, sich in die Sommerpause retten zu können. Um dann frisch ausgeruht bekannt zu geben, dass nun wirklich alle Vorwürfe ausgeräumt worden seien, und toll, dass Prof. Maisano uns erhalten bleibt.

Aber auch das blieb nur ein schöner Traum. Am 19. Juni gab die Spitalleitung bekannt, dass sie den renommierten Herzchirurgen Paul Vogt interimistisch zum neuen Klinikleiter berufen habe. Tschakata. Der gab ein einziges Interview, indem er seine Absicht bekundete, das Schlamassel aufzuräumen und wieder Ruhe in den Laden zu bringen. Dann machte er sich am 1. Juli ans Werk, nachdem er kräftig gegen geldgierige Ärzte und überforderte Politiker ausgeteilt hatte.

Wo sind die Guten, wer sind die Bösen?

Zu diesem Zeitpunkt hätte wohl niemand Wetten angenommen, die auf eine Wiederauferstehung von Maisano als Chef der Herzklinik liefen. Vor allem, als noch bekannt wurde, dass diverse Strafanzeigen gegen Maisano in der Mache seien, wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Ins Bild passte, dass die Spitalleitung in ihrer Wankelmut den Ende April gefeuerten Whistleblower am 7. Juli wieder in Amt und Würden erhob. Also eine völlige Rehabilitierung.

Langsam verlor das Publikum den Überblick; wer sind die Guten, wer die Bösen? Wer hat versagt, wer nicht? Ist Maisano nun eine international anerkannte Koryphäe, deren Beschädigung oder gar Weggang der Herzklinik einen schmerzhaften Imageschaden verursachen würde? Oder kann er persönliche finanzielle Interessen und das Wohl der Patienten nicht auseinanderhalten?

5. Akt: Die Gegenoffensive von Maisano

Lange hatte er geschwiegen, aber am 9. Juli lancierte Maisano seinen Gegenangriff. Mit Schmackes und Pauken und Trompeten. Für die mediale Untermalung sorgte Farner Consulting, wohl immer noch die bestvernetzte PR-Bude am Platz. Für die Munition sorgte ein 132-seitiges Gutachten der renommierten Grosskanzlei Niederer Kraft Frei (NKF). Das überraschungsfrei zum Ergebnis kam, dass es ausser ein paar Kleinigkeiten nichts gäbe, was man Maisano ernsthaft vorwerfen könne.

Im Gegenteil, die erste Untersuchung sei schlampig und inkompetent geführt worden, Maisano sehe sich zu Recht als Opfer einer Verleumdungskampagne. Aber im Namen seiner Familie, seiner Patienten, seiner Reputation könne er nicht mehr länger schweigen, meldete sich Maisano in einem hübsch gedrechselten Text auf Englisch auf der Vernetzungsplattform Linkedin zu Wort. Ihm sei ein Strick gedreht worden aufgrund von vier Artikeln, jammerte er in der NZZ.

Maisano mit Medientraining

Er habe nie etwas verheimlichen wollen, beteuert er im Interview, flankiert von zwei Beratern von Farner und einem Anwalt von NKF. Seine gut gestanzten Antworten zeigen, dass er sich einem längeren Medientraining unterzogen hatte. Heutzutage üblich, wenn man das Geld dafür hat. Mitarbeiter der PR-Bude spielen angriffige Journalisten und versuchen, ihren Mandanten in die Enge zu treiben. Seine Antworten werden analysiert, seine Körpersprache auf Video festgehalten und ebenfalls genau angeschaut.

Dann werden Schwachstellen eliminiert, bessere Antworten einstudiert, die Körpersprache optimiert. All das ist allerdings nicht für ein Trinkgeld zu haben. Man kann davon ausgehen, dass Maisano für das umfangreiche Gutachten mindestens 150’000 Franken ausgegeben hat. Und für Farner nochmal 100’000.

Aber Farner ist sein Geld auch wert. Denn die Gegenoffensive trug Früchte. Plötzlich warnte die NZZ vor einer «heiklen Vorverurteilung». Richtig ins Zeug legte sich aber die «Weltwoche», genauer Christof Mörgeli. In drei aufeinanderfolgenden Riesenstücken versuchte Mörgeli, Maisano als zu Unrecht beschuldigtes Opfer darzustellen, umgeben von ein paar Neidern. Und von Intriganten, die selber etwas zu verbergen hätten, davon aber mit ihren Attacken auf Maisano ablenken wollten.

Publizistische und andere Hilfstruppen

Die NZZamSonntag diagnostiziert einen «Kleinkrieg am Zürcher Unispital», und Mörgeli setzt mit seinem dritten ausführlichen Stück, wofür er umfangreich munitioniert wurde, zum Finale an: Maisano müsse sofort wieder als Klinikdirektor eingesetzt werden. Alle Vorwürfe gegen ihn seien erstunken und erlogen; dauere das Drama noch weiter an, erleide das USZ einen nicht mehr zu reparierenden Imageschaden.

Fleissig wurden von Farner weitere Grussadressen und Unterstützer herbeigeschleppt. Selbst aus der fernen Türkei bekundete ein Arzt sein Befremden über die ungerechte Behandlung dieser Koryphäe. Den Vogel schoss aber das Kantonsspital St. Gallen ab. Der Spitaldirektor, der dortige Leiter der Kardiologie und zwei seiner Leitenden Ärzte unterschrieben einen Brief an die Zürcher Spitalleitung.

Darin erklärten sie, dass ein allfälliger Weggang Maisanos die vertrauensvolle Zusammenarbeit schwer beschädigen würde. Man möchte sich natürlich keinesfalls in die inneren Angelegenheiten einmischen, müsse aber kundtun, dass es leider mit dem Whistleblower keine Zusammenarbeit mehr geben könne.

Offenbar waren die Herren der irrigen Auffassung, dass dieses Schreiben nicht an die Öffentlichkeit durchgestochen würde. Ein Artikel im St. Galler Tagblatt belehrte sie dann eines Schlechteren.

Maisano in Siegerlaune

Zu diesem Zeitpunkt konnte sich Maisano eigentlich in Siegerlaune fühlen. Lange eisern geschwiegen, dann volles Rohr einer Gegenattacke, die zeigt auch Wirkung. Die NZZ schwenkt um auf Vorverurteilung, Mörgeli reitet in der «Weltwoche» mit Pauken und Trompeten seinen Gegenangriff, Unterstützung von innerhalb und ausserhalb der Klinik.

Da hätte es eigentlich nur eine von Farner sicherlich schon vorformulierte Erklärung gebraucht. Die Spitalleitung danke Herrn Prof. Vogt für seinen spontanen Einsatz. Nachdem nun aber die meisten Vorwürfe ausgeräumt seien, gehe es darum, Ruhe in die Klinik zu bringen, an ihren Ruf zu denken und eine weltweit anerkannte Koryphäe nicht länger im Abseits stehen zu lassen. Tatä, der gestürzte König ist wieder da, lang lebe der König.

Fortsetzung und Schluss folgen am Sonntagfrüh.

Schlacht mit Herzblut

Der mediale Krieg an der Herzklinik Zürich.

Es tobt ein epischer Kampf am Unispital Zürich. Da müssen ganze Sumpfgebiete trocken gelegt werden. Zum Einsatz kommen auch alle Mittel und Tricks, die die moderne Bearbeitung der öffentlichen Meinung auf Lager hat.

Eine Analyse in drei Teilen.

Teil eins

Sehr selten werden in der Schweiz Auseinandersetzungen mit allen medialen Mitteln ausgetragen. Die Posse um den seines Amtes enthobenen Leiter der Herzklinik des Unispitals Zürich (USZ) sollte als Lehrstück dienen, wie man mit allen Tricks und Untergriffen arbeitet. Vorhang auf für den ersten Akt.

 

  1. Akt: Die Eröffnung der Kampfhandlungen

Den Erstschlag führten die Gegner von Prof. Francesco Maisano. Am 22. Mai titelte Tamedia: «Skandal um Zürcher Klinikchef» (Artikel hinter Bezahlschranke). Früher mal entstanden solche Enthüllungen durch mühsame Recherche, dem Zusammensetzen von Puzzleteilen, dem Abklappern von möglichen Quellen.

Modern wird angefüttert. Ein möglichst öffentlichkeitswirksames Organ bekommt das Angebot, dass man einen kleinen Giftschrank voll mit belastendem Material habe. Ob Interesse bestünde. Es bestand.

Also erfuhr die Öffentlichkeit, dass es bei der Tätigkeit des Leiters der Herzklinik diverse Ungereimtheiten gebe. Unter anderem die Verwendung eines sogenannten Cardiobandes bei Operationen, das eine Firma entwickelte, an der der Professor beteiligt sei. Dazu Lobesartikel in Fachzeitschriften, bei denen Komplikationen und die persönliche Interessenslage verschwiegen wurden.

Die Spitalleitung stellt sich hinter den Professor

Dicke Post. Der Leitung des Unispitals waren diese Vorwürfe offenbar schon im Dezember 2019 von einem Mitarbeiter der Herzklinik zur Kenntnis gebracht worden, einem Whistleblower. Nun rückte die Leitung damit heraus, dass es aufgrund dieser Informationen durch eine externe Anwaltskanzlei eine interne Untersuchung gegeben habe.

Die habe aber keinerlei Ergebnisse gezeitigt, die grundsätzlich am Professor zweifeln lassen würden. Die Spitalleitung stehe hinter «dem hervorragenden, international anerkannten Chirurgen», liess sie sich bei Tamedia zitieren.

 

  1. Akt: Die Heere beziehen Position

Die Schlacht war eröffnet, das Schlachtfeld überzog sich mit dem Nebel der Kampfhandlungen. Natürlich mussten andere Medien nachziehen, Politiker schoben sich ins Rampenlicht mit markigen Forderungen, Rücktritt, schonungslose Aufklärung. Das Übliche.

Die Medien legten nach, «Klinikdirektor führte Behörde in die Irre», nahm die «SonntagsZeitung» den Ball auf. Die Spitalleitung sah sich unter Druck und knickte ein. Verfahren eingeleitet, und nach nur drei Tagen: Maisano beurlaubt. «Klinikdirektor verlässt das Universitätsspital nach schweren Vorwürfen», titelte die NZZ, bezogen auf den Chef der Gynäkologie. Aber die Beurlaubung bedeutete nicht, dass Maisano nicht weiterhin sein Büro und die Infrastruktur der Klinik benutzte.

Spitalrat als Abklingbecken

Der Präsident des Spitalrats sah sich genötigt, ein Interview zu geben. Dazu muss man wissen, dass er wie die meisten Mitglieder dieses Aufsichtsorgans kein Mediziner ist. Der ehemalige Stadtrat und Reallehrer Martin Waser kam zu diesem Posten im üblichen Parteienschacher, wo man sich gegenseitig zugesteht, altgediente Parteisoldaten bis zur Pensionierung ein warmes Plätzchen in einem Abklingbecken zuzuhalten.

Wer rechnet denn schon damit, dass der Spitalrat eine echte Krise durchstehen muss. Schon recht früh legte der muntere Finanzblog «Inside Paradeplatz» mit einer Breitseite nach. Obwohl Medizin sonst nicht zu den Kernkompetenzen gehört, liess Lukas Hässig die nächste Granate explodieren; das Ganze sei eine riesige Vertuschungsaktion .

 

  1. Akt: Man geht zum Nahkampf Mann gegen Mann über

Zum ersten Mal kommen Namen zum Vorschein. Von Maisanos Helfern, von Firmenkonstrukten. Und natürlich von ValTech. Von Maisano mitgegründet, ist sie der Hersteller dieses Cardiobandes, dessen Loblied Maisano unermüdlich sang. Worauf ValTech von einem US-Riesen für 700 Millionen Dollar geschluckt wurde. Wobei sich der Kaufpreis offensichtlich auf diese Erfindung abstützte.

Ins öffentliche Sperrfeuer geraten, reagierte die Spitalleitung hysterisch – und entliess den Whistleblower. Nun war die Verwirrung perfekt. Ist der Professor Opfer einer Hetzjagd, betrieben von Tamedia? Ist er so gut wie weg vom Fenster an der Herzklinik? Oder doch nicht, schliesslich ist er nur beurlaubt, sein Kritiker aber gefeuert.

Die oberste Chefin greift ein

Die Kacke war, wie man so schön sagt, richtig am Dampfen, zumindest in Zürich verdrängte das Thema sogar die Berichte über die Pandemie auf Platz zwei. Also sah sich die oberste Chefin zum Eingreifen motiviert. Die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli stellte unter Beweis, dass sie weiss, wann Handlungsbedarf besteht.

Sie kritisierte den Spitalrat scharf und kündigte an, ihn aufsichtsrechtlich zu einer umfassenden Abklärung zu zwingen. Guter erster Aufschlag. Keine Parteinahme, Rüffel an das Aufsichtsorgan, Aufklärung eingefordert, so macht man das.

 

Fortsetzung folgt am Samstagmorgen.