Kleine Farbenlehre
Die Kandidatin ist schwarz. Echt jetzt?
«Weiblich, schwarz, angriffslustig», so charakterisiert der politisch immer korrekte «Tages-Anzeiger» die Frau, die an der Seite von Joe Biden in den Wahlkampf ziehen wird.
«Eine schwarze Frau auf einem Präsidentschaftsticket gab’s noch nie», staunt CH Media. Die «erste farbige Vizepräsidentschaftskandidatin» sieht die NZZ. Eine «prominente dunkelhäutige Kandidatin», so beschreibt sie SRF. Eine «historische Wahl» jubiliert Keystone-SDA, «erstmals könnte eine schwarze Frau Vizepräsidentin werden.»
Auch der «Blick» blickt auf die «erste schwarze Frau», die Vizepräsidentin werden könnte. Wirklich wahr? Wir wollen ja nicht Gefahr laufen, als farbenblind zu gelten, aber einige Fragen müssen hier schon gestellt werden.
Definieren einer Person über äussere Merkmale
Zunächst: Würden die militanten Vertreter der politischen, feministischen und rassistischen Korrektheit auch schreiben, wenn Joe Biden als Vizepräsidentschaftskandidat aufgestellt worden wäre: «Männlich, weiss, senil?» Immerhin, «angriffslustig» ist wenigstens ein Adjektiv, das die Persönlichkeit von Kamala Harris beschreibt.
Aber haben wir nicht einmal im Kurs «Rassismus für Anfänger» gelernt, dass die Definition einer Person über äusserliche Merkmale, über ihre Hautfarbe, ihr Geschlecht unter ganz strengem Rassismusverdacht steht? Wir empfehlen der gesamten Rumpf-Zentralredaktion von Tamedia dringend, einen Sensibilisierungskurs zu besuchen.
Vorher möchten wir die verantwortlichen Redaktoren (weibliche sind syntaktisch immer mitgemeint) vor dem Glashaus an der Werdstrasse knien sehen, wärend sie mindestens hundert Mal skandieren: «Black lives matter».
Welche Farbe hat denn nun Harris?
Aber damit hat die Wirrnis der Farbenlehre im modernen Journalismus ja noch kein Ende gefunden. Ist Senatorin Harris nun schwarz, farbig, dunkelhäutig oder was? Und wenn ja oder nein, wie würde man dann die Hautfarbe von Donald Trump beschreiben?
Offenbar übernehmen unsensible Journalisten in der Schweiz ganz selbstverständlich eine typische US-Form der Rassenunterscheidung. Alle, die hier mit Farbadjektiven um sich werfen, sollten zwangsweise den Roman «The human stain» von Philip Roth lesen müssen.
Wie weiss ist weiss?
Keine Bange, gibt’s auch auf Deutsch, vielleicht auch als Hörbuch. Der menschliche Makel besteht hier darin, dass die Protagonisten des Romans, obwohl linksliberale Professoren und Denker, einen Makel ihrer Herkunft verbergen wollen. Und dieser Makel besteht darin, dass sie zwar wie Weisse aussehen, aber in ihrer Ahnengalerie auch dunkelhäutige Vorfahren haben.
In diesem Sinn ist in den USA jeder nicht unbedingt ein Schwarzer, Farbiger, Hispanic, Asiate oder was auch immer. Aber er ist auf jeden Fall kein Weisser. Und um den Unterschied deutlich zum Ausdruck zu bringen, ist Harris in dieser Weltsicht tatsächlich schwarz, dunkelhäutig, farbig. Eben Nicht-Weiss.
Ist das für die Amis von Bedeutung? Allerdings, das spielt dort eine gewaltige Rolle, vor allem, wenn man sich in der Oberschicht der White Anglo-Saxon Protestants bewegen will. Diese WASP führen ihren Stammbaum am liebsten direkt bis zur Mayflower zurück. Auf diesem Segelschiff wanderten die «Pilgerväter» aus Mittelengland ein, und daher darf es keinen Zweifel geben, dass deren Nachkommen ohne «human stain» zur Welt kamen.
Wann gäbe es einen Shitstorm?
Die spinnen, die Amis, das ist richtig. Aber wieso müssen die meisten Schweizer Journalisten diesen Blödsinn übernehmen? Wenn Harris vielleicht eine grüne oder blaue Hautfarbe hätte, könnte das einer Erwähnung wert sein. Wäre sie Albino schon eher nicht.
Ansonsten spielt wohl in der Berichterstattung über die Sitten in den USA ihre Hautfarbe eine Rolle. Aber doch sicher nicht als Qualifikationsmerkmal hierzulande.
Wem es in den Sinn käme, Harris als attraktiv, gar als sexy zu bezeichnen, dürfte sich auf einen Shitstorm gröberen Kalibers gefasst machen. Obwohl diese Beschreibungen wohl besser zutreffen als die Farbenlehre über ihre Haut.