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Kopieren statt recherchieren

Auch «watson» leidet unter dem Sommerloch.

Der Grossanalyst und Weltstratege Philipp Löpfe präsentiert dem staunenden Leser einen Fund:

Schon der Titel des Kopierstücks ist, nun ja, angelehnt. Denn das Buch, das Löpfe hier nacherzählt, heisst «Der Sozialist vom Paradeplatz».

Nun muss ein Journalist ja nicht unbedingt originell sein. Es reicht manchmal auch, dass er aufmerksam andere Zeitungen liest.

Oder ist es gar so, dass sich Löpfe von ZACKBUM inspirieren lässt?

Man könnte hier vielleicht von Gebrauchsleihe sprechen. Wir wollen hingegen durchaus ein Lob aussprechen. Wenn Löpfe einem Gastbeitrag des Buchautors Urs Hafner in der NZZ nachschreibt, tut er etwas nicht: er «analysiert» nicht selbst das Weltgeschehen, die Geschichte, die Wirtschaft oder was auch immer nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Das ist eine Wohltat, für die man nicht genug danken kann.

Durchaus mehr Brainfood enthält normalerweise die «Weltwoche». Nein, das muss ZACKBUM nicht sagen, weil Redaktor René Zeyer gelegentlich auch dort publiziert. Aber hier fragen wir uns auch, wer das Huhn und wer das Ei ist:

Das ist sozusagen das Ei, und brav gackert die WeWo:

Man ist sich bekanntlich uneins, ob Neid (Wilhelm Busch oder Arthur Schopenhauer) oder Nachahmung (Oscar Wilde) die aufrichtigste Form der Anerkennung sei.

 

Lob der NZZ

Der Riese im Zwergenland.

Natürlich ist es einfach, bei dieser Konkurrenz oben herauszuragen. Bei CH Media, bei Tamedia – von Ringier und «Blick» ganz zu  schweigen – herrschen nicht nur Mittelmass und inkompetente Bildungsferne. Es existieren schlichtweg die Ressourcen nicht mehr, Abgelegenes, aber Interessantes, Anspruchsvolles, aber leicht Erklärbares zu präsentieren.

Wenn der Tagesaktualität hinterhergehechelt werden kann und jeder Kleindenker einen Kommentar absondern darf, wie die Welt zu sein hätte, ist schon das Maximum des Möglichen erreicht.

Auch die NZZ ist nicht frei von Bodenkontakten, auch sie zeigt bedauerliche Schwachstellen und Schlagseiten, was beispielsweise den Ukrainekrieg betrifft. Aber sie versöhnt immer wieder:

Der Zürcher Bürkliplatz ist nach Arnold Bürkli benannt. Bahnhofsbrücke, Bahnhofstrasse, Quaianlage, der Ingenieur prägte das Stadtbild von Zürich. Aber er war eigentlich nur der Cousin eines viel bedeutenderen Träger dieses Namens: Karl Bürkli.

Noch nie gehört? Dafür muss man sich nicht schämen, auch ZACKBUM, obwohl historisch gebildet, kannte Karl Bürkli nicht. Dabei hat Karl Bürkli das Wort «Sozialdemokrat» erfunden, war Kommunist vor seiner Zeit, war der grosse Gegenspieler, die Ergänzung zu Alfred Escher. Dem ist ein Monument gleich vor dem Hauptbahnhof von Zürich gewidmet, an Bürkli erinnert nichts.

1823 kam Bürkli als Spross einer bedeutenden Zürcher Familie zur Welt, aber er wurde schnell Abtrünniger und sagte hellseherisch Sachen wie:«Der Kapitalismus hat als Privatraubwirtschaft die Natur verwüstet, die Wälder verheert, den Boden ausgesaugt und das Klima verschlechtert: Dürre und Überschwemmungen, grosse Hitze und starker Frost, dazu die schrecklichen Stürme und Hochgewitter. Und das alles nur um des Profits willen, um Privatreichtümer anzuhäufen.»

Es trieb ihn in die Welt hinaus, er war Mitbegründer einer Kommune in den USA; als die scheiterte, zog er weiter nach Nicaragua, um dann wieder nach Zürich zurückzukehren. Dort hatte er gigantische Erfolge:

«Gegen den Widerstand der Liberalen führt er als Politiker mit der Demokratischen Bewegung die direktdemokratische Verfassung mit Volksinitiative und Referendum ein – in der vielbeachteten Zürcher Revolution von 1869, die Escher und die liberale Regierung stürzt. Ohne diesen radikaldemokratischen Dammbruch besässe die Schweiz heute nicht ihre Volksrechte, die 1874 und 1891 nach dem Beispiel Zürichs in die neuen Bundesverfassungen aufgenommen werden», beschreibt die NZZ sein Wirken.

Aber mehr noch: «Bürkli engagiert sich für die Gründung der Zürcher Kantonalbank, die auch den «kleinen Leuten» Kredite gewährt. Bürkli ruft den Zürcher Konsumverein ins Leben, der viel mehr ist als nur eine Reihe von Läden, in denen man günstig einkaufen kann. Die Genossenschaft, die schliesslich in der Detailhandelskette Coop aufgeht, soll den Zwischenhandel ausschalten, Produktion und Konsumtion einander annähern.»

Mehr noch: «Erfolglos warnt er die Linke vor Autoritarismus und Dogmatismus, vor Blutvergiessen und Revolutionsromantik. Und provokativ deklariert er im hohen Alter das bürgerliche Grand-Hotel als sozialistische Utopie – Luxus für alle!»

Zudem war er offenbar ein witziger Mensch: 

«Warum ich Sozialist wurde? Weil es in Zürich so langweilig war

Der Autor des Artikels Urs Hafner macht als Historiker Werbung für sein Buch: «Karl Bürkli, der Sozialist vom Paradeplatz». Aber genauso natürlich kann es nur die NZZ geben, die dieser Darstellung Platz gibt. Oder könnte man sich vorstellen, dass Nora Zukker – okay, das ist nun unfair.

Aber solange die NZZ solche Stücke, immer wieder, veröffentlicht, ist man bereit, ihr Schwächeanfälle zu verzeihen, die gerade hier bei ZACKBUM kritisiert werden. Aber zugegeben: was man liebt, das kritisiert man scharf, wenn es sich danebenbenimmt.

Dieser Scheinwerfer auf einen völlig vergessenen Bürkli, nachdem eigentlich der Bürkliplatz benannt werden sollte, das ist einfach grossartig. Tiefe Verneigung.