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Impfquoten und anderer Zahlenzauber

Ist es Absicht oder Zufall? Der Salat ist angerichtet.

Nehmen wir als Ausgangspunkt die Intelligenz-Postille «watson». Hier widmet sich Allzweckwaffe Peter Bluntschli nach Österreich und China dem Virus. Natürlich mit einer schlechten Nachricht:

«Lettland wird zur Warnung mit Länder mit tiefer Impfquote».

Steigende Fallzahlen, Lockdown, furchtbar. Erst 50 Prozent der Letten seien «vollständig geimpft». In Bulgarien (20 %) oder Rumänien (31,9 %) müsste das Gesundheitssystem eigentlich bereits zusammengebrochen sein. Von Schwarzafrika (im Schnitt 3 %) ganz zu schweigen.

Schwarzafrika: Impfquote im niedrigen einstelligen Bereich.

Fabelhaft müsste es dagegen den Iren gehen (87,7 %). Während die Schweiz (62 %) schwer Sorgen bereitet; selbst Deutschland bringt es auf 65,8 %, die Gesamt-EU auf 66,1 %.

Hobby-Virologe Bluntschli fasst seine Erkenntnisse zusammen: «Länder mit einer relativ tiefen Impfquote, zu denen auch die Schweiz gehört, könnten ernsthafte Probleme bekommen. Noch suchen Bund und Kantone nach Wegen, wie sie die Impfskeptiker in der nationalen Impfwoche vom 8. bis 14. November erreichen und überzeugen können. Ein Verweis auf die Lage in Lettland könnte vielleicht nicht schaden.»

 

Nun, ein Verweis darauf, dass es KEINEN signifikanten Zusammenhang zwischen Impfquote und Neuinfektionen gibt, wie gerade eine umfangreiche Analyse eines Havard-Professors gezeigt hat, könnte auch nicht schaden.

«Auf Länderebene scheint es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Prozentsatz der vollständig geimpften Bevölkerung und den neuen COVID-19-Fällen in den letzten 7 Tagen zu geben.»

Von unten nach oben: von «watson» zur NZZ

Professor S. V. Subramanian ist nicht irgendwer, sondern Harvard-Dozent im Departement «Population Health and Geography». Der ist nicht irgendwer, sondern eine Koryphäe und vor allem ein Wissenschaftler, der einen Ruf zu verlieren hätte. Würde er sich irren oder als Anhänger wirrer Verschwörungstheorien outen. Auf dieses Ergebnis kam seine Wissenschaftergruppe bei der Analyse von 66 Ländern und 3000 US-Countys, also Gemeinden.

Na ja, «watson», mag nun der Leser sagen. «Das Rätsel der Schweizer Impfquote. Trotz hohem Vertrauen in die Regierung sind hierzulande im europäischen Vergleich relativ wenige geimpft – was steckt dahinter?», fragt sich auch die NZZ.

Immerhin, das ist sie ihrer Seriosität schuldig, sie erwähnt, dass die niedrige Impfquote der Schweiz schon anders aussieht, wenn man einen Taschenspielertrick abzieht. Denn 62 Prozent sind es über die ganze Bevölkerung. Unter 12-Jährige inbegriffen, für die es gar keine Impfung gibt zurzeit. Richtig gerechnet, als geimpfte Impfbare, kommen wir auf 72 Prozent. Nehmen wir auch noch die Genesenen dazu, was ja Sinn macht, läge die Schweiz bei 80 Prozent.

Neuer Zahlenzauber, aber was ist denn die Antwort auf die NZZ-Frage? Na, eine FDP-Antwort natürlich, eine parteipolitische. Man nehme einen «erfahrenen Parlamentarier», leider ohne Namen, der Faktoren aufzählt: «Ein zweiter Faktor ist laut dem erwähnten Parlamentarier: In nur wenigen anderen Ländern sei die Impffrage so stark durch eine grosse Partei politisiert worden, wie dies in der Schweiz durch die SVP geschehen sei. Der Politologe Michael Hermann vom Forschungsbüro Sotomo bezeichnet dies als «treibenden Faktor» der hiesigen Impfskepsis.»

Dürfen wir erwähnen, dass ein treibender Faktor der Einkünfte des Forschungsbüros Sotomo Staatsaufträge sind? Womit aber natürlich die wissenschaftliche Unabhängigkeit in keiner Form gefährdet ist.

Was unterscheidet nun Journalismus von unten und von oben?

Wenn man «watson» und NZZ als die beiden Pole der Berichterstattung in der Schweiz ansieht – von Griff ins Klo bis Griff nach oben –, dann kommt man leider zum gleichen Ergebnis. Genaues weiss man nicht, wildes Interpretieren von Zahlen, wie es einem in den Kram passt. Bei «watson», um staatstragend nach Impfen zu krähen. Bei der NZZ, um der politischen Konkurrenz eine reinzuwürgen.

Tamedia und CH Media, wen wundert’s, lassen auf ihre Staatstreue, Impffreundlichkeit und das Zurechtbiegen ausgewählter Zahlen auch nichts kommen. Wollen wir die SRG überhaupt erwähnen?

ZACKBUM ist anders

ZACKBUM hingegen kennt seine Grenzen. Wir sind keine Virologen, keine Epidemiologen, und gute Ratschläge haben wir auch nicht zum Verteilen. Wir halten uns nur an Rechtsstaatlichkeit, und solange es keinen gesetzlichen Impfzwang gibt, ist impfen freiwillig und freiwilliger Zwang durch Ausschluss vom sozialen Leben eine Sauerei.

Wir halten uns nur an Zahlen und an seriöse wissenschaftliche Untersuchungen. Wir haben keine Ahnung, ob der Harvard-Professor dieses und jenes doch nicht richtig analysiert oder verstanden hat. Wir sagen aber: wenn es eine solche Kakophonie von wissenschaftlich fundierten Ansichten gibt, kann doch keine Corona-Kreische in den Massenmedien verantwortlich behaupten, sie habe die Wahrheit mit den Löffeln gefressen und die laute: impft, Eidgenossen, impft Euch.

Wir halten uns an das alte und gute Prinzip, dass nur mit einer pluralistischen Debatte unter Einbezug aller ernsthaften Meinungen Fortschritt und Erkenntnis möglich ist. Hier handelt es sich aber, zugegeben, um eine Haltung, die immer mehr von Verzweiflung gedrückt wird. Denn wir fragen uns: Kann man neben Vakzinen auch Hirnschmalz spritzen?