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Rhabarber-«Republik»

Berichterstatterpflicht …

ZACKBUM weiss: die «Republik» nervt. Eigentlich alle, inklusive der eigenen «Verleger». Nun gibt es aber ein heikles Problem, das die «Republik» zuerst so verlegen machte, dass sie zunächst gar nicht darüber sprechen wollte.

Denn bereits im Juni dieses Jahres überbrachte eine «Mittelsperson» ein Dossier, das das Amt für Gleichstellung der Stadt Zürich aufgrund der Beschwerden von sechs Frauen erstellt hatte. Allerdings hatte sie «See only» draufgeschrieben, was das Amt für sehr befremdlich hält und die «Republik» in Schockstarre versetzte.

Der Pensionäre-VR der «Republik» lässt nun verlauten, dass er erst am 23. August darüber informiert worden sei, dass es Vorwürfe von sexueller Belästigung und inakzeptablem Verhalten gäbe. Was die interessante Frage aufwirft, an wen das Dossier eigentlich ausgehändigt wurde. Und wieso diese Amtsträger (GL, Chefredaktion?) bis zum 23. August warteten, bis sie die heissen News an den VR weiterreichten. Um sie vorher abkühlen zu lassen? Lustiges Bild, wie vier Nasen auf das Dossier blasen (bitte keine blöden Assoziationen hier).

Das ist, nach den kleinen Steuerproblemen, ein weiterer Schlag ins Kontor der Wohlfühloase der guten Denkungsart und richtigen Lebensführung. Oder gibt es halt doch nichts Richtiges im Falschen? Wäre eine Kolumne der schreibenden Schmachtlocke wert. Aber die tut, was sie auch schon beim Roshani-Skandal von Tamedia getan hatte: sie schweigt.

Nun wird aber richtig durchgegriffen. Der VR übernimmt, was denn sonst, «die Verantwortung für die anstehende Untersuchung». Wunderbar, was auch immer das heissen mag.

Früher nannte man das in linksradikalen Kreisen Selbstkritik, heute heisst’s so: «Die Republik muss aus ihren Fehlern lernen. Sie muss ein Arbeits­klima garantieren, das den Werten der Republik – Transparenz und Kritik an den Mächtigen – gerecht wird.»

Was ein solches Arbeitsklima allerdings mit der Frage zu tun hat, ob und wie sich weibliche Mitarbeiter sexuell belästigt fühlen?

Immerhin bereits fünf Jahre nach Start soll das Online-Magazin Folgendes tun: «Eine Melde­plattform anbieten. Eine Firma wird beauftragt, einen gesicherten Raum anzubieten und zu betreiben.» Wir Normalos sind bass erstaunt: das gibt’s bislang nicht?

Dann soll von einer externen Bude weiter untersucht werden, wie und wieso die «beschuldigte Person» angestellt wurde, es müssen «Chronologie, Personen, Rollen, Verantwortungen, Behandlung und Verifizierung einer geäusserten Warnung vor deren Anstellung» abgeklärt werden. Hui.

Ist die «Republik» immerhin manche Tage nach dem Platzen des Skandals wenigstens schon einen Schritt weiter? Ach, da orientiert man sich offenbar am «Klimalabor»: «Aktuell läuft noch das Auswahl­verfahren für die Auftrag­nehmerin. Details über die Melde­plattform, wie Zeitraum, Umgang mit allfälligen anonymen Meldungen sowie auch die entsprechenden Kontaktangaben, werden so schnell wie möglich hier kommuniziert.»

Was bei der «Republik» so alles läuft, ausser vielleicht die Nasen. Suche nach einer Chefredaktion. Suche nach einer Aufgabe fürs «Klimalabor». Suche nach einer «Auftragnehmerin». Suche nach zahlenden Lesern. Suche nach einem Knaller. Suche nach einem Abgang?

Wumms: Zoe Baches

Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse.

Damit soll selbstverständlich Jonas Projer nicht als Katze bezeichnet werden und noch viel weniger Zoe Baches als Maus, das wäre ja sexistisch, diskriminierend und überhaupt.

Aber es ist bezeichnend, dass der lange bei der NZZaS auf Halde liegende Artikel von Baches über die Aufarbeitung des Roshani-Skandals bei Tamedia während der Amtszeit von Projer nicht das Licht der Welt erblickte. Jetzt nach seinem Abgang im Sommerloch aber schon. Er hat es sogar zum grossen Aufmacher auf der Front gebracht, weil der vierköpfigen Übergangsleitung diese Woche keine andere Art des Hilferufs einfiel: «Gujer, bitte endlich übernehmen»:

Vorweggenommenes Ergebnis: Baches sollte lieber bei den harten Wirtschaftsthemen bleiben. Da kennt sie sich aus, das beherrscht sie. Im #metoo-Bereich verläuft sie sich im Dickicht der Fallstricke und Widersprüche.

Als Machetenträger verwendet sie zwei untaugliche Hilfskräfte. Zum einen führt sie ein längeres Interview mit Oliver Kunz zum Thema «Mobbing, sexuelle Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz». Der Anwalt und Partner von Walder Wyss wird vorgestellt als «ein führender Spezialist für interne Untersuchungen, unter anderem zu Themen wie Mobbing und #MeToo»». Diese Expertenposition hält Kunz allerdings eher geheim; in der Branche ist er weder als führend, noch als Spezialist bekannt. Seine Kanzlei hingegen als Ansammlung von guten Selbstvermarktern.

Baches versucht sich auf zwei Seiten an einer nochmaligen kritischen Aufarbeitung des Skandals, dass die ehemalige «Magazin»-Mitarbeiteriun Anuschka Roshani dieses Jahr im «Spiegel» eine vernichtende Racheaktion gegen ihren ehemaligen Chefredaktor veröffentlichte. Recht schnell stellte sich heraus, dass die meisten ihrer Anschuldigungen einer genaueren Überprüfung nicht standhielten.

Kleinigkeiten wie die, dass Roshani ihren Chef gemobbt und sich vergeblich um seine Stelle beworben hatte, liess sie weg. Anstössig war, dass es offenbar Absprachen zwischen ihr und anderen «Magazin»-Redaktoren gegeben hatte, die auch ein Hühnchen mit Finn Canonica rupfen wollten.

Peinlich für Roshani war, dass zwei interne Untersuchungen ergeben hatten, dass an ihren Vorwürfen gegen Canonica – soweit überhaupt überprüfbar – mit zwei, drei Ausnahmen nichts dran war. Zudem vermochte sie nicht verständlich zu machen, wieso sie trotz diesen unerträglichen Übergriffen ihres Chefs es so viele Jahre klaglos mit ihm ausgehalten hatte und die von ihm eingeräumten Privilegien (wie ein bezahltes Sabbatical als totale Ausnahme) dankbar entgegennahm.

Genau diesen Bericht knöpft sich Baches nun nochmal vor. Als Aufhänger verwendet sie ein Interview mit Anwalt Kunz, wo dem Leser bei der Einordnung sicher geholfen hätte, dass es sich um einen direkten Konkurrenten des Platzhirschs Rudin Cantieni handelt. Diese Kanzlei hatte, wie in vielen anderen solchen Fällen, die Untersuchung beim «Magazin» durchgeführt.

Dem Interview stellt Baches einen Zweispalter an die Seite, in dem sich die «Strafrechtsexpertin und Wirtschaftsmediatorin Monika Roth» und «vier weitere Anwälte», die nicht namentlich genannt werden, kritisch zu dem 232-seitigen Bericht äussern dürfen.

Der muss in Wirklichkeit ziemlich gut sein, denn ausser nebensächlichem Pipifax finden alle befragten Kritiker nichts zu meckern. Die ominöse Frauenbrust auf dem Schreibtisch des Chefredaktors, habe es die gegeben oder nicht, aus welchen Gründen habe sich Roshani weiteren Befragungen verweigert, wieso wurden ehemalige Mitarbeiter nicht befragt, usw.

Was sagt der wohl profundeste Kenner der Affäre dazu, dass der Rudin-Cantieni-Bericht laut Baches «auf einer Unterstellung» beruhe und in in seinen «Folgerungen viel zu absolut» sei?

«Der Berg hat eine Maus geboren. So viele Monate nichts – und dann das? Rudin Cantieni hat begründet, wie im Artikel aufgeführt ist, weshalb man aus rechtlichen Gründen die vor langer Zeit ausgeschiedenen Mitarbeitenden nicht befragen konnte. Das heisst im Umkehrschluss im konkreten Fall: Seit 2014 – also beinahe seit einem Jahrzehnt – gab es keine kritischen Vorgänge in der Redaktion des «Magazins», wie der Bericht ausführlich belegt. In dieser ganzen Zeit war Anuschka Roshani in der Redaktion tätig. Es ist deshalb sachlich nicht nachvollziehbar, weshalb sie im Februar 2023 – also erst nach ihrer Entlassung durch Tamedia – einen als «Gastbeitrag» präsentierten verbalen Hinrichtungsartikel im «Spiegel» gegen ihren langjährigen Freund und Chef veröffentlicht hat», kritisiert Roger Schawinski, Autor des Sachbuchs «Anuschka und Finn. Die Geschichte eines Medien-Skandals».

Schawinski hat auch noch eine interessante, neue These auf Lager, was die Motivation von Roshani betrifft, mit diesem Rundumschlag im Februar dieses Jahres an die Öffentlichkeit zu gehen (und sich seither nicht mehr zu äussern):

«Und hier eine Bemerkungen zur Motivation von Anuschka Roshani, über die alle rätseln: Ich glaube, dass es ihr nicht in erster Linie um Rache an Finn Canonica und/oder um zusätzlicheArgumente in ihrem Rechtsstreit mit Tamedia ging. Ich bin nach vielen Gesprächen der Ansicht, dass sie vor allem aus Scham gehandelt hat, weil die für sie so wichtige Karriere in einem gewaltigen Desaster –keine Beförderung auf den lange angepeilten Chefposten und schliesslich sogar die Entlassung – geendet hat. Vor allem gegenüber ihren vielen Bekannten in  den wichtigsten Redaktionen Deutschlands musste Anuschka dafür eine Erklärung liefern. Und dazu brauchte sie einen Übeltäter, einen Sündenbock. Um ihr Leid zu dramatisieren gerierte sie sich deshalb im «Spiegel» auf schändliche Weise als ein Opfer, wie es die vergewaltigten Frauen im Fall Weinstein sind. Ihr langjähriger Freund Finn wurde auf ihrem Rechtfertigungstrip zum reinen Kollateralschaden. Und so wurde der Scherbenhaufen, den sie anrichtete, für alle Beteiligten monumental.»

Ringier räumt auf – oder ab

«IntegrityPlus» nimmt sich die «Blick»-Gruppe vor. Who?

Wenn die ersten beiden Schritte Vorboten von Kommendem sind, dann gute Nacht. Denn der «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer wurde aufgrund diffuser Anschuldigungen 6 Monate in eine Auszeit ohne Wiederkehr geschickt.

Der langjährige Ringier-Mitarbeiter und Ex-«Blick»-Chefredaktor Werner de Schepper wurde gar öffentlich exekutiert und Knall auf Fall abserviert.

Nun soll die gesamte «Betriebskultur» untersucht werden, oder wie das die zuständige Ladina Heimgartner wolkig umschreibt: «Im Zuge eines ‹Culture Audits› werden wir mithilfe externer Experten durchleuchten, wie es um die Unternehmenskultur innerhalb der Blick-Gruppe im Detail steht, und Massnahmen einleiten, die eine gesunde und offene Betriebskultur weiter fördern und langfristig verankern.»

Das ist nun ihr übliches Manager-Blabla, aber was soll hier genau passieren? «IntegrityPlus» soll zunächst einmal Befragungen durchführen. Integrity who? Das ist ein Zusammenschluss des Beratungskings Movis AG, ein stilles Monster mit «über 20 Beratungsstandorten in der ganzen Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein». Die Riesenbude berät meistens eher geräuschlos.

Nun soll das Unternehmen zusammen mit den Anwälten Rudin Cantieni die neue Bude IntegrityPlus aus der Taufe gehoben haben. VRP Martin Bircher ist gleichzeitig CEO der Movis AG und läuft ansonsten völlig unterhalb aller Radarschirme. Das gilt auch für Geschäftsführerin Marina Conte. Lediglich Linus Cantieni und Johann-Christoph Rudin machten zuletzt Schlagzeilen, als sie die Vorwürfe der gefeuerten «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani untersuchten (und grösstenteils als nicht belegbar abtischten).

Wieso nun ausgerechnet diese neue Entität (statt Movis solo oder Rudin/Cantieni, mit immerhin auch 14 Nasen) die «Blick»-Gruppe untersuchen soll, weiss wohl nur Heimgartner. Was denn nun genau untersucht werden soll, mit welchem Ansatz, mit welchem Personal – das wäre dann doch zu viel der Transparenz. Auch die Beantwortung der Frage, ob hier eine ordentliche Ausschreibung des Auftrags stattfand.

Auf wiederholte Nachfrage, ob für diesen sicherlich nicht billigen Auftrag wie es sich gehört Konkurrenzofferten eingeholt wurden, sagt Ringier lediglich: «Bei der IntegrityPlus AG handelt es sich um einen Zusammenschluss der Besten in diesem Bereich: der Movis AG und der Anwaltskanzlei RudinCantieni. Die Vergabe dieses Auftrages erfolgte Corporate Governance konform.»

Das ist die Transparenz, die man sich bei einer «gesunden und offenen Betriebskultur» wünscht.

Nach den erfolgten Hinrichtungen weiss jeder Mitarbeiter in der mehr oder minder glücklichen «Blick»-Familie zwei Dinge: Hier wird Material gesammelt, und alles, was du sagst, kann gegen dich verwendet werden. Und wer weiss, was die anderen über dich sagen

Und nicht vergessen: Integrität bedeutet Makellosigkeit, ihr Boulevard-Journis.

Patrizia Peinlich Laeri

Wann hört das mit diesen Denunziationen mal auf?

«Eine sexuelle Belästigung kann laut Fachstelle nicht bestätigt werden», es seien «keine weiteren Massnahmen nötig». Das ist alles, was von Patrizia Laeris Behauptung übrig geblieben ist, sie könne nicht mehr länger schweigen und müsse über einen Vorfall berichten, der sich angeblich vor über zwanzig Jahren abgespielt hätte.

Anlass für Laeris Versuch, mal wieder in die Schlagzeilen zu kommen, war die Affäre Roshani. Ebenfalls eine Anhäufung von Vorwürfen, die sich einer nach dem anderen in Luft auflösen. Laeri hatte behauptet, ein heute noch in leitender Funktion tätiger SRF-Mitarbeiter habe sie bei einem Anlass in einen Nebenraum gelockt und dort zu küssen versucht. Er habe erst von ihr abgelassen, als sie ihn zurückstiess; genau das Gleiche habe er auch mit einer anderen Praktikantin gemacht.

Soweit die Fabel von Laeri. SRF gibt dagegen bekannt: «Laut Untersuchungsbericht konnte die externe Fachstelle aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der Befragten nicht abschliessend klären, wie sich das damalige Treffen vor 20 Jahren abgespielt hat und wie es überhaupt dazu gekommen ist.» Bei der Befragung habe sich zudem herausgestellt, dass sich der Vorfall nicht am Arbeitsplatz ereignet habe.

Widersprüche, kein Vorfall am Arbeitsplatz, die Ähnlichkeiten mit der Affäre Roshani werden immer grösser. Offensichtlich konnte auch die Behauptung, es habe einen ähnlichen Vorfall mit einer anderen Praktikantin gegeben, nicht erhärtet werden. Auch weitere auf Laeris Anschuldigung hin eingegangenen Beschwerden erwiesen sich bislang als haltlos.

Wie steht es dann wohl mit Laeris Behauptung, «über 100 Frauen» hätten sich bei ihr nach ihrem Outing gemeldet? Wahrscheinlich so wie mit den angeblich bis zu 100 Hassmails, die eine andere nach medialer Aufmerksamkeit gierende Frau täglich bekommen will. Die übrigens auf Nachfrage von ZACKBUM verkniffen schweigt.

Was ist das nur für eine unappetitliche Methode, längst verjährte, nicht nachweisbare sexuelle Belästigungen zu behaupten, damit in die Medien zu kommen, um dann nach erfolgter Widerlegung noch nachzutreten:

«Ich gehe von schweren Verfahrensmängeln bei der Untersuchung aus und habe bereits ein Gesuch um Akteneinsicht gestellt, um den Bericht und das Verfahren juristisch prüfen zu lassen.» Schwere Verfahrensmängel? Weil Laeri offenbar Widersprüche vorgehalten wurden? Weil sie ihre Behauptung beweisen, zumindest glaubhaft machen  müsste, nicht das Opfer ihrer Attacke seine Unschuld?

Da Laeri in der Untersuchung sicherlich den Namen des angeblichen Täters nennen musste, die Skrupelhaftigkeit von SRF bei solchen Fragen bekannt ist, liegt auf der Hand, dass sich Laeris leere Anschuldigung in keiner Weise erhärten liess, sie sich zudem offenbar noch in Widersprüche verwickelte. Nun behauptet sie, angebliche Zeuginnen seien gar nicht befragt worden. Da sich nach ihrer ersten Version der Vorfall aber unter vier Augen abgespielt haben soll, kann es gar keine Zeuginnen geben. Ausserdem hatte Laeri behauptet, damals nur mit einer einzigen Person über den Vorfall gesprochen zu haben. So kommt ein Widerspruch zum nächsten …

Das ist einfach unappetitlich. Widerlich und widerwärtig ist, dass mit solchen PR-Stunts allen Frauen (und auch Männern), die tatsächlich Opfer sexueller Belästigungen oder Übergriffe werden, ein Bärendienst erwiesen wird. Ebenfalls Personen, die tatsächlich täglich Hassmails bekommen.

Bedauerlicherweise können solche Methoden aus der untersten Schublade nicht gebührend sanktioniert werden. Zumindest hat sich Laeri damit einige letzte Reste an Glaubwürdigkeit verspielt.

Erregte Tamedia-Frauen

War da mal was? Vor genau einem Jahr? Als der Bauchnabel noch das Zentrum der Welt war.

Manchmal reicht schon ein Jahr Distanz, um die Bedeutungslosigkeit, ja Lächerlichkeit einer Aktion in aller Hässlichkeit zu enthüllen. Wir erinnern uns kurz: Vor einem Jahr lancierten 78 Tamedia-Frauen einen Protestbrief, in dem sie sich über demotivierende, sexistische, diskriminierende, unerträgliche Zustände auf den Redaktionen von Tamedia beschwerten.

Eigentlich war das Schreiben für den internen Gebrauch gedacht gewesen. Aber die beiden Rädelsführerinnen kamen auf die grossartige Idee, es via Jolanda Spiess-Hegglin in die Öffentlichkeit zu transportieren. Obwohl die meisten Unterzeichner gar nicht um Erlaubnis gefragt worden waren. Es gab Schauerliches zu beklagen: Frauen würden «ausgebremst, zurechtgewiesen oder eingeschüchtert».

Ergänzt war der Protestbrief mit einem Ultimatum, dass bis zum 1. Mai 2021 aber ganz radikal was passieren müsse. Und einer Latte von über 60 anonymisierten Beispielen, wie unmenschlich es bei Tamedia zu und herginge. Die Müsterchen waren damals schon lachhaft, sie sind es heute noch:

«Als jemand das Thema Gendersternchen vorschlug, hiess es erst, es sei schon genug «Klamauk» zum Thema gemacht worden. Das richtete sich nicht per se gegen eine Frau, aber gegen die Art des gendergerechten, integrierenden Schreibens.»

«Bei einem Text, der ausschliesslich von der Perspektive junger Frauen handelte, sagte der ältere Vorgesetzte: «Es ist falsch, was du schreibst.»

«An Sitzungen wiederholen Männer oft die Ideen, die in den ersten 5 Minuten von Frauen des Meetings vorgebracht wurden. Die Männer ergänzen die Idee nicht, sondern sagen einfach dasselbe, ohne zu erwähnen, dass die Idee von Kollegin xy stammt.»

«Aber ihr seid doch mitgemeint, wenn man das generische Maskulinum benutzt.» – «Nein, ich fühle mich nicht mitgemeint. Du weisst nicht, wie ich mich fühle.» – «Ihr seid mitgemeint. Das ist historisch so.»

«Es wird uns Journalistinnen nicht zugetraut, entsprechend unseres journalistischen Instinkts und unserer Expertise Themen zu erkennen und journalistisch umzusetzen.»

«In einer Blattkritik wurde der Einstieg eines Textes über den historischen Frauenstreik kritisiert: «Wir sollten ob unserer Begeisterung nicht unser Urteilsvermögen aufgeben.»»

«Ich: «Verdienen Männer hier denn mehr als Frauen, wie ist es so mit der Lohngleichheit?» Antwort, schreiend: «Du musst den Vertrag ja nicht unterschreiben.»»

Was geschah dann? Die (männliche) Führungsriege warf sich in den Staub. Heuchelte Betroffenheit, sah ein Problem, der Oberchefredaktor entschuldigte sich schon mal präventiv für alle Untaten, obwohl keine einzige bewiesen wurde.

Nach diesem mutigen Aufschrei verstummten die Tamedia-Frauen allerdings. Vor allem, wenn man ihnen höflich Fragen stellte.

Was bleibt, ausser viel Schall?

Inzwischen, ein Jahr später, ist die damalige Aufregung Tamedia nicht mal mehr eine einzige Zeile wert …

Damals sollte das stattfinden, was bei Vorwürfen dieser Art Brauch ist: eine Untersuchung, brutalstmöglich. Dazu wurde zuerst, haben wir gelacht, eine der Mitunterzeichnerinnen ausgeguckt. Nachdem es der Führungsriege nach langem Nachdenken auffiel, dass das vielleicht keine gute Idee sei, wurde eine externe Firma mit der Abklärung der anonymen Vorwürfe beauftragt.

Und seither klärt die ab und klärt ab. Und klärt ab. Nachfragen nach allfälligen Ergebnissen, so nach einem Jahr, werden von der Medienstelle vom Tisch gewischt. Die Tamedia-Frauen arbeiten seither klaglos weiter, obwohl nicht bekannt ist, dass sich an diesen frauenverachtenden Umständen etwas geändert hätte.

Sichtbar wurde nur, dass immer häufiger absurden Themen wie Gendersprache, korrekte inkludierende Verwendung der Sprache und ähnlichem Pipifax ganze Mehrseiter gewidmet wurden, die auch in der Retrospektive für Lachsalven sorgen würden, könnte sich jemand noch daran erinnern, mit welchem Bierernst hier die Wichtigkeit eines richtig gesetzten Sternchen beschworen wurde.

Zeitenweise schien es so, dass für Tamedia-Mitarbeiter kein anderes Thema so wichtig sei wie der Kampf gegen die männerdominierte Sprache. Aber der Zeitgeist ist gnadenlos; gelegentlich durchgeführte Umfragen belegten, was sowieso klar war: dem Publikum, dem Leser gehen solche Sprachturnereien schwer an einem gewissen Körperteil vorbei – wenn sie ihm nicht ganz kräftig auf den Sack gehen. Das gilt auch für Leserinnen.

Letzte Kämpfer sind noch am Gerät

Also bemühen sich Kämpfer für eine inkludierende Sprache heute noch, mit Knacklauten, Binnen-I und ähnlichem Schwachsinn ihre Solidarität mit dem unterdrückten Geschlecht auszudrücken. Allerdings fand niemand von diesen Bewegten eine Lösung fürs Problem, dass die Welt bekanntlich neuerdings nicht mehr nur aus Männlein oder Weiblein besteht. Sondern aus einem ganzen Zoo von über 150 verschiedenen sexuellen Orientierungen. Womit nur die gemeint sind, die sich eindeutig zuordnen können, es gibt auch noch das Heer der Non-Binären, die selbst die Definition, ein schwarzer Transvestit mit Migrationshintergrund und aus der Sklaverei stammender Diskriminierung zu sein, als zu einengend empfinden würden.

Aber wenn der Krieg in der Ukraine etwas Gutes hat: all diese selbstverliebte, auf den eigenen Bauchnabel fixierte, krampfhaft nach Möglichkeiten des Leidens suchende Jammerlitanei ist verstummt. Welch eine Wohltat innerhalb von so viel Schrecklichem.

RTS: Romands mit Trieben und Sexgelüsten

Schon wieder ein Abgrund. Nein, diesmal nicht bei Tamedia. Aber beim welschen Staatsfunk.

Man (auch Mann, Frau, divers und überhaupt) ist erschüttert. Mehr als das:

«Einzelne Mitarbeiterinnen begannen in der nachfolgenden Fragerunde zu weinen und sprachen angesichts der Befunde von einem «absoluten Skandal», während ihre Kollegen die Fakten als «niederschmetternd» bezeichneten oder sich bei den Anwältinnen für die «unglaubliche Arbeit» bedankten

Echt jetzt? Weinende Journalistinnen? Was ist denn passiert? Wurde ein Gendersternchen gemeuchelt? Nein, das ist kein Platz für Scherze. Tamedia vermeldet:

«Rassismus, unerwünschte Küsse, Anfassen von Brüsten, Berührungen am Gesäss, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, Arbeitsüberlastung, Beleidigungen gegen Schwangere, Festhalten in einem Raum: Die Missstände beim Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) sind weit komplexer, vielfältiger und gravierender als bislang bekannt.»

Der Trompeter von Jericho, auch als Philippe Reichen bekannt, spielt wieder sein Lieblingsinstrument. Als – man erinnert sich noch? – «Le Temps» mit Anlauf den ehemaligen News-Star von RTS in die Pfanne hauen wollte, war Reichen schon zur Stelle. Die Vorwürfe gegen Darius Rochebin erwiesen sich zwar als haltlos und falsch; entsprechende Schadenersatzforderungen laufen. Aber Reichen formulierte kühn «Die Mauer des Schweigens bricht».

Auch bei Übergriffen muss enthüllt werden

Er «enthüllte» weitere, länger zurückliegende Probleme rund um die Einstellung einer TV-Talkshow, die nach 12 Folgen mangels Publikumsinteresse eingestellt wurde – 2015. Das war dann auch nicht so der Knaller, aber nun hat das Genfer Anwaltsbüro «Collectif de Défense» intern die Resulate seiner Untersuchung der jüngsten Vorwürfe präsentiert.

Die Mitglieder des Anwaltskollektivs.

Weil wir beim seriösen Staatsfunk sind, wo sorgfältig zwischen intern/vertraulich und öffentlich/skandalös unterschieden wird, fanden die Ergebnisse sofort den Weg in die Medien. Also nicht ganz, den Weg zu Reichen. Der lässt wieder keinen Stein auf dem anderen:

«Die Arbeitsrechtsexpertinnen bezeichneten Mobbing und Übergriffe bei RTS als «systemisch». Sie betonten, die untersuchten und ungeahndet gebliebenen Missstände hätten über einen Zeitraum von 20 Jahren stattgefunden. Bei RTS habe ein «Gesetz des Schweigens» geherrscht.»

Dagegen haben die AnwältInnen des Kollektivs was, so ihre Selbstanpreisung: «Les avocat-e-s du Collectif de Défense sont soucieux de pratiquer aussi bien une écoute attentive de la personne, qu’un professionnalisme rigoureux. L’efficacité et la combativité font la marque de l’Etude

Effizienz und Kampfbereitschaft als Markenzeichen, da wird offenbar kein Pardon gegeben. Auf der anderen Seite: «Die Anwälte des Verteidigungskollektivs glauben an eine für alle zugängliche Gerechtigkeit. Daher wendet das Verteidigungskollektiv einen Stundensatz an, der nicht abschreckend ist und unter den im Berufsstand üblichen Sätzen liegt.»

Da können wir für uns Zwangsgebührenzahler nur hoffen, dass sie diesem löblichen Prinzip auch in diesem Fall nachgelebt haben. Denn solche Untersuchungen gehen normalerweise ganz schön ins Geld; Beträge von einer Million aufwärts sind völlig handelsüblich.

Für einen kann’s nun ganz eng werden

«230 Zeuginnen und Zeugen, also mehr als ein Zehntel der RTS-Belegschaft, haben sich beim Anwaltsbüro gemeldet und für den Bericht ausgesagt», weiss Reichen im Weiteren. Damit dürfte eine siebenstellige Honorarnote garantiert sein.

Besonders heikel kann’s nun für SRG-Generaldirektor Gilles Marchand werden. Der war noch im April vom SRG-VR auf eine «sekundäre Aufsichtsverantwortung» runtergestuft worden, wobei man ihm keine groben Fehler vorwerfen könne. Also salviert, Job gerettet, nur keine Unruhe ganz oben.

Sollten die Vorwürfe dieser Untersuchung sich tatsächlich erhärten lassen – im Gegensatz zu den bislang völlig beweisfreien Behauptungen der Tamedia-Protestfrauen –, dann dürfte es doch eher eng werden für Marchand.

Das ist dann nicht nur für ihn persönlich eine ganz schlechte Nachricht. Denn sollte sich der SRG-VR zu einem Opfer entschliessen, dann müsste natürlich die Nachfolge für Marchand gleich geregelt werden. Und dessen Stellvertreterin ist – Nathalie Wappler. Damit wäre dann der Weg in eine gloriose TV-Zukunft geebnet.