Schlagwortarchiv für: Unterschriften-Bschiss

Wie viele Wörter hat Deutsch?

Manche meinen: zu viele. Andere noch viel mehr.

Es ist eigentlich eine recht banale Frage. Wie gross ist der Wortschatz der deutschen Sprache?

Fangen wir mal unten an. Der aktive Wortschatz eines durchschnittlichen Muttersprachlers (was für eine Männerdiskriminierung, nebenbei) beträgt so etwa 14’000 Wörter. Die benützt er mehr oder minder täglich. Der passive Wortschatz, also Wörter, die er zwar (einigermassen) versteht, aber nicht aktiv nutzt, liegt bei rund 50’000 Wörtern. Goethe, der einen phänomenalen Wortschatz besass, soll aktiv sogar rund 90’000 Wörter verwendet haben.

Wieder enger gefasst: mit nur 2000 Wörtern beherrscht man bereits 80 Prozent eines durchschnittlichen Textes, weitere 2000 erweitern auf 90 Prozent. Der Rest ist Schweigen, bzw. ein  Meer von Spezial- und Fachausdrücken.

Nächste Stufe ist der sogenannte Standardwortschatz, am besten gemessen am Duden, obwohl der keineswegs die letzte Instanz der deutschen Sprache ist. Der verzeichnet rund 145’000 Wörter.

Nimmt man nun alle Fachterminologien auch dazu, beträgt der Gesamtwortschatz der deutschen Sprache, wobei beispielsweise nicht viele Menschen komplizierte chemische Bezeichnungen verwenden, beträgt also der Gesamtwortschatz «etwa 5,3 Millionen Wörter», wie die KI schätzt.

Nun behauptet die Professorin für Professional Literacy, die Leitung «Master Angewandte Linguistik» und die Leitung «Wort des Jahres Schweiz» an der ZHAW, Marlies Whitehouse, dass sie über eine «Textdatensammlung» von haargenau 1’293’364’381 Wörtern verfüge.

Gut, ihre Jury hat ja auch das Unwort «Unterschriften-Bschiss» zum Wort des Jahres gewählt, blühender Blödsinn.

Also fragte ZACKBUM nach, wie es denn möglich sei, auf 1,3 Milliarden Wörter zu kommen. Antwort:

«Wir beziehen uns in der Medienmitteilung auf die Anzahl Wörter in unserer Textdatenbank SwissAL. Die errechnete Zahl besteht aus 682’313’799 deutschen, 487’461’760 französischen, 110’837’220 italienischen und 12’751’602 rätoromanischen Wörtern und Wortkombinationen.»

Gut, da kommen nun etwas mehr als eine halbe Milliarde französische, italienische und rätoromanische Wörter weg.

Bleiben aber immer noch gigantische knapp 700 Millionen deutsche. Leider mochte dann Professor Whitehouse auf die Nachfrage nicht mehr antworten. Vielleicht hat ihr unser Artikel zu dieser Wortwahl nicht gefallen …

 

Kann das wahr sein?

Die ZHAW wählt jeweils die Wörter der Jahres. Sind sie das wirklich?

Auf Deutsch seien das in dieser Reihenfolge:

– Unterschriften-Bschiss
– divers
– Murgang

«Mensch und Maschine haben die Wörter des Jahres 2024 gewählt», verkündet das Departement für Angewandte Linguistik der ZHAW in Winterthur. Das sei «wissenschaftlich analysiert» und dann von Jurys ausgewählt. «In der Deutschschweiz waren dies zehn Sprachforschende, Autor:innen, Sprachvirtuosen, Sprachstudierende und Journalist:innen.»

Schon alleine diese Sprachvergewaltigung lässt Übles ahnen. «Sprachforschende» sind eigentlich Sprachforscher, da sie auch mal essen oder schlafen. «Autor:innen» sind eigentlich Autoren, auch «Sprachstudierende» oder «Journalist:innen» müssten sich eigentlich als «Sprachvirtuosen» gegen solche Fehlbezeichnungen verwahren. Und wenn schon, denn schon: wieso eigentlich nicht «Sprachvirtuos:innen»? Ist schliesslich männlich, da fühlen sich doch Frauen, Non-Binäre, Hybride und was es alles sonst noch geben soll, ausgeschlossen und diskriminiert. Wie unsensibel.

Aber das ist ja nur der Hintergrund. Die Eintagsfliege, der Kurzzeit-Skandal von Tamedia, der sogar noch eine kürzere Halbwertszeit hatte als die Soufflee-Skandale der «Republik», soll das Wort des Jahres auf Deutsch sein? Keine Chance für «Ukrainekrieg» oder «Trumpismus» oder «Gazastreifen»?

Und stimmt die Begründung? «Der Unterschriften-Bschiss hat das Vertrauen in das demokratische Schweizer Abstimmungssystem angeknackst.» Vielleicht hätte das ZHAW zur Kenntnis nehmen sollen: der «Unterschriften-Bschiss» ist eigentlich gar keiner. Es war vielmehr ein Skandal-Bschiss, künstlich aufgepumpt, schneller im Nichts versunken als eine Seifenblase.

Platz zwei dann «divers». Begründung: «Im Wort divers verdichten sich Themen, die 2024 in der Schweiz Schlagzeilen machte.» Rettet den Plural am Linguistischen Departement. Ach ja, und die da wären? «Wie sollen etwa Personen amtlich eingetragen sein, die sich weder als Mann noch als Frau sehen?» Das machte vielleicht in gewissen Organen Schlagzeilen, aber alle Umfragen beweisen immer wieder aufs Neue, dass der grossen Mehrheit der Bevölkerung solche Genderthemen schwer an einem Körperteil vorbeigehen, das alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, besitzen.

Und schliesslich noch Nummer drei: «Murgang». Endlich die Umwelt, das Klima. Begründung: «Der Klimawandel führt nicht nur zu höheren Temperaturen und vermehrten Wetterextremen, er wird auch die Schweizer Berge stärker ins Rutschen bringen.» Hilfe, das Matterhorn bröckelt, die Dufour-Spitze ist nicht mehr spitz, den nächsten Gotthard-Tunnel kann man mit der Nagelfeile bohren.

Masseneinwanderung, 13. AHV, Staus auf Autobahnen und sonst, Mieten, Krankenkassenprämien, Militärausgaben, alles keine Themen, die die Schweizer bewegen?

Man sieht wieder mal: selbst die ausgefeilteste KI, selbst eine gigantische Wörtersammlung scheitert, wenn die Jury aus voreingenommenen Fachidioten besteht, die ihre eigene Befindlichkeit wichtiger nehmen als die Befindlichkeit der Bevölkerung. Denn die ist bekanntlich tendenziell doof, denkt Quatsch und muss erzogen und belehrt werden.

Mit solchen Hitparaden kommt man natürlich immer schnell in die Gazetten, was ja auch der Sinn der Sache ist. Denn eigentlich ist die Wahl des Wortes des Jahres ungefähr so Pipifax wie die Wahl der Miss Universe. Allerdings muss man zugeben: die hässlichste Kandidatin wird’s nicht unbedingt. Während aber an den Kriterien bei Miss-Wahlen kräftig rumgenörgelt wird, kommen die Mainstream-Medien nicht auf die Idee, die Auswahl dieser angeblichen Jahreswörter zu hinterfragen oder gar zu bezweifeln. Dafür ist nicht genug Platz in den Verrichtungsboxen im Newsroom.

Daher plustert sich Tamedia auf:

Spassfaktor eins «Nach Recherchen dieser Redaktion» muss es in der Spitzmarke heissen, weil die Meldung ja im ganzen Kopfblattsalat von Tamedia rausgepustet wird, Spassfaktor zwei: selbst ein solches Eigenlob kann die Skelettredaktion nicht mal selbst basteln, sie verwurstet eine SDA-Tickermeldung.

Wieso hier zuerst mit grossem Aufwand und einem «ZHAW-Computerprogramm» aus sagenhaften 1’293’364’381 Wörtern diejenigen herausgesucht wurden, die angeblich «hervorstachen», nur damit dann eine Jury diese Quatschwahl treffen kann: ist das überflüssig wie ein zweiter Kropf oder nicht?