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Zur Methodik der Entlassung

Einen Mitarbeiter zu feuern, das ist immer ein heikler Prozess.

Man kann so etwas so sozialverträglich, psychologisch einfühlsam und von Hilfsangeboten umstellt durchführen. Oder auf Tamedia-Art.

Ein Arbeitgeber mit sozialem Gewissen macht sich diese Entscheidung nicht leicht, begründet sie ausführlich und informiert davon Betroffene vorab. Ist der Arbeitnehmer in einem sensiblen Bereich tätig, dann ist es beispielsweise nicht nur bei Banken so, dass ein oder zwei kräftig gebaute Herren ihn nach dem Entlassungsgespräch (wo sie im Nebenzimmer einsatzbereit waren) an seinen Arbeitsplatz begleiten. Dort darf der Gefeuerte dann seinen persönlichen Krimskrams zusammenpacken, dann gibt er seinen Badge ab und wird zum Ausgang eskortiert.

Vorab wurden ihm, je nach Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit oder besonderen Umständen zusätzliche Angebote gemacht. Frühpensionierung, Umschulung, Hilfe bei der Stellensuche, sehr wohlwollendes Arbeitszeugnis, Überbrückungsgeld, Überbrückungskredit.

Denn der verantwortungsbewusste Arbeitgeber weiss, dass das so ziemlich das Schlimmste ist, was einem normalen Lohnabhängigen passieren kann. Denn deshalb ist er nicht selbständiger Unternehmer geworden. Weil er es gerne sicher hat. Der Lohn ist garantiert spätestens am 28. des Monats auf dem Konto. Die Ferien sind schon fürs nächste Jahr vorausgeplant. Der 13. dient der Begleichung der Steuern.

Kinder in der Ausbildung, Miete, Krankenkasse, Rücklagen, Ferienbudget, Anschaffungen, das Gehalt ist bis auf den letzten Franken verplant. Dass es auf unabsehbare Zeit hereinkommt, das sieht der Arbeitgeber als gesichert an. Besonders, wenn er bei einem profitabel arbeitenden Grosskonzern in Lohn und Brot steht. Selbst wenn er bei einem vom raffgierigen Coninx-Clan beherrschten Konzern im Brot steht. Selbst wenn es schon einige Einschläge in seinem Umfeld gegeben hat.

Daher weiss der verantwortungsbewusste Arbeitgeber, dass vor der Information der Shareholder und der Öffentlichkeit die umsichtige Information der Betroffnen steht. Von denen man sich mit dem Ausdruck ehrlichen Bedauerns verabschiedet, und unter Würdigung ihrer Leistungen.

Das ist bei Tamedia alles anders. Da treibt eine journalistische Leiter namens Simon Bärtschi den Adrenalinspiegel von allen nach oben, indem er eine Massenentlassung, ein krachendes Führungs- und Managementversagen, in eine «Weichenstellung für Qualitätsjournalismus» umlügt. Was beinhaltet, dass die ursprünglich angekündigten 290 zu feuernden Mitarbeiter dem hinderlich im Weg standen.

Tabula rasa wird dabei im Druckbereich gemacht. Da braucht es auch keine persönliche Information der Einzelnen: Ihr alle seid auf der Strasse, das reicht.

Ganz anders sieht es bei der Redaktion aus. Als würde ein Sadist das Drehbuch schreiben, wird zunächst einmal das Streichen von 90 Vollzeitstellen verkündet. Das sei unabdingbar, dringend nötig, unvermeidlich. Eben, Zukunft, Qualitätsjournalismus, geht ohne diese 90, mit ihnen unmöglich.

Wen’s aber trifft, das scheint sich die hochwohllöbliche Geschäftsleitung um Jessica Peppel-Schulz nicht wirklich überlegt zu haben.Also knabbern alle Journalisten an den Fingernägeln, ist das Betriebsklima unter null. Als wäre das noch nicht genug, kündigt Bärtschi noch an, dass er nun auf die Journalisten zugehen wolle. Es spricht für deren Sanftmut (oder Feigheit), dass es auf diesen Hohn keine lautstarken Reaktionen gibt.

Geht’s noch schlechter? Aber immer. Die grossartige neue Strategie zur Qualitätssteigerung mittels Abbau wird nur scheibchenweise enthüllt. Als angeblich gute Nachricht wird verkündet, dass es nun doch «nur» 55 Stellen eingespart werden müssten. Wieso waren es dann vor drei Wochen noch 90? Könnten es auch 127 sein? oder 43? Wird da gewürfelt?

Alle Zürcher Zeitungen, inkl. SonntagsZeitung, werden redaktionell zusammengelegt. Dadurch gibt es ein paar überflüssige Chefredaktoren. Was tun mit denen? Na, mal drüber reden. Grossartig. Gruselig. Und dann gibt es Arthur Rutishauser, was passiert mit dem? Na, der bleibt natürlich Chefredaktor.

Weltpremiere: der erste Chefredaktor ohne eigene Redaktion. Sozusagen die Ein-Mann-SoZ. Einer, der sich selber führt. Chefredaktor Rutishauser gibt Journalist Rutishauser den Auftrag: schreib da mal was drüber, aber nicht zu lang, und pünktlich abliefern. Kann man absurd steigern?

Kaum, aber bösartig schon. Es gibt ja auch Kollateralschäden. Offenbar erst kürzlich fiel der Geschäftsleitung mitsamt Leiter ein: he, was ist eigentlich mit dem «Züritipp»? Hops, oh, ähm, ach, der wird eingestellt. Beschlossen und verkündet. Nur: die betroffene Redaktion erfährt das zeitgleich mit allen anderen. Während ihr zuvor noch vorgegaukelt wurde, dass das Magazin weitergeführt werde. Ist das menschenverachtend oder ist das menschenverachtend?

Aber immerhin, die haben’s hinter sich. Wer auch noch über den Jordan geht, da möchte die unfähige Leitung mit ihrer schweigsamen Chefredaktion die Spannung noch ein wenig am Köcheln halten.

Widerwärtig.

Wumms: Markus Häfliger

Der Tagi-Bundeshausredaktor vergaloppiert sich im Nixverstan.

ZACKBUM hat Häfliger schon ausgiebig gelobt. Also kann uns niemand Einseitigkeit vorwerfen, wenn wir ihn wegen dieses Kommentars tadeln müssen:

Es gelingt selten, dass in einem Titel und Lead alle Aussagen kreuzfalsch sind. Bravo. Zunächst geht es hier nicht um «die Finanzierung» dieser UNO-Organisation. Sie budgetiert jährlich 1,6 Milliarden Dollar, da wären 20 Millionen Franken lediglich eine Geste, ein Klacks, ein Tröpfchen.

Zweitens ist das kein Gebot der Menschlichkeit. So gesehen müsste man jede Hilfe in jedes Elendsloch der Welt als Gebot betiteln. Jemen, Sudan, Äthiopien, Myanmar, gibt es denn da keine Gebote der Menschlichkeit? Entweder gilt Menschlichkeit und ihre Gebote überall – oder nur punktuell, wenn gerade Menschen mit der richtigen Hautfarbe in der richtigen Gegend der Welt leiden.

Wer gegen die Zahlung von 20 Millionen an die UNRWA ist, verursacht keineswegs menschliches Leid in Gaza. Das menschliche Leid dort wird von der Hamas und von Israel verursacht und vergrössert, wobei der Ausdruck mutwillig durchaus angemessen scheint. Aber sicher nicht von Schweizer Bundesräten und «Parlamentarierinnen», wie es im absurden Korrektsprech von Tamedia heisst.

Die israelische Anschuldigung, dass mehrere UNRWA-Mitarbeiter an den Terrorakten der Hamas im Oktober beteiligt seien, hat sich als Propagandalüge entpuppt. Sie trägt zur unübersichtlichen Lage im Gazastreifen bei. Lässt Israel nicht genügend Lebensmittelconvoys hinein – oder versagen die Hilfsorganisationen bei der Verteilung? Baden Palästinenser fröhlich im Mittelmeer, statt zu leiden? Der Gazastreifen ist eine Blackbox, was einzig die Schuld Israels ist; die Netanyahu-Regierung lässt keine unabhängige Berichterstattung zu.

Aber selbst wenn solche israelischen Anschuldigungen nicht stimmen, so gibt es doch genügend Beweise, dass die Tätigkeit der UNRWA im Gazastreifen kontaminiert ist. Fundamentalistischen Terror verherrlichende Unterrichtsmaterialien, menschenverachtende Äusserungen von Mitarbeitern, die eindeutig nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, offensichtlich hat die Leitung des Hilfswerks weitgehend die Kontrolle über das Denken vieler Mitarbeiter verloren.

Neutralität ist aber ein Wesensmerkmal jeder humanitären Organisation. Wenn zum Beispiel Swissaid als eine der wenigen internationalen Entwicklungshilsorganisationen immer noch im Reich der korrupten Ortega-Diktatur in Nicaragua tätig ist, dann wäre es unerträglich, wenn man ihr propagandistische Unterstützung dieses menschenverachtenden Regimes nachweisen könnte.

Wer ganz allgemein im Reich von Diktatoren oder religiösen Wahnsinnigen wie im Gazastreifen unterwegs ist, muss sorgfältig darauf achten, nicht mit ihnen gemein zu werden. Dass auch humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung auf der anderen Seite Regimes davon befreit, selbst für das Wohlergehen ihrer Untertanen besorgt zu sein, ist der hässlichste von vielen negativen Aspekten humanitärer Hilfe.

Sie ist eigentlich immer kreuzkontaminiert, vor allem als Nothilfe. Wenn irgendwo auf der Welt wieder eine Hungersnot droht und Transportmaschinen mit Nahrungsmitteln im Anflug sind, dann rettet das sicherlich Menschen vor dem Hungertod. Auf der anderen Seite zerstört es die bäuerliche Nahrungsmittelproduktion im Land, denn wer will denn noch für einen Sack Reis zahlen, wenn er ihn auch gratis bekommt? Es stabilisiert eine Bevölkerungsmenge, die im Land selbst in dieser Gegend niemals ernährt werden könnte, die nächste Hungersnot kommt so bestimmt wie das Brummen der Transportflieger.

In all solchen Widersprüchlichkeiten müssen sich Hilfswerke wie die UNRWA bewegen. Das ist ein Minenfeld, komplex, widersprüchlich und nur mit äusserster Vorsicht zu begehen. Genau daran hat es die UNRWA-Leitung über Jahre mangeln lassen.

Nun keilt Häfliger gegen all die, die gegen eine weitere Schweizer Unterstützung der UNRWA sind: «Solche Forderungen auf einem gemütlichen Sofa oder in einem getäferten Kommissionszimmer im Bundeshaus zu erheben und sich dabei moralisch gut zu fühlen, ist billig.» Wenn das billig ist, dann ist es ebenso schäbig, auf einem gemütlichen Redaktionsstuhl sitzend, die gegenteilige Forderung zu erheben und sich dabei moralisch besser zu fühlen.

Dann malt Häfliger in einfachen Strichen «das schiere Leid der Zivilbevölkerung. 2,2 Millionen Menschen sind zwischen den Fronten gefangen». Und seit Biafra dürfen die hungernden Kinder niemals fehlen: «Hunderttausende Kinder sind traumatisiert und leiden Hunger.»

Damit erreicht Häfliger den Höhepunkt seiner Suada:

«Schweizer Politikerinnen und Politiker, die in dieser Situation, in der vermutlich grössten humanitären Krise der Gegenwart, der wichtigsten humanitären Akteurin vor Ort den Stecker ziehen wollen, handeln unverantwortlich. Man muss sagen: unmenschlich

Ist das so? Ist es nicht vielmehr scheinheilig, man muss sagen: verlogen, wenn Häfliger hier solch starke Worte findet, ihm aber das Hungern und Leiden in so vielen anderen Gegenden der Welt völlig wurst ist? Das ist kein Whataboutism, sondern weist auf ein Grundproblem solcher Klageschriften hin: sie fokussieren auf ein Elend, das gerade in Mode ist. Das Häfliger zuvor völlig wurst war, sobald das Gemetzel dort vorbei ist, wird es ihm auch wieder egal sein.

Hat er sich schon jemals überlegt, wieso eigentlich eine milliardenschwere humanitäre Hilfe für den Gazastreifen nötig ist? Wieso dort das BIP pro Kopf schon vor der israelischen Invasion bei schlappen 3’200 Dollar im Jahr lag? Wieso dort nicht einmal Strom selbst hergestellt werden kann, kaum etwas produziert wird? Alles nur die Schuld der Israelis? Und wie kann es sein, dass die Bevölkerung die brutale, fundamentalistisch-irre Herrschaft der Hamas seit Jahren akzeptiert?

Wer jubelnd durch die Strassen zog, um das Massaker vom Oktober zu feiern, muss der sich nicht Selbstverschulden ankreiden lassen, war der nicht selbst unmenschlich?

Wenn eine Situation so kompliziert ist wie die Bewertung der Tätigkeit der UNRWA im Gazastreifen, dann braucht es so einen terrible simplificateur wie Häfliger zu allerletzt.