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Ab wann wird’s kriminell?

Auch der «Blick» warnt vor Putin.

Und wie:

Leider müssen ungefähr 99,9 Prozent aller «Blick»-Leser draussen bleiben, der Beitrag verbirgt sich hinter der Bezahlschranke. Das ist auch nicht ganz schlecht so, denn eigentlich sollte er an einer Qualitätsschranke scheitern. Aber worum geht es?

Trommelwirbel, düster dräuende Musik: «Was hat Moskau vor? Kommt es zu einer weiteren Invasion? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.»

Also doch, überfällt der irre Kremlherrscher nun doch noch die baltischen Staaten? Polen? Deutschland? Die Schweiz? Zunächst kann man da Entwarnung geben: «In Osteuropa ist die Alarmbereitschaft erhöht worden, nachdem in einem Land massive hybride Operationen verzeichnet worden sind. Hinter den Angriffen soll der Kreml stehen.»

Wer denn sonst; aber wer schlägt hier die Alarmglocke? «Es war Alexandru Musteata, der Direktor des Nachrichten- und Sicherheitsdienstes in der Moldau, der über hybride Operationen in einem «noch nie dagewesenen Ausmass» informierte.»

Na, der weltweit anerkannte Warner Musteata ergreift das Wort. Sekundiert wird er vom nicht minder weltberühmten Ulrich Schmid, angeblich Russland-Experte an der Uni St. Gallen, der erklärt: «Er meint den Oligarchen Ilan Schor, dessen prorussische Partei im vergangenen Jahr vom moldauischen Verfassungsgericht als verfassungswidrig verboten wurde

Ja furchtbar, die Republik Moldau, seit 1990 ein eigenständiger Staat, seither in Problemen mit Transnistrien, soll im Fokus russischer Expansionsgelüste stehen, nachdem das mit der Ukraine bekanntlich fantastisch geklappt hat. Da will nun leider kein ernstzunehmender «Experte» in Warnsignale einstimmen, also schaut man auf der Reservebank der Pensionäre nach: «Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von EuroDefense Deutschland, sagt zu Blick über die Wirkung hybrider Angriffe:» das, was man halt so über hybride Angriffe verzapft.

Und was will der Gottseibeiuns im Kreml eigentlich? «Im vergangenen Jahr tauchte ein Geheimpapier auf, das besagte, dass Russlands Präsident Wladimir Putin (71) das kleine Land bis spätestens 2030 von Moskau abhängig machen wolle.» Ist das auch immer blöd mit Geheimpapieren, dass sie dann nicht mehr geheim sind.

Will nun Russland nochmal einmarschieren? Blöd für den «Blick»: ««Eine Invasion halte ich für eher nicht opportun», sagt Thiele, «weil sich die russischen Truppen hier in eine schwierige taktische Lage bewegen, die unnötig Streitkräfte bindet.»»

Was will aber der Westen mit Moldau? Nur Gutes, versteht sich: «Es geht in erster Linie darum, das arme Land zu stabilisieren und an den Westen zu binden. Im kleinen Land herrscht ein monatliches Pro-Kopf-Einkommen von nur 200 Franken

Da sieht man’s mal wieder. Putin will destabilisieren und einmarschieren. Der Westen hingegen will stabilisieren und das Durchschnittseinkommen steigern. Zwei ganz verschiedene Ansätze. Der Erfolg solch westlicher Massnahmen zeigt sich überall. In Vietnam, Kambodscha, Irak, Syrien, Libyen und nicht zuletzt in der Ukraine.

Revolution, leicht verständlich

Bildungsauftrag: ZACKBUMs Buchtipps für den Sommer.

Eigentlich hat das Buch einige Eigenschaften, die abschrecken könnten. Es ist ein Wälzer mit 668 Seiten. Es ist von einem Bestsellerautor geschrieben, der Schinken am Laufmeter abliefert. Über Stalingrad, den Spanischen Bürgerkrieg oder die Ardennen-Offensive.

Jetzt hat sich Sir Antony Beever Russland vorgenommen: «Revolution und Bürgerkrieg 1917 bis 1921». Nun gibt es zu Stalingrad bereits das gewaltige Werk «Leben und Schicksal» von Wassili Grossmann. Die moderne Version von «Krieg und Frieden» ist nur etwas für Leser mit starken Nerven.

Und über die Oktoberrevolution und die nachfolgenden Wirren des Bürgerkriegs gibt es schon ein Meer von Büchern, angefangen bei Leo Trotzkis «Geschichte der Russischen Revolution», geschrieben im Exil, und eine Bibliothek von Werken auf der Parteilinie der KPdSU, darunter so Gewaltswerke wie John Reeds «10 Tage, die die Welt erschütterten». Kongenial verfilmt von und mit Warren Beatty in «Reds»

Es gibt bewundernde, kritische, parteiliche, abschätzige, ideologische und einäugige Bücher über die Russische Revolution. Und es gibt George Orwells «Farm der Tiere», die wohl bitterste Abrechnung damit.

Daher zeugt es von Mut, ein weiteres Buch über Revolution und Bürgerkrieg vorzulegen. Aber es ist unbedingt empfehlenswert. Es braucht wohl den kühlen englischen Blick auf die Geschichte, um den Leser an der Hand zu nehmen und durch eine unendliche Anzahl von handelnden Personen, Einzelereignissen, durch all die Zufälligkeiten zu führen, die die Oktoberrevolution und die Machtergreifung der Bolschewiken unter Lenin möglich machten.

Beever gelingt dabei gleich ein doppeltes Kunststück. Trotz der Materialfülle und dem Detailreichtum fühlt sich der Leser nie verloren oder überfordert. Aber noch wichtiger: man hat den Eindruck, dass es wohl genau so gewesen sein könnte.

Denn Geschichte ist bekanntlich nicht die möglichst objektive Beschreibung von vergangenen Ereignissen. Geschichte ist immer ein Steinbruch, aus dem Historiker die passenden Geröllbrocken heraussuchen und nach ihrem Gusto behauen. Ehrlichere geben wenigstens ihren ideologischen Standpunkt bekannt, unehrliche behaupten, dass es so gewesen sei, wie sie es darstellen.

Man möchte nicht wissen, was der «Russland-Experte» und ehemalige NZZ-Journalist Ulrich Schmid zur Russischen Revolution heute sagen würde, nachdem er sich mit einem untauglichen Vergleich zwischen Afghanistan und der Ukraine unglaubwürdig gemacht und disqualifiziert hat.

Denn natürlich ist die Oktoberrevolution für die siegreichen Ideologen des Westens eine historische Katastrophe, ein schreckliches Ereignis, das nahtlos in die Schrecken des Stalinismus überging, viele Millionen Tote forderte und viel zu spät 1990 sein Ende fand.

Für andere ist es der erste hoffnungsvolle Versuch, die Theorien von Marx und Engels in die Praxis umzusetzen, der nur teilweise an den eigenen Widersprüchen, vor allem aber durch den Versuch der imperialistischen Staaten scheiterte, die Ausbreitung der Revolution zu verhindern und die erste proletarische Revolution in ihrem eigenen Blut zu ersticken.

Sie erinnern daran, dass die Sowjetunion mit Abstand den höchsten Blutzoll im Zweiten Weltkrieg entrichtete, Opfer eines Vernichtungsfeldzugs wurde, in dem die deutschen Horden unvorstellbare Gräueltaten in den eroberten Gebieten begingen. In den Plänen für Grossgermanien war für die bolschewistisch-slavischen Untermenschen kein Platz mehr, sie sollten noch als Zwangsarbeiter nützlich eingesetzt und dann ausgelöscht werden.

Das alles nahm in den Monaten zwischen Februar und Oktober (nach dem russischen Kalender) 1917 seinen Anfang. Unvorstellbar, wie ein kleines Grüppchen von Berufsrevolutionären, das knapp einen Zug füllte, der sie vom Schweizer Exil durch Deutschland hindurch nach Russland brachte, als Sieger aus den Wirren des Ersten Weltkriegs hervorging.

Genauso unvorstellbar, dass sich die Rote Armee gegen die Weissen, gegen alle Interventionsheere der westlichen imperialistischen Staaten am Schluss durchsetzte. In einem Bürgerkrieg, der von beiden Seiten mit unvorstellbarer Brutalität geführt wurde und in dem keine Gefangene gemacht wurden.

Adlige und Offiziere wurden auf Bajonette aufgespiesst, um Munition zu sparen, Rotgardisten wie auch Kadetten wurde nach einer Kapitulation freier Abzug versprochen – um sie dann zu massakrieren.

Präsident Putin beruft sich in seinen Reden immer wieder auf die Tradition der Oktoberrevolution und sieht im Zusammenbruch der UdSSR die grösste Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Man muss diese Ansicht nicht teilen. Aber wer die Vergangenheit nicht kennt, versteht die Gegenwart nicht. Wer beispielsweise den Zarismus verklärt, wie das der grosse Gulag-Kritiker Alexander Solschenizyn tat, übersieht dessen Unfähigkeit in Kriegen und dessen völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der russischen Bauern, die mittelalterlich in unvorstellbarer Armut vor sich hin vegetierten.

Wer Hungersnöte und die stalinistischen Säuberungen als singuläre Verbrechen verurteilt, kennt die russische Vorgeschichte nicht. Wer bedingungslos die Ukraine unterstützt, kennt deren Geschichte vor und während der Sowjetunion nicht, kennt deren braun-befleckte Geschichte im Zweiten Weltkrieg nicht.

Aber ganz am Anfang der Ereignisse steht die leninsche Revolution, steht dieser Ausnahmekönner der Macht, der noch im Februar, ja noch im August 1917 schallend ausgelacht wurde, als er ankündigte, dass seine Bolschewiken bereit und in der Lage seien, die Macht in Russland zu übernehmen.

Die spätere Sowjetunion, das grösste Land der Erde, umfasste in den bittersten Zeiten nicht viel mehr als rund 200 Quadratkilometer um Moskau herum. Es brauchte den Machtwillen Lenins und das militärische Genie Trotzkis, um wenige Jahre später überall die rote Fahne flattern zu lassen, bis nach Wladiwostok und Anadir.

Wie war es wohl, wie kam es dazu? Beever lesen, und man meint, eine Ahnung zu haben. Die nötige Zeit dafür kann man leicht freimachen, indem man darauf verzichtet, die gesammelte Kriegsberichterstattung der Medien zu konsumieren.

Alleine, was hier beim 17-stündigen militärischen Furz eines an die Wand gedrängten Söldnerführers für Unsinn geschrieben wurde, disqualifiziert diese Berichterstattung restlos. Und wäre das nicht genug: die völlige Unfähigkeit, wenigstens das krachende Versagen einzuräumen («Militärputsch, Putin wankt, fällt Moskau, ist Putin bereits geflohen»), disqualifiziert all diese Kreml-Astrologen nochmals.

Also Beever lesen, um die Geschichte zu verstehen. Wer statt Dummschwätzerei einen satirisch-überhöhten, aber genauen Blick auf die Aktualität in Russland lesen möchte: Dmitry Glukhovsky: «Geschichten aus der Heimat». Nur jemand, der seine Heimat liebt, kann so gnadenlos die Realität ins Fantastische abdrehen, um sie genau einzufangen.

Antony Beevor: «Russland. Revolution und Bürgerkrieg 1917 – 1921». C. Bertelsmann Verlag, 2023.
Dmitry Glukhovsky: «Geschichten aus der Heimat». Heyne Verlag, 2022
Wassili Grossmann: «Leben und Schicksal». Ullstein Verlag, Neuauflage 2020

Geschichte, reloaded

Der NZZ-Redaktor im Unruhestand schreibt die Geschichte neu.

Wer pensioniert ist, hat viel Zeit. Wer als Journalist pensioniert ist, hat meistens noch Schreibdrang. Da seine Werke wohlfeil zu haben sind, bringt sie sein ehemaliges Organ NZZ gerne. Dort sondert er dann Einschätzungen ab, die meistens schon veraltet sind, sobald er sie formuliert hat.

Nun fasst er gewaltig unter den Mantel der Geschichte und bläst in ihn, bis er kräftig flattert:

Denn er hat eine Idee, die auf den ersten Blick ausbaufähig erscheint. Im Februar 1989 zogen sich die letzten sowjetischen Truppen aus Afghanistan zurück. Natürlich soll das der Anfang eines Vergleichs mit der Invasion der Ukraine in der Jetztzeit sein. Rund zwei Jahre später hörte die UdSSR offiziell auf zu existieren. Bevor Schmid aber parallelisieren kann, muss zuerst eine Packungsbeilage her: «Natürlich kollabierte die Sowjetunion nicht wegen der Invasion in Afghanistan – nicht nur.» Nicht nur, oder eher nicht. Oder eigentlich überhaupt nicht.

Aber man soll sich doch nicht von Fakten eine schöne Story kaputtmachen lassen. Um die Grundlagen für Parallelen zu schaffen, pflügt Schmid nun die Geschichte der sowjetischen Intervention in Afghanistan kräftig um und holzt mal los:

«Moskau handelte in Afghanistan imperialistisch, völkerrechtswidrig und verbrecherisch: in der Ukraine genauso

Das ist natürlich, gelinde gesagt, Unsinn. In Afghanistan war eine kommunistische Regierung an der Macht, die fortschrittliche Reformen durchsetzen wollte und durch fundamentalistische Wahnsinnige in ihrer Existenz gefährdet war. Ihr wollte die Sowjetunion zu Hilfe eilen. Denn was immer man von der UdSSR und dem Kommunismus halten mag: für die afghanische Bevölkerung, in erster Linie für die Frauen, für die Analphabeten, für die Armen und Geknechteten war es ein Segen, ein Lichtblick, der Anfang des Weges ins 20. Jahrhundert.

Dann lässt Schmid ungefähr die Hälfte der Wahrheit einfach weg:

«Die Hilfe für die Mujahedin lief schleppend an, aber nach ein paar Jahren hatten die USA zusammen mit Pakistan und den Saudi effiziente Nachschubnetze aufgebaut.Heute statten die USA und Europa die Ukraine mit Geld, Waffen und geheimdienstlichen Erkenntnissen aus. Was sie wieder nicht schicken, sind Truppen.»

Die andere Hälfte wäre: nachdem nicht zuletzt durch die Lieferung von Stinger-Raketen die Sowjetunion zum Rückzug gezwungen wurde, errichteten die sogenannten «Freiheitskämpfer» der Mujahedin ein mittelalterliches, frauenfeindliches, religiösen Wahnsinn verherrlichendes Regime – und wurden zur Brutstätte des internationalen Terrorismus, boten sich als Operationsbasis für eine Unzahl von Terrororganisationen an – auch Bin Laden machte davon gerne Gebrauch.

Als die USA nach 9/11 davon genug hatten, versuchten sie selbst – letztlich genauso erfolglos wie die UdSSR – in Afghanistan militärisch einzugreifen. Zu ihrem besonderen Ärger mussten sie feststellen, dass Stinger-Raketen keinen Unterschied zwischen sowjetischen oder US-Helikoptern machten. Die USA hatten sich hier selbst eine Brutstätte von fundamentalistischem Terror herangezüchtet und die sogenannten «Freiheitskämpfer» mit Waffen ausgerüstet, die die nun gegen die USA einsetzten. Welch Absurdität.

Diesen Teil der Geschichte lässt Schmid einfach weg, denn das würde ja nicht in die Parallelität passen – denn die Ukrainer mögen zwar teilweise angebräunt sein, aber fundamentalistische Wahnsinnige sind sie sicher nicht.

Aber was soll’s, wie schreibt Schmid entlarvend offenherzig: «Droht Russland heute dasselbe Schicksal? Wird Putin nach einer Niederlage stürzen wie einst Gorbatschow? Wird Russland zerfallen wie die Sowjetunion? Niemand kann es sagen. Doch die Freunde der historischen Analogie frohlocken: Tatsächlich finden sich Ähnlichkeiten, Parallelen und Übereinstimmungen zuhauf

Parallelen finden sich immer, wenn man sie selbst in die Geschichte hineinträgt, um sie dann frohlockend zu «entdecken». Während aber zuvor im Artikel Putin noch sicher im Sattel sitzt, lässt Schmid am Schluss seiner Wunschvorstellung freien Lauf:

«Der Westen könnte sich noch wundern, wie schnell das Volk von Putin und seiner kriegslüsternen Kamarilla abrückt, wenn ihm das Wasser zum Hals steht. Jahrelang werden auch die an Leib und Seele Verwundeten zurückkehren. Sie werden in ein Land kommen, das wirtschaftlich ermattet ist und kaum noch in der Lage sein wird, sie zu unterstützen.»

Bevor das passiert, wundert sich allerdings der Leser, wieso die NZZ einem dermassen ahistorischen, einäugigen, polemischen Artikel eine ganze Seite einräumt. Sicher, ehemalige Mitarbeiter soll man ehren, aber auf Kosten des Lesers?

Das erste Opfer des Kriegs

Nein, das ist nicht die Wahrheit. Weil es immer nur Wahrheiten gibt.

Das erste Opfer eines Kriegs ist die Bereitschaft zur Nachdenklichkeit. Ist der Verlust der Einsicht, dass niemand die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Stattdessen ist der Wettbewerb eröffnet: wer formuliert mit möglichst wenig Kenntnissen eine möglichst starke Meinung?

Dabei gibt es bislang nur eine unumstössliche Tatsache: Es ist ein durch nichts zu rechtfertigender Angriffskrieg. Es ist keine präventive Verteidigung. Es ist keine Aktion zur Entnazifizierung und auch nicht zur Verhinderung eines Genozids.

Sonst aber ist es alles, was Grossmächte halt ab und an so tun. Was die USA samt ihren westlichen Verbündeten in Vietnam, in Afghanistan, im Irak und in den Gebieten des sogenannten arabischen Frühlings taten und tun. Es ist das, was die europäsichen Verbündeten und die NATO insgesamt in Jugoslawien taten. Einen völkerrechtswidrigen Krieg zu führen nämlich, der nicht zuletzt in der völlig illegalen Abspaltung des Kosovo von Serbien endete, begleitet von Massakern allerorten.

Das macht die serbische Regierung nicht zu einer Versammlung von Chorknaben, genauso wenig wie die ukrainische. Noch 2014 gab es die Beteiligung von Neofaschisten an der ukrainischen Regierung, bis heute spielt das Regiment Asow, dem ukrainischen Innenministerium unterstellt und voller bewaffneter Neofaschisten, eine unrühmliche Rolle.

Die armen, uninformierten Russen

Weit verbreitet ist das Bedauern, dass die russische Bevölkerung leider nur von staatlich gelenkten Medien beschallt werde, was natürlich die Zustimmungswerte für Diktator Putin erkläre. Das ist ein typisches Beispiel für fehlende Fähigkeit zur Differenzierung.

Es ist grundsätzlich richtig, dass beispielsweise der auch auf Deutsch erhältliche Sender «Russia Today» die Karikatur eines nach journalistischen Prinzipien arbeitenden Newsverarbeiters ist. Die russischen TV-Programme, die grossen russischen Zeitungen, unbrauchbar. Aber: dank Internet kann sich jeder Russe, etwas Gelenkigkeit vorausgesetzt, beliebig informieren, aus allen erhältlichen Nachrichtenquellen der Welt.

Was die Schweizer Mainstream-Medien bieten, unterscheidet sich nicht gross von der disqualifizierenden Berichterstattung über die Pandemie. Repetitive Schwarzweiss-Malerei, oberflächliches Gehampel, verzweifelte Suche nach «Experten», die die Angst vor einem Atomkrieg zerstreuen sollen.

Jeder Schweizer kann sich aus allen alternativen Nachrichtenquellen der Welt bedienen. Wer sich die Zeit nehmen will, ein wenig Gegengift gegen den Mainstream aufzunehmen, dem sei ein schon älterer Artikel empfohlen.

Man bedauert, dass viele dieser warnenden Stimmen für immer verstummt sind. Unter den hier aufgeführten nur ein Zitat:

«Wir, die Unterzeichner, glauben, dass eine weitere NATO-Osterweiterung die Sicherheit unserer Alliierten gefährden und die Stabilität in Europa erschüttern könnte. Es besteht für die europäischen Nachbarn keine Bedrohung durch Russland.»

Welcher russlandhörige Kurzdenker hat denn das formuliert? Nun, es handelte sich um niemand geringeren als den für den Vietnamkrieg verantwortlichen ehemaligen US-Verteidigungsminister Robert McNamara.

Oder ein Zitat des Kriegsverbrechers und Kältesten aller kalten Krieger, Henry Kissinger: «Um zu überleben und sich zu entwickeln, darf die Ukraine Niemandes Vorposten sein. Vielmehr sollte sie eine Brücke zwischen beiden Seiten darstellen. … Dabei sollten wir uns um Versöhnung bemühen, und nicht um eine Dominanz einer der Fraktionen. … Die Dämonisierung von Wladimir Putin ist keine Politik. Sie ist ein Alibi für die Abwesenheit von Politik

Und der Elder Statesman Helmut Schmidt liess ebenfalls keinen Zweifel an seiner Meinung über eine mögliche Aufnahme der Ukraine in die EU und die NATO: «Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.»

Jeder kann sich irren. Nur der «Experte» nicht

Natürlich können sich auch alle diese Herren irren. Darum geht es aber gar nicht. Es geht darum, dass in den Mainstreammedien, in der sogenannten freien Presse des Westens, in den von drei Medienclans beherrschten Tageszeitungen der Schweiz keine einzige Stimme Gehör findet, die sich um etwas Differenzierung bemüht.

Stattdessen geht die verzweifelte Suche nach Russland-Erklärern weiter. Genauer nach Figuren, die wie gewünscht in den Echo-Chor der Putin-Verdammer einstimmen. Neuster Versuch von «Blick TV»: Ulrich Schmid. Der HSG-Professor fantasiert von einem möglichen Zusammenbruch des Regimes und analysiert mit unglaublichen prognostischen Fähigkeiten: «Ich könnte mir vorstellen, dass die Einschüchterung massiver wird

Der Mann mit der Glaskugel: Zukunftsseher Ulrich Schmid.

Für solche Erkenntnisse sind wir echt dankbar, denn dafür muss man Slawistik studiert haben.