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Sendepause

ZACKBUM macht etwas Originelles: ein Ukraine-Sabbatical.

Am 24. Februar jährte sich der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Bei aller Ursachen- und Motivforschung, bei allen gegenseitigen Schuldzuweisungen, bei allen auseinanderklaffenden Meinungen dazu: es war ein eklatanter Bruch der verbindlichen Zusage, gegen die Rückgabe der auf ukrainischem Boden stationierten Atomwaffen der ehemaligen UdSSR die territoriale Integrität des neu unabhängigen Staates zu garantieren.

Gleichzeitig ist es die übliche imperiale Machtpolitik, wie sie auch die USA (und neuerdings auch China) betreiben. Die USA sogar weltweit, von Südostasien bis in ihren sogenannten Hinterhof Lateinamerika.

Das macht natürlich die Invasion keinen Deut verständlicher, aber es relativiert alle Versuche, den Überfall eines korrupten Regimes auf einen korrupten Oligarchenstaat zu rechtfertigen.

ZACKBUM hat mit aller Stimmkraft klargestellt, dass wir persönlich null Bedürfnis haben, in einer geradezu endzeitlichen Auseinandersetzung zwischen dem angeblich Guten gegen das angeblich Böse atomar in Asche verwandelt zu werden.

Wir sind es zunehmend Leid, all diesen Schreibtischtätern auf die Finger klopfen zu müssen, die als Sandkastengeneräle gerne andere in den Tod schicken wollen, leiden lassen möchten, von der Verteidigung der Demokratie und der Freiheit und westlicher Werte ausgerechnet in der Ukraine faseln.

Daher hat die Redaktionsleitung von ZACKBUM beschlossen, in Rücksprache mit dem Verleger, der sich des Einverständnisses des Besitzers versicherte, vorläufig auf weitere Kommentierung zum Thema Ukraine zu verzichten. Die Redaktoren hat wie üblich keiner um ihre Meinung gefragt. Dieses Sabbatical gilt natürlich nicht für Zuarbeiter; so liberal sind alle Entscheidungsgremien bei ZACKBUM.

Das ist aber eine schlechte Nachricht für alle Medienschaffenden in der Schweiz. Sie produzieren ja auch auf anderen Gebieten jede Menge Stuss, der hier weiter aufgespiesst wird.

Ohne uns vergleichen zu wollen, Karl Kraus schrieb einmal: «Ich aber bleibe stumm, und sage nicht, warum.»

Persönliches Manifest

ZACKBUM ist nicht nur Beobachter. Sondern auch Partei.

Es ist im Journalismus verpönt, das Wort «ich» zu verwenden. Ausser, es geht um das Ich. Mir geht es um mein Ich, also verwende ich für einmal dieses Wort.

Ich möchte gerne meine Restlaufzeit auf Erden in Frieden beenden. Ich bin mir bewusst, dass eine Geburt inmitten Europas dafür einerseits gute Voraussetzungen geschaffen hat, für die ich nichts kann. Das Leben in der Schweiz schafft noch bessere Voraussetzungen dafür, für die ich auch nicht viel kann.

Wer wie ich nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, den aber aus dem Erleben seiner Eltern kennt, glaubte mit zunehmendem Alter erstaunt prognostizieren zu können, dass er zu den wenigen, den ganz wenigen Generationen in der Geschichte Europas gehören dürfte, die von der Wiege bis ins Grab keinen Krieg in unmittelbarer Nähe erleben mussten.

Die Bürgerkriege in Ex-Jugoslawien mit all ihren Kriegsverbrechen, begangen nicht zuletzt auch von der NATO, unterstützt nicht zuletzt auch von den ehemals pazifistischen Grünen, konnte man noch mit wahrhaft eurozentristischer Arroganz als Randerscheinung im Wilden Osten abtun, was ja nun nichts mit Kerneuropa zu schaffen habe.

Unter dieses Kriterium könnte eigentlich auch der Krieg in der Ukraine fallen. Er könnte uns, Pardon, so scheissegal sein wie der Gemetzel im Jemen. Wie das Gemetzel in Tigray (wer weiss schon, wo das liegt. Da sind auch nur mehr als eine halbe Million Menschen umgekommen, zwei Millionen wurden vertrieben. Aber sie haben die falsche Hautfarbe und lebten am falschen Ort). Wie die Kriegsverbrechen des NATO-Mitglieds Türkei in Syrien. Es könnte uns egal sein wie die Desaster, die die Achse des angeblich Guten im Irak, in Afghanistan, in Libyen verursacht hat.

Wie der verbrecherische Krieg der USA in Südostasien, in Vietnam, Laos und Kambodscha, für den die Supermacht bis heute keinen Cent Reparationen bezahlt hat.

Wir könnten den Völkern der Ukraine, Russlands oder des Iran wünschen, dass sie ihre korrupten und unfähigen Führungscliquen zum Teufel jagen. Man könnte das alles tun im festen und sicheren Wissen, dass unsere Stimme, die Stimme der einfachen Bürger, meine Stimme weniger als Blasen gegen den Wind ist, wenn die Mächtigen, die grossen Töter und Herren, Weltpolitik machen, Machtpolitik.

Dennoch wird hier auf ZACKBUM herumgekräht, opiniert, räsoniert und kritisiert. Warum? Einfach deswegen, weil mir mein Leben lieb ist. So egoistisch bin ich nunmal. Ich sehe nicht ein, wieso in der undemokratischen Ukraine die Demokratie verteidigt werden soll. Ich sehe nicht ein, wieso ein imperialer Machtkampf zwischen den USA und Russland zur endzeitlichen Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse hinaufstilisiert werden sollte.

Weder Biden noch Putin, noch Selenskyj geben einen feuchten Dreck auf meine Meinung – oder meinen Wunsch, wenn irgend möglich mein Leben nicht in einer atomar zerstörten Welt beenden zu wollen. Auch wenn ich ein «Manifest für den Frieden» mitunterzeichne, wiege ich mich nicht in der Illusion, dass das einen Einfluss auf die Politik von Olaf Scholz haben könnte.

Aber was mich umtreibt, sind diese unreflektierten Kriegsbefürworter, diese Militärstrategen in ihren Redaktionsstuben, die der Welt, Putin, Biden, Europa, der Schweiz, der Schweizer Regierung, der Schweizer Bevölkerung Ratschläge aufdrängen wollen, was sie zu tun oder zu lassen hätten.

Was mich umtreibt, sind diese verantwortungslosen Kriegstreiber, bei denen man nur froh sein kann, dass auch auf ihre Meinung (fast) niemand etwas gibt.

Was mich umtreibt, sind diese Bellizisten, die lustvoll die Ukrainer in noch mehr Leid und Tod treiben wollen, die sie mit allen dafür nötigen Waffen ausrüsten möchten, die am liebsten wieder deutsche Panzer durch die Ukraine rollen sehen wollen, die es diesmal dem Iwan richtig besorgen möchten, diesem Untermenschen, der doch tatsächlich mehrheitlich für einen Vollirren, einen dementen Kriegsverbrecher wie Putin sein soll.

Was mich umtreibt, ist deren Indolenz, dass aus dem Ukrainekrieg ohne Weiteres ein Dritter Weltkrieg werden kann. Die das nicht sehen wollen oder können und in einer Spirale der Eskalation gefangen sind, die von Munition über schwere Waffen und Kampfpanzer nahtlos zu Kampffliegern, Raketen und U-Booten führt.

Was mich umtreibt, sind diese publizistischen Brandstifter, sei das der alte Wanner oder sei das ein deutscher CDU-Politiker, die mit Nato-Bodentruppen oder der Bombardierung von Munitionslagern in Russland oder von Luftangriffen auf Russland fantasieren.

Was mich umtreibt, sind diese fahrlässigen Undemokraten, die erfüllt vom sicheren Wissen um das Gute den Schweizer Rechtsstaat, die Eigentumsgarantie, die Neutralität in die Tonne treten wollen, weil sie meinen, ihre Mission sei wichtiger und richtiger als all das.

Demgegenüber muss ich klar festhalten, ob ich damit als Diversant (für die wenigen Gebildeten), als Putin-Versteher (für die Trottel und Würstchen) oder als feiges Weichei gelte, das den imperialen Gelüsten des Kreml-Herrschers willfährig nachgeben will: für mich ist die Ukraine keinen Weltkrieg wert. Für mich ist die Verteidigung eines korrupten Oligarchen-Systems gegen den Überfall durch ein anderes keinen Weltkrieg wert.

Allen, die das propagieren, die dann wieder einmal fassungslos stammeln würden «das habe ich doch nicht gewollt», all denen sei ein deutliches Gedicht von Bertolt Brecht in Erinnerung gerufen, das er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schrieb, als nach dieser Weltkatastrophe von vielen, die sie mitverursacht hatten, «vergessen und Schwamm drüber und nach vorne schauen» propagiert wurde.

Vielleicht ist das nach einem atomaren Weltkrieg gar nicht mehr möglich, dass man sich aus der Verantwortung stehlen kann, aber falls doch, sei all diesen warmonger, diesen Kriegshetzern ins Stammbuch geschrieben, was Brecht in kalter und berechtigter Wut formulierte:

«Und die da reden von Vergessen
und die da reden von Verzeihn –
All denen schlage man die Fressen
mit schweren Eisenhämmern ein

Das Tiefe im Flachen

Wie CH Media die Welt verstehen will.

Die Welt ist bekanntlich rund, bunt und kompliziert. Das zeigt sich insbesondere in der Ukraine. Nun nähert sich der Tag, an dem Russland unter Bruch aller Versprechen der Wahrung der territorialen Integrität der Ex-Sowjetrepublik in das Land der korrupten Oligarchen einfiel, die sich einen Präsidenten gekauft hatten.

Dazu muss natürlich Hinz und Kunz, also Lohnschreiber und schreibender Operetten-Chefredaktor, etwas Tiefsinniges absondern, weil sich der Tag der Invasion jährt. Und Jahrestage sind immer Leitlinien für die Medien, oftmals Leidlinien für die Leser.

Das «Tagblatt» aus dem Hause Wanner, also Mitglied des CH-Media-Imperiums, macht da keine Ausnahme. Zunächst einmal darf Raffael Schuppisser das Wort ergreifen: «Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Die Generäle, Putin und wir – alle haben sich getäuscht».

Das macht ja nix, von dieser Ausgangsbasis her kann man doch weiterschreiben. Schuppisser bringt für seine Ukraine-Analyse beste Vorraussetzungen mit. Er hat an den Universitäten Basel und Zürich Philosophie studiert. Er ist laut LinkedIn «Redaktor Digital & Wissen Schweiz am Sonntag», zudem «Ressortleiter Leben & Wissen Schweiz am Sonntag» und zeitgleich «Stv. Chefredaktor| Leiter Kultur & Leben/Wissen». Vielleicht darf man ihn auf den Irrtum aufmerksam machen, dass es die «Schweiz am Sonntag» schon ein Weilchen nicht mehr gibt.

Aber gut, das alles hindert ihn nicht daran, über die Ukraine nachzudenken. Weiss ein Philosoph, wie die Zukunft aussieht? Nein, Schuppisser hält sich da mehr an Sokrates, in der Version von Platon, überliefert von Cicero: «Wie geht es weiter? Die ehrliche Antwort ist: Keiner weiss es.»

Aber das ist nun zu viel Nichtwissen, Schuppisser muss hinzufügen: «Denn dieser Krieg – in dem es nicht zuletzt um die Verteidigung der demokratischen Werte geht – darf nicht mit einer Niederlage der Ukraine enden.» Es ist immer wieder erstaunlich, dass es in einem korrupten Oligarchensystem in einem Staat, der erst seit rund 30 Jahren in die Unabhängigkeit taumelt, dessen Präsident sehr rustikal mit Opponenten umgeht, in dem eine Zensur wie in Russland herrscht, dass es ausgerechnet hier um die «Verteidigung demokratischer Werte» gehen soll. Aber vielleicht muss man das philosophisch sehen.

Nun schüttet das «Tagblatt» zum Jahrestag ein ganzes Füllhorn von Artikeln und Kommentaren zum Thema Ukraine aus. «Eine Ukrainerin aus dem Thurgau näht Kriegsmaterial für die Heimat – aber der Export aus der Schweiz ist verboten». Aber es wird dennoch genäht und verschickt; nicht nur Bekleidung, weiss das «Tagblatt»: «Nebst Tarnanzügen basteln die Ukrainerinnen Grabkerzen, die gerade in den klirrekalten Nächten die Soldaten wärmen, die sich für ihre Heimat einsetzten.» Wärmende Grabkerzen? Sachen gibt’s.

Aus dem fernen Peking meldet sich der Jungspund Fabian Kretschmer mit wie immer spekulativen Wackel-News: «Im Westen versucht sich die Volksrepublik als Vermittlerin im Ukraine-Krieg zu positionieren, doch gegenüber Russland gibt sie sich loyal. Die US-Regierung glaubt, Peking könnte bald eine rote Linie überschreiten.»

Fabian Hock hat eine glasklare Meinung über die Stippvisite des US-Präsidenten: «Bidens Besuch in Kiew ist jedoch nicht nur eine Ohrfeige für den Kriegstreiber im Kreml. Es ist auch eine glasklare Botschaft an die Ukraine. Sie lautet: «Die USA stehen hinter euch.» Davon kann Biden nun nicht mehr abrücken. Sein persönliches Erscheinen in Kiew ist die ultimative Zusicherung von Unterstützung

Gleich zwei Korrespondenten braucht es, um dem Leser einen Blick in den innersten Machtzirkel der USA zu erlauben, wo Renzo Ruf sich unter dem Schreibtisch Bidens verstecken durfte: «Die Entscheidung fiel am Freitag im Oval Office des Weissen Hauses. Umgeben von seinen engsten Beraterinnen und Beratern beschloss der amerikanische Präsident, vor seiner anstehenden Reise nach Polen auch einen Abstecher nach Kiew zu machen.»

Launig berichtet dagegen Inna Hartwich aus Moskau: «Socken stricken für Russlands Helden». Dort ist natürlich alles manipuliert, Propanda, Fake, den aber die Korrespondentin glasklar durchschaut: «Der Krieg ist nah, das Mädchen strahlt in die Kamera. Sie fährt fort mit dem auswendig gelernten Gedicht, mit dem sie sich in den Dienst von Russlands Kriegspropaganda stellt und sich ausstellen lässt

Für die militärische Einschätzung ist dann Armeechef Thomas Süssli zuständig. Er teilt mit dem Leser seine Learnings: «Was wir aus dem Ukrainekrieg lernen: Man hat nie genügend Munition.»

Stefan Bühler mahnt Leistungen an, die er persönlich erbringen will. Ach, nein, eine Milliarde sollen alle Steuerzahler und andere aufwerfen: «Es ist unerlässlich, dass sich auch Private am Wiederaufbau des kriegsversehrten Landes beteiligen. So viel Solidarität mit der Ukraine muss sich die Schweiz leisten – trotz angespannter Bundesfinanzen

«Muss sich die Schweiz leisten», das sind Sätze, mit denen einer allen ins Portemonnaie greifen will.

Da fehlt doch nur noch die Meinung des Chefredaktors Stefan Schmid zu diesem Jahrestag. Aber leider Fehlanzeige,  er kümmert sich um das Lokale: «Kommentar zum Schlussspurt in den St. Galler Ständeratswahlen: Die einzige Chance gegen Esther Friedli».

Irgendwie beruhigend, dass wenigstens einer Lösungsvorschläge für lokale Bedrohungen hat.

Wumms: Christof Münger

Gestatten, Münger, militärischer Logiker.

Jetzt hat sich auch noch der Ausland-Chef ohne Ausland von Tamedia zu Wort gemeldet. Christof Münger diagnostiziert knüppelhart:

«Dessen ungeachtet wird im Westen der Ruf nach Verhandlungen wieder lauter. Erhoben wird er vor allem von Putin-Apologeten, beispielsweise von der radikal linken deutschen Abgeordneten Sahra Wagenknecht oder dem radikal rechten Schweizer Nationalrat Roger Köppel – Antiamerikanismus verbindet. Wenn jedoch Exponenten der politischen Pole unisono Verhandlungen mit dem russischen Machthaber fordern, leuchtet die Alarmlampe auf.»

Man kann für Münger nur hoffen, dass er sich nicht ganz im Klaren darüber ist, was das Fremdwort Apologet eigentlich bedeutet. Dann schaltet er die Alarmlampe ab und konstatiert: «Dabei ist es so, dass die meisten Kriege irgendwann am Verhandlungstisch enden

Aber ein doppelter Rittberger ist ihm nicht genug, er legt noch eine Schraube drauf: «Ob und wann dieses Leid zu gross ist, entscheidet jedoch Kiew und nicht irgendeine Politikerin oder ein Strategieexperte im Westen, selbst wenn er Henry Kissinger heisst.»

Das wiederum entscheidet Münger, weil er Münger heisst. Da leider ohne weitere biografischen Angaben oder Eintrag in Wikipedia, weiss man nicht, ob der Mann überhaupt gedient hat und wenn ja, in welchem Rang.

Interessant, wie sich Münger diese «Apologeten» zurechtschnitt. Dass auch der deutsche Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas (der mit der Hasenscharte, wie Kläffer Rafi bemerkte) für Verhandlungen ist, lässt Münger weg, ebenso wie die Mitinitiatorin des Friedensmanifests Alice Schwarzer.

Dieses Leid der Ukrainer wird aber in erster Linie durch westliche Rüstungslieferungen verlängert; sollten die Hauptlieferanten USA, England und Deutschland beschliessen, sie einzuschränken, entscheiden sie, nicht Kiew.

Der US-Präsident Biden habe dabei Grossartiges geleistet, aber obwohl doch Kiew die alleinige Entscheidungsgewalt haben soll, meckert Münger: «Die ukrainischen Streitkräfte dürfen den Krieg nur auf eigenem Territorium führen, strategisch korrekt sozusagen. Das widerspricht der militärischen Logik: Die angemessene Reaktion wäre, jenseits der eigenen Grenzen die Nachschublinien, Munitionsdepots und Treibstofflager des Aggressors zu bombardieren.»

Was dann möglicherweise nahtlos in einen Dritten Weltkrieg münden könnte, aber diese militärische Logik ist dem Spielzeuggeneral Münger offenbar nicht geläufig. Dafür hat er noch einen guten Ratschlag für die Schweiz zur Hand:

«Auch was die humanitäre Hilfe, die grosszügige Aufnahme von Flüchtlingen und den milliardenteuren Wiederaufbau betrifft, sollte sich die Schweiz grosszügig zeigen. Sonst zählt auch sie früher oder später zu den Verlierern dieses Kriegs.»

Die Schweiz als Verliererin des Ukrainekriegs, auf diese Idee muss man erst mal kommen. Das tut man, wenn man eigentlich als Ressortleiter nicht viel mehr zu tun hat, als die ß und andere Germanismen aus den Texten zu pulen. Das engt irgendwie das Blickfeld ein.

Stoff für Kriegsgurgeln

Auch ein US-Militär kann sich täuschen. Aber …

Mark Milley ist nicht irgendwer. Er ist seit 2019 der «Chairman of the Joint Chiefs of Staff». Also der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte der Vereinigten StaatenOder kurz der Generalstabschef. Oder noch kürzer der oberste US-Militär.

Er ist zudem ein besorgter und selbständig denkender Militär, was dort nicht allzu häufig ist. So traf er Sicherheitsvorkehrungen, als es nicht ganz klar war, wie Donald Trump auf seine Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen reagieren würde.

Selbstverständlich ist auch der oberste US-Militär nicht unfehlbar. Aber er hat zumindest eine klare Meinung zum Ukrainekrieg:

Um zu dieser Aussage zu gelangen, muss man auch kein militärisches Genie sein. Aber zumindest intelligenter als die versammelten Kriegsgurgeln von der deutschen Aussenministerin Baerbock abwärts, die von einem Sieg der Ukraine träumen und faseln. Intelligenter auch als der ukrainische Präsident, der nach wie vor am Kriegsziel der Rückeroberung der Krim festhält.

Intelligenter als all die Sandkastengeneräle, die gerne noch mehr Ukrainer sterben sehen möchten. Weil sie ihnen aus der gut geheizten Klause zurufen, dass die Ukraine doch tapfer die Freiheit des Westens gegen die Unmenschen und Untermenschen aus dem Kreml verteidigen sollen.

Intelligenter als die Brandstifter, die eine rote Linie nach der anderen überschreiten wollen. Von Munition zu leichten Waffen. Von leichten Waffen zu schweren. Von schweren zu Kampfpanzern. Von Kampfpanzern zu Flugzeugen, Raketen und U-Booten. Von diesem schweren Gerät zum Dritten Weltkrieg.

Dann gibt es noch die vermeintlichen Schlaumeier, die sagen: verhandeln ja, aber nicht jetzt, sondern erst dann, wenn Russland genügend geschwächt ist. Das sind eigentlich die schlimmsten Zyniker, denn sie nehmen in Kauf, dass diese Schwächung Russlands auf Kosten der Ukraine, der ukrainischen Bevölkerung, auf Kosten der Perpetuierung des Leids geschehen würde.

Diese Zyniker träumen – wie der Antidemokrat Constantin Seibt von der «Republik» – davon, dass zumindest die Schäden und Kosten mit dem beschlagnahmten Geld von ukrainischen, Pardon, von russischen Oligarchen beglichen werden könnten. Obwohl der Bundesrat immerhin klargestellt hat, dass auch dieser Krieg kein Grund ist, den Rechtsstaat Schweiz mitsamt seiner Eigentumsgarantie in die Tonne zu treten.

Erstaunlich, dass ausgerechnet der «Blick» diese Passagen eines Interviews zitiert, das Milley der «Financial Times» gewährt hat:

««Es wird für die Russen fast unmöglich sein, ihre politischen Ziele mit militärischen Mitteln zu erreichen», ist der ranghöchste Soldat der USA überzeugt. «Es ist unwahrscheinlich, dass Russland die Ukraine überrennen wird. Das wird einfach nicht passieren.»
Auch für die Ukraine, fügt Milley an, werde es «sehr, sehr schwierig sein, die Russen aus jedem Zentimeter» des Gebiets zu vertreiben, das Moskaus Streitkräfte bereits erobert haben. Das heisst nicht, dass es nicht möglich ist», fügt er an. «Aber es ist ausserordentlich schwierig. Und es würde im Wesentlichen den Zusammenbruch des russischen Militärs erfordern.»»

Was er hier sagt, sind eigentlich Binsenwahrheiten. Russland hat 2 Millionen Soldaten, dazu weitere 2 Millionen Reservisten. Die Ukraine hat rund 250’000 Soldaten, davon gehört ein Drittel zur Nationalgarde.

Russland hat rund 12’500 Panzer. Welchen Unterschied werden da die Handvoll Panzer machen, die NATO-Staaten der Ukraine für nächstes Jahr zugesagt haben? In welchem Wolkenkuckucksheim muss man leben, um hiervor die Augen zu verschliessen?

Sobald es die Bodenverhältnisse wieder zulassen, wird Russland höchstwahrscheinlich eine Offensive starten. Daher wäre es höchste Zeit, jetzt mit Verhandlungen zu beginnen. Denn nicht Russland wird dramatisch geschwächt werden. Sondern die Ukraine.

Ausser, die NATO wird Kriegspartei mit allem, inklusive Bodentruppen. Das haben zwar Lebensmüde wie der Besitzer von CH Media schon gefordert. Aber vernünftige Menschen, die noch ein Weilchen leben wollen, sind schwer gegen die Gefahr eines Dritten Weltkriegs.

Geschichte spielt sich nicht atemlos ab. Aber es braucht manchmal eine gewisse Zeit, um Ungleichgewichte, Überblähungen zu korrigieren. Überdehnte Imperien brechen irgend wann einmal zusammen. Das ist seit dem Römischen Reich eine historische Konstante. Das Dritte Reich, um diesen Vergleich zu bemühen, wollte 1000 Jahre lang existieren. Es wurde dann ein Dutzend Jahre, nicht mehr.

So sehr auch Putin und seine Kamarilla nostalgisch an den Sieg der Sowjetunion über Hitler-Deutschland erinnern: so blöd ist er nicht, um nicht zu wissen, dass jeglicher kriegerischer Versuch, nach der Ukraine andere Staaten militärisch in ein neues Imperium einzuverleiben, nur mit der Vernichtung Russlands enden kann.

Wumms: Constantin Seibt

Während sein Magazin abserbelt, erklärt er der Welt, wie sie zu sein hat.

Was ellenlange Buchstabenreihen betrifft, überlässt Seibt inzwischen das Feld den Google-Erklärern. Aber die grosse Welt beraten, das ist immer noch sein Ding. Die kleine Welt der «Republik», sozusagen ein Minikosmos, um diesen Kalauer nicht vorbeischwirren zu lassen, das interessiert ihn inzwischen weniger.

Aber dafür die ganz grossen Fragen. Da zitiert Seibt, zusammen mit dem offenbar noch existierenden Oliver Fuchs, einen gewissen Lawrence Freedman. Lawrence who? Nun, ein Militärhistoriker im Ruhestand mit viel Zeit.

Obwohl Seibt ansonsten doch für Differenzierung ist, die dann zu ellenlangem Gelaber führt, meint er hier: «Zeit also für eine Bilanz in Schwarz-Weiss. Wegen der Kürze. Aber auch, weil Schwarz-Weiss es in diesem Fall genau trifft.» Also Freedman treffe es genau, stimmt Seibt begeistert zu. Was?

«Das grosse Verdienst der Ukraine und ihres Präsidenten Selenski war nicht nur die Entschlossenheit im Überlebens­kampf, sondern auch die klare Botschaft dabei: Es geht um alles – Faschismus oder Demokratie.»

Wenn es angeblich um alles geht, ist auch alles erlaubt: «Es geht um alles. Sogar diesen Herbst in der Schweiz. Bei der Frage, was zu tun ist – Enteignen der Oligarchen­gelder, humanitäre Hilfe, Änderung des Waffenausfuhr­gesetzes –, gibt es für wählbare Politikerinnen nur eine Antwort: alles.»

Womit sich Seibt aus dem rationalen Diskurs verabschiedet hat und zum antidemokratischen Amok denaturiert ist. Mit seherischen Fähigkeiten, die jedem fundamentalistischem Sektierer eigen sind:

«Deshalb ist der Krieg in der Ukraine ein globaler Krieg: Er spielt sich weltweit in der Innen­politik ab. Man sieht die Spaltung überall: Es gibt die offen Autoritären wie Trump, Bolsanaro, Orbán – oder in der Schweiz Roger Köppel. Und dann die Linken wie Lula, Wagen­knecht und nicht wenige deutsche und amerikanische Intellektuelle: die ein Leben lang überall den Faschismus kommen sahen – und jetzt, da er da ist, ihn nicht sehen.»

Bolsonaro heisst der Mann übrigens, vielleicht sollte die «Republik» dem Overhead noch ein paar weitere Korrektoren hinzufügen.

Aber glücklicherweise erledigt sich das Problem Seibt demnächst von selbst. Wenn die Demokratie rettungslos verloren ist, weil die «Republik» den Sargdeckel über ihrem Millionengrab zumacht.

 

Kleinintellektueller am Werk

Stephan Israel vergreift sich an Grösserem.

Wenn ein Sesselfurzer aus dem Hause Tamedia sich mit den grossen Dingen beschäftigt, so Liga Krieg und Frieden, dann kann nur Kleingehacktes herauskommen.

Einer der letzten überlebenden Korrespondenten des einstmals dem Journalismus verpflichteten Konzerns hebt an: «Wer ist schon gegen Frieden, wer hätte nicht lieber Verhandlungen als noch mehr Krieg

Genau, selbst die grössten Kriegsgurgeln behaupten, mit ihrer Kriegsrhetorik wollten sie nichts anderes als ein bisschen Frieden. Aber natürlich kommt es darauf an, ob man den gestrengen Israel-Test besteht, also richtig für den Frieden ist.

Da fällt schon mal der «deutsche Grossintellektuelle Jürgen Habermas» durch. Er ist allerdings in guter, schlechter Gesellschaft: «Die Alt-Feministin Alice Schwarzer und die Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht sammeln innert kurzer Zeit eine halbe Million Unterschriften unter ihr «Manifest für den Frieden»

Grossintellektueller, Alt-Feministin, Linkenpolitikerin. Ist dann Bärfuss ein Kleinintellektueller für Israel, Schutzbach eine Jung-Feministin und Silberschmidt ein Rechtenpolitiker?

Wie auch immer, was bewirken denn diese Friedenstauben? «Im Kreml kann sich der mutmassliche Kriegsverbrecherpräsident freuen.» Immerhin quetscht Israel, wohl aus Furcht vor dem langen Arm des FSB, noch ein «mutmasslich» vor den Kriegsverbrecher. Das sind allerdings auch so Lichtgestalten wie Barak Obama (Friedensnobelpreis mit «Kill List») oder Henry Kissinger (Friedensnobelpreisträger mit blutigen Händen).

Was bewirken denn diese Diversanten, wie Israel sie nennen würde, wenn er dieses Wort kennte? «Die Kakofonie in den Talkshows und Feuilletons lenkt davon ab, dass die russischen Streitkräfte gerade eine massive neue Grossoffensive vorbereiten.»

Man stelle sich nur vor, da zupfen Putin-Erfreuer die Friedensschalmei, während der Iwan eine Offensive plant. Statt wie Israel mutig in den Schützengraben zu springen und «Helm auf!» zu rufen. Stattdessen ist er aber leicht verwirrt: «Was die Intellektuellen und Nationalpazifisten genau verhandeln wollen, bleibt ohnehin nebulös.»

Nationalpazifisten? Das ist wenigsten originell, hört sich auch zum Verwechseln ähnlich wie Nationalsozialisten an. Allerdings könnte dem im Nebel stehenden Schwätzer ein Blick ins Manifest für den Frieden helfen. Dort herrscht kein Nebel. Hier wird der höchste Militär der USA zitiert, dass in der Ukraine eine militärische Pattsituation existiere, die nur durch Verhandlungen gelöst werden könne. Dem hätte der Sandkastengeneral Israel wegen Defätismus längst die Schulterklappen abgerissen.

Dann wird überhaupt nicht nebulös geendet:

«Wir fordern den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt! Er sollte sich auf deutscher wie europäischer Ebene an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen setzen. Jetzt! Denn jeder verlorene Tag kostet bis zu 1.000 weitere Menschenleben – und bringt uns einem 3. Weltkrieg näher.»

Aber so weit hat Israel wohl nicht gelesen, weil er schon rot sah. Der «Grossintellektuelle» kriegt dann im Vorbeilaufen auch noch sein Fett ab: «Jürgen Habermas setzt auf einen für beide Seiten «gesichtswahrenden Kompromiss»».  Was für ein Dummkopf, nicht nur Israel weiss doch, dass bei einem Kompromiss immer eine Seite das Gesicht verlieren muss, logo.

Israel ist dafür aber Meister der Geschichtsklitterung, wenn er schreibt, «im Donbass hätte man zudem beobachten können, was ein Frieden für die Bevölkerung unter russischer Besatzung bedeutet, nämlich Deportation, Folter und Vergewaltigungen». Was dort die russischsprachige Bevölkerung zuvor von ukrainischer Seite erleiden musste, Schwamm drüber.

Aber im wilden Geturne und Gekurve mit partieller Wahrnehmung historischer Ereignisse trägt es Israel dann völlig aus der Bahn: «Die Sowjetunion wird da schnell mal mit Russland gleichgesetzt. Dabei geht vergessen, dass unter den Sowjetrepubliken die Ukraine Schauplatz der schlimmsten Kriegsverbrechen von Wehrmacht und Waffen-SS war.»

Dabei geht Israel vergessen, dass im Westen der Ukraine heute noch der Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher Bandera mit Denkmälern gefeiert wird, denn wie kaum woanders haben Teile der Bevölkerung die Nazis bei ihren Kriegsverbrechen so sehr unterstützt wie in der Ukraine. Die dann von der Roten Armee in verlustreichen Kämpfen von den Faschisten befreit werden musste, was vielen Ukrainern heute noch unangenehm ist.

Nach diesem wilden Ritt durch Kannitverstan lobhudelt Israel sich selbst: «Es gäbe also für Intellektuelle auch gute Gründe, entschlossen an der Seite der Ukraine zu stehen und zögerliche Regierungen an ihre Beistandspflicht zu erinnern.» Das kann man im Rahmen der Meinungsfreiheit durchaus sagen. Denn man soll niemandem im Weg stehen, wenn er sich öffentlich zum Deppen machen will.

Israel tut das zum Schluss mit Anlauf und Energie: «Wie würden wir heute rückblickend einen Appell renommierter und bekannter Persönlichkeiten im Sommer 1940 an den britischen Premier Winston Churchill bewerten, doch bitte in Verhandlungen mit Adolf Hitler einzutreten

Am 3. September 1939 hatten Frankreich und England dem deutschen Nazi-Reich den Krieg erklärt. Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen. Weder zu diesem Zeitpunkt noch danach wären «Persönlichkeiten» auf die Idee gekommen, Churchill um Verhandlungen mit Hitler zu bitten. Welch absurder Vergleich.

Welch hilfreicher Vergleich. Denn er zeigt überdeutlich den Niveau-Unterschied zwischen einem Habermas, einer Schwarzer, einer Wagenknecht und der halben Million Unterzeichner des Manifests – und Israel.

Wie schreibt er so schön vor diesem Bauchklatscher am Schluss: «Etwas Polemik sei deshalb hier auch erlaubt.» Ganz richtig: was für ein arroganter, ungebildeter, historisch unbewanderter Kriegskläffer, der gerne zusieht, wie noch Hunderttausende von Ukrainern sterben werden. Wenn es nach ihm ginge. Glücklicherweise tut es das aber nicht.

Die überwältigende Mehrzahl hat nicht deswegen Recht, weil es so viele sind. Aber vielleicht könnte Israel etwas zu denken geben, dass die «Nationalpazifisten» etwas mehr Zuspruch erhalten als ein «Gegenmanifest», das bei krümeligen 100+ Unterschriften steht:

Die Zauberlehrlinge

Wenn Dummheit schreibt, schweigt die Vernunft.

Bildungsferne ist etwas Schädliches. Nur ist sich der Bildungsferne dessen nicht bewusst. Sonst würden sich ach so viele Schreiberlinge an dieses Gedicht von Goethe erinnern:

«O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!»

«Schwere Waffen müssen her», wer sich an geltende Waffenexportgesetze halten will, fängt sich das «Kopfschütteln» anderer Staaten ein. Bejubelt wird, dass unter Bruch klarer und geltender Gesetze die Ukraine nun auch mit Kampfpanzern ausgerüstet wird.

Ganze Jubelchöre erschallen mit Lobpreisungen des grossen Freiheitskämpfers Selenskyj. Die Welt hängt an seinen Lippen, diesen Eindruck versuchen wenigstens die europäischen Massenmedien zu erwecken. Es ist auch perfekt inszeniert, was der Schauspieler abliefert, der vom komischen ins ernste Fach gewechselt hat. Inzwischen mit martialischem Bart, olivgrüne Leibchen spannen über dem muskulösen Oberkörper, jede Rede ist perfekt durchkomponiert.

Es wird eine ganze Reihe von Langfingern in Spitzenpositionen der Regierung ausgewechselt? Wird vermeldet, aber ohne den Hintergrund, dass die Ukraine das korrupteste Land Europas war und ist. Kein Wort darüber, dass auch Selenskyj Besitzer hübscher Immobilien im Ausland ist und sein verschlungenes Finanzimperium sogar in einem der vielen «Leaks» und «Papers» als besonders abstossendes Beispiel erwähnt wurde. Kein Wort darüber, dass er genauso korrupt ist wie viele andere, kein Wort darüber, dass ihm von einem reichen Oligarchen die Präsidentschaft gekauft wurde, der damit ein eigenes Problem elegant löste.

Kein Wort darüber, dass die Auftritte von Selenskyj perfekt inszeniert und gescriptet sind. Kein Wort über Andrij Jermak, ehemaliger Filmproduzent. Kein Wort über Mychajlo Podoljak. Oder über Olexij Arestowitsch. Kein Wort über die US-PR-Bude Hill & Knowlton. Das sind die Spin Doctors, die zur Legitimation des ersten Golfkriegs die Mär erfanden, dass entmenschte Soldaten von Saddam Hussein bei der Invasion Kuwaits Säuglinge aus Brutkästen gerissen und auf den Boden geworfen hätten.

Hill & Knowlton präsentierte eine Krankenschwester als tränenreiche Zeugin. Dass die in Wirklichkeit die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA war und noch nie im Leben etwas mit Säuglingen zu tun gehabt hatte, was soll’s.

Die gleiche Agentur überwacht heutzutage die Auftritte des ukrainischen Präsidentendarstellers. Die dazu führten, dass die westlichen Staaten ihren anfänglichen Widerstand gegen die Lieferung immer schwererer Waffen aufgaben.

Während aber noch die Zauberlehrlinge in den Redaktionen diesen angeblich überfälligen Entscheid bejubeln, «schwere Waffen müssen her», Europa «schüttelt den Kopf», weil sich die Schweizer Regierung an ihre Gesetze hält, sind Selenskyj und sein Mann fürs Grobe, der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, bereits einig: das kann’s ja wohl nicht gewesen sein.

Panzer ist ja gut, aber viel mehr davon, bitte. Panzer ist gut, aber wo bleibt die schwere Artillerie? Wo bleiben die Kampfjets? Die U-Boote? Mittelstreckenraketen? Wo bleiben zudem Bodentruppen, vielleicht taktische Atombomben?

Dass das Regime von Selenskyj kein Mass kennt, mag noch verständlich sein. Schliesslich wurde die Ukraine unter Bruch aller Verträge und Zusicherungen überfallen. Aber dass die meisten Medien in der Schweiz wie Papageien seine Forderungen nachplappern, das ist beelendend.

Keiner dieser Sandkastenstrategen, dieser Videogame-Generäle stellt sich die einfache, naheliegende und banale Frage: welche Strategie soll eigentlich hinter der Eskalation der Waffenlieferungen stehen? Soll die Ukraine tatsächlich «siegen», wie das die Schande für grüne Prinzipien, die deutsche Aussenministerin Baerbock, lauthals fordert?

Was wäre dann ein Sieg der Ukraine? Die völlige Vertreibung russischer Truppen, inklusive von der Krim? Kann man solche absurden Kriegsziele, sozusagen einen modernen Endsieg, wirklich ernsthaft ins Auge fassen? Wohin soll die Eskalation in der Ukraine führen? Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass Russland mit konventionellen Waffen besiegt werden kann? Glaubt jemand ernsthaft, dass ein Autokrat wie Putin  – wie jeder Potentat, der sich gegen die Wand geklatscht fühlt – nicht an den Einsatz von Atomwaffen vor dem Eingeständnis einer totalen Niederlage denken würde?

Ist es wirklich so, dass von der deutschen Aussenministerin abwärts bis zu all den kleinen Schreibtsichgenerälen in der Schweizer Etappe, die so gerne andere in den Tod schicken möchten, dass all die wirklich glauben, in der Ukraine spiele sich der Endkampf zwischen Gut und Böse ab? Zwischen westlichen Werten und russischen Unwerten? Zwischen der Zivilisation und der Barbarei?

Und wenn das so wäre, gibt es all diesen Kriegsgurgeln auf dem Kreuzzug gegen das Böse nicht zu denken, dass lediglich etwas mehr als 30 Länder Sanktionen gegen Russland verhängt haben? Von insgesamt 195? Also halten 165 Länder Russland nicht für die Inkarnation des Bösen, das gnadenlos bestraft werden muss? Darunter so bedeutende Wirtschaftsmächte wie China oder Indien.

Die USA haben 2045 einzelne Sanktionen gegen Russland verhängt. Der Musterknabe Schweiz folgt auf dem zweiten Platz mit 1379. Dann Grossbritannien mit 1167, die EU mit 1155, Australien mit 894 und Japan mit 692. Mit entsprechenden wirtschaftlichen Eigenschäden, vor allem in Europa.

Wo soll das alles hinführen? Wer Krieg führt, hat normalerweise Ziele und eine Strategie. Die Ziele der ukrainischen Regierung sind klar formuliert: Zurückeroberung aller durch russische Truppen okkupierten Landesteile. Die russischen Kriegsziele hingegen sind nicht so klar. Wirklich die Beseitigung eines angeblich faschistischen Regimes in Kiew? Sicherung der Krim? Landverbindung zu Russland? Donbass? Man weiss es nicht.

Was sind die Ziele der westlichen Alliierten der Ukraine? Die gleichen wie die der dortigen Regierung? Eine Demütigung Russlands? Ein militärisches Ausbluten auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung? Gar ein Umsturz oder Systemwechsel in Russland? Für wie gefährlich wird die Möglichkeit eines atomaren Schlagabtauschs eingeschätzt? Man weiss es nicht.

Man weiss nur: Munition, schwere Waffen, Artillerie, Flugabwehrgeschütze, Kampfpanzer, Flugzeuge, U-Boote – taktische Atomwaffen, Atomkrieg. Muss nicht sein. Kann aber.

Krieg und Leichen

Erinnerungen an Zeiten, als noch nicht alles ins Rutschen kam.

1932 erschien in der Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ) diese doppelseitige Fotomontage von John Heartfield:

«Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen», so lautete die Unterzeile. Die Hyäne trägt einen Zylinder als Symbol für die Reichen, um den Hals den Orden «pour le mérite», der höchste preussische Kriegsorden. Heartfield machte daraus «pour le profit».

Die Ausgabe der AIZ wurde beschlagnahmt und nach dem Protest namhafter Künstler wieder freigegeben. Fast eine halbe Million Menschen haben einen «offenen Brief an den Bundeskanzler Scholz» unterschrieben.

Darin heisst es unter anderem:

«Wir begrüßen, dass Sie bisher so genau die Risiken bedacht hatten: das Risiko der Ausbreitung des Krieges innerhalb der Ukraine; das Risiko einer Ausweitung auf ganz Europa; ja, das Risiko eines 3. Weltkrieges. Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern. Wir bitten Sie im Gegenteil dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können.»

Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderen Alexander Kluge, Professor Reinhard Merkel, Gerhard Polt, Alice Schwarzer, Martin Walser, Ranga Yogeshwar und Juli Zeh. Auch ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat unterzeichnet. Laut dem Trendbarometer von RTL/ntv  lehnt eine Mehrheit der Deutschen (55 Prozent) die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine ab.

Auf zunehmenden Druck aus dem In- und Ausland – besonders peinlich dabei grüne Kriegsgurgeln aus der ehemaligen Friedenspartei, Petra Kelly und Gert Bastian rotieren in ihren Gräbern – hat Bundeskanzler Scholz beschlossen, mit der Lieferung von Kampfpanzern eine neue Eskalationsstufe im Ukrainekrieg einzuläuten.

Unter dem Beifall der Mainstream-Medien; so dümmlich feiert zum Beispiel der «Blick»:

Dazu textet eine «Aussenreporterin News» namens Myrte Müller: «Neue schwere Waffen müssen her, sonst droht die ukrainische Verteidigung zu kollabieren.»

Da keimt der Gedanke auf, einen neuen Messfühler in die Welt zu setzen. Wir nennen ihn den «Stupidity-Worldometer». Seine Aufgabe ist es, den aktuellen Zustand der Dummheit zu messen. Kein leichtes Unterfangen, es gleicht dem Versuch, eine Messlatte in den Ozean zu stecken. Aber man kann auch Symptome heranziehen.

Zum Beispiel den Satz «schwere Waffen müssen her». Damit bekommt die Autorin auf der Skala von 1 bis 10 locker eine 12. Wer den Titel «Leopard-Panzer zum Geburtstag» verbrochen hat, kratzt damit an einer 9, hat aber noch Luft nach oben.

Jede Skala, die meertiefe Dummheit misst, versagt aber vor dem Spitzenprodukt der Schweizer Medienszene. Genau, wir sprechen wieder einmal von «watson». Es ist schwierig, in der allgemeinen Kriegsbegeisterung noch einen draufzusetzen, aber Carl-Philipp Frank schafft es mit traumwandlerisch sicherer Geschmacklosigkeit:

Offensichtlich verwechselt er Panzerschlachten mit einem Videogame. Blut, Leichen, Leid und Zerstörung? Ach was, mit indolenter Begeisterung preist Frank die Mordmaschinen an: «Der Kampfpanzer «Leopard 2A6» gilt als gutes Gesamtpaket.» Oder: «Gerüchten zufolge soll ein einziger Abrams damals sieben T-72 am Stück zerstört haben, ohne selber namhaften Schaden genommen zu haben.» Oder: «Das Flaggschiff der russischen Kavallerie ist der T-90A, eine modernere Version des T-90.» Und noch mehr Sprachdurchfall: «Beim Design des britischen Boliden wurde, laut Hersteller, grosser Wert auf die Sicherheit der Besatzung gelegt.»

Da Selenskyj zum Geburtstag einen Schwung Panzer geschenkt bekommt, hat er natürlich Appetit auf mehr. Nun fordert er – claro – mehr Panzer. Und Flugzeuge. Ach ja, und Langstreckenraketen. U-Boote bitte nicht vergessen. Vielleicht sollten es auch noch ein paar taktische Atomwaffen sein, und überhaupt, Interkontinentalraketen machen sich auch immer gut. Natürlich schallt ihm ein ganz entschiedenes Nein entgegen. Wie bei Flugabwehrgeschützen. Wie bei Waffenlieferungen allgemein.

Aber hier ist ein Nein kein Nein. Hier ist ein Nein die Einleitung zu «so nicht». Dann «jetzt nicht». Dann «unter Umständen schon», «falls die anderen auch». Schliesslich: «also gut, bitte sehr». Die Vorhersehbarkeit dieser Wendehälse erinnert an den Ausbruch von Max Liebermann: «Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte

Der Zeitpunkt scheint näherzurücken, an dem mal wieder alle das nicht gewollt haben. Niemals nicht Kriegshetze betrieben. Immer für den Frieden waren. Sich gar nicht vorstellen konnten, dass so etwas passieren könnte. Überrascht, konsterniert, erschüttert, verzweifelt sind und «Nie wieder Krieg» rufen.

Aber vorher muss man, auch wenn es einem dabei übel wird, der Chronistenpflicht genügen.

 

Panzer für den Jemen!

Unterstützen wir die Freiheitsnation!

Der Jemen, vor allem die ehemalige demokratische Volksrepublik, ist in der mühsamen Metamorphose vom post-sowjetischen Korruptionshub zur Freiheitsnation. Daran gehindert wird er von der «operation decisive storm».

Seit 2015 bomben und schiessen Saudi-Arabien, unterstützt von Ägypten, den USA und England, das von einem Bürgerkrieg zerrissene Land in die Steinzeit zurück. Die Folgen sind dramatisch. Im Jemen spielt sich laut UNO die grösste humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts ab. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung sind von Hilfslieferungen abhängig.

Eine beinahe vollständige Blockade des von Importen abhängigen Landes führte zu einem weitgehenden Zusammenbruch der Infrastruktur, des Gesundheitswesens und der staatlichen Ordnung. Im seit 8 Jahren andauernden Gemetzel wurden von den Truppen des mittelalterlichen saudischen Regimes unzählige Kriegsverbrechen begangen.

Daher erschallt überall, vor allem in den Medien des Ringier-Verlags, der Ruf: Wer dem Jemen militärisch nicht zu Hilfe eilt, obwohl er könnte, unterstützt Mohammed bin Salman al-Saud. Das ist der Diktator, unter dessen Regime Oppositionelle auch mal in einer saudischen Botschaft bestialisch ermordet und in Einzelteilen beiseite geschafft werden.

Genauso markig erschallt in den Schweizer Medien die Forderung, sämtliche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien sofort einzustellen. Denn von diesem fundamentalistisch-fanatischen Land aus, gelenkt von religiösen Wahnsinnigen, wüte sonst die Pandemie des Bösen auch in diesem Jahr weiter.

Gleichzeitig wird der Bundesrat energisch auch von Journalisten von Tamedia aufgefordert, endlich Besitztümer reicher Scheichs in der Schweiz zu beschlagnahmen; alleine um den Genfersee herum würde sich da einiges zusammenläppern. Zudem sei endlich zu untersagen, dass im Jumbojet einfliegende Mitglieder der korrupten Herrscherclique ganze Etagen in Genfer Luxushotels in Beschlag nehmen.

Gegen das saudische Regime, das fordern selbst Vertreter von CH Media, sei ein internationaler Gerichtshof einzurichten, der die Verantwortlichen für den Völkermord im Jemen zur Verantwortung ziehen solle. Zugleich müsse Saudi-Arabien dazu gezwungen werden, für die unermesslichen Schäden aufzukommen, die seine völkerrechtswidrige Invasion im Nachbarland verursacht habe.

So könnte es sein. So wäre es, wenn nicht in Wirklichkeit Doppelmoral, abgründige Heuchelei, Einäugigkeit und Weltvergessenheit in den Schweizer Medien herrschen würden.

Was fehlt dem Jemen, damit er auch auf der publizistischen Landkarte wie die Ukraine aufleuchtete? Leider einiges. Seinen Herrschern fehlt die Beratung durch Profis und Spin Doctors der teuersten US-amerikanischen PR-Buden. Zudem hat der Jemen den falschen Feind. Nicht den bösen Putin und sein Unrechtsregime, sondern den lieben Salman mit seinem westlich-modernen Staat. Schliesslich, so einfach ist das, haben die Einwohner die falsche Hautfarbe, keine nennenswerten Rohstoffe und sind überhaupt ziemlich weit weg.

Es wäre wohl zu viel verlangt, wenn über die Barbarei im Jemen gleich oft berichtet würde wie über die Kriegshandlungen in der Ukraine. Aber so ab und an, das wäre doch möglich. Wäre es, wenn die skelettierten Redaktionen noch in der Lage wären, sich mehr als einem Thema aufs Mal zu widmen.