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Ukraine am Ende

Ein paar simple Tatsachen über Kriegsführung.

Man kann einen militärischen Zwerg wie die Ukraine mit genügend Militärhilfe zu einem Scheinriesen aufpumpen. Man kann einen ehemaligen Komiker zum Präsidenten aufblasen, der nach seinem gekauften Wahlsieg eine Weile blendend die Rolle als tapferer Kriegsherr spielt.

Man kann Mal für Mal die drohende Niederlage der russischen Invasoren behaupten, von einer Gegenoffensive faseln und einen «Friedensplan» ernsthaft vorstellen, der von Russland niemals akzeptiert würde. Schon alleine, weil er eine Aburteilung russischer Kriegsverbrecher fordert, das aber bei der Ukraine unterlässt. Man kann auch versuchen, in der Schweiz eine Friedenskonferenz einzuberufen, die Russland zu Recht als Farce bezeichnet. Nicht zuletzt deswegen, weil die Schweiz durch das Mittragen der sinnlosen Sanktionen ihre Neutralität aufgegeben hat.

Man kann daran vorbeisehen, dass Präsidentschaftskandidat Donald Trump schon jetzt verhindert, dass die USA ihre Militärhilfe fortsetzen. Man kann daran vorbeisehen, dass die EU nur einen kleinen Teil der versprochenen Waffenhilfe geleistet hat. Man kann darüber hinwegsehen, dass Präsident Selenskyj in der Ukraine eine Autokratie errichtet hat – ohne Opposition, ohne freie Presse, dafür anhaltend hochkorrupt –, die sich immer weniger von der Autokratie in Russland unterscheidet.

Man kann einem Präsidentendarsteller in martialischer Uniform und sorgfältig gestutztem Kriegsbart zujubeln, obwohl der sein Interesse, an der Macht zu bleiben, über die Interessen seines Landes und des Militärs stellt. Denn es gibt ja keinen Grund, einen erfolgreichen Armeechef wie Waleri Saluschni abzusetzen – ausser, dass dessen Zustimmungswerte haushoch über denjenigen des Präsidenten liegen.

Man kann ständig über den ungebrochenen Kampfeswillen, ja eine Reheroisierung in der Ukraine faslen und den Zustand der russische Streitkräfte als desaströs und nahe an der völlige Niederlage beschreiben.

Man kann darüber hinwegsehen, dass Selenskyj von US-PR-Agenturen beraten und von Mitspielern im Showgeschäft gelenkt wird. Sein Stabschef Andri Jermak war zuvor als Wirtschaftsanwalt und Filmproduzent tätig. Nichts davon befähigt ihn, wie den Präsidenten auch, ein Land im Krieg verantwortungsvoll zu führen.

Man kann darüber hinwegsehen, dass die Ukraine längst den Zeitpunkt verpasst hat, mit Russland einen für beide Seiten akzeptablen Frieden auszuhandeln. Nach fast zwei Jahren Krieg zeigt sich, dass die russische Kriegsindustrie auf vollen Touren läuft, die Sanktionen nur marginale Wirkung zeigen und die Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen sprudeln wie nie.

Währenddessen vermeidet die Ukraine nur deswegen den Staatsbankrott, weil immer noch von der EU Mulitmilliarden für das Funktionieren des Staates hineingepumpt werden.

Oder in banalen Zahlen: 831’000 Soldaten gegen 200’000. 4182 Flugzeuge gegen 312. 12’600 Kampfpanzer gegen 1900. Selbstfahrende und geschleppte Artillerie 10’000 gegen 1’800.

Man kann über das Interview herziehen, dass Präsident Putin dem US-Journalisten Tucker Carlson gab, über die Grösse des Tischs oder die Farbe von Carlsons Krawatte perseverieren. Und den Inhalt mit ein paar übellaunigen Nebensätzen abtischen.

All das kann man tun.

Man kann auch behaupten, dass in der Ukraine so ziemlich alle westlichen Werte verteidigt würden, obwohl sie dort nicht existieren. Man kann alte Feindbilder von slawischen Horden, entmenschten russischen Kämpfern, brutalen asiatischen Kriegern wieder aufwärmen. Man kann behaupten, Deutschland müsse sich ernsthaft auf einen russischen Angriff gefasst machen. Obwohl in den letzten Jahrhunderten Russland zweimal von Deutschland und einmal von Frankreich überfallen wurde und selbst niemals Westeuropa überfiel.

All das kann man tun.

Man kann auch jeden Abweichler von dieser Generallinie als Putin-Versteher, Diktatorenfreund, Befürworter von militärischen Überfällen, gar als Landesverräter, Demokratiefeind, nützlichen Idioten, wehrunwilligen Lakaien Moskaus, Opfer feindlicher Propaganda, Defätisten, Diversanten und Befürworter von Diktatur und Unrechtsstaaten denunzieren.

All das kann man tun.

Man kann auch einseitige Kriegspropaganda betreiben wie in den schlimmsten Zeiten der beiden vergangenen Weltkriege, wo die eigene Seite heroisch, blütenweiss, tapfer, menschlich, unerschrocken und siegeswillig dargestellt wird. Die feindliche Seite als verschlagen, dunkelschwarz, feige, unmenschlich, verzagt und wankelmütig.

All das kann man tun.

Man kann aber nicht behaupten, dass damit ein wirklichkeitsnahes Bild der Situation in der Ukraine hergestellt würde. Man kann nicht behaupten, dass so die sogenannten deutschsprachigen Qualitätsmedien auch nur im Ansatz ihrer Aufgabe nachkommen, ihre Konsumenten mit Einordnungen, Analysen und realitätsnahen Beschreibungen zu versorgen, auf dass sich die eine eigene Meinung bilden könnten.

Unabhängig davon, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht: eine weitere dramatische Niederlage haben die Massenmedien bereits erlitten. Allerdings nicht durch feindliche Einwirkung, sondern selbstverschuldet.

Tagi brutal

Demokratie ist scheisse, wenn das Resultat nicht stimmt.

Man muss das schwarz auf weiss dokumentieren:

Und betonen: das ist kein Deep Fake, auch keine Fake News. Der Brüssel-Korrespondent Stephan Israel hat sich offensichtlich dermassen an den Dunkelkammer-Politbetrieb in der EU gewöhnt, dass er jegliche demokratische Gesinnung fahren lässt.

Die EU hat sich darauf geeinigt, weitere 50 Milliarden Euro Steuergelder in die Ukraine zu pumpen: «Es geht um Mittel für Gehälter, Renten, Schulen und Spitäler. Das Land im Krieg braucht das Geld, um einen Bankrott zu vermeiden. Der ukrainische Regierungschef Denis Schmihal begrüsste den Deal, der helfen werde, das «gemeinsame Ziel eines Sieges» zu erreichen

Nun sieht der ungarische Präsident Viktor Orban das Ganze nicht so gemeinsam. Aber zunächst fantasiert Isael noch von etwas, was er mit der wohl abgelutschtesten Leerformel umschreibt: «Der Durchbruch in Brüssel ist auch ein wichtiges Signal Richtung Washington, wo US-Präsident Joe Biden Mühe hat, Hilfen für die Ukraine durch den Kongress zu bringen.» Als ob es die USA interessieren würde, was die EU beschliesst und welche «Signale» sie ausstrahlt.

Aber dort geht es offenbar zu wie im hölzernen Himmel: «Es gebe keine Ukraine-Müdigkeit, sondern eine «Orban-Müdigkeit», brachte der neue proeuropäische polnische Regierungschef Donald Tusk die Stimmung auf den Punkt. Er könne das «sehr merkwürdige und egoistische Spiel» Orbans nicht verstehen. Orbans Position sei eine Bedrohung für Europas Sicherheit.»

Was hat denn der Bedroher Orban Schlimmes getan? Er wagt es, nicht davon überzeugt zu sein, ob diese Finanzhilfen für das korrupteste Land Europas sinnvoll ausgegeben werden. Man kann diese Meinung teilen oder nicht, aber es ist eine erlaubte Position.

Ist es nicht, keift Israel. Denn: «die Demokratie ist in Ungarn praktisch abgeschafft, und die freien Medien sind zerstört». Das wird aber der Ringier-Verlag nicht gerne hören, der dort in den angeblich unfreien Medien investiert ist. Aber das ist nur di Einleitung für noch mehr Undemokratisches. Nein, nicht von Orban, von Israel:

«Ein Rauswurf ist in den Statuten nicht vorgesehen, aber die EU-Staaten könnten Ungarn das Stimmrecht entziehen. Die EU-Staaten sollten diese sogenannte Nuklearoption ernsthaft in Erwägung ziehen. Viktor Orban könnte dann sein böses Spiel der Erpressungen und Blockaden nicht weiter treiben.»

Langsam zum Mitschreiben: Orban hat nicht zu verantworten, dass in der dysfunktionalen und undemokratischen EU Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten Voraussetzung für eine Entscheidung ist. Dabei ist es sein Recht, wie das der anderen Staatschefs, einer Massnahme zuzustimmen oder sie abzulehnen. Was Israel hingegen vorschlägt, wäre das Ende der Demokratie. Wenn  jemand bei einer Abstimmung beispielsweise gegen einen Vorschlag des Bundesrats votierte, dann müsste man das laut Israel nicht einfach als Ausdruck einer freien Meinungsäusserung so akzeptieren, sondern dem unbotmässigen Schlingel das Stimmrecht wegnehmen. Nach der Devise: du darfst abstimmen, wie du willst. Das ist dein demokratisches Recht. Nur musst du halt richtig abstimmen.

Unglaublich. Einerseits wirft Israel Orban vor, der habe in Ungarn die Demokratie «praktisch abgeschafft». Handkehrum will der Antidemokrat selbst sie in der EU abschaffen. Und bemerkt den schreienden Widerspruch nicht mal. Und die Qualitätskontrolle bei Tamedia, aber lassen wir das. Ein Trauerspiel ohne Ende. Oder mit absehbarem Ende …

 

Es darf gelacht werden

Das kommt davon, wenn man den «Blick» kurz unbeaufsichtigt lässt.

Aber immerhin, er beantwortet endlich eine der wichtigsten und ältesten Fragen der Menschheit:

Wollen wir hier verraten, was ein «internationales Forschungsteam» herausgefunden hat, oder um es mit «Blick» zu formulieren: «es bringt nun allerdings Licht ins Dunkel». Nein, aber wir hoffen, dass das Absicht war.

Übrigens, wussten Sie, dass sich Insekten auch mitunter komplett (nicht etwa teilweise) auf den Rücken drehen «und stürzen mitunter ab»? Doch, die Lösung nur im «Blick». Gratis. Wahnsinn.

Fast ein wenig spät für eine modische Orientierung ist hingegen das hier:

Aber vielleicht sollte man das so sehen: ein wichtiger Tipp, um im Ausverkauf noch Winterklamotten zu erstehen, die rausgeräumt werden, um Platz für die Frühlingsmode zu machen. Ach so, das ist ja gar keine redaktionelle Leistung, sieht nur so aus, wird aber «Präsentiert von Chicorée». Und erst noch bezahlt, hoffentlich zu den verbilligten Tarifen. Denn nicht nur der «Blick» muss sparen, auch bei den Inseratepreisen wird gespart. Kein Wunder, zu den glorreichen Zeiten der Boulevardgurgel Peter Uebersax (Spitzname Übersack) kratzte der «Blick» an einer verkauften Auflage von fast 400’000 Exemplaren. Nicht zuletzt dank der neuen Strategie, ihn zu enteiern, entsacken, den Boulevard auszutreiben, sind es aktuell noch rund 75’000 Stück. Tendenz Sinkflug.

Inzwischen häufen sich die Hiobsbotschaften von der Ukrainefront. Einstmals siegesgewisse Kriegsgurgeln und Sandkastengeneräle fürchten Schlimmes. Die Munition geht aus, der Kampfeswillen auch, der Nachschub aus dem Westen stockt, dazu der Nahe Osten. Aber da kann «Blick» wenigstens Gegensteuer geben, dagegen anrudern:

Vergesst den Landkrieg, die Krim und so. Die «Aussenreporterin News» Myrte Müller berichtet live von der ukrainischen Kriegsflotte: «Nicht an der Landesfront, sondern im Schwarzen Meer hat die Ukraine bedeutende Erfolge erzielt. Blick erklärt mit fünf Fragen Selenskis Siegesstrategie.» Landesfront, Landfront, deutsche Sprache, schwere Sprache. Auch am Schreibtisch in der Hölle des Newsrooms. Aber macht ja nix, dafür ist der Artikel auch hinter der Bezahlschranke.

Auch beim Wunderwuzzi vermag «Blick» wahrlich Neues zu vermelden:

Der «Blick»-Leser wünscht sich nur, dass endlich mal ein neues Foto von Benko gezeigt wird.

Dann der objektive Autotest:

Das ist nun Spar-Journalismus, wie er besser nicht möglich ist. Der Test wird präsentiert von der getesteten Marke Kia, und die Testerin darf auch gleich noch Werbung in eigener Sache machen. Und «Blick» verdient und der Leser ist verarscht. Alles ist gut.

Nun kommt es wieder weltexklusiv nach der Devise: Storys, die sonst keiner will, hast du immer alleine:

ZACKBUM fragt sich aber: wer ist Tiziana Gulino? Wer ist der Vater? Was ist der «SI.TALK»? Was ist «Blick tv»? Und wer ist die Dame rechts?

Aber sollte sich da jemand zu sehr aufregen, auch hier weiss «Blick» Rat:

ZACKBUM findet es aber gemein, dass solche lebenswichtige Informationen geldgierig hinter der Bezahlschranke versteckt sind und somit für 99 Prozent aller «Blick»-Leser nicht zugänglich …

Dann eine Nachricht, die einen Verdacht von ZACKBUM bestätigt:

Durch die häufige Lektüre des «Blick»? Nein, über so ernste Themen sollte man keine Scherze machen.

Noch ein Absackerchen? Aber immer, da greifen wir doch zum bewährt herausragenden Dreierschlag jeder «Blick»-Ausgabe:

Um unnötige Geldausgabe zu verhindern: wir sagen unseren männlichen Lesern mit Penisproblemen nur «Stosswellentherapie». Und noch ein ganz praktischer Tip, der viele Männer aufatmen und Duschgel einsparen lässt: «Es ist sinnlos, sein Axe-Duschgel für die Intimreinigung zu verwenden. Einmal am Tag lauwarmes Wasser reicht völlig aus».

Wir verabschieden uns aber mit einer Horrormeldung, die unsere weiblichen Leser überhaupt nicht nachempfinden können: «Durch einen Stoss kommt es zu einem Riss des sogenannten Schwellkörpers und zu einem Austritt von Blut in den Penis, der dann anschwillt und sich bläulich verfärbt. Bei einem solchen Vorfall sollte man sofort in die Notaufnahme gehen

Sagen wir doch immer: wir Männer haben’s auch nicht leicht.

 

Wumms: Fabienne Riklin

Ein Bärendienst für die ukrainischen Flüchtlinge.

Tamedia-Redaktorin Riklin will den Geflüchteten eine Stimme geben. Also erteilt sie Olena Andreyeva in Tamedia das Wort. Was meint die dazu, dass ein Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj die Flüchtlinge aufgefordert hat, in ihr Land zurückzukehren?

Vielleicht ist Riklin auch ein ausgekochtes Luder, denn zunächst einmal stellt sie im Artikel klar, dass die 66’000 Ukrainer in der Schweiz pro Jahr eine runde Milliarde kosten und das vor allem deswegen, weil nur 21 Prozent von ihnen im erwerbsfähigen Alter einen Job haben.

Andreyeva studierte Germanistik in der Ukraine, unterrichtete dort an einer Privatschule und kam 2022 in die Schweiz, wo sie «bis letzten Herbst» auch unterrichtete. Also zurzeit arbeitslos ist. Sie findet die Idee des Beraters Leschtschenko überhaupt nicht toll. Auf die geht sie gar nicht erst ein, stattdessen geht sie auf die Person los. Er werde «niemals das Schicksal der Flüchtlinge verstehen, da er nie seinen Job, sein Einkommen oder sein Zuhause verloren hat». Zudem sei er schon unter dem damaligen Präsidenten Poroschenko Grossverdiener gewesen und sitze im Aufsichtsrat der «korruptionsanfälligen Eisenbahngesellschaft Ukrzaliznytsia». Also ein typischer ukrainischer Politiker.

Der behaupte doch, es sei sicher in Kiew. «Vielleicht in seiner Wohnung, aber sicher nicht dort, wo die breite Bevölkerung wohnt.» Sie selbst könne sich «nicht vorstellen, in nächster Zeit in die Ukraine zurückzukehren. Meine Familie ist darauf angewiesen, dass ich einen guten Lohn verdiene und sie von hier aus unterstützen kann.»

Fazit: wieso genau sie geflüchtet ist, weiss man nicht. Ob sie etwas Materielles verloren hat oder ihre Stelle in der Ukraine, man weiss es auch nicht. Dass es in Kiew nicht sicher sei, behauptet sie bloss. Statt inhaltlich auf den Berater einzugehen, der den Verlust vieler Menschen für die ukrainische Wirtschaft befürchtet, denunziert sie ihn als typischen korrupten Politiker. Es störte sie aber bis 2022 nicht, in einem solchen Staat zu leben.

Und am Schluss sagt sie ganz offen, worum es geht. Sie müsse ihre Familie in der Ukraine unterstützen, natürlich von der Schweiz aus, denn die Gehälter in der Ukraine sind viel niedriger. Also brauche sie «einen guten Lohn», obwohl sie trotz besten Deutschkenntnissen und Qualifikationen arbeitslos ist.

Soll mit diesem Beitrag Verständnis für das Schicksal geflüchteter Ukrainer geschaffen werden – oder will Riklin sie in die Pfanne hauen, indem sie sie sich frisch von der Leber weg ins Elend reden lässt?

Man weiss es nicht, vermutet aber im Zweifel für die Angeklagte, dass Riklin den Beitrag als völkerverbindend meint.

Kriegsziele

Was schwebt denn den journalistischen Sandkastengenerälen so vor?

Der Historiker Herfried Münkler schwafelt von einer Reheroisierung und postheroischen Gesellschaften. «Material und Durchhaltewillen», Menschenmaterial, der heroische Soldat, fehlt nur noch die Statue von Arno Breker zur Illustration. Wir sind verbal und mental wieder dort, wo wir 1914 schon mal waren.

Auch sonst gibt es jede Menge wohlfeiler Ratschläge. Mehr Waffen, mehr Menschen, mehr Schlachten, wäre doch gelacht, wenn man den Iwan nicht kleinkriegen würde. Der ist sowieso demotiviert, desillusioniert, eigentlich schon tot, am Ende, kurz vor dem Zusammenbruch.

Mit welchen Fanfarenklängen wurde die grosse ukrainische Offensive angekündigt und begleitet. Wie kleinlaut wurde ihr Zusammenbruch vermeldet. Wenn’s auf dem Schlachtfeld nicht nach Wunsch der Kommentatoren geht, dann eröffnen sie Nebenschauplätze. Dafür aber müssen sie zuerst die Wirklichkeit kräftig umbiegen. Dass Putin und sein Regime ein Unrechtsstaat sind, mit einer dysfunktionalen Justiz, endemischer Korruption und dem Beseitigen von Oppositionellen nach Mafia-Art, darüber muss man keine Worte verlieren.

Putin ist aber kein Irrer, nicht verrückt, auch nicht einfach böse. Sondern er ist einfach ein Machtmensch, der sich schwer verkalkuliert hat und diese Scharte wieder auswetzen möchte.

Auf der anderen Seite war und ist die Ukraine eines der korruptesten Länder der Welt, seinem Präsidenten wurde die Wahl ins Amt von einem ukrainischen Oligarchen gekauft, der dafür eine Amnestie für seine Milliardenbetrügereien bekam. Pressefreiheit existiert so wenig wie in Russland, Opposition dito. Mit den wenigen verbliebenen Oppositionellen geht Selenskyj auch nicht viel sanfter um als Putin. Immerhin lässt er sie nicht umbringen oder in ein Straflager stecken.

Und das soll also der strahlende Verteidiger westlicher Werte wie Freiheit, Liberalismus, Rechtsstaatlichkeit sein. Da lachen die Hühner, und die Hähne wälzen sich am Boden.

Wer wie ZACKBUM einen Ausflug in den «Tages-Anzeiger» wagt und dort eine Replik veröffentlicht, ist nur deswegen nicht entsetzt über die Kommentare, weil er nichts anderes erwartet hat. Banale und fundamentale Prinzipien eines Rechtsstaats – pfeif drauf, sagt die überwältigende Mehrheit der Kommentatoren. Einer holt gleich zum grossen Schlag aus: «Herrn Zeyers Replik auf Herrn Kisslings Argumentation ist moralisch, politisch und historisch weder fundiert noch vertretbar.»

Es ist grauenerregend, welche Unkenntnis auch in der Schweiz über das Funktionieren eines Rechtsstaats herrscht und mit welch lockerer Hand seine Prinzipien und Gesetze weggewedelt werden, wenn es angeblich übergeordnete, moralische oder sonstwelche Gründe gäbe, die einen eklatanten Gesetzesbruch angeblich legitimierten.

Diesen Gesinnungsverbrechern arbeiten Journalisten in die Hand, indem sie martialisch mit Napalm gurgeln und an den Endsieg der Ukraine glauben. Alle objektiven Faktoren sprechen dagegen. Um so länger der Krieg dauert, desto teurer werden die Aufräumarbeiten, vom menschlichen Blutzoll und Elend ganz zu schweigen. Einige Dummköpfe wie ein ETH-Militärexperte machten sich bereits lächerlich, indem sie konkrete Prognosen wagten, wann Russland besiegt sei und das Schlachtfeld schmählich verlassen werde. Genau im Oktober vorletzten Jahres, zum Beispiel.

Aber wozu in die Ferne schweifen, das Schlechte liegt so nah. Verfassungsauftrag, Kriegsmaterialgesetz, ohne Deuteleien glasklare Formulierung, was erlaubt ist und was verboten. Pfeif drauf, sagt ein Chor von Stimmen, das biegen wir hin, um. Weil es doch übergeordnete Gründe gibt, Moral, Solidarität, Freiheit. Man entblödet sich sogar nicht, fragwürdige Exporte von Kriegsmaterial beispielsweise nach Saudiarabien als Grund anzuführen, dass man doch auch in die Ukraine liefern könne, solle, müsse. Oder wenigstens den Weiterexport dorthin durch Staaten, die auf ihre eigenen Gesetze pfeifen, endlich erlauben. Denn eine Fragwürdigkeit legitimiere doch zweifellos die andere, so lautet diese perverse Logik.

Selbst ehemalige Pfaffen wie der deutsche Ex-Bundespräsident Gauck üben sich in der alten Beschäftigung der Kirche, Waffen für einen angeblich guten Zweck zu segnen und zu fordern.

Aber immerhin hat das Kriegsgeschrei etwas Gutes. Zuvor war es vielen unverständlich, wie ansonsten zurechnungsfähige Menschen, Intellektuelle, besonnene Denker ab August 1914 sich plötzlich in Berserker verwandelten, den Sieg des eigenen Landes forderten, besangen, herbeifantasierten. Dabei die Heroik, den übermenschlichen Einsatz der eigenen Soldaten lobten, das grausame, entmenschte Wüten des barbarischen Gegners verurteilten.

ZACKBUM gesteht: bis vor Kurzem war uns das nicht verständlich, nicht nachvollziehbar. Inzwischen haben wir verstanden, dass sich die Geschichte immer ins Gleiche verschlauft, kein zivilisatorischer Fortschritt erkennbar ist. Sich wie ein Mühlstein, wie ein Rad dreht und wiederholt. Und ist das grosse Schlachten mal wieder vorbei, will sich keiner mehr daran erinnern, welch verbaler Blutsäufer er war, wie ungehemmt er den Tod von anderen für eine vermeintlich gute Sache forderte, wie schamlos er den Kriegsgegner dämonisierte. Es hat im deutschen Sprachraum eine lange Tradition, das mit Russen, dann Sowjetbürgern, jetzt wieder mit Russen zu tun.

In Schlamm und Dreck zu stecken, zu frieren und zu hungern, das hat nichts Heroisches. All diese Sandkastenkrieger in ihren wohlbeheizten Arbeitsstätten, die mit wichtiger Miene und strategischer Überlegenheit mehr Waffen, mehr Krieg, mehr Tote, mehr Siege fordern, merken gar nicht, wie widerwärtig sie sind.

 

Verfassungsfeind Kissling

Darf jetzt bei Tamedia jeder alles?

Der Gastkommentator Hans Kissling «ist Volkswirtschaftler und ehemaliger Chef des Statistischen Amtes des Kantons Zürich», klärt der Tagi den Leser auf. Das heisst, er lag als Staatsangestellter dem Steuerzahler auf der Tasche. Vielleicht dürfte man von Beamten eine gewisse Verfassungs- und Gesetzestreue erwarten.

Aber nicht von Kissling. Der behauptet, es gäbe eine «unheilige Allianz», die «verhindert, dass die Schweiz der Ukraine die benötigten Waffen liefert». Und er fordert ultimativ: «Das muss sich 2024 ändern

Nun gibt es in der Schweiz auf der einen Seite die Meinungsfreiheit, genauer: «Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.» Davon macht Kissling ungehemmt Gebrauch. Das darf er, denn jeder hat das Recht, sich öffentlich zum Deppen zu machen.

Aber das ist nur die Einleitung zu seinem happigen Vorwurf. Denn die USA und die EU lieferten «dringend benötigte Waffen im Umfang von Dutzenden von Milliarden Franken». Womit es allerdings zurzeit ziemlich harzt, was der Statistiker unterschlägt. Dann versteht Kissling die Präambel der Bundesverfassung falsch, dort stehe, dass es darum gehe, «Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken». Allerdings lässt Kissling die Einleitung dazu weg: «im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie …» Was für ein Verfassungsfreund.

Aber nun geht’s erst richtig los. Hier praktiziere die Schweiz «keine Solidarität». Wozu genau missbraucht Kissling diesen Begriff? Die Schweiz sei unsolidarisch, weil sie keine Waffen liefere und das «mit dem Kriegsmaterialgesetz» begründe, «welches vorschreibt, dass keine Rüstungsgüter an kriegsführende Länder geliefert werden dürfen». Ganz falsch, donnert Verfassungsexperte Kissling, «dabei führt die Ukraine keinen Krieg gegen Russland, sondern verteidigt sich gegen einen Aggressor».

Vielleicht sollte Kissling mal das Schweizer Kriegsmaterialgesetz studieren, bevor er solchen Unfug verzapft. Vielleicht sollte Demokrat Kissling zur Kenntnis nehmen, dass das Schweizer Parlament ausdrücklich Sonderregeln für die Ukraine, also eine Lockerung, abgelehnt hat.

Wir empfehlen ihm insbesondere die Lektüre von Art. 22a sowie der Bestimmungen, die eine Wiederausfuhr verbieten, weil sonst Exportrestriktionen kinderleicht ausgehebelt werden könnten. Entscheidend ist schlichtweg das Hindernis, dass Kriegsmaterialexporte nicht bewilligt werden, wenn «das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist». Was bei der Ukraine einwandfrei der Fall ist, wie jeder versteht, der lesen kann.

Nun führt Kissling das Beispiel von Waffenlieferungen an Saudiarabien an, «welches in den Jemen-Konflikt verwickelt ist». Das ist tatsächlich fragwürdig, aber Kissling als gesetzestreuer Ex-Staatsdiener sollte vielleicht wissen, dass man einen Gesetzesverstoss nicht mit einem anderen legitimieren kann. So nach der Devise: es gibt doch noch mehr Ladendiebe, also darf ich auch klauen.

Aber damit ist Verfassungsfeind Kissling noch nicht am Ende: «Geradezu grotesk ist der Umstand, dass die Schweiz europäischen Staaten die Lieferung von in der Schweiz gekauften Waffen in die Ukraine verbietet. Die meisten europäischen Staaten zeigen wenig Verständnis für die unfaire Schweizer Haltung.»

Für ihn ist also die Einhaltung geltender Schweizer Gesetze «grotesk». Das sei eine «unfaire Haltung», die zudem bei europäischen Staaten auf «wenig Verständnis» stosse. Die Einhaltung Schweizer Gesetze ist also zudem «unfair». Deutschland hat fast identische Rüstungsexportgesetze wie die Schweiz, pfeift aber im Fall der Ukraine darauf. Und an Saudiarabien werden wohl weiterhin Starfighter geliefert. Ist das vielleicht «fair» und nicht grotesk?

In was für einem Rechtstaat möchte Kissling lieber leben? In einem, der sich wie die Schweiz an seine Gesetze hält – oder in einem, der sich wie Deutschland darum futiert? Wer ist seiner Meinung nach daran schuld, dass sich «bisher weder der Bundesrat noch das Parlament in Richtung Unterstützung der defensiven Wehrbereitschaft der Ukraine bewegen»? «Eine unheilige Allianz», setzt sich Kissling noch einen Heiligenschein auf: «Das linksgrüne Lager will die Rüstungsindustrie so klein wie möglich halten oder sogar abschaffen, die Rechtskonservativen haben die Neutralität zum Staatszweck der Schweiz verklärt

Sieht Kissling wenigstens kleine Hoffnungszeichen? Nicht bei der SVP: «Da herrscht zu viel offene und heimliche Bewunderung für das despotische Regime in Russland.» Eine solche Denunziation müsste eigentlich mit ein, zwei Belegen untermauert werden. Aber doch nicht von einem Statistiker. Der setzt seine Hoffnung auf das «linksgrüne Lager», das mit Helfershelfern «den Weg frei macht für die Lieferung von lebensrettenden Flugabwehrsystemen».

«Weg frei machen»? Wie sollte das gehen? Das ginge nur durch eine entsprechende Gesetzesänderung, die das Parlament bereits abgelehnt hat. Oder es ginge mit Willkür und Bruch geltender Gesetze. Diese insinuierte Forderung traut sich Verfassungsfeind Kissling nicht offen auszusprechen.

PS: Diese Replik wurde leicht entschärft bei der liberalen Plattform «Tages-Anzeiger» eingereicht, die als Quasi-Monopolmedium um ihre Verantwortung weiss, verschiedene Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Der zuständige Redaktor Fabian Renz wollte eine enteierte und gekürzte Version. Er bekam und veröffentlichte sie, was erstaunt und  für ihn spricht.

Wumms: Jan Diesteldorf

Dummschwätzer breiten sich in Tamedia weiter aus.

Jan Diesteldorf ist ein weiterer unerwünschter Ausländer beim Tagi. Brüssel-Korrespondet, dann im Frankfurter Büro der «Süddeutschen Zeitung». Das qualifiziert ihn zu einem «Essay» in der SZ: «Wer zögert, verliert». Im Tagi wird das zur «Analyse» hochgezwirbelt: «Drei Wege, um Putin in die Knie zu zwingen». Dem schlottern sie jetzt schon …

Denn Diesteldorf haut zunächst allen Befürwortern von Sanktionen eins in die Fresse, denn er weiss als Einziger, wie man den Kremlherrscher fertigmacht: «Sanktionen konnten Russlands Kriegswirtschaft nicht ausbremsen, im Gegenteil. Jetzt muss Europa alles tun, um den Kreml da zu treffen, wo es schmerzt: beim Geld.» Ein typischer Schwurbler, den erkennt man an der Blubber-Formulierung «jetzt muss Europa alles tun». Wer ist Europa, warum muss es jetzt, weil Diesteldorf den Befehl gibt? Immerhin, nach einem solchen Flachsinn ist der mündige Leser gewarnt und stellt die weitere Lektüre ein.

Ausser, ZACKBUM muss seiner Berichterstatterpflicht nachgehen, was schon eine Bürde ist, die wir aber mit Fassung tragen. Zunächst, gelernt ist gelernt, der szenische Einstieg: «… die Raketen fliegen, sie treffen Kiew, sie treffen Charkiw, ihre Wucht tötet Menschen, lässt Häuser brennen und einstürzen, sie unterbrechen die Versorgung mit Strom und Gas».

Was haben wir? Einen «zuversichtlichen Lügner» auf der einen Seite, schlimmer noch: «Putins Siegesgewissheit ist kein hohles Geschwätz. Sie ist gut begründet.» Auf der anderen Seite schwindende Ambitionen der EU, ihm die Stirn zu bieten, dazu noch das Quertreiben des «Populisten und Russlandfreunds Orban». Das Panoptikum des Schreckens wäre nicht vollständig, fehlte dies, nämlich «dass sich mit Donald Trump wieder jemand warmläuft, der mit Putin nicht nur die Siegesgewissheit gemein hat». Was sonst noch? Die Frisur? Den Wunsch, Kriege zu führen? Was für ein hohles Geschwätz.

Hohl, aber mit Pathos vorgetragen: «Dabei hat sich an der moralischen Verpflichtung für Europa und den Westen und jeden einzelnen Bürger, der in jener Freiheit lebt, die die Ukrainer stellvertretend verteidigen, nichts geändert.» Genau, wir Freiheitsliebenden wollen sie bis zum letzten Ukrainer verteidigen, unerschrocken und mit der Waffe in der Hand. Beziehungsweise auf der Tastatur im wohlgeheizten Büro.

Dann überrascht Diesteldorf mit aus den Überschwemmungen in Deutschland gezogenen Erkenntnissen: «Ein Damm ist eben nur dicht, wenn man ihn zu Ende baut.» Unfertige Dämme sind untauglich, das sollte man den Niedersachsen endlich mal sagen.

Aber was nützt dieses Beispiel im Kampf gegen Putin? Was hat Diesteldorf zu bieten? «Ölpreisdeckel verschärfen, komplettes Gasembargo, Sekundärsanktionen». Gähn. Irgendwie fällt es ihm selber auf, dass seine drei Wege, «Putin in die Knie zu zwingen», höchstens funktionierten, wenn Putin beim Schlapplachen umfällt. Daher winselt der Autor zum Schluss: «Wohl wahr, das alles hat kaum Aussicht auf Erfolg.»

Schlimm, ist das denn alles? Fast: «kurz bevor sich der Krieg zum zweiten Mal jährt, sollte man es den Ukrainern gleichtun und die Hoffnung nicht aufgeben.» Genau, die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch darauf, dass bei Tamedia endlich mal wieder so etwas wie eine Qualitätskontrolle Einzug hält. Bevor der Leser auf die Knie fällt und um Gnade und Verschonung von solch gebackener Luft winselt.

Gurgel Gauck

Pastor, Bundespräsident, Kriegsgurgel. Was für eine Karriere.

Joachim Gauck möchte gerne das sein, was man in Deutschland eine «moralische Instanz» oder gar einen «elder Statesman» nennt. Dafür fehlt ihm aber das Format. Daher lässt es die NZZ mit ihm launig angehen. Sie eröffnet standesgemäss in einem Berliner Zwei-Sterne-Lokal ihre neue Gesprächsreihe «Zmittag».

Standesgemäss, denn Ex-Bundespräsident Gauck verursacht gigantische Kosten für den Steuerzahler («allein die jährlichen Personalkosten für Büroleiter, Referenten, Sekretärin und Chauffeur betragen 385.000 Euro», Wikipedia), plus Büroflucht und Altersruhegeld («Ehrensold» von 214’000 Euro, plus «Aufwandsgeld» von rund 80’000 Euro). Da dürfte ihn auch der Preis des Gourmet Menüs (6 Gänge 228 Euro) nicht abschrecken, oder aber er beschied sich mit drei Gängen des Mittagsmenüs (78 Euro).

Bei der Forelle zieht Gauck über die AfD, die SVP, die FPÖ und «Herrn Wilders in den Niederlanden» her. Differenzierung war noch nie so seine Sache. Es geht ihm überhaupt biblisch um «den Kampf gegen das Böse», also gegen Putin zum Beispiel. Kriegerisch war Gauck schon immer gestimmt, auch als es um den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan ging.

Immerhin kommen hier seine Sottisen in lockeren Plauderton daher, unterbrochen von kulinarischen Ausflügen («Meine Buletten sind sehr, sehr gut», berlinerisch für Hacktäschli). Ganz anders bei der Qualitätszeitung Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger», na ja, also dieses ungeliebte Anhängsel von Tx.

Hier geht er in die Vollen. Wieso haben «Rechtspopulisten Zulauf», fragen Dominik Eigenmann und Ausland-Chef Christof Münger im Chor und völlig unparteiisch. Eine Studie habe gezeigt, erwidert Gauck, «dass etwa ein Drittel der Menschen eine «autoritäre Disposition» hat».  Aha, also eine hoffentlich heilbare Verhaltensauffälligkeit dieser rechtspopulistischen Wähler von AfD oder SVP.

Könnte die Migration eine Ursache dafür sein, soufflieren die beiden das nächste Stichwort. «Da werden Populisten Nutzniesser der Angst vor dem Verlust von Tradition, Sicherheit und Heimat – kurzum: von Vertrautem.» Ah, Angstmacher und Angstgewinner, dabei ist Migration doch eigentlich kein Problem. Aber immerhin ist Gauck nicht bei allen Parteien gleich scharf im Urteil, so bei der SVP: «Die ist für meinen Geschmack reaktionär, mag kein vereintes Europa oder will jedenfalls nicht dabei sein. Aber von ihr gehen keine nationalsozialistischen Gedankengänge aus wie bei einigen in der AfD

Richtig militant wird Gauck dann wie immer, wenn es um den Ukrainekrieg geht. Nicht nur viel mehr Waffen liefern sollte man: «Ja, im Grunde müssten wir dem überfallenen Opfer unsere Solidarität dadurch beweisen, dass wir selbst hingehen. Selbst mitzukämpfen wäre eigentlich das moralische, aber auch das politische Gebot.»

Aber um selbst mit gutem Vorbild und der Waffe in der Hand voranzugehen (oder würde er sie als Pastor nur segnen), davon hält Gauck dann doch ein «guter Grund» ab: «Einen Weltkrieg oder einen Atomkrieg wollen wir nicht

Gar nicht einverstanden ist Gauck allerdings mit der Einhaltung von Exportgesetzen durch die Schweiz: «Ich habe dafür null Verständnis. Ich habe schon Mühe, zu verstehen, warum die Schweiz mit der Europäischen Union so fremdelt.» Für den ehemaligen höchsten Repräsentanten der im Vergleich zur Schweiz doch eher jungen deutschen Demokratie zeigt Gauck dann bedenkliche Ansichten: «Bündnisfreiheit, das schon. Aber die Weitergabe von Waffen an die Ukraine zu untersagen, weil es dem Schweizer «Daseinsgefühl» widerspricht, halte ich für einen Fehler.» Das «Daseinsgefühl» der Schweiz, sich an ihre Gesetze zu halten (im Gegensatz zu Deutschland), das hält Gauck für einen Fehler? Spätestens da müsste es einem der beiden Interviewer einfallen, mal eine kritische Frage in die Schleimspur zu streuen. Aber i wo.

Stattdessen lassen sie Gauck weiter seine Kriegsfantasien ausleben: «Wird Russland in der Ukraine nicht entscheidend geschwächt, dürfte es seinen Feldzug Richtung Westen in einigen Jahren fortsetzen.» Kriegerische Bedrohung vom Iwan, diesmal überfällt nicht Deutschland oder Frankreich Russland, und wie steht es im Westen, in den USA, «wenn Trump zurückkehrt? – Dann wird es gefährlich für die amerikanische Demokratie

Was wünscht Gauck den Ukrainern zum Jahreswechsel? «Mögen sie sich lange wehren, hoffentlich mit deutscher und schweizerischer Unterstützung!» Natürlich sollte man vor einem 83-Jährigen Mann etwas Respekt und Nachsicht zeigen. Aber fast 20’000 A Interview ohne eine einzige kritische Nachfrage? Stattdessen liebedienerisches Stichwortgeben, soufflieren, Pseudofragen liefern, auf dass Gauck ungehemmt losschwadronieren kann? Soll das Qualitätsjournalismus sein? Oh, Pardon, das wäre ja schon eine kritische Frage gewesen – geht nicht bei Tamedia.

 

 

Leichen zählen

Eine der verlogensten Tätigkeiten der Medien.

Es gibt Leichen, die interessieren die Medien nur sehr am Rande. Oder wissen Sie, wie viele Tote es in den letzten Jahren im Sudan gab? In Somalia? In Äthiopien? In Eritrea? In Myanmar? Wie viele Opfer der Drogenkrieg jährlich in Mexiko fordert? Eben.

Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte zählt über 10’000 zivile Opfer des Ukrainekriegs. Ein grosse Dunkelziffer existiert bei den Angaben über militärische Verluste auf beiden Seiten. Sicherlich völlig unparteiische US-Geheimdienste gehen von 315’000 toten oder verwundeten russischen Soldaten aus. Das wären 87 Prozent der bereitgestellten Bodentruppen. Das britische Verteidigungsministerium schätzt die Anzahl auf 70’000 Tote plus bis zu 240’000 verwundete Soldaten.

Auf ukrainischer Seite werden 120’000 «irreversible Verluste» geschätzt, also tote oder schwerverwundete Soldaten.

Das wäre ein wundersames Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Opfern. In modernen Kriegen geht man davon aus, dass auf einen gefallenen Kombattanten bis zu neun zivile Opfer kommen.

Während aber im Ukrainekrieg die öffentliche Meinung eindeutig auf der Seite der Ukraine steht, ist es im Nahen Osten komplexer. Während nur fanatische Irrläufer die von den fundamentalistischen Wahnsinnigen der Hamas begangenen Massaker am 7. Oktober kleinreden wollen, ist die Anzahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen zu einer meinungsentscheidenden Grösse geworden.

Israel gibt rund 1200 Tote und 5’500 verletzte Zivilisten an, grössenteils durch den Terrorangriff der Hamas. Die Verluste der Streitkräfte beliefen sich auf 750.

Einzige übergeordnete Quelle im Gazastreifen ist die Palästinensische Gesundheitsbehörde, die sich unter der strikten Kontrolle der Hamas befindet, was ihre Angaben nicht völlig unglaubwürdig, aber sehr fraglich macht. Sie spricht von rund 20’000 Toten und über 52’000 Verletzten, wobei sie keinen Unterschied zwischen Zivilisten und ihren eigenen Kombattanten macht.

Israel wiederum behauptet, seit Beginn der Invasion rund 8000 Hamaskämpfer getötet zu haben. Das würde bedeuten, dass auf jeden getöteten Hamassoldaten zweieinhalb Zivilsten kämen, würden die Angaben beider Seiten stimmen. Was sie offensichtlich nicht tun.

Nicht nur in der Masse sind diese Zahlen bedeutend in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Dass das israelische Militär drei israelische Geiseln getötet hat, die laut Augenzeugen eine weisse Fahne schwenkend und mit nacktem Oberkörper auf die Soldaten zugingen, hat in Israel die ohnehin schwankende Unterstützung für Premierminister Netanyahus Kriegsführung erschüttert. Vor dem Hamas-Massaker versuchte er bekanntlich, sich selbst vor dem Knast zu retten, indem er eine höchst umstrittene Justizreform auf den Weg brachte, gegen die Hunderttausende von Israelis protestierten.

Sobald dieser Krieg beendet ist, wird dieses Problem mit voller Wucht Fahrt aufnehmen. Ebenso die Diskussion, warum Israel am 7. Oktober völlig unvorbereitet war und wer dafür die Verantwortung trägt.

Während die Zahl der Opfer im Gazastreifen im Zentrum der Debatte steht, interessieren sich die Medien eher weniger für die weit über 250 durch illegale israelische Siedler ermordeten Palästinenser in der Westbank. Während der Gazastreifen nach dem vollständigen Rückzug der Israeli in die Hände der Hamas fiel, verwandelte sich die Westbank durch illegale Besiedelungen und die Politik Israels in einen Fleckenteppich, in dem die palästinensische Autonomiebehörde und die Al Fatah nur über kleine Teile die Kontrolle ausüben. Dass diese Organisationen hoch korrupt sind, trägt auch nicht gerade zur Anerkennung ihrer Autorität bei.

Leichen zählen, das ist seit Anbeginn der Kriege ein Propagandaschlachtfeld. Schon immer werden die Verluste des Feindes übertrieben, die eigenen schöngeredet. Schon immer ist der Feind unmenschlich und grausam, die eigenen Streitkräfte versuchen, so schonend wie möglich vorzugehen. Schon immer begeht der Feind brutale, entmenschte Kriegsverbrechen, während die eigene Seite sich an alle Regeln der Haager Landkriegsordnung hält.

Und schon immer war ein Geschehen so grausam wie noch nie. Seien es die Massaker der Hamas in Israel, seien es die Flächenbombardements der Israelis im Gazastreifen.

Leichen zählen, das ist ein Geschäft, mit dem politische und öffentliche Pluspunkte gesammelt werden sollen. Auch hier versagen die Medien in ihrer Funktion, möglichst unparteiisch einzuordnen, auf die Quellenlage hinzuweisen und keinesfalls ungeprüft Angaben einer Kriegspartei zu übernehmen.

Jede Leiche, jede behauptete Leiche, jedes getötete Kind, jede geschändete Frau wird als Propagandawaffe eingesetzt. Das individuelle Schicksal ist grausam, dieser Missbrauch verächtlich.

Laientheater

Der Bundesrat ist gewählt. Wie zu erwarten war.

Geheime Geheimpläne, enthüllte Geheimpläne, erfundene Geheimpläne. Einmal jährlich dürfen sich die Schweizer Medien im Konjunktiv-Journalismus richtig austoben.

Meistens ist dann das Resultat genau das, was zu erwarten war. Nämlich eine Bestätigung der bisherigen Bundesräte und die Wahl eines offiziellen Kandidaten der Partei, die ein Anrecht auf den frei werdenden Sitz erhebt.

So war es natürlich auch dieses Mal. Wie zu erwarten hat die vereinigte Bundesversammlung den falschen SP-Kandidaten gewählt. Falsch deswegen, weil der Laientruppe in der Landesregierung dringend ein Jurist gutgetan hätte. Alleine das prädestinierte Daniel Jositsch für dieses Amt. Aber mit 68 Stimmen im dritten Wahlgang ging er mal wieder als zweiter Sieger vom Platz.

Wieso die SP mit dem chancenlosen Jon Pult statt Jositsch antrat, gehört zu den vielen Geheimnissen dieser schlecht geführten Partei.

Neben den sicheren Wiederwahlen kann man hier höchstens Notiz von den unterschiedlichen Stimmenzahlen nehmen. Am schlechtesten schnitt die SP-Bundesrätin Baume-Schneider ab, sie bekam nur 151 Stimmen. Selbst der ins Kreuzfeuer geratene Bundesrat Cassis schnitt mit 167 Stimmen besser ab, auch der zweiten FDP-Vertreterin Keller-Sutter ging es mit 176 Stimmen nicht viel besser.

Während die SVP-Bundesräte wie erwartet souverän wiedergewählt wurden, fuhr Mitte-Bundesrätin Amherd trotz einer Pannenserie erstaunliche 201 Stimmen ein.

Kann’s Jans? Welches Departement er auch zugewiesen erhält, Regierungserfahrung hat er, also muss er sich nur bemühen, ungleich seinem Vorgänger gröbere Fehler im Amt und im Privatleben zu vermeiden. Das dürfte ja nicht allzu schwierig sein.

Noch etwas Nachbereitung, dann müssen sich die Medien wieder ein neues Thema suchen. Nachdem der Begriff Bundesratswahlen alleine im letzten Monat satte 2’257 Treffer in der Mediendatenbank SMD erzielt. Allerdings: Ukraine ergibt im gleichen Zeitraum über 13’000 Treffer, Israel bringt es gar auf 16’410 Resultate. Weit vorne, vor den Wahlen, liegt sogar das Wetter, «Regen» hat 6’316 Tropfenmeldungen.