Verschwörungstheoretiker gegen Binswanger
Michèle Binswanger von Tamedia hat sich im Dunstkreis von Jolanda Spiess-Hegglin unbeliebt gemacht. Da fliegt dann der Dreck tief.
Die juristische Auseinandersetzung darüber, ob es in der Schweiz wirklich möglich ist, ein erst geplantes Buch, dessen Inhalt nicht bekannt ist, präventiv verbieten zu lassen, ist noch nicht beendet. Ein ordentliches Gericht muss entscheiden, ob eine solche Massnahme Bestand haben kann.
Die beinhaltet, dass in einem Recherchewerk verschiedene, für die Zuger Affäre zentral wichtige Aspekte nicht geschildert werden dürfen. Aber solange das noch durch die Mühlen der Justiz getrieben wird, möchte man gerne jede Gelegenheit benützen, Binswanger eine reinzubrennen.
Verschärft wird das Bedürfnis noch dadurch, dass Binswanger als prominente Tamedia-Autorin das Protestschreiben der erregten Tamedia-Frauen nicht mitunterzeichnet hat, die sich über Sexismus, Diskriminierung und ein unerträgliches Arbeitsklima beschweren.
Jüngster Anlass: Binswanger hat eine Story über eine Flugbegleiterin veröffentlicht, deren Nase dauerhaft geschädigt ist. «Heute habe ich Panik vor jedem Test», wird sie zitiert, denn ihre Nasenscheidewand ist durch ständige Corona-Tests lädiert.
Ein unter Flugbegleitern bekanntes Problem. Während der normale Reisende in Corona-Zeiten eher selten fliegt und daher nicht ständig einen Tupfer in den Nasenrachenraum geschoben bekommt, ist das für die Crew natürlich anders.
Ein geradezu exemplarisch recherchierter und geschriebener Artikel
Binswanger baut die Story so auf, wie man es Anfängern als Beispiel vorführen könnte. Einstieg mit dem auslösenden Vorfall, dann Vorstellung der Betroffenen, die mit vollem Namen bereit ist, Zeugnis zu geben.
Dann zitiert Binswanger Aussagen von Fachleuten und eine Warnung der österreichischen Ärztekammer vor falschen «oder nicht idealen Abnahmetechniken». Auch einen Schweizer HNO-Facharzt, der ebenfalls Fälle aus seiner Praxis kennt und die Flugbegleiterin zu seinen Patienten zählt.
Hassobjekt: Michèle Binswanger.
Schliesslich kommt wieder die Betroffene zu Wort, die über die gesundheitlichen und psychischen Folgen dieser Erkrankung berichtet. Antriebslosigkeit, Müdigkeit, das Ausüben von Sportarten, die sie vorher liebte, ist nicht mehr möglich. Am schlimmsten: sie kann, mit Attest bestätigt, keine Maske mehr tragen. Das führt zu ständigen Anpöbeleien in der Öffentlichkeit, die laut eigenen Aussagen früher extrovertierte Frau geht kaum noch nach draussen.
Selbst einen Zwischenfall, als die Betroffene eine Freundin am Bahnhof abholte und sie von einem aggressiven Herrn angerempelt wurde, der sie anherrschte, sie solle sich sofort die Maske aufsetzen, liess sich Binswanger von Zeugen bestätigen.
Soweit also ein sauber recherchierter, nach allen Regeln der Kunst aufgebauter Artikel, an dessen Inhalt keinerlei Kritik möglich ist. Das finden natürlich Binswanger-Basher ziemlich blöd. Deshalb haben sie etwas gegraben und gewühlt und sind fündig geworden. Bei einem Beitrag auf den Social Media, den diese Flugbegleiterin letztes Jahr absetzte und in dem sie behauptet, auf Flügen dabei gewesen zu sein, bei denen unter Drogen gesetzte Kleinkinder oder Babys verschleppt worden seien.
Ein Post und seine Folgen
Das ist nun etwas speziell, keine Frage. Der Finder dieser Meldung hält sich noch leicht zurück und schlägt vor, die Flugbegleiterin solle sich in diesem Fall an die Kantonspolizei Zürich wenden. Aber wozu gibt es die alte Boulevardgurgel Hansi Voigt, der nach einem Erweckungserlebnis sich als tapferer Unterstützer von Spiess-Hegglin und allen Anliegen diskriminierter Frauen neu erfunden hat. Wenn er spricht, muss es aus seinem Mund stauben, so viel Kreide hat der gefressen.
Der zieht dann gleich gröber vom Leder:
«Quelle, die laut Tagi von maskenfanatischen Deutschen belästigt wird, hat Kinder in Kartons gefunden. Protipp: cancelt solche Kulturartikel.»
Laientipp: Es ist nie eine gute Nachricht, von Voigt unterstützt zu werden. Die «Quelle» die sogar einen Namen hat, wurde nachweislich von einem maskenfanatischen Deutschen belästigt.
Denn im Gegensatz zu Voigt checkt Binswanger so Sachen, bevor sie unbelegten Unsinn verzapft. Falsch ist hingegen, dass die «Quelle» Kinder in Kartons gefunden habe. Zusammenfassung: Voigt keift mit zwei Behauptungen los, beide falsch. Peinlich, aber da ist der Millionenverröster schamfrei. Unser Tipp: cancelt bajour, oder wenigstens Voigt.
Nachdem also genügend Verschwörungstheorie versprüht wurde, kommen dadurch benebelte weitere Twitterer aus ihren Löchern. Für @Megafon Reitschule Bern ist die Flugbegleiterin bereits «QAnon-Anhängerin». Das ist ein Beispiel dafür, was Twitter immer mehr in eine Jauchegrube verwandelt. Anonymes, unbewiesenes, dummes Gequatsche, das durch noch dümmeres getoppt wird.
Haben all diese Geiferer und Eiferer vielleicht mal nachgefragt?
Ob wohl einer dieser Rechercheriesen, die Binswanger handwerkliche Fehler unterstellen, sich die Mühe gemacht hat, mit Sara Macy direkt Kontakt aufzunehmen? Vielleicht könnte sie ja etwas zum Thema beitragen. Aber wieso denn, es zeichnet Verschwörungsidioten ja gerade aus, dass sie keine Gefahr laufen möchten, durch die Realität in ihrem Wahn widerlegt zu werden.
ZACKBUM hat das getan, was all diese Kläffer unterliessen. Die Betroffene gebeten, Stellung zu nehmen. Dass sie Anhängerin von QAnon sein soll, dementiert sie energisch. Und zu ihrem Tweet sagt sie:
«Ich habe eine Ausbildung, was Human Trafficking (mit Ausbildner, welche alle selber trafficked wurden) anbelangt, und habe schon in der ganze Welt mit eigenen Augen gesehen, wie Kinder prostituiert werden und mit Organisationen gearbeitet, welche die Kinder befreien und danach für sie sorgen. Die Kinder haben mir persönlich ihre Storys erzählt, was sie alles durchmachen mussten. Nichts Lustiges und definitiv nicht etwas, um damit einen Trend auf Twitter zu machen!»
Dem könnte man nachgehen, das könnte man zum Ausgangspunkt einer Story machen. Das so etwas existiert, ist unbestreitbar. Ich selbst habe schon Reportagen darüber gemacht, in Zentralamerika. Aber diese Flachpfeifen von Voigt abwärts haben schon längst vergessen, was Journalismus ist. Wenn sie es überhaupt jemals wussten.
Immerhin haben sie es geschafft, eine kranke Frau noch mehr einzuschüchtern. Sich dabei über etwas vom Widerlichsten, was es gibt – Kinderhandel – lustig zu machen. Bravo, das ist mal wieder echter Humanismus, Solidarität und Menschlichkeit, die diese Fanatiker nachleben wollen – und deren Fehlen sie anderen so lautstark vorwerfen. Unappetitliche, unfähige Heuchler, die sie sind.