Schlagwortarchiv für: Tweet

Rimoldi randaliert

Auch Provozieren will gelernt sein. Ist nichts für Trottel.

Nicolas A. Rimoldi ist der Meister der Spitzkehre. Zuerst verkündete er, dass es gar keinen Sinn mache, an Wahlen teilzunehmen. Dann verkündete er, dass es doch Sinn mache und er höchstselbst kandidiere. Bescheuerter geht es eigentlich nicht.

Geht es doch. Denn Rimoldi weiss, dass man mit Erregungsbewirtschaftung am ehesten die Chance hat, in den Medien wahrgenommen zu werden. Thema? Egal. Inhalt? Scheissegal. Sinn? Völlig unwichtig.

«Florida erlaubt das verdeckte Tragen von Waffen ohne Lizenz. Bravo! Das Recht auf Selbstverteidigung ist ein Grundrecht. Wann zieht die Schweiz endlich nach?»

Diesen Schwachsinn twitterte Rimoldi am 1. April sowohl scherz- wie schmerzfrei. Angesichts der sich aktuell ständig wiederholenden Amokläufe mit Dutzenden von Toten in den USA, und das in Staaten, in denen das verdeckte Tragen von Waffen ohne Lizenz nicht einmal erlaubt ist, illustriert blutig, wie hirnlos diese Forderung von Rimoldi ist. Man kann ihm ohne weiteres unterstellen, dass er offensichtlich solche Verhältnisse auch in der Schweiz sehen möchte.

Aber er hatte damit medialen Erfolg. Denn eine grüne Nationalrätin twitterte mit dem verunglückten Scherz zurück: «Ah was, in Notwehr erstech ich den Rimoldi auch mit dem Sackmesser.» Damit war dann die Kacke richtig am Dampfen; die Medien berichteten fleissig, die Politikerin erhielt ihrerseits Morddrohungen, und Rimoldi kündigte vollmundig an, er wolle die Nationalrätin wegen «mutmasslicher Morddrohung» anzeigen.

Dass sich die Schweizer Qualitätsmedien durch einen dumpf-dummen Provokateur wie Rimoldi dermassen vorführen lassen, auf jeden seiner sinnentleerten Tweets wie Pavlowsche Hunde anspringen, zu sabbern und zu bellen beginnen, das ist an Symbolgehalt für den allgemeinen Niedergang nicht zu überbieten.

Hysterie als Grundstimmung

Atemlos durch die Nacht und den Tag. Überfordert und kurzatmig.

Instant opinion, so könnte man die aktuelle Gemütslage bezeichnen. Wer auch nur einen Moment nachdenkt, verliert. Meinungen bilden sich wie die Suppe aus der Tüte. Einrühren, fertig. Auch die schriftliche Debatte spielt sich inzwischen wie jede normale Talkshow ab.

Da weiss der geübte Teilnehmer, dass er sich vor allem Raum für eigene Worte erobern muss. Das gelingt, wenn man das Wort lange nicht loslässt, sobald  man es ergriffen hat. Beliebt sind hier Aufzählungen wie «ich möchte hier vier Punkte klarstellen». Da dreht der Moderator leicht die Augen nach oben. Ausser er heisst Brotz, dem ist auch das egal, schliesslich zählt nur seine eigene Meinung.

Aber früher oder später ist die Redezeit abgelaufen. Da muss auf ein kurzes Zögern, ein Luftholen, ein winziges Nachdenken der anderen Teilnehmer gelauert werden. Passiert das, kommt die verbale Blutgrätsche. Wehrt sich der andere, siegt die längere Fähigkeit, einfach unbeeindruckt weiterzuquatschen, bis niemand mehr reinredet.

Was hat das mit Erkenntnisgewinn oder neuen Aspekten oder gar differenzierter Nachdenklichkeit zu tun? Nichts natürlich. Ist bei solchen Veranstaltungen auch nicht gefragt.

Ähnliches gilt inzwischen auch für schriftliche Äusserungen. Das Bonmot, dass wir im Internet inzwischen die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs unterschritten haben, übertreibt nicht gewaltig. Die Fähigkeit, sich auf die Informationsaufnahme in einem Text zu konzentrieren, muss in Sekunden gemessen werden. Ob das eine ein- oder noch zweistellige Zahl ergibt, darüber streiten die Gelehrten.

Daher macht die Beschränkung eines Tweets auf 280 Zeichen durchaus Sinn. Das wird zwar durch Aneinanderreihung von Tweets umgangen. Aber damit verliert der Absender bereits massiv an Lesern. Denn wer will denn eine Botschaft aufnehmen, die nicht genau hier und jetzt aufhört?

Der vorangehende Absatz war so lang wie ein Tweet

Das waren 275 Zeichen; man hätte auch noch ein Smiley dranhängen können. Daraus ergab sich die Gewohnheit:

Es gibt eigentlich nichts auf der Welt, das sich notfalls und vorzugsweise auf 280 Zeichen abhandeln lässt. Inklusive Leerschläge.

Die Zeiten sind schon längst vorbei, als das böse Bonmot umging, dass sich der damalige Präsident Reagan verbat, mit Entscheidungspapers oder Analysen belästigt zu werden, die mehr als ein A4-Blatt umfassten. Wenn man die Auftritte des aktuellen US-Präsidenten verfolgt, ist man sicher, dass er eher in Tweet-Längen denkt und spricht. Abgesehen davon, dass er sowieso das meiste vom Teleprompter abliest.

Nun leiden politische Führer selbstverständlich immer unter einer Informationsüberflutung. Eine Krise jagt die nächste, eine Besprechung die andere. Da ist für lange Nachdenkpausen keine Zeit. Führungsstärke bedeutet, so schnell wie möglich als Chef in die Debatte reinzusägen: «Gut, das machen wir jetzt so …» Würde ein Leader sagen: Hm, da muss ich erst mal länger drüber nachdenken, seine Entourage würde sich ernsthaft Sorgen um seinen Geisteszustand machen.

Aber auch der durchaus politisch und an der Weltlage interessierte Staatsbürger leidet zunehmend unter Reizüberflutung. Er wird auf verschiedenen Kanälen und häufig gleichzeitig beschallt. Sozusagen in einer Hand die Fernbedienung, in der zweiten das Smartphone, und in der Werbepause kann’s auch mal ein Podcast sein.

Das hat dramatische Auswirkungen. Durch die sinkende Aufmerksamkeitsspanne müssen die Botschaften kurz und knackig sein. Ein Satz mit zwei Nebensätzen, ein einschränkendes Aber, eine Auslegeordnung, ein Hinweis, wie komplex, kompliziert, interagierend, multifaktoriell Situationen gemeinhin sind? Untauglich.

Leichte Agitiertheit und Hysterie

Verweise auf historische Wurzeln aktueller Konflikte, auf wirtschaftliche, soziologische, demografische, psychologische Faktoren oder gar mentalitätsmässig bedingte Handlungsmotive? Das verwirrt doch nur zusätzlich, widerspricht dem Bedürfnis nach überschaubarer Kartographie der Wirklichkeit. Mit wenigen, einfachen Strichen, am besten schwarzweiss. Mit einem riesigen Kompass, der sofort Orientierungshilfe gibt. Er zeigt nämlich nicht nach Norden oder Süden, sondern nach Gut oder Böse, nach Freund oder Feind.

Überfütterung mit Nahrung führt zu Magenproblemen. Überfütterung mit Informationen führt zu Hirnproblemen. Die äussern sich in einer Hyperaktivität, Augenflimmern, leichter Hysterie und Agitiertheit. Ein hübsches Beispiel dafür ist der Whatsaboutism. Also auf eine Feststellung oder Frage mit einer Gegenfeststellung oder Frage zu reagieren. Putin ist ein Kriegsverbrecher? Und wie war das beim Einmarsch in den Irak? Wir sind hilfsbereit gegenüber ukrainischen Flüchtlingen? Und wie steht es mit denen aus Syrien oder Afghanistan?

All diesen Verhaltensweisen ist eines gemein. Erkenntnisgewinn nahe null. In der Verkürzung sucht der Mensch Bestätigung, ja keine Verunsicherung. Das nennt man moderndeutsch Narrative. Kurzerzählungen, die sich durch ihre konstante Wiederholung in die Hirnsynapsen eingraben, bis sie als feststehende Tatsachen, Wahrheiten wahrgenommen werden. Obwohl sie nur Interpretationen der Wirklichkeit sind; häufig belegfrei, ohne logischen Zusammenhang, meistens mit rein propagandistischer Absicht.

Wer sich einmal daran gewöhnt hat, so ins Hyperventilieren zu geraten und in diesem Zustand zu verharren, wird der Fähigkeit entwöhnt, einen Schritt zurückzutreten, durchzuatmen und sich zu fragen: was weiss ich eigentlich? Habe ich genügend Fakten zur Beurteilung? Sind deren Quellen auch verlässlich? Zu welchen Schlussfolgerungen führt mich das? Was weiss ich nicht? Weiss ich so wenig, dass ich eigentlich gar keine Meinung bilden kann?

Früher war alles besser

Das wäre eigentlich das Vorgehen, mit dem in Salons, in diesen Brutstätten der Aufklärung und des kritischen Denkens, die Durchdringung der Wirklichkeit und ihre Veränderung begann. Dort gab es zum Beispiel den hübschen Brauch, dass der Teilnehmer an einer Debatte verpflichtet war, zuerst die Argumente seines Vorredners zusammenfassend zu ordnen und wiederzugeben. Um erst dann zu einer Replik anzusetzen.

Dem gegenüber steht die heutige, weitverbreitete Diskussionsunkultur, dass man die Ausführungen des anderen eher als störendes Geräusch wahrnimmt, sehnlich erwartet, dass das aufhört, damit man endlich seine eigene, unbezweifelbar richtige und vorgefertigte Meinung verkünden kann.

Unbeschadet davon, dass man von vielem schlichtweg keine Ahnung hat und bei vielem anderen nicht sicher ist, ob man über genügend belastbare Informationen verfügt.

Keine genauere Ahnung von nichts, aber aus dem Stand eine Meinung zu allem. Das zeichnet nicht nur den modernen Journalisten aus. Sondern die Mehrzahl der Teilhaber an dem, was wir hochgestochen den öffentlichen Diskurs nennen.

Denn das hektisch-hysterische moderne Wesen muss sich an Leitplanken orientieren können, um nicht völlig aus der Bahn zu geraten. Was auch bedeutet: wer diesen Text bis zu diesem Ende gelesen und seinen Inhalt aufmerksam zur Kenntnis genommen hat, gehört bereits zu einer radikal kleinen Minderheit. Kann aber darauf stolz sein.

Im Abfallhaufen geht’s rund

Wer twittert, ist selber schuld. Blick in ein Elendsloch.

Twitter vereinigt alles, was das Internet toxisch macht:

– Beschränkung auf 280 Zeichen, gut für Kurzdenker und Weltvereinfacher
– Geschwindgkeit; schneller gepostet als drüber nachgedacht
– Rudelbildung, man vernetzt sich nur mit Gleichgesinnten
– Kreische und Hetze, weil man auffallen will und muss
– Zeitvernichtung ohne erkennbaren Nutzwert
– Die Taschen der Erfinder und Besitzer der Plattform werden gefüllt
– So manch einer hat sich bereits um Kopf und Kragen getwittert
– Förderung von asozialem Verhalten und Vereinzelung

Nach den ersten fünf Punkten wär’s auf Twitter bereits fertig, maximale Länge erreicht. Das heisst, wir verlieren hier mit jedem Buchstaben Twitter-Abhängige.

Glücklicherweise hat sich diese Plattform zur Selbstentäusserung nie so durchgesetzt wie Facebook. Aber die Kollateralschäden und die direkten Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen.

Statt einer argumentativen Herleitung einfach ein paar aktuelle Beispiele, die das ganze Elend illustrieren:

Werbung in eigener Sache. Meinungsmacht «Ostschweiz»? Echt jetzt?

Unermüdliche Corona-Kreische Brupbacher gibt nie auf.

Insidergequatsche für den eigenen Fanclub.

Kotzbrocken, versteckt in anonymer Feigheit.

Das waren natürlich nur abtemperierte Beispiele, wir wollen hier bei ZACKBUM auch bei Belegen ein tiefes Niveau nicht weiter nach unten durchbrechen.

Debatte, Argumente, Meinungsaustausch, Fakteninput? Fehlanzeige. Mehr oder minder verzweifelt wird hier Bestätigung gesucht. Je verbitterter die eigene Position, desto aggressiver. Durch Anonymität wächst der Mut von feigen Hetzern und Schimpfern.

Ventil für Verpeilte und Verzweifelte?

Vielleicht kann man Twitter zu Gute halten, dass es als Ventil für Frustrierte, Verbitterte und Ungehörte dienen kann, die dann wenigstens keinen grösseren Blödsinn anstellen. Auf der anderen Seite muss auch bei Twitter die gleiche Frage wie bei Ego-Shooter-Ballerspielen gestellt werden: ist das Triebabfuhr, pädagogisch nützlich – oder ist das verführerisch und gefährlich?

Ist der Nachplappereffekt, vornehm Retweet genannt, Treibstoff für totale geistige Verarmung, weil der Wiederkäuer nicht mal mehr den Schatten eines eigenen Gedankens formulieren muss? Fördert Twitter nicht die redundante Selbstbestätigung, schaltet jeden Zweifel, jedes Nachdenken, jede Analyse, jeden Erkenntnisfortschritt aus? Beinhaltet der Begriff des «Followers» nicht in aller Offenheit, dass der Nutzer anderen hinterherhöseln will?

Die Zeiten, als Twitter ein Zeitvernichtungs- und Unterhaltungsprogramm war, sind längst vorbei. Neben Gekeife, Hetze und sich selbst rückkoppelnden Echokammern wird Twitter immer häufiger für Manipulationsversuche missbraucht. Auch dazu, Gegenöffentlichkeiten herzustellen.

Da im Gegensatz zu immer noch existierenden Newsmedien jeglicher Faktencheck, jede Kontrolle des Wahrheitsgehalts fehlt, entwickeln sich immer wieder abseitige Verschwörungstheorien, kaputte und finstere Vermutungen über Weltherrscher, über Methoden, wie wir alle geknechtet und kontrolliert werden sollen.

Über Reiche, die sich an der Lebensessenz von Kleinkindern vergreifen und damit ihre Jugendlichkeit erhalten. Die Archetypen solcher Absurditäten sind durch die Jahrhunderte gleich geblieben, nur die Transportmittel sind moderner geworden.

Realitätsverlust durch Abkapselung

Indem sich hier jeder Japser und Angstbeisser austoben darf, findet immer weniger eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit statt, immer weniger soziale Interaktion. Der fanatische Twitterer ist weitgehend davor gefeit, sich dem Zweifel seiner Meinung widersprechender Gedanken aussetzen zu müssen. Sollte er kurz verunsichert werden, findet er schnell in den warmen Schoss seiner In-Group zurück, zum gemeinsamen Masturbieren, zum Suhlen in Rechthaberei, Rückbestätigung. Geeint durch die finstere Ablehnung alles Andersdenkenden.

Twitter ist wohl das hässlichste Gesicht des Internets. Aber wo Bedarf existiert, gibt es auch Angebot. Jedes Angebot beinhaltet, den Einmalkunden zum regelmässigen Konsumenten zu machen. Seien das Drogen, Konsumgüter oder Plattformen im Internet. Je unnützer und überflüssig sie sind, desto raffiniertere Tricks verwenden sie, um die Nutzer bei der Stange zu halten.

Das ist ein wenig so wie die Verwendung von Goldfolie bei Speisen. Völlig überflüssig, gaga, hat aber ihre Fans. Allerdings: das kostet, ist dafür unschädlich. Twitter ist vermeintlich gratis (der User zahlt mit Attention und seinen Daten), aber sehr schädlich.

Müllers Müll

Der Komiker ist auch im realen Leben eher unlustig.

Wer sich für einen Satiriker hält, zudem für eine prominente Persönlichkeit, neigt dazu, die Wichtigkeit der eigenen Meinung zu ziemlich allem schwer zu überschätzen.

Vor allem, wenn er wie Mike Müller die Weisheit mit grossen Löffeln gefressen hat. «Oh je, Sibylle», japste er, als sich die Autorin Sibylle Berg erfrechte, ihre Opposition gegen das verschärfte Covid-Gesetz publik zu machen.

Inzwischen wird der virulente Virologe Müller recht rabiat und unkomisch:

Da stellt er eine blöd-polemische Frage über einen angeblichen «Freiheitsverlust» an ein «ungeimpftes Arschloch». Zu solchen Unfällen kommt es immer wieder, wenn ein geskripteter Komiker, dem bei jedem Gag geholfen wird, einfach mal so frisch von der Leber weg poltert.

Von einem Profi wie Müller dürfte man erwarten, dass er in der Lage ist, den Gefahren der Hass- und Hetzeschleuder Twitter zu entgehen. Also muss Absicht dahinterstecken. Das bestätigt auch seine Antwort auf eine Anfrage des «Blick»:

«Ein Tweet braucht keine Erläuterung, ausser er ist grottenschlecht. Letzteres ist meiner Meinung nach nicht der Fall.»

Da hat er recht. Sein Rülpser ist nicht grottenschlecht, er ist unter jeder Sau. Primitiv, unanständig, beleidigend, ein Schlag in die Fresse für seine Fans und für die Sache, die Müller eigentlich unterstützen möchte.

Man sollte keine Scherze über Namen machen, aber hier muss das sein. Der Tweet ist das, was entsteht, wenn man bei seiner Namensnennung in TV oder Radio so schnell wie möglich abschaltet und dadurch die letzten beiden Buchstaben seines Nachnamens verlorengehen.

 

 

Twitter ist blöd

Nicht gewusst? Gewusst, aber doch twittern? Zu viel Zeit zum Vernichten?

Schön ist’s, wenn man einen Gedanken fassen kann. Und ihn in 140 Zeichen giessen. Also «gies», der Rest wäre bereits zu lang. Aber Jack Dorsey sei Dank kann man schon lange sagenhafte 280 Zeichen verwenden.

Die letzten zwei Wörter wären allerdings schon wieder jenseits. Nun hofft der gesunde Menschenverstand, dass es doch nur ein paar wenige Kurzdenker geben kann, die einen solchen Quatsch verwenden.

Alles ist relativ, im Jahr 2021 rechnet man mit 322 Millionen. Hoch von 290 Millionen im Jahr 2019. Dummheit ist lernbar, sagte mal einer.

 

Bei Twitter gibt es zunächst die üblichen Nebenwirkungen. Während wohl die meisten, die in der Lage sind, ihre Ansichten auf 280 Zeichen einzudampfen, bzw. gar nicht mehr brauchen, sicher annehmen, dass es doch nett ist, gratis und franko diese Zeitvernichtungsmaschine benützen zu dürfen, verdient sich die Twitter Inc. natürlich an den Nutzerdaten dumm und krumm.

Schliesslich müssen die rund 5000 Mitarbeiter bezahlt werden, und einen Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar alleine im zweiten Quartal 2021 erreicht man auch nicht mit Menschenfreundlichkeit.

Twitter hält einerseits die Anonymität der Nutzer hoch, jeder Trottel kann sich ein Pseudonym zulegen (Wutbürger, Giftspritze, was auch immer) und losbelfern. Während ein anonymer Leserbrief oder ein Schreiben («wir wissen, wo du wohnst, du Sauhund, hör auf zu schreiben, sonst holen wir deine Kinder») doch einigen Aufwand kostet, am Einrichten eines vermeintlich anonymen Mailkontos schon manche gescheitert sind, ist das bei Twitter dem IQ der meisten Nutzer angepasst.

Datenschutz? Selten so getwittert

Allerdings ist die Bude dann doch gerne bereit, Nutzerdaten herauszurücken, wenn man sie nett oder weniger nett fragt. Sollte sie da etwas zicken, sind die Daten so gut geschützt, dass es nicht mal eine Brigade russischer Hacker braucht, um dran ranzukommen. Der Sohn des Nachbarn schafft das mit oder ohne die Hilfe eines Billig-Programms aus dem Darknet.

Auch sonst sorgt dieser Dienst dafür, dass das Schlechteste im Menschen öffentlich zum Vorschein kommt. Eine Anzahl sogenannter Follower verleiht die Illusion von Bedeutsamkeit. Wer nicht mal zu eigenen 280 Zeichen in der Lage ist, kann retweeten, also den Schwachsinn eines anderen weiterverbreiten.

Natürlich, bevor hier einige getroffene Leser aufheulen, gibt es auch wenige sinnvolle Verwender. Gibt es die Möglichkeit, mit entsprechend vielen Followern, meinungsbildend zu wirken. Kann Twitter in Unterdrückerstaaten als Plattform für Meinungsaustausch und Organisation dienen. Allerdings schon unter der Einschränkung, dass Datenschutz ein besserer Witz ist, dem Dienst auch schnell der Stecker gezogen werden kann, wenn er ein Regime nervt.

Das Schönste an Twitter ist aber die Schnelligkeit. Keinen Gedanken haben, ihn nicht ausdrücken können, und schwups, schon ist der Tweet draussen. Und der Twitterer öffentlich blamiert. Oder sagen wir so: was kann an einem Kanal richtig sein, den Donald Trump so gerne und ausführlich benützte, bis er selbst gesperrt wurde?

Kann auch einem US-Präsidenten passieren.

Natürlich kann ein Präsident oder ein Möchtegern versuchen, seinen Schwachsinn nachträglich wieder einzufangen. Wenn Amok Hansi Voigt beispielsweise 72 Schweizer Parlamentarier und über 140’000 Unterzeichner eines Referendums mal kurz als «Freunde des Faschismus» tituliert. Um dann halblaut zurückzurudern.

Gezwitscher, um den Ruf zu ruinieren

Aber der Ruf, so vorhanden, ist restlos ruiniert. Denn wie kein anderes asoziales Medium sorgt Twitter für das Entstehen von Ingroups. Ballungen von Gleichgesinnten, die sich gegenseitig be- und verstärken. Zur japsenden Meute werden, wo jeder Kläffer den anderen an Lautstärke und Grobheit übertreffen will. Ein erschütterndes Beispiel dafür ist der Twitterkanal von Jolanda Spiess-Hegglin.

Wer sich richtig elend fühlen will, sollte seinen Verlauf mal fünf Minuten lang anschauen. ZACKBUM lehnt aber jede Verantwortung für Nebenwirkungen ab.

Das hätte die neue Sprecherin der Grünen Jugend in Deutschland wohl auch gerne. Die heute 20-Jährige muss sich wegen eines Tweets in den Staub werfen, den sie 2015 (!) abgesetzt hat, also mit 15 Jahren. Das sei «maximal dumm» gewesen, räumt sie zerknirscht ein. Das stimmt allerdings, nur begann ihre Dummheit damit, überhaupt einen Account zu eröffnen.

Aber auch erfahrenen Politikern kann das passieren. So musste unlängst Sloweniens Premierminister mit schäumenden Schlägen zurückrudern, nachdem er EU-Abgeordnete als Marionetten des Investors und Politaktivisten George Soros beschimpft hatte.

Man könnte unendlich viele Beispiele aufführen, wie Geschwindigkeit, Kürze und Gruppenzwang zu unappetitlichen Ergebnissen führten. Dazu, dass sich der Twitterer selbst eins in die Fresse haute, sich selbst desavouierte. Womit die maximale Länge eines Tweets erreicht wäre und wir hier schliessen.

Nein, noch ein Tweet: Es wird niemals einen von ZACKBUM geben. Ehrenwort. Denn wir sind doch nicht blöd. Zudem haben wir sehr wenige Gedankengänge, die sich auf 240 Zeichen reduzieren liessen. Denn alleine schon diese Erkenntnis erreicht hier …

Ging auch andersrum …

Der leitende Zeusler

Brandstifter wäre ein zu grosses Wort für Pascal Hollenstein, die publizistische Leiter nach unten.

Weihnachtszeit, Besinnlichkeit, etwas Ruhe und Milde in diesem schrecklichen Jahr. Selbst ZACKBUM.ch fährt den Output ein wenig zurück. Ausserdem haben wir uns vorgenommen, lieber, verzeihender, verständiger, sanfter zu werden.

Aber man lässt uns nicht. Hollensteins Leiter geht tief, ganz tief hinunter. Wir halten uns die Nase zu und steigen hinterher. Hollenstein twittert; dort bezeichnet er sich stolz als «Leiter Publizistik bei CH Media». Vorsichtshalber schiebt er hinterher: «Hier halbprivat.» Was das sein soll, weiss wohl nur eine Leiter. Wahrscheinlich soll es sagen: Wenn ich Gegenwind kriege, wie ich so einen Stuss als Leiter herauslassen kann, sage ich einfach: das war ich, aber halbprivat.

Anknüpfen an welche Traditionen beim «Nebelspalter»?

Nicht halbprivat, sondern völlig öffentlich ist seine bösartige Unterstellung Richtung «Nebelspalter». Es hat ein Weilchen gedauert, bis er etwas gefunden hat, womit er auf das Projekt von Markus Somm einprügeln kann. Natürlich nicht auf seinem Mist gewachsen, aber er sorgt für die skandalöse Einrahmung.

Denn als @p_holle (auf so einen Schwachsinn muss man auch erst mal kommen) hebt er an: «Möglich, dass der „Nebelspalter“ mit neuer Mannschaft an derartige Traditionen anknüpft.» An welche denn? Nun, obwohl Hollenstein scheint’s Historiker ist, bezieht er sich auf einen Tweet des Landesmuseums Zürich: «Heute vor 140 Jahren nahm sich der damalige Bundesrat Fridolin Anderwert auf der «kleinen Schanze» in Bern das Leben. Dem Suizid des 52-jährigen Ostschweizers ging eine mediale Schlammschlacht voraus.»

Man muss es sehen, ums zu glauben.

Wollen Somm und Hummler Politiker in den Selbstmord treiben?

Bis 12.25 Uhr am 25. Dezember brauchte Hollenstein, um den Festtagsbraten zu verdauen und sich zu überlegen, wem er erhaltene Geschenke aufs Auge drücken könnte. Dann vielleicht ein leichter Lunch, und auf geht’s. Unterstellen wir doch mal Somm und seiner Mannschaft von honorablen Investoren, dass sie finster entschlossen sind, Politiker in den Selbstmord zu treiben.

Bevor der neue «Nebelspalter» auch nur einmal erschienen ist. Bevor auch nur im Ansatz öffentlich bekannt ist, was Somm eigentlich mit dem Traditionsblatt machen will. Aus Angst vor rechtlichen Verwicklungen mit einem «Möglich» abgedämpft, aber das Verb im Indikativ (was das ist, erklären wir der Leiter ein Andermal) verrät, dass es eine ernstgemeinte Unterstellung ist.

Der erste und einzige Bundesrat, der durch Suizid aus dem Leben schied. (Screenshot Blog Landesmuseum)

Nehmen wir mal an, obwohl das eine schreckliche Vorstellung ist, Hollenstein hätte den «Nebelspalter» gekauft. Es wäre zwar fraglich, ob diese Pfeife genügend Investoren finden würde, die gerne ihr Geld zum Fenster rausschmeissen. Aber item, Hollenstein verkündet stolz, dass er neuer Besitzer sei, durchaus an einige Veränderungen denke, sich aber freue, dieses weit in die Geschichte zurückreichende Satireblatt vor dem Vergessen gerettet zu haben.

Der preislose und niveaulose Hollenstein

Und sein Twitter-Klon würde denselben abgründigen Anwurf publizieren. Wenn das nicht unter seinem Niveau wäre, würde der «Nebelspalter»-Hollenstein sicherlich – und völlig zu Recht – fuchsteufelswild. Interessant ist auch, dass der reale Hollenstein zwar nicht auf ZACKBUM.ch oder auf mich replizieren will, obwohl ich mich angeblich schon lange, und ohne dass er einen Grund wüsste, an ihm «abarbeiten» würde. Das sei ihm «zu low», wie seine Kollegin Simone Meier wäffelte, als sie gefragt wurde, ob die Formulierung, dass im Dritten Reich Juden «gecancelt» wurden, nicht geschmacklos, peinlich und einer Entschuldigung wert sei.

Aber gut, Meier hat ja dafür den Preis als Kulturjournalistin des Jahres gewonnen, Hollenstein, schluchz, wurde noch nie gewürdigt. Es ist nun so, dass eine Beschäftigung mit ihm – obwohl wir abgehärtet sind – langsam wirklich unappetitlich wird.

Halbprivat und vollbescheuert

Glücklicherweise hat dieser halbprivate und vollbescheuerte Tweet nur ganz wenig Reaktionen ausgelöst. Natürlich darf dabei Jolanda Spiess-Hegglin nicht fehlen. Sie findet es «tragisch, dass sowas heute noch passiert». Muss uns entgangen sein, dass unlängst ein Bundesrat Selbstmord begangen hätte.

Man fragt sich zunehmend, wie lange Peter Wanner, der doch ein anständiger Mensch ist, dem noch zuschaut. Dem Treiben seines publizistischen Oberaufsehers, der immer wieder als negatives Beispiel auffällt: mit grundloser Anschwärzung, mit dummem Gewäsch eines überbezahlten Sesselhockers, der keinerlei unternehmerische, publizistische oder sonstigen Risiken trägt, sich dafür gerne lächerlich macht.

So, nun nichts wie nach oben an die frische Luft, heraus aus der Kloake des journalistischen Untergrunds.