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Die ehrliche Haut

«Republik» ist erleichtert – und so transparent.

Man kann den Aufschnaufer direkt hören. Zunächst braucht es wie üblich einen laberigen Einstieg über die Bedeutung von Fortschritt. Dann aber: «Die Steuer­behörden haben nach Prüfung unserer Selbst­anzeige entschieden, dass wir ihnen kein Geld schulden. Wir konnten die gesamte Rückstellung von 930’000 Franken auflösen.» Ebenso die zweite Rückstellung von 110’000 Franken für Mehrwertsteuer.

Nun habe die «Republik» ja versprochen, nach Abschluss der Affäre alles ganz transparent zu erzählen. Diese Transparenzerzählung sieht dann so aus. Eine «grossherzige Person» sei kontaktiert worden und habe gefragt: «Wie viel?» Ach, so eine Million, sei die Antwort der transparenten «Republik» gewesen, Handschlag, und zack, war das Geld auf dem Konto. Wunderbar, aber wer ist denn nun diese «grossherzige Person»? Bei jedem Organ, jeder Partei will die «Republik» doch auch immer genau wissen, wer da der Zahlmeister sei. Aber hier: aus der Million seien dann sogar anderthalb geworden. Doch diese Person habe zur Bedingung gemacht, «dass ihr Name nie genannt werde».

Und wie weiland Helmut Kohl hält sich natürlich die transparente «Republik» daran, dass niemand wissen darf, wer dieser Grosspender ist. Dass das ein wenig dem Transparenzgebot widerspricht, das fällt beim Blatt der Gutmenschen, die um die Ecke, aber nicht in den Spiegel schauen können, niemandem auf.

Dafür salbadert sie so ungehemmt wie peinlich: «Dass wir transparent waren, haben wir nie bereut. Weil man so etwas wie eine Haltung nur besitzt, wenn sie auch dann gilt, wenn es unangenehm wird. Und weil wir unser Versprechen transparenter Kommunikation Ihnen gegenüber, liebe Chefinnen, aufrecht­erhalten.»

Obwohl ZACKBUM nicht zu diesen Chefinnen gehört, würde es uns doch wunder nehmen, wie es denn nun eigentlich um den Fall des gefallenen und gefeuerten Starreporters steht, der nach anonymen Anschuldigungen über angebliche sexuelle Übergriffe fristlos gekübelt wurde, ohne das vorher zugesprochene Recht zu einer Stellungnahme eingeräumt zu bekommen. Da wäre Transparenz wohl auch unangenehm, deshalb lässt es die «Republik» lieber.

Nicht transparent, sondern quengelig wie üblich wird dann der zweite Teil des NL; es geht ums liebe Geld, die Anzahl Abonnenten und deren stagnierende Entwicklung. Dank der zusätzlichen Million ist der Ton (noch) nicht todesschwanger: «Es kommt für das Bestehen der «Republik» auf jeden Einzelnen an. Es macht einen Unterschied, ob Sie sich für eine Verlängerung Ihrer Mitgliedschaft entscheiden

Zum grossen Leidwesen der «Republik» kann man zwar die Wirklichkeit in Artikeln schön- und umschwatzen, aber bei Statistiken ist das schwieriger:

Die Kurve der «Mitglieder und Abonnentinnen» (wieso nicht Mitglieder und ohne Glieder?) ist flach, leicht abnehmend, die Anzahl stagniert bei 28’085, weit entfernt von den einmal angepeilten 33’000.

Im laufenden Monat stehen bislang 136 Zugängen 189 Abgänge gegenüber. was den Trend der letzten Monate fortschreibt, wobei der Dezember besonders verheerend war.

Hier ist Transparenz dann doch schmerzlich. Und noch ein kleiner Tipp. Die Abgänge in Feminismus-Lila einzufärben, das geht ja wohl nicht.

 

Intransparente «Republik»

Grosse Klappe, wenig dahinter.

Wie gibt das sich ständig in Bettellaune befindende Blatt für die Rettung der Demokratie und die Bekämpfung des weltweiten Faschismus so schön auf seiner Homepage an:

«Wir legen alles offen: unsere Finanzen, Arbeitsweisen, Fehler, Löhne – weil wir überzeugt sind, dass Transparenz wichtig ist.»

Hört sich gut an, ist aber bloss Propaganda. Die letzte Bettelaktion betraf das «Klimalabor». Das ist so eine richtige «Republik»-Einrichtung. Drei Nasen werkeln seit mehr als einem Jahr daran, herauszufinden, was man denn mal machen könnte. Irgendwann diesen Herbst wollen sie dann das erste Ei legen, nicht nur gackern.

Aber vorher musste das «Klimalabor»  schon gerettet werden. Das war mit dem Kleckerbetrag von 250’000 Franken möglich. Der kam dann, wie immer kurz vor Torschluss, tatsächlich zusammen.

Die Triumphmeldung lautete: «Die Finanzierung des Klimalabors ist für ein weiteres Jahr gesichert. Wir werden das erste journalistische Produkt daraus im Spät­herbst lancieren.»

ZACKBUM schrieb damals: Nun mag man sich fragen, wer denn so bescheuert ist, Geld in ein Labor zu stecken, das höchstens an sich selbst herumlaboriert. Dass innert kurzer Zeit die Melkkühe von «Republik»-Fans so viel Kohle aufwerfen, ist ja unwahrscheinlich. Daher: der Dank gelte «diversen Stiftungen und Privatpersonen», behauptet die «Republik».

Natürlich nahm es Wunder, wer denn so bescheuert ist, hier Geld zu verlochen. Schmallippige Antwort der «Republik»: «Zu den Unterstützer*innen werden wir zu gegebener Zeit informieren.»

ZACKBUM fragte nach drei Wochen nach, ob denn nun der «gegebene Zeitpunkt» gekommen sei. Nachdem wir die obligate Ferienabwesenheitsmeldung kassierten, geruhte die Geschäftsleitung dann doch zu antworten.

Man muss es mit Humor nehmen: «Wir werden Sie informieren, sobald er sich ergibt.»

Das nennt man wahre Transparenz, wie sie die «Republik» bei anderen Firmen ultimativ einfordert, sich wortreich beklagt, wenn sie verweigert wird.

Allerdings regt ZACKBUM an, den breitspurigen Satz auf der Homepage zu ergänzen:

«Wir legen alles offen. Sobald es sich ergibt.»

 

Prima Klima

Labor gerettet, Transparenz im Eimer.

Es war wieder betteln à la «Republik». 250’000 Franken her, oder das Klimalabor muss schliessen, drei Nasen verlieren ihren Job. Das Problem war nur: welchen Job? Wäre das Klimalabor wirklich eines, hätte die Mannschaft ein Jahr damit vergeudet, Reagenzgläser von links nach rechts zu schieben, Mikroskope auf- und abzubauen, Pipetten ordentlich in Reihen zu legen und Petrischalen aufeinanderzustapeln. Denn produziert hat das Klimalabor – umweltfreundlich – eigentlich nix, nicht mal heisse Luft.

Im ersten PS des wie üblich ellenlangen NL dann die frohe Botschaft: «Die Finanzierung des Klimalabors ist für ein weiteres Jahr gesichert. Wir werden das erste journalistische Produkt daraus im Spät­herbst lancieren.» Das ist selbst für «Republik»-Verhältnisse brüllend komisch. Ein paar hunderttausend Franken später wird im Herbst das erste Projekt lanciert. Wahnsinn.

Nun mag man sich fragen, wer denn so bescheuert ist, Geld in ein Labor zu stecken, das höchstens an sich selbst herumlaboriert. Dass innert kurzer Zeit die Melkkühe von «Republik»-Fans so viel Kohle aufwerfen, ist ja unwahrscheinlich. Daher: der Dank gelte «diversen Stiftungen und Privatpersonen», behauptet die «Republik».

Das Organ will ja furchtbar transparent und offen sein. Sagt es zumindest. Aber auf die Anfrage des «Klein Report», welche diversen Stiftungen hier ihr Geld verlochen, kommt eine schmallippige Antwort: «Zu den Unterstützer*innen werden wir zu gegebener Zeit informieren.»

Das ist die dummdreiste Standardantwort, wenn nicht geantwortet wird. Sie würde von der «Republik» in der Luft zerrissen werden – stammte sie nicht von ihr selbst.

Aber das ist noch nicht alles vom Klimalabor. Damit sich Spender und Leser die Zeit vertreiben können, gibt es vom digitalen Magazin ein Print-Sonderheft «Klima». So als kleiner Beitrag zur Abholzung von Wäldern im Norden. Wer nun aber meint, hier seien neue Storys versammelt, irrt. Fast alles ist kalter Kaffee, klimafreundliches Rezyklieren von längst veröffentlichten Artikeln.

Brüllend komisch ist ein Ende April bereits digital erschienenes Interview mit drei Klimaklebern. Darunter der inzwischen berüchtigte Sprecher Max Voegtli. Der hier Klimarettendes absondert, um anschliessend in den Flieger nach Paris und dort in den Flieger nach Mexiko zu steigen. Ferien mit der Freundin. Inzwischen trägt er den Übernamen «Depp des Jahres». Selten so gelacht.

Ernster wird es, wenn sich der NL in Orwells Double Speak versucht. Zunächst ist ja über die Wahlen von vier Pensionären in den Vorstand der Genossenschaft zu berichten. Gratulation, sie kamen mit nordkoreanischen rund 99 Prozent Ja zu ihrem Amt. Was die «Republik» wohl zu einem solchen Wahlergebnis sagen würde – wäre es nicht ihr eigenes?

Ach, und dann wurde noch schnell eine «ausserordentliche Generalversammlung» abgehalten und die gleichen vier Rentner in den VR der «Republik» gewählt. Das gibt’s nicht mal in Nordkorea.

Dann wird’s richtig zynisch: «Zu unserem grossen Bedauern ist aber auch Zeit für Abschied.» Zunächst von der Präsidentin des VR und auch von einem gewissen Alfonso von Wunschheim, bei dem nicht mal das «von» echt zu sein scheint.

Dann wird übergeleitet zu «in der Crew»; es folgen von Krokodilstränen begleitet fünf Namen. Abgerundet mit einer Schleimspur: «Es ist traurig, dass das Wort «danken» nicht länger, farbiger, umfassender, umwerfender ist – dann würde es Euch gerechter werden. Wir danken und vermissen Euch!»

Statt «Zeit für Abschied» wäre die ehrliche und transparente Wahrheit: die «Republik» hat diese fünf gefeuert – plus weitere drei, wenn man dem Magazin noch ein Wort glauben darf, die hier nicht erwähnt werden.

Das untätige Klimalabor ist dank erbettelter 250’000 Franken «gerettet». Im Herbst wird es dann vielleicht mal irgend etwas laborieren. Woher die Kohle kommt? Pfeif auf Transparenz, zu «gegebenem Zeitpunkt» sagen wir mal was dazu. Vielleicht. Eine Rentnerband der Einfachheit halber in Genossenschaftsvorstand und VR der AG gewählt. Mit nordkoreanischem Ergebnis. 5 Gefeuerten nette Worte nachgeschleimt.

Das soll der aufrechte, transparente, unabhängige, die Demokratie rettende Stil sein? Da bleibt nur eine Frage: wieso merken die nicht, wie unvorstellbar lächerlich sie sich mit solchem Geschwafel machen?

SoBli: Neuer Chefredaktor …

Reza Rafi schafft Transparenz im Hause Ringier.

Nein, das ist natürlich ein Scherz. Wieso genau wurde Rafis Vorgesetzter Christian Dorer in den sechsmonatigen Ruhestand versetzt? Wieso genau hat sich Rafis direkter Vorgesetzter Gieri Cavelty «entschieden, das Unternehmen zu verlassen»*? Wodurch qualifiziert er selbst sich als neuer SoBli-Chefredaktor? Da gibt’s grosse Sendepause.

Aber man ist gespannt, wie sich der frischgebackene Häuptling mit ganz, ganz wenig Indianern so metzget. Schauen wir mal auf sein erstes längeres Stück in seiner neuen Funktion:

Also das Titelzitat entspricht eigentlich nicht der neuen Sensibilität im Hause Ringier. Sehr gewagt, Rafi. Aber während andere ohne grosse Mühe den Untersuchungsbericht gelesen haben, musste sich der SoBli-Chef «durchkämpfen». Leseschwäche?

Die Vorwürfe der gefeuerten «Magazin»-Journalistin Anuschka Roshani (für Rafi allerdings vornehm zurückhaltend «die ehemalige») seien «zeitgeisty», lässt Rafi seine Englischkenntnisse aufblitzen. Weil er das Wort auf Deutsch nicht kennt?

Dann arbeitet sich Rafi an Schawinski ab. Zwar «Altmeister», aber dann «das Wort Ich kommt auf den 172 Seiten schwindelerregende 377-mal vor», hat Rafi gezählt. Schawinski habe auch – unglaublich – kräftig für sein Buch geweibelt, um dann beim Journalisten und «Schawinski-Gefolgsmann» Matthias Ackeret sich gerührt vom «grossen Interesse» zeigen zu können.

Dann plaudert Rafi etwas aus dem Nähkästchen: «Die Absage des SonntagsBlicks kam bei ihm schlecht an.» Die NZZaS, weiss der SoBli-Chef, habe eine Buchbesprechung «wieder aus dem Blatt gekippt», die SoZ habe ein Interview «wieder aus dem Programm gestrichen», schreibt er ZACKBUM ab. Wieso zogen eigentlich diese drei Sonntagsblätter den Schwanz ein? Insbesondere der SoBli? Wäre doch Gelegenheit für Transparenz.

Rafi gibt einen merkwürdigen Grund an: «Allzu eindeutige Schwarz-Weiss-Antworten lösen Skepsis aus.» Ausgerechnet der Chef eines Blatts, das prinzipiell für Schwarz-Weiss-Antworten zuständig ist, auch in seinem anfänglichen Applaus für Roshani?

Aber was ergab denn nun der Kampf von Rafi mit dem Untersuchungsbericht? Er muss einräumen: «Nimmt man das 244 Seiten dicke Dokument zum Gradmesser, sieht es nicht rosig aus für Roshani. Die Autoren gingen mehr als 30 Vorwürfen gegen den ehemaligen «Magazin»-Leiter nach. Für die Mehrheit der Anschuldigungen fanden die Ermittler keine Beweise, mehr noch: Bei manchen hätten die Abklärungen «zu ganz anderen Ergebnissen» geführt.

Aber, im Kampf gegen Schwarz-Weiss: ein Vorwurf Canonicas gegen Roshani habe sich auch nicht erhärten lassen, dann die wohlbekannte Hakenkreuze natürlich, sowie Canonicas Wortwahl. Hier wird Rafi eher grenzwertig. So wurde der Ausdruck «Fuck Anushka» im Bericht kritisiert, ausdrücklich aber klargestellt, dass Canonica keinesfalls wie von Roshani behauptet ständig das Wort «ficken» verwendet habe, sondern gelegentlich das englische «fuck», aber nicht etwa im sexuellen Sinn, sondern als übliches Schimpfwort. Was der «zeitgeisty»-Rafi eigentlich wissen müsste, hätte er sich richtig durchgekämpft, aber dem Leser vorenthält.

Also muss Rafi einräumen, dass der Bericht, wie nicht nur von Schawinski bereits konstatiert, fast alle Behauptungen und Vorwürfe von Roshani zurückweist. Mit mehr oder minder starken Worten. Würde Rafi das aber so stehenlassen, könnte er ja seinen Thesenjournalismus nicht durchziehen.

Da hätten wir von ZACKBUM nur zwei Fragen: wieso gibt es eigentlich keinen internen Untersuchungsbericht bei Ringier, und wenn doch, wann wird uns Rafi seine Resultate präsentieren? Stichworte Walder, Dorer, weitere unmotivierte Abgänge?

Zweite Frage: wann lesen wir von Rafi eine Zusammenfassung der Ungeheuerlichkeiten, die «#hateleaks» ans Tageslicht befördert hat? Verein Netzcourage, unterstützt mit Steuergeldern, kämpft gegen Hetze im Internet, hetzt aber selbst wie der Weltmeister, knackt sogar den Mail-Account der eigenen Präsidentin. Wär› doch was, Herr Chefredaktor.

Ach, wir verstehen, Sie wollen den Posten gerne ein Weilchen behalten. Alles klar. Aber noch eine handwerkliche Frage, denn auch da stinkt der Fisch bekanntlich vom Kopf.

Ausgangslage: Chefredaktor Rafi bekommt einen Text vorgelegt. Der gibt den Inhalt des Untersuchungsberichts über die Vorwürfe von Roshani wieder. Ergebnis: eigentlich alle Anschuldigungen und Behauptungen über ihren ehemaligen Chefredaktor und den Verlag Tamedia haben sich als haltlos erwiesen. Dem Chefredaktor wird ein Führungscoaching und eine sensiblere Wortwahl nahegelegt. Bei Roshani ist das Ergebnis, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihr kaum mehr vorstellbar sei. Darüber schreibt Roger Schawinski ein Buch, das diese Inhalte zusammenfasst und vor allem auch das Versagen der Medien nach dem öffentlichen Rufmord Roshanis thematisiert.

Als Titel schlägt der Redaktor (generisches Maskulin) vor: «Fuck Anuschka» ist zukünftig zu unterlassen. Was würde Rafi dazu sagen? Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: handelte es sich um eine Redaktorin, würde er «super, so machen wir das» sagen. Wäre es ein Redaktor, würde Rafi den grossen, roten Chefkuli zücken und den Titel mehrfach durchstreichen. Mit der Bemerkung: schon mal davon gehört, dass ein Titel etwas mit dem Inhalt des Artikels zu tun haben sollte?

*In einer früheren Version stand, Cavelty sei abserviert worden. Auf seine Bitte hin wurde das korrigiert.

 

 

 

Wumms: Denis von Burg

Tamedia hat einen Irrwisch als Bundeshaus-Chef.

Von Burg fiel schon mehrfach durch erratische Kommentare und Positionen auf. So forderte er die Landesregierung zum Gesetzesbruch auf und wollte ein Impfobligatorium, wobei er Kritiker und Skeptiker übel beschimpfte.

Dann hielt er die Aufregung um die Kungelei zwischen Alain Berset und Ringier-CEO Marc Walder für heuchlerisch. Inzwischen ist er überzeugt: «Die Verschwörungstheorie … ist schon längst vom Tisch.» Wohl von seinem.

Genauso locker wie mit Impfgegnern und den Gesetzen geht er inzwischen mit so Kleinigkeiten wie dem Amtsgeheimnis und seiner Verletzung um: «Berset wird so klug gewesen sein, keine Belege für sein offensichtlich stillschweigendes und eigentlich kluges Dulden der Leaks zu hinterlassen.»

Von Burg ist nicht so klug, keine schriftlichen Belege seiner antidemokratischen Haltung zu hinterlassen. Konsequent unterwegs auf seinem Irrweg, fordert er nun mehr Öffentlichkeit bei Bundesratssitzungen.

Immerhin räumt er ein: «Natürlich können wichtige strategische aussen- oder sicherheitspolitische Entscheide … nicht öffentlich gemacht werden.» Da sind wir aber froh.

Hingegen wäre es doch naheliegend, dass von Burg das Gleiche vor seiner Haustüre fordern würde. Wieso werden Themensitzungen der SoZ nicht öffentlich? Oder Treffen der Geschäftsleitung von Tamedia? Der Tx Group? Wie laufen denn so die Gespräche über den Canonica-Skandal beim «Magazin»? Wieso müssen wir das alles durch Leaks und Einzelinformationen erfahren?

Wandeln wir doch einen der Gaga-Sätze von Burgs entsprechend ab: «Mehr Transparenz und mehr Öffentlichkeit bei den Supino-Entscheiden stärken die Geschäftsleitung, korrigieren Falschinformationen, zwingen das Gremium zu sachlichen, statt profitorientierten Entscheidungen und geben ihm am Ende mehr Legitimation

Das wäre doch mal was …

10’000 Todesfälle

Jeder Tod eines Menschen ist eine Tragödie. Die Berichterstattung über Covid-19 ist ein Skandal.

Eines ist sicher: Die Auswirkungen des Covid-19-Erregers auf die Medien sind letal. In nur 20 Monaten hat sich die sogenannte vierte Gewalt ihrer überlebenswichtigen Eigenschaften begeben. Um sinngebend und wertschöpfend zu funktionieren, brauchen Informationsorgane unverzichtbare Attribute.

Die sind überschaubar: Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit, Behaftbarkeit und Transparenz. Der zahlende Konsument eines Newsherstellers will gewisse Sicherheiten. Banaler Art, wie beim Kauf eines Liters Milch. Die Verpackung sollte einen Liter enthalten. Die ausgewiesenen Eigenschaften des Inhalts sollten zutreffen. Wenn es Vollmilch ist, dann sollte der Fettgehalt auch der Definition entsprechen.

Steht oder fällt mit Vertrauen.

Der Konsument sollte auch auf das Haltbarkeitsdatum vertrauen können; darauf, dass ihm kein gesundheitlicher Schaden entsteht und dass er das Recht hat, sollte die Milch wider Erwarten sauer oder ungeniessbar sein, Ersatz gestellt zu bekommen. All diese banalen Voraussetzungen, die Grundlage für ein funktionierendes Angebot mitsamt vorhandener Nachfrage, treffen auf Bezahlmedien weitgehend nicht mehr zu.

Wo Nachricht draufsteht, sollte auch eine drin sein

Angefangen bei so Banalem, dass es geradezu hirnrissig ist, es überhaupt erwähnen zu müssen. Wo Milch draufsteht, sollte auch Milch drin sein. Wo «Nachricht» draufsteht, sollte ein Inhalt vorhanden sein, der dem Bemühen geschuldet ist, verdichtete, kompetent aufbereitete und möglichst wahrhaftig dargebotene Wirklichkeit abzubilden.

Die aktuelle Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit der Pandemie in der Schweiz beträgt 10’906 nach den verfügbaren Statistiken. Das Medianalter der an oder mit Covid-19 Verstorbenen liegt bei der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz. Die Todesfallstatistik weist von Anfang bis heute aus, dass es eine signifikante Zahl von Todesfällen bei Ü-70-Jährigen gibt. In diesem Alter ist es beinahe ausgeschlossen, dass nicht eine oder mehrere Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Rheuma, Arthritis oder Herzinsuffizienz vorhanden sind.

Drei Journalisten treffen sich …

Das sind unbestreitbare Tatsachen. Aus diesen wenigen Zahlen lassen sich die Thesen ableiten, um das Elend der Schweizer Bezahlmedien zu beschreiben.

Das Elend in 11 Thesen
  1. Was vor allem am Anfang – teilweise bis heute – an Horrorszenarien in den Medien herumgeboten wurde, grenzt an Straffälligkeit. Oder ist es keine Schreckung der Bevölkerung, wenn von bis zu 100’000 Toten, einem zusammenbrechenden Gesundheitssystem, schrecklichen Szenen vor überlasteten Intensivstationen, ja sogar einem Faustkampf um Beatmungsgeräte berichtet wurde?
  2. Prognosen sind immer mit Unsicherheit behaftet, niemand hat eine Glaskugel, in der er in die Zukunft schauen kann. Aber wäre es nicht Ausdruck von Redlichkeit und Anstand gewesen, sich für krachende Fehlprognosen zu entschuldigen – statt sie einfach durch neue zu ersetzen?
  3. Mit der falschen Behauptung, dass nur Unmenschen einen Zusammenhang zwischen einem Menschenleben und Kosten zu seiner Erhaltung sähen, wurde versucht, jede Debatte über die ungeheuerlichen finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Bekämpfung abzuwürgen. Damit wird den folgenden Generationen – ungefragt – ein Schuldenberg in der Höhe von schätzungsweise 200 Milliarden Franken aufgebürdet. Diese Verantwortungslosigkeit wird in den Medien kaum thematisiert.
  4. Die Newsmedien verloren schnell jede Distanz zum Handeln der Regierenden. Wenn der Ausdruck Gleichschaltung nicht historisch vergiftet wäre, wenn der Vergleich mit Staatsmedien im ehemaligen Ostblock mangels Ostblock nicht verfehlt wäre: selten war der Unterschied zwischen SRG und Privatmedien in der Schweiz und Staatsfunk oder dem «Neuen Deutschland» oder der «Prawda» kleiner als heute.
  5. Eine freie Gesellschaft konstituiert sich über eine freie Debatte. Die nur Sinn macht, wenn sie öffentlich ausgetragen wird. Trotz Social Media, Blogs und allen Multiplikatoren im Internet finden solche Debatten weiterhin in den klassischen Medien statt. Fänden statt, wenn nicht selbst ernannte Zensoren, Inquisitoren und Besitzer der guten und richtigen Wahrheit mit mittelalterliche Strenge zwischen richtig und falsch, gut oder böse, erlaubt oder verboten entscheiden würden.
  6. In einer offenen und modernen Gesellschaft ist man sich bewusst, dass jede Form von Entscheidung multifaktorielle Auswirkungen hat; Rückkoppelungen, Spiegelungen, Dinge beeinflusst, an die man gar nicht gedacht hat. Nicht nur im Materiellen. Die psychischen Auswirkungen in allen Formen, auf Kinder, Heranwachsende, Ehepaare, Kleinunternehmer, die Veränderung der Ursachen für Suizide, die Kosten für steil ansteigenden Bedarf an psychologischer Beratung oder Behandlung – alles Themen, die im Tunnelblick der Monokausalität weitgehend untergegangen sind.
  7. Ein Journalist ist meistens ein Mensch, der meint, über alles alles zu wissen. Ein Generalist, der gestern über einen Naturschutzpark, heute über interne Vorgänge in der EU-Kommission und morgen über die Folgen des Attentats auf den haitianischen Präsidenten berichten kann. Dabei auch selbstverständlich zum Epidemiologen, Virologen, Seuchenspezialisten herangereift ist. Rechthaberisch, arrogant, beratungsresistent.
  8. Es hat sich eine fatale Komplizenschaft zwischen einzelnen Wissenschaftlern und den Medien ergeben. Seuchenspezialist ist normalerweise keine akademische Betätigung, mit der man sich im Scheinwerferlicht sonnen kann. Ausser bei einer Seuche. Karriere, Forschungsgelder, Geltungsdrang trifft auf Unkenntnis und der Suche nach Steigerungen in den Medien. Daraus entstand ein absolut unbekömmliches Gebräu, zum Schaden des Ansehens der Wissenschaft, der Medien und auch der Regierenden. Denn die liessen sich von den resonanzverstärkten Fachleuten vor sich hertreiben. Ohne zu berücksichtigen, dass ein Virologe wohl von Viren Ahnung hat. Aber von Wirtschaft, Gesellschaft, Psychologie, gesamtheitlichem Denken – null.
  9. Wer regiert, muss handeln. Wer handelt kann Fehler machen, schuldig werden. Muss mit Auswirkungen umgehen, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gar nicht absehbar waren. Für die er aber dennoch harsch kritisiert wird. Denn Politik ist nicht gerecht oder nett. Sondern ein Kampf um Wählerstimmen, Macht und Posten. Völlig befreit davon sind – Medien und Wissenschaftler. Die einen dienen als willfährige Multiplikatoren, die anderen geben wohlfeile Ratschläge. Beide fordern, kreischen, überbieten sich in der Erregungsbewirtschaftung mit immer absurderen Extremen. Verantwortungslos, zum Schaden ihrer Metiers.
  10. Es gibt keine andere Berufsgattung, bei der die Fähigkeit und der Wille zum Austeilen, zum Kritisieren, zum Rechthaben in einem derartigen Missverhältnis zur Einsicht in eigene Fehler steht. Zur Fähigkeit, Kritik zu vertragen, nicht Besserwisser zu sein, sondern besser zu wissen – als bei Medienschaffenden. Das Eingeständnis eines Irrtums, das Zeigen von Lernfähigkeit, das Beschränken auf Wissensgebiete, über die der Journalist tatsächlich Kenntnisse hat – nur unter Folter denkbar.
  11. Die Darstellung der Wirklichkeit in all ihrer Widersprüchlichkeit, Komplexität, Unüberblickbarkeit – das bräuchte Mut und die intellektuelle Fähigkeit zum «ich weiss doch auch nicht, aber ich beschreib’s halt mal». Ausgeschlossen, wer nicht aus dem Stand bereit ist, dem US-Präsidenten, der Bevölkerung jedes beliebigen Landes der Welt, der Wissenschaft, der Autoindustrie oder der Klimaforschung ungefragt Ratschläge zu erteilen, deren Fehler zu kritisieren, masslose Forderungen aufzustellen – der scheint den Beruf verfehlt zu haben und sollte besser nicht als Journalist tätig bleiben.
Summa summarum: Das sind die wirklichen Krankheitssymptome des Journalismus. Nicht etwa wegbrechende Inserate, schrumpfende Auflagen, flüchtende Abonnenten. Da kann auch Staatshilfe nichts Positives bewirken. Sie gleicht dem Versuch, den Komatösen rote Bäckchen zu verpassen – während die Gehirnaktivitäten gegen null tendieren.

Zu Tode gesparter Journalist betrachtet sich selbst.

Aber keine Panik, das Bedürfnis nach Information über das Nahe und das Ferne, das ist ungebrochen vorhanden. Dafür wird auch in Zukunft Geld ausgegeben. Für die Medien des Duopols in der Schweiz sieht es allerdings aschgrau aus. Zappenduster. Schwarz wie Druckerschwärze. Arme Hungerkünstler, die noch einmal wichtig tun wollen, als klappernde Skelette um die verglimmenden Lagerfeuer der öffentlichen Meinungen tanzen. Umso überzeugter von ihrer Wichtigkeit und Bedeutung, desto deutlicher sie fröstelnd spüren, wie der Nachtwind sie in die Vergänglichkeit weht.

Journalist (früher, nur für Gebildete).

«Republik»: Money for nothing

Sorry, liebe Dire Straits, den Songtitel auf die «Republik» anzuwenden, ist gemein, aber unvermeidlich.

Der «Republik»-Redaktor Philipp Albrecht spielte sich an der GV des Clubs der Zürcher Wirtschaftsjournalisten als der grosse und strenge Anhänger von Transparenz auf. Als knallhartem Rechercheur war ihm nicht entgangen, dass der Anlass – wie jedes Jahr – finanziell von einem Sponsor unterstützt wurde.

Erschwerend kam für Albrecht hinzu, dass der CEO des Sponsors Syngenta tatsächlich beim Abendessen anwesend sein würde. Offenbar dachte Albrecht, dass der so unantastbar im Hintergrund bliebe wie die Sponsoren, die ihm selbst Lohn und Brot bei der «Republik» garantieren. Also fragte er inquisitorisch, ob der Mann dann abgeschirmt werde oder man ihn mit Fragen belästigen dürfe. Zu seiner Enttäuschung lautete die Antwort: aber ja, natürlich, dafür ist er doch da.

Aber Albrecht hatte sein Pulver noch nicht verschossen. Wieso diese Anwesenheit denn nicht auf der Einladung zur GV vermerkt worden sei. Weil das erst drei Tage zuvor bestätigt wurde und die Einladung mit drei Wochen Vorlauf verschickt werde, lautete die geduldige Antwort. Aber, so setzte Albrecht nach, dann hätte man dieses Wissen ja nicht drei Tage für sich behalten müssen.

Das war der Moment, wo der Autor erschöpft einen Ordnungsantrag auf Abstimmung und Beendigung dieser sinnlosen Quälerei stellte. Dann wollen wir doch mal in aller Transparenz schauen, wie denn die «Republik» die Kohle von zwei Multimillionären und von ein paar tausend Abonnenten verballert. Dass und wie die Gebrüder Meili, gefolgt von Adrian Gasser, Hauptaktionäre bei der «Republik» sind, wird zwar ausgewiesen, aber dermassen verklausuliert, dass es wohl nicht mal «Wirtschaftsjournalist» Albrecht ohne zu stottern erklären könnte.

Kompliziert, aber einfach gemacht …

Projekt R Genossenschaft, Republik AG, Holding-Struktur, es fehlt nur noch ein Briefkasten auf den Virgin Islands. Aber lassen wir das und konzentrieren uns darauf, wofür genau die «Republik» Tag für Tag rund 20’000 Franken verballert. Sonntage sind nicht mitgezählt, denn da ruhen die Herren (und Damen und divers und beyond und non-binär usw.).

Er mahnt wieder. Schon wieder. Immer wieder.

Nun, gleich drei Fachkräfte werden in die Schlacht geworfen, um die deutsche Corona-Unke Christian Drosten zu interviewen. Die knallharte Titelfrage: «Woher kam dieses Virus?» Nun ist Drosten dafür bekannt und berüchtigt, dass mehr als das statistische Mittel seiner Prognosen und Aussagen falsch, kreuzfalsch oder ziemlich falsch waren und sind. So auch seine Behauptung:

«Diese Idee eines Forschungs­unfalls ist für mich ausgesprochen unwahrscheinlich, weil es viel zu umständlich wäre

Wir wollen uns hier nicht auf eine detaillierte Debatte einlassen, sondern verweisen auf die kritischen Anmerkungen, die hier zu diesem Interview von Dilettanten gemacht werden.

Immerhin 9 Artikel in zwei Tagen

In den der GV folgenden zwei Tagen hat die «Republik» insgesamt 9 Stücke rausgehauen. Das sind immerhin 3 mehr als im Schnitt, dafür schon mal ein Lob. Aber was genau bekommt man hier für 40’000 Franken Aufwand? 2 Artikel sind schon mal einfach eine längere Anpreisung der anderen an diesem Tag erscheinenden Werke, womit wir bei 7 Storys wären. Rund 23’500 Anschläge verwendet die «Republik» darauf, die Nachfolgefrage von Petra Gössi durch den Fleischwolf zu drehen. Erstaunlicherweise widmet sich das Organ zur Rettung der Demokratie dann dem Fall Britney Spears. Das Pop-Sternchen steht bekanntlich seit einigen Jahren und vorangehendem etwas erratischen Verhalten unter Vormundschaft. Damit ein solcher Pipifax als «Republik»-würdig gelten kann, muss er natürlich etwas aufgepumpt werden. Der Fall sei «ein Lehrstück über den bösartigen Umgang mit Künstlerinnen, die aus der Reihe tanzen».

Dann gibt es noch zwei für «Republik»-Verhältnisse Kurzstoffe, ein eingekaufter Bericht eines «Regimekritikers» über die Haftbedingungen, unter denen die Schweizerin Natallia Hersche in Belarus leide. Schliesslich eine Klage, dass Mario Fehr, ein Lieblingsfeind der «Republik», ein Bundesgerichtsurteil missachte, das ihn zur Herausgabe gewisser Dokumente verurteilt habe. Damit wären 20’000 Franken verröstet.

Aktualität ist nicht so das Ding von der «Republik». Am anderen Tag sind es nur drei Stücke, allesamt von brüllend gähnender Beliebigkeit. Baukartell? Graubünden? Whistleblower? Man erinnert sich noch dunkel? Genau, das war die erste grosse «Skandalstory» der «Republik», die bei näherer Betrachtung zum Skandälchen schrumpfte. Und inzwischen verschwunden ist. Aber, solange die Leiche noch nicht völlig verwest ist, kann man doch noch etwas damit machen. Zum Beispiel ein urlanges Interview zum Thema «Polizeistaatmethoden» im Umgang mit dem Whistleblower. Newswert: null. Gähnfaktor: 100.

Schliesslich der dritte Teil der Serie: «Was kann oder muss sich verändern im Bewerbungsprozess und im Umgang mit Stellensuchenden?» Vielleicht ein präventives Stück in eigenem Interesse, wenn die nächste Drohung mit Selbstmord – ausser, es gibt mehr Batzeli – nicht mehr funktioniert.

Schliesslich ein gelinde ausgedrückt mehr als merkwürdiger Artikel. Bei der Lektüre weiss man nicht, ob man befremdet, beelendet oder geradezu angewidert sein soll. Die Autorin porträtiert eine Autistin, um unter anderem Aufschlüsse zu bekommen, wie sie selbst mit ihrer möglicherweise ebenfalls autistischen Tochter umgehen soll.

Wo hört ein Artikel auf und fängt Eigentherapie an?

Dass sich eine Mutter überall Hilfe sucht, wo sie sie vermutet, ist natürlich unbenommen, und ihr persönliches Schicksal verdient Mitgefühl. Aber daraus einen Artikel zu machen, das ist eine befremdliche Steigerung der Bekenntnis- und Geständnisstorys. Wie auch immer, damit wären auch die zweiten 20’000 verballert worden.

Wahrscheinlich hat sich der «Republik»-Redaktor Albrecht von seinen investigativen Fragen am Montag erst mal ein paar Tage erholen müssen, verständlich. Oder, er hat dann trotz Sponsoring und trotz der ihm nicht rechtzeitig angekündigten Anwesenheit des Syngenta-Bosses die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, noch ein letztes Mal einen anständigen Dreigänger, begleitet von angenehmen und ausreichend fliessenden Weinen, spachteln und saufen zu können. Was dann doch vielleicht die üblichen Folgen auf Kopf und Magen gehabt haben könnte.

Angesichts dieses Outputs kann man aber wieder mal sagen: dafür 40’000 Franken? Echt jetzt? Wahrlich money for nothing.

 

Der Liebe und des Senders Wellen

Barbara Lüthi ist Moderatorin des «Club» auf SRF.  Der wird harsch kritisiert. Das wird intransparent, beziehungstechnisch.

Die Partei mit dem gelben Sünneli sieht rot. Der «Club» vom 1. Juni hat sie äusserst echauffiert. «Fass zum Überlaufen gebracht», «Beschwerde», «politisch vorgehen». «Ideologisch geleitete Aktivisten, die sich unverhohlen für linke Anliege einsetzen», das aus ihrer Sicht Links-TV vom Leutschenbach hat der sonst so sanftmütigen und mit gewählten Worten politisierenden SVP den Nuggi rausgehauen.

Die SVP über das «NGO-TV» von Leutschenbach.

Genauer der «Club» vom 1. Juni, der sich mit den Folgen des gescheiterten und beerdigten Rahmenabkommens befasste. Da seien doch drei «Euroturbos» eingeladen worden, aber:

«Vollständig inakzeptabel ist, dass kein Vertreter der SVP zugegen war.»

Schliesslich sieht sich die SVP seit 1291, Pardon, seit 1992 als Verteidigerin der Schweizer Unabhängigkeit gegen österreichische und fremde Vögte. Was Übervater Christoph Blocher begann, wird nun mit dem Scheitern des Rahmenvertrags vollendet. Meint die Partei. Dann darf sie nix Triumphierendes in dieser Diskussionsrunde sagen, das tut natürlich weh.

Im Visier der SVP: Barbara Lüthi (Bildzitat «Schweizer Illustrierte»).

Deshalb droht sie: «Dieser einseitige links-grüne Aktivisten-Journalismus muss gestoppt werden.» Mitten im Feuer steht Barbara Lüthi und der seit 2018 von ihr moderierte «Club». Überraschungsfrei sieht das der Zwangsgebührensender SRF anders. In einer «Stellungnahme zu den Vorwürfen der SVP» nimmt «Gregor Meier, Stellvertretender Chefredaktor CR Video, Stellung dazu».

Seine Argumentation ist aus dem Stehsatz gegriffen; die SVP sei im Fall überhaupt nicht untervertreten, dürfe ständig mitdiskutieren, jetzt halt einmal nicht: «Es ging darum, andere Facetten aufzuzeigen ausserhalb der Parteipolitik.» Da wanke SRF nicht: «In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu betonen, dass wir uns nicht von den Parteien vorschreiben lassen, wen wir in welche Sendung einladen.»

Alles ausgewogen, vielfältig – und transparent …

Und überhaupt, legt Meier nach, «SRF berichtet weder tendenziös noch verletzen wir die journalistische Sorgfaltspflicht. SRF berichtet unabhängig, ausgewogen und vielfältig. SRF ist kein Parteimedium – von keiner Partei».

Talking Head: Gregor Meier.

Dazu natürlich transparent, offen und folgt allen Regeln der Corporate Governance, also der guten Geschäftsführung oder Leitung nach modernen Kriterien. Nun könnte man meinen, dass ein solch fundamentaler Angriff der grössten Partei der Schweiz eine Antwort von oberster Stelle verdienen müsste. Nämlich vom verantwortlichen Vorgesetzten von Barbara Lüthi, der im Ernstfall auch disziplinarische oder andere Massnahmen einleiten könnte. Das wäre in diesem Fall Tristan Brenn, seit 2014 Chefredaktor TV.

Silent Head: Tristan Brenn.

Leider funktioniert in der damaligen Jubelmeldung der Link zu Brenns Biographie nicht. Daher muss hier ein in diesem Zusammenhang nicht uninteressantes Detail aus seinem Leben verraten werden: Brenn ist der Lebensgefährte von Lüthi.

Ach, die Liebe, die schon Grillparzer bedichtete

Die Liebe ist eine Himmelsmacht, aber wenn ein Vorgesetzter mit einer Untergebenen zarte Bande unterhält, ist das in wirklich transparent und nach modernen Kriterien geführten Unternehmen ein kleines Problem. Vor allem, wenn es eben wie hier darum geht, wer denn die Herzallerliebste gegen Angriffe von aussen verteidigt.

Daher fragen wir doch Brenn direkt: Halten Sie es mit den Grundlagen von Corporate Governance vereinbar, dass Sie als Lebensgefährte von Frau Lüthi diese Stellungnahme an Ihren Stellvertreter delegieren müssen?

Brenn: «Ja. Gregor Meier ist als stellvertretender Chefredaktor der Abteilung (seit 1. April: Chefredaktion Video) mit allen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und nimmt immer wieder gegen aussen Stellung zu SRF. Was den «Club» angeht, entscheidet Gregor Meier zusammen mit der Redaktion alleine und trägt zusammen mit der Redaktion die volle publizistische und personelle Verantwortung. Die involvierten Redaktionen und Vorgesetzten, inklusive HR und Direktion sind in voller Transparenz darüber informiert. Die Stellungnahme von Meier ist deshalb vereinbar mit der Corporate Governance von SRF.»

Knapper ist seine Reaktion auf die Nachfrage: Wäre es im Rahmen von Transparenz, Anstand und in Rücksichtnahme auf das dadurch entstehende Image von SRF nicht sinnvoll gewesen, wenn Sie hier Transparenz schaffen würden? «Siehe Antwort 1.» Lüthi wollte keine Stellung nehmen.

Ist diese Auffassung über Transparenz keine News wert?

Brenn ist also der Auffassung, dass diese Art der Stellungnahme durch seinen Stellvertreter, wobei niemand weiss, wieso er nicht selbst das Wort ergreift, mit der Corporate Governance von SRF «vereinbar» sei, weil alle «Involvierten in voller Transparenz drüber informiert» seien.

Schon, aber die Quantité negligable des TV-Zusehers und Gebührenzahlers nicht. Den geht – bei aller Transparenz – der Grund dafür einen feuchten Kehricht an, wieso nicht der oberste Vorgesetzte von Lüthi und Chef der ebenfalls angegriffenen Nachrichten-Abteilung von SRF das Wort ergreift. Solange «intern» alles cremig bleibt.

Ob die SVP mit ihrer Kritik recht hat oder links oder nicht, das muss in der Debatte entschieden werden. Dass ein solches Vorgehen und eine solche Reaktion des obersten Nachrichten-Verantwortlichen des wichtigsten News-Senders der Schweiz nicht tolerierbar ist, das dürfte diskussionslos klar sein.

 

Das «Republik»-Desaster, Akt 4

Wir wussten es: nach dem Desaster ist vor dem Desaster bei den Dampfplauderern.

Wenn Journalisten überhaupt nichts mehr einfällt, berichten sie – über Journalismus. Das ist zwar für die meisten Leser ausserhalb des Kuchens so interessant wie ein Bericht über das Paarungsverhalten der Wüstenspringmaus.

Die ist dabei immerhin viel schneller fertig als die «Republik» mit Tamedia. Auf 11 «Kapitel» von geplanten 13 ist diese Mammutserie bereits angeschwollen. Wir sind hier bei dem Zentralorgan der Inkontinenz; im Schnitt 20’000 Anschläge pro Kapitel, daraus kann problemlos ein Wälzer entstehen.

Allerdings gibt es auch hier die üblichen Einschläge durch die, nun ja, etwas eigenwillige Art der Recherche. Nicht nur, dass diverse Republikaner das eine oder andere Hühnchen mit Tamedia zu rupfen haben. Nicht nur, dass die «Republik», wie bei der Affäre Globegarden, die Realität so hinbürstet, dass sie das gewünschte Bild abgibt.

Transparenz bei der «Republik»? Ach was.

Abhängigkeiten, Hintergründe, Stellungnahme von Angepinkelten? Ach was, das würde doch nur den Lesefluss stören, glaubt die «Republik» offensichtlich. Beispielhaft dafür steht Kapitel 8, «Die Wucht der Dampfwalze». Hier geht es um den sogenannten «Konzernjournalismus». Also um die Tatsache, dass auch Tamedia mit einer Mantelredaktion arbeitet, die für maximal 11 Blätter in der Deutschschweiz die überregionalen Themen liefert.

Der Artikel beginnt mit dem Aufwärmen einer Story Marke uralt. Carl Hirschmann, der wegen sexuellen Handlungen mit einer 15-Jährigen verurteilt wurde, störte sich an der publizistischen Aufmerksamkeit, die ihm damit zu Teil wurde. Da er als reicher Erbe über genügend Geld für einen der besten Anwälte und über genügend Musse verfügt, zwang er zuerst den «Blick» in die Knie. Der schätzte schlichtweg die möglichen weiteren Kosten und Aufwände als zu hoch ein und erledigte die Sache mit einer Entschuldigung.

Tamedia blieb störrisch und kämpfte die Sache durch. Auch hier siegte Hirschmann am Schluss, der Verlag löschte alle Artikel über ihn und entschuldigte sich, nebst Vergleich, über den Stillschweigen bewahrt wurde. Eigentlich wäre das lobenswert; wie auch die «Republik» immer bis zum Letzten kämpft, bevor sie knirschend eine Niederlage eingestehen muss (lustigerweise gegen den gleichen Anwalt, der Hirschmann vertrat), tun das auch andere Medien.

Statt über Hirschmann schimpft die «Republik» über Tamedia

Über die Person Hirschmann kann es wohl nur eine Meinung geben. Aber hier nimmt das die «Republik» zum Anlass, über erschreckenden Konzernjournalismus zu schimpfen. Und über Medienkampagnen, wobei eine 13-teilige Serie ausdrücklich keine ist. Nach Hirschmann leitet der Artikel dann auf die Westschweiz über, wo Tamedia sich gleicher Untaten schuldig gemacht habe. Zum Beispiel gegen den FDP-Staatsrat Pascal Broulis, den schwedischen Milliardär Frederic Paulsen und Eric Hoesli, ehemaliger publizistischer Direktor bei Tamedia.

Bevor wir auf die merkwürdige Darstellung dieser drei Fälle näher eingehen, zuerst ein Wort zu den noch merkwürdigeren Verbindungen im Halbdunkel. Der Autor dieser Folge heisst Serge Michel. Dazu sollte man wissen, dass er Mitbegründer und Chefredaktor von heidi.news ist, der Kooperationspartner der «Republik» in dieser Mammutserie. Beide Teile werfen je die Hälfte der Kosten auf.

Michel war auch schon mal Co-Chefredaktor von «Le Temps». Das ist alles nichts Anrüchiges. Nur: Paulsen hat für heidi.news rund eine Viertelmillion gespendet. Lustigerweise schreibt die «Republik» in der Transparenzpackungsbeilage, «die Republik nimmt keine Grossspenden an». Das wäre uns aber neu. Ohne Grossspenden gäbe es die «Republik» gar nicht. Ah, that’s the trick: das sind keine Spenden, sondern Darlehen. Na dann.

Personelle und finanzielle Verflechtungen des Autors mit seinen Protagonisten

Nun hätten wir noch Eric Hoesli. Der ist als Projektleiter und zukünftiger VR-Präsident der neuen Besitzerschaft von «Le Temps» vorgesehen, die Ringier abgestossen hat. Dazu gehört die Stiftung Aventinus. Diese wiederum ist schon seit 2019 an heidi.news beteiligt und wird diese News-Plattform nun vollständig übernehmen.

Über diese Verflechtungen, Verwicklungen, Abhängigkeiten findet man in der «Republik» kein Wort. Stattdessen darf Michel ungeniert darüber schimpfen, wie übel Tamedia dem FDPler, dem Milliardär und Hoesli mitgespielt habe. Daran schuld sei in erster Linie deren Romandie-Korrespondent Philippe Reichen. Der hatte es unter anderem gewagt, die NZZ zu zitieren: «Insbesondere Hoeslis Nähe zum milliardenschweren Geschäftsmann Frederik Paulsen macht ihn unter Westschweizer Journalisten zur umstrittenen Person, und es wäre denkbar, dass seine Rolle bei ‹Le Temps› Abgänge zur Folge hätte.»

An die NZZ traut sich Michel aber nicht ran, dafür haut er Reichen in die Pfanne. Eine Stellungnahme von dem würde zwar den primitivsten journalistischen Anstandsregeln entsprechen, aber doch nicht bei der «Republik». Erst als Reichen mit ein paar spitzen Bemerkungen auf Twitter einen kleinen Shitstorm gegen das Organ der strikten Einhaltung aller Rechten und Pflichten der Journalisten auslöst, legt die «Republik» nach.

Wenn die «Republik» transparent werden will

Sie wird plötzlich «transparent», also ein klein wenig, denn sie habe «zu wenig gewichtet, dass der Journalist auch privat beklagt wird». Man entschuldige sich für diesen Fehler, dank Internet ist nun eine knappe Stellungnahme von Reichen drin. Woraus man im Umkehrschluss folgern kann: Wäre er nicht von FDP-Mann Broulis, der von Anfang an ausführlich zu Wort kam, zivilrechtlich eingeklagt worden, hätte es die «Republik» nicht für nötig gefunden, Reichen anzuhören.

Wir versuchen, das neuste Schlamassal, das Desaster, die Katastrophe zusammenzufassen. Die «Republik» (ohne Grossspender) kooperiert mit «heidi.news» (mit Grossspender). Deren Mitgegründer und Chefredaktor darf über den Konzernjournalismus von Tamedia herziehen. Ohne offenzulegen, dass die von ihm angeführten Opfer mit ihm finanziell oder geschäftlich verbandelt sind. Der eine hat massig Geld gespendet, der andere wird VR-Präsident einer Holding, die heidi.news übernehmen wird.

Mitgliedern des «Konzernjournalismus» von Tamedia wird hingegen kein Platz für eine Stellungnahme eingeräumt, all diese üblen Verwicklungen werden nur ansatzweise und auf Druck transparent gemacht. Erst nach einem Shitsorm bekommt der Tamedia-Korrespondent Gelegenheit, einen knappen Zweizeiler abzusondern.

Transparenz ist notwenig – bei allen anderen

Transparenz, das fordert die «Republik» immer ein. Bei anderen. Schon bei ihrem ersten Whistleblower blendete die Plattform alle negativen Eigenschaften von ihm, seine Betreibungen, die Meinung seiner eigenen Geschwister über ihn, vollständig aus. Das hätte sich nicht mit dem Bild des mutigen Helden vertragen, der den Bündner Baukartellsumpf trockenlegen will.

Auch die Anschuldigungen gegen die ETH erfolgten überwiegend von anonymen Denunzianten – und mussten grösstenteils mit Gegendarstellungen und Richtigstellungen ergänzt werden. Das Desaster der Verleumdungskampagne gegen Globegarden haben wir gerade beschrieben.

Und nun auch noch der nächste Streich. Die Idee, über Macht und Geld der Besitzerfamilie des TX-Imperiums zu schreiben, ist grossartig. Wer würde sich das schon, ausser ZACKBUM.ch, sonst trauen. Aber wir würden sorgfältig darauf achten, dass uns nicht verborgene Vernetzungen und Verwicklungen des Autors aufs Brot geschmiert werden könnten.

Es ist und bleibt ein republikanisches Trauerspiel

Wir geben zudem immer und allen Gelegenheit zur Stellungnahme. Denn beides macht den Unterschied. Zwischen glaubwürdigem, korrektem, durchaus auch angriffigem Journalismus nach den Regeln der Zunft – oder unprofessionellem Schmierenjournalismus, der damit wiederholt Vertrauen und Glaubwürdigkeit verspielt. Es verwundert immer mehr, wieso ein paar Versprengte noch bereit sind, das mit 240 Franken pro Jahr zu unterstützen.

 

Die «Republik» und die Mission

Eine katholische Missionarin, für das Online-Blatt aber eine «Journalistin»

Die «Republik» hat mal wieder ein Stück für tapfere Leser veröffentlicht. 31’500 Anschläge für einen Vergleich zwischen Peru und Kolumbien. Genauer: Wie eine Familie in Peru durch das Virus fast ruiniert wird, während die in Kolumbien Hilfe findet.

Denn «die Peruaner zahlen den Preis für die neoliberalen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte», weiss die «Republik». Die ja eigentlich alles weiss und sogar besser weiss. Ausser vielleicht, den Background einer Autorin unter die Lupe zu nehmen, die der Leserschaft als Journalistin verkauft wird.

Hildegard Willer beschreibt in diesem, nun ja, Schriftstück, das Schicksal der Familie Tanta in Peru. Vater Eulogio, 73, hat sich mit dem Corona-Virus infiziert. 10’000 Franken koste eine Behandlung im Privatspital, jenseits der Reichweite der Familie. Und die staatlichen Spitäler würden gar keine Über-60-Jährigen mehr aufnehmen.

Vergötzung des Reichtums

So sei das halt in einem «neoliberalen Versuchslabor», schimpft Willer. Ob das wohl damit zu tun hat, dass Willer zur «Bethlehem Mission Immensee» gehört? Diese Missionsgesellschaft will «am Wachsen des Reichs Gottes mitarbeiten». Denn: «Wir sind von Gott getragen und herausgefordert angesichts der Verführungen durch die Vergötzung des Reichtums, der Herrschaft und des Marktes, die Elend und Leid verursachen (vgl. Jes 46,1-8).»

Jedem sein Glaube. Allerdings: Gerade in Lateinamerika hat sich die katholische Kirche mitsamt Missionaren nicht gerade einen positiven Ruf erarbeitet. Wäre es da vielleicht nicht geboten gewesen, der Leserschaft der «Republik» die Autorin nicht nur als «freie Journalistin in Peru» und «Journalismus-Dozentin an der Päpstlich-Katholischen Universität Peru» vorzustellen?

Sondern im Rahmen der Transparenz und allen weiteren schönen Wortblasen, die die «Republik» gerne blubbert, aber immer in der Hoffnung, dass keiner genau hinschaut, als eher fundamentalistische Missionarin? Oder gibt’s die Hoffnung, dass auch Peru ganz weit weg ist, und wer weiss da schon Genaues. Aber der «Republik»-Leser braucht klare Ansagen, damit er die Welt versteht.

Also tobte in Peru der «Neoliberalismus», erkor das Land sogar zu seinem «Versuchslabor». Und wohin Neoliberalismus führt, weiss man ja. Die Armen werden noch ärmer, die Reichen reicher, es herrscht soziale Kälte, Raubtierkapitalismus halt.

Da lassen wir doch einfach beiseite, dass einer der Unterschiede zwischen Kolumbien und Peru darin besteht, dass dem ersten Land das populistisch-sozialistische Experiment erspart blieb, das Peru zwischen 1969 bis 1990 ruinierte. Als Folge davon wurden ab 1990 die Rezepte von Hernando de Soto umgesetzt; ein sehr lesenswerter peruanischer Ökonom.

Der plädiert unter anderem dafür, den überall in der Dritten Welt grassierenden informellen Sektor, also den staats- und weitgehend rechtsfreien Noterwerb vieler, zu legalisieren. Um beispielsweise mit Besitztiteln Rechtssicherheit und Kreditwürdigkeit herzustellen.

Eine grossartige Idee in einem Versuchslabor, das nach dem Fujimori-Putsch vor allem in den Nullerjahren Peru zweistellige Wachstumszahlen bescherte. Und ganz so nebenbei sank die Armutsquote von über 50 auf unter 20 Prozent.

Neoliberaler Linker García

Aber natürlich irrlichtert auch Peru ohne verankerte demokratische Strukturen vor sich hin. Geradezu symbolhaft ist dafür der Linke Alan García. Als jugendliche Hoffnung 1985 zum Präsidenten gewählt, war er 1990 so unpopulär, dass ihm sogar eine Rede zur Amtseinführung seines Nachfolgers verwehrt wurde. Unter seinem sozialdemokratischen Regime war das Land vollends auf venezolanisches Niveau mit einer Hyperinflation von über 10 000 Prozent versunken.

Seltsamerweise wurde Alan Garcia 2006 nochmals zum Präsidenten gewählt. Doch das wirkliche Wunder passierte erst nach seiner Wiederwahl: Der Sozialdemokrat setzte die neoliberale Politik entgegen aller Wahlversprechen fort und bescherte damit dem Land eine Bonanza, von der vor allem die Unterschicht profitierte. Und an diesem neoliberalen Erfolgsmodell änderte auch der linkspopulistische Ollanta Humala kein Koma, der das Land von 2011 bis 2016 regierte, obwohl er sich gerne als Freund von Evo Morales und Hugo Chavez feiern liess. Grell links blinken, scharf rechts abbiegen war das simple Erfolgsrezept der erfolgreichsten Regierungen Perus.

Tatsächlich wurde in Peru seit den 1990er Jahren so ziemlich alles privatisiert, was sich privatisieren lässt, vom Bergbau über die Trinkwasser- und Stromversorgung bis zur Kehrichtentsorgung. Es funktionierte so gut, dass seither kein Mensch mehr ernsthaft eine Verstaatlichung fordert, nicht einmal die Linke. Das einzige, was von der Privatisierungswelle nie tangiert wurde, war neben dem Schulwesen die öffentlich Gesundheitsversorgung. Dazu ist allerdings zu bemerken, dass jeder, der es sich irgendwie leisten kann, die staatlichen Schulen und Spitäler grossräumig umfährt. Sie sind einfach schlecht. Doch das war im sozialistischen Regime nicht besser, im Gegenteil.

Weniger Gesinnung, mehr Ahnung

Tatsächlich wuchs das Budget für das staatliche Gesundheitswesen in den letzten zwei Jahrzehnten permanent und überdurchschnittlich. Einiges hat sich verbessert, doch insgesamt ist Perus öffentliche Gesundheitsversorgung immer noch auf Drittweltniveau. Allerdings ist es nachgerade zynisch, dafür eine Liberalisierung verantwortlich zu machen, die einzig in diesem Sektor nie stattgefunden hat. Es ist vielmehr der Staat, der schon vor der Covid-19-Krise kläglich versagt hat. Man könnte sich vielmehr fragen, warum im Gesundheitswesen nicht funktionieren sollte, was sich bei der Strom- oder Wasserversorgung bewährt hat.

Aber für all diese komplizierten und bunten Wege und Widersprüche müsste man halt weniger Gesinnung, dafür mehr Ahnung haben. Nur interessiert die Realität weder die «Republik»-Redaktion, noch die Autorin, noch die Leserschaft. Sie will, wie die Autorin, nicht wissen, sondern glauben. Und den Glauben immer wieder bestätigt bekommen. Auch wenn in diesem Glauben die Erde noch eine Scheibe ist, Neoliberalismus nur böse und immer einen hohen Preis fordert. Aber alles andere regelt der göttliche Ratschluss, stellvertretend die «Republik»-Macher. Amen.