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Via Matteo Civitali 104

Was das ist? Die Adresse einer Peinlichkeit.

Die Welt ist kompliziert, widersprüchlich und unübersichtlich. Das geht im heutigen Sparjournalismus natürlich nicht. Denn das würde ja eine differenzierte, kompetente, intelligente Berichterstattung erfordern. Von Journalisten, die genügend Grips und Zeit haben, um ihre Konsumenten mit Analyse, Einordnung, Gewichtung zu versehen. Was eigentlich eine geldwerte Leistung wäre.

Geld kassieren wollen die Journalisten schon. Also genauer gesagt in der Schweiz die Medienclans, denen sie gehören. Mit der kleinen Ausnahme NZZ, dem einsamen Leuchtturm. In der Dunkelheit, im Schattenwurf von Walder-Ringier, Coninx-Supino und Wanner-Wanner.

Einfach gestrickte Journalisten brauchen einfache Weltbilder. Schön, wenn es ihnen die Welt vermeintlich so einfach macht. In der Ukraine ist die Sache glasklar. Es gibt einen Schurken, einen Bösen, einen Kriminellen. Verrückten. Von Wahn und Grossmannssucht befallenen Autokraten. Einen wahren Teufel, einen typisch russischen Barbaren, an dem die Segnungen der westeuropäischen Zivilisation spurlos vorbeigegangen sind. Mit einem Wort: Putin.

Das Bild ist auch nicht ganz falsch, denn der Herrscher im Kreml ist unter Bruch aller Zusicherungen und Verträge völkerrechtswidrig in die Ukraine eingefallen. Und hat bislang alle grossmäulig angekündigten Kriegsziele verfehlt. Keine «Befreiung» der Ukraine von angeblich faschistischer Herrschaft, keine Entnazifizierung. Stattdessen verlustreiche Stellungskriege, Elend, Zerstörung und für lange Zeit irreparabler Schaden in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen.

Auf der anderen Seite braucht jedes Stück einen Helden, wenn es einfach gestrickt ist. Daher sieht man im Westen gerne darüber hinweg, dass auch der ukrainische Präsident korrupt ist, nur mit Hilfe eines ukrainischen Oligarchen an die Macht kam, der damit ein klitzekleines Problem mit verschwundenen Milliarden aus der Welt schaffte.

Dass die gleichen Medien, die sich nun in Lobhudeleien des tapferen Helden und Kämpfers Selenskij überschlagen, noch vor nicht allzu langer Zeit anhand der gestohlenen Unterlagen der Pandora Papers über seine mehr als dubiosen Finanzkonstrukte berichteten, was soll’s. Zwar richtiges, aber aus heutiger Sicht dummes Geschwätz von gestern.

Nun wird es allerdings noch eine Runde peinlicher. Denn der saubere, aufrechte, strahlende Held besitzt auch eine schnuckelige Villa in Italien. Schätzwert: rund 4 Millionen Franken. Gute Lage in Forte de Marmi (Toskana). Via Matteo Civitali 104, 600 Meter bis zum Meer, auch Roman Abramowitsch (und andere russische Milliardäre) weiss die Lage zu schätzen.

Diese Villa, verständlich, wird vermietet. So will die italienische Zeitung «Il Tirreno» wissen, dass sie im Monat August für schlappe 50’000 Euro Mieter gefunden hat:

Dabei soll es sich allerdings, oh Schreck, o Graus, um Russen handeln. Auch der «Blick» kolportiert diese Meldung:

So neben den üblichen Kriegsmeldungen. Dabei macht der «Blick» die Nationalität der Mieterschaft zum grossen Thema. Um über das eigentliche Thema hinwegzugleiten: wie kann sich ein ukrainischer Präsident (offizielles Monatseinkommen 847 Franken) eine Millionenvilla in der Toskana leisten? Eine Wohnung in London? Diverse Offshore-Konstruktionen auf Zypern, Belize und den Jungfrau-Inseln?

Ach so, aus seiner früheren Tätigkeit als TV-Komiker. Das scheint in der Ukraine eine wahre Goldgrube zu sein. Sicher, das ist alles ein Klacks im Vergleich zu den Reichtümern, die Putin nachgesagt werden. Aber der verdient ja auch offiziell immerhin 114’000 Franken im Jahr. Zehnmal mehr als Selenskij.

Eine Villa in der Toskana und ein Millionenvermögen machen den ukrainischen Präsidenten nun nicht zum Schurken. Aber doch zum weniger strahlenden Helden, als der Simpel-Journalismus ihn anschmachtet.