Schlagwortarchiv für: Tim Wirth

Feinschmecker beim Tagi

Auch so kann man das Leben (noch) geniessen.

Tim Wirth hat hübsch Karriere gemacht. Oder hätte er als ehemaliger freier Mitarbeiter bei «Saiten» gedacht, dass er mal auf Spesen im Fünfsternehotel Eden am Zürcher Utoquai tafeln darf?

Macht doch nichts, dass er da Neuland betritt: «Erstmals Schnecken», gesteht er gleich im Titel. Für schlappe 42 Franken probiert er Burgunderschnecken; «sie werden ohne Haus serviert, gehen fast unter in der grünen Pfeffersauce und sind nicht so glibberig wie gedacht». Hier spricht ein wahrer Gourmet.

Richtig in Wallungen gerät er beim Dessert: «Sanft wie eine Daunendecke fällt die Zabaione vom Löffel auf den luftigen, und warmen Panettone (32 Franken). Dazu gibt es Pistazien-, Haselnuss- und Schokoladencreme. Es ist der Höhepunkt dieses Abends.» 32 Franken für ein Stück Hefeteig mit Beilagen, hübsch.

Auch von den steifen Preisen der Hauptspeisen lässt sich Wirth nicht abschrecken, der sogar mit Begleitung speisen kann: «Der Red Snapper mit Karottenglasur (82 Fr.) fällt als Hauptgang etwas ab, die Konsistenz des Fisches ist gewöhnungsbedürftig, die Sauce unspektakulär. Das Surf & Turf (85 Fr.) schmeckt hingegen ausgezeichnet.»

85 Franken für «Short Ribs» und ein paar Scampi, das ist dann auch für Zürcher Verhältnisse preisliche Oberliga. Darüber macht sich Wirth wie jeder Spesenritter keine Sorgen, hingegen hier: «Aber ist es vertretbar, ein mit Schweinswurst gewürztes Krustentier zu essen, nachdem wir schon Schnecken und Stopfleber gehabt haben?» Tja, das muss jeder Tagi-Redaktor mit sich und seinem Gewissen ausmachen. Oder gibt es neben der Flug- auch schon eine Ess-Scham?

Aber Wirth nimmt es locker: «Als an unserem Nebentisch mit Stickstoff frische Vanille-Eiscreme angerührt wird, denken wir nicht mehr weiter darüber nach.»

Genau. Kassensturz: der offene Rote kostete pro Dezi lumpige 11 Franken. Nehmen wir an, zusammen wurden da mindestens 6 Gläschen vertilgt. 167 Eier die beiden Hauptgänge, Schnecken, Panettone, Tiramisú, Kaffee und Absackerchen, Mineral, dürften so rund 350 bis 400 Franken für die Sause gewesen sein. Dafür in Pfeffersauce ertränkte Schnecken, Fisch von merkwürdiger Konsistenz und schlapper Sauce, ist das nun eine Restaurantempfehlung oder der Ratschlag, es Wirth und seiner Begleitung nicht nachzutun?

Vielleicht sollte man es so sehen: wenn der Tagi einlädt, warum nicht?

Objektive Tamedia

Schmierenjournalismus im «Landbote».

«Bässe wummerten aus den Boxen, ein Sprecher machte übers Megafon ein paar Ansagen. Sonst blieb es ruhig – bis ein überraschender Zaungast auftauchte, sich vor den Transparenten breitmachte und sich sogar einen Weg durch die Masse bahnen wollte: SVP-Nationalrat Thomas Matter. Die linken Aktivisten erkannten den Mann, der 260’000 Franken ins SVP-Wahlkampfkässeli gesteckt hat, natürlich sofort und drückten ihn bestimmt weg. Auch ein Getränk bekam Matter noch ab. «Verzieh dich!», schrie es aus der Masse.
Komischer Zufall?
Was bloss hatte Matter da gesucht, vor der Versammlung Linksautonomer? Eine gezielte Provokation

Eigentlich wäre das ein Fall für die Oberchefredaktorin Raphaela Birrer. Aber wetten wir, dass ihr das völlig schnurz ist? Was? Nun, diese Schmiere im «Landboten», Teil des Qualitätsmedienkonzerns Tamedia. Der beschäftigt Qualitätsjournalisten wie Leon Zimmermann, der nach einer solchen Entgleisung in jedem anständigen Medienhaus per sofort freigestellt und entsorgt würde. Allerdings bekam er beim Verfassen dieses Stücks Haltungsjournalismus Unterstützung von Till Hirsekorn, und der ist immerhin «Leiter der Stadtredaktion» beim «Landbote».

Selbst dem Jungredaktor Tim Wirth im «Ressort Zürich Leben» des «Tages-Anzeigers» gelingt eine objektivere Beschreibung des Vorfalls. Ausser, dass man dem SVP-Politiker natürlich «Verpiss dich jetzt, Alter» zurief:

Immerhin ist der Tagi in der Lage, die lange Liste von ähnlichen Attacken auf Exponenten der SVP oder auch den inzwischen parteilosen Regierungsrat Mario Fehr anzuführen. Die Urheber waren immer Linksradikale, deren unerschütterliche Sicherheit, für das Gute zu sein, problemlos auch böse Taten legitimiert.

Aber zurück zur «Landbote»-Schmiere. Denn das ist der Artikel von Anfang bis Ende. Schon der Lead ist an Häme und Parteilichkeit kaum zu überbieten: «Die Kundgebung zum zehnten Jahrestag der eskalierten Tanzdemo auf dem Archplatz blieb friedlich. Daran änderte auch der überraschende Auftritt eines bekannten Zürcher SVP-Nationalrats nichts.»

Es war eine unbewilligte Demo, nebenbei. Laut eigener Aussage machte sich nun der SVP-Nationalrat Matter nicht «breit», sondern wollte von einer SVP-Wahlveranstaltung ganz in der Nähe den direkten Weg zum Parkhaus nehmen, wo sein Auto abgestellt war. Er war dabei der offensichtlich falschen Auffassung, dass er keinen Umweg nehmen müsse, nur weil ein paar Linksautonome dem «System» mal wieder Saures geben wollen und «gegen die kapitalistische Stadtentwicklung», was immer das sein mag, demonstrieren.

So viel zu «sich sogar einen Weg durch die Massen bahnen wollte». Was hier dazutut, dass er ins SVP «Wahlkampfkässeli» gespendet habe? Soll er damit als widerlicher und reicher Kapitalist gebrandmarkt werden? Er wurde beschimpft, drangsaliert und ausserdem wurde ihm ein gefüllter Trinkbecher an den Kopf geworfen, was filmisch dokumentiert ist. Oder aber, wenn man dem «Landboten» glauben will, aber das sollte man besser nicht tun, er wurde «bestimmt weggedrückt» und «bekam auch ein Getränk noch ab». Ausserdem wurde ihm zivilisiert «verzieh dich» gesagt, keinesfalls «verpiss dich, Alter» gegrölt.

Dann fragt der objektive Reporter anzüglich: «Was bloss hatte Matter da gesucht? Eine gezielte Provokation?» Das «verneint er auf Anfrage», hängen sich Zimmermann/Hirsekorn ein objektives Feigenblättchen um. Dabei ist die Botschaft doch klar: Natürlich wollte Matter sich «breitmachen», einen «Weg durch die Massen bahnen», natürlich wollte er provozieren.

Die Polizei hingegen liess sich nicht provozieren und bot sogar an, auf Antrag eine Notbewilligung zu erteilen. Das kam aber bei den linken Chaoten gar nicht gut an:

«Die Demonstranten reagierten meist mit Pfiffen auf die Ankündigungen der Polizei. Zudem skandierten sie ihre Parolen und brachten einen Leiterwagen mit Musikboxen mit. «Oisi Stadt, oises Quartier, weg mit de Yuppies, weg mit de Schmier», dröhnte es in Form eines Rap-Songs über den Platz. Ein Slogan, in den auch die Anwesenden immer wieder einstimmten.»

Könnte man hier vielleicht ein kritisches Wort erwarten? Aber doch nicht bei diesem Autorenduo. Es steht zu vermuten, dass die Mehrheit der Leserschaft des «Landboten» nicht unbedingt mit den Ansichten und dem Vorgehen von rund 200 Linksautonomen sympathisiert. Was sich auch in der Mehrheit der über 100 Leserkommentare niederschlägt.

Es ist möglich, dass einen Jungspund rote Wallungen überfallen und er einen solchen Text in den Computer haut. Es ist unverständlich, dass ein leitender Redaktor mitgeschrieben hat. Es ist unglaublich, dass ein solcher Text alle angeblichen Qualität- und Kontrollstellen passierte.

Er ist ein weiterer Beweis für die These von ZACKBUM: Tamedia geht nicht an einer allgemeinen Medienkrise zugrunde, sondern durch das Missmanagement der Chefetage – und die Verbohrtheit und Unfähigkeit zur klassischen Newsberichterstattung der Redaktion.

Wenn man wie beschrieben oben – und auch in diesem Mief von Blasenjournalisten in ihrer luftdicht abgeschossenen Gesinnungswelt – kräftig aufräumen würde, hätte Tamedia noch eine Chance. Aber das wird nicht passieren.

 

 

Spekulationsartikel

Es wird wärmer, Vorboten des Sommerlochs.

Immer, wenn Benjamin Güdel für die Illustration zuständig ist, weiss der Tamedia-Leser: ui, es kommt etwas ganz Schlimmes:

Die ganze Seite 3, früher einmal ein angesehenes Gefäss in der «Süddeutschen», dann schlecht kopiert von Tamedia im Rahmen der Übernahme von massenhaft Content aus München, wird mit dem Thema «Trading-Sucht» gefüllt. Wobei gefüllt in mehrerer Hinsicht der falsche Ausdruck ist. Denn die Illustration nimmt schon mal ein Drittel Platz ein. Nichts gegen die Zeichenkünste Güdels, aber eine Briefmarkengrösse hätte es auch getan.

Dann wäre aber die dünne Suppe, die hier eingeschenkt wird, noch dünner geworden. Denn der Aufbau des Artikels ist klassisch, folgt dem Prinzip: ein Beispiel, zwei Beispiele, Aufschwung ins Allgemeine, der Fachmann sagt: die Welle ist da.

Das erste Beispiel für Trading- Sucht ist ein «Zürcher Gymischüler». Der hat doch sagenhafte 6000 Franken verzockt. Das ist zwar sicher schmerzlich, aber nun kein Weltuntergang. Reicht aber für die Autoren Tim Wirth und Konrad Staehelin, das gleich zur Riesenwelle hochzuzwirbeln:

«Tausende, möglicherweise Zehntausende Menschen in der Schweiz haben ähnliche Erfahrungen gemacht: Die Sucht nach Trading, wenn man Finanzprodukte innert Minuten oder weniger Stunden kauft und wieder verkauft, ist weit verbreitet. Das sagen Fachleute und Betroffene

Der Fachmann weiss dann, dass «0,2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung» krankhaft spielsüchtig seien. Damit die Zahl schön rund und gross wird, pumpt man noch ein wenig nach: «Bei weiteren 2,8 Prozent sei das Verhalten zumindest als problematisch einzustufen. Total sind das rund 250’000 Personen.»

Netter Versuch; eher unbeleckt von börsentechnischen Kenntnissen. Was Wunder, Tim Wirth, seit 2019 «Redaktor im Ressort Zürich Leben», widmet sich ansonsten im «Züritipp» der Sparte Musik. Konrad Staehelin ist seit 2020 Wirtschaftsredaktor bei Tamedia «und schreibt vornehmlich über die Themen Arbeitsmarkt, Luftfahrt und Schienenverkehr».

Nun bewegen wir uns aber bei den 250’000 wohlgemerkt im Bereich Spielsucht, wo Casinos gesetzlich verpflichtet sind, grosse Anstrengungen zu unternehmen, um Spielsüchtigen den Zutritt zu verwehren. Hier ist das Thema aber Trading, und da gibt es eine schlechte Nachricht: «Offizielle Zahlen zur problematischen Börsenspekulation gibt es für die Schweiz keine.»

Damit wäre die Story eigentlich gestorben. Ausser, sie wird künstlich beatmet und mit viel Aufwand zumindest im Wachkoma gehalten: «Der Dammbruch sei mit dem Aufkommen von Kryptowährungen und den Handy-Apps gekommen, erklären Fachleute.»

Aber leider, leider ist das ein anonymer und unbekannter Dammbruch; mangels Zahlen …

Höchste Zeit, einen zweiten Trading-Süchtigen einzuführen. Diesmal ist es Kevin Reinhard, der natürlich in Wirklichkeit auch anders heisst. Der baut passenderweise die nötige Brücke: «Insgesamt habe er in seinem Leben etwa eine halbe Million Franken verzockt. Seine Sucht begann in einem Casino, das er als Jugendlicher besuchte. «Meine Sucht hat sich dann zum Trading verschoben», sagt der 34-Jährige.»

Damit wären aber die Grundvoraussetzungen für Welle und Dammbruch knapp erfüllt. Zwei Beispiele, Fachleute, et voilà. Was fehlt noch? Natürlich, der Ruf nach dem Regulator: «Politisch bewegt sich nichts.» Für jedes Problem gibt es eine Organisation, also auch hier: «Die Zürcher Suchtfachstelle Radix fordert, dass App-Betreiber die Risiken des Tradings wie bei Zigaretten spezifisch deklarieren müssen. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma solle zudem die Onlinebroker und Banken überwachen und bei problematischen Verhaltensweisen die Trader warnen, so steht es in einem Papier.»

Leider verfügen die Autoren nicht über ein gut entwickeltes Gedächtnis. Sonst hätten sie als drittes Beispiel, das es eigentlich für eine klassische «Welle» braucht, den deutschen Fussballmanager Uli Hoeness erwähnen können, der sich selbst als «Zocker» bezeichnete, über die Jahre hinweg über seine Schweizer Bankkonten 50’000 Trades in Auftrag gab, am Tag bis zu 300. Da er das vor dem deutschen Fiskus verheimlichte, musste er dafür in den Knast.

Noch mehr Erinnerungsvermögen würde das Beispiel der Dotcom-Blase erfordern.

Der NASDAQ-Index für Technologieunternehmen.

Hier spekulierten Krethi und Plethi darauf, dass im Internet Gelddruckmaschinen stehen und man doch blöd wäre, diesen Geldregen nicht ins eigene Portemonnaie zu lenken.

Also solche Entwicklungen gibt es immer wieder. Ob Day-Trading, Kryptowährungen, das nächste «big thing», die Ingredienzien sind immer die gleichen. Uninformierte Mitspieler, angeblich stetig steigende Kurse, einseitige Fixierung auf mögliche Gewinne. Natürlich mit long oder short, also man wettet auf steigende oder aber auf fallende Kurse.

Was dabei übersehen wird und was auch nicht im Artikel steht: es ist ein Nullsummenspiel. Da mit Spekulation zwar Entwicklungen geglättet werden können, aber keinerlei Wertschöpfung entsteht, ist das Prinzip ganz einfach: was einer gewinnt, verliert ein anderer. Aus dem Topf kann nur herausgenommen werden, was eingefüllt wurde. Und da die Zukunft trotz allen gegenteiligen Behauptungen von Bankern als wichtigsten Bestandteil das «Unvorhersehbare» enthält …

In letzter Zeit wunderbar exemplifiziert an der Pandemie, die vor Ausbruch niemand auf dem Schirm hatte, womit alle furchtbar wissenschaftlich daherkommenden Zukunftsanalysen auf einen Schlag entsorgt werden konnten. Genau gleich wie nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs.