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Die Nachtreter

Die Medien überschlagen sich im CS-Bashing. Post festum.

Im Nachhinein besserwissen, das ist die einfachste Übung der Welt. Man braucht nur eine gewisse Schamlosigkeit und die Hoffnung auf das Kurzzeitgedächtnis der Leser.

Ausgerechnet eine Isabell Strassheim zählt im «Tages-Anzeiger» die «Haupt­verantwortlichen im Drama der Credit Suisse» auf. Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, da sorgte Strassheim für eine der dicksten Enten, die jemals durch den Tagi watschelte.

«Bund wollte keine eigene Impfproduktion», behauptete sie kühn. Mitsamt Karikatur auf der Frontseite, bissigem Kommentar und seitenfüllend. Kurz darauf musste der Tagi zähneknirschend eine «Korrektur» abdrucken; «neue Recherchen» hätten ein etwas anderes Bild ergeben. Die Berichterstattung über diesen Megaflop übernahmen dann andere, Strassheim pausierte ein Weilchen.

Nun ist die angebliche Pharma-Spezialistin als Bankendrescherin wiederauferstanden. Das Gefühl von Peinlichkeit oder Scham ist ihr offenbar völlig fremd.

Das geht allerdings nicht nur ihr so. Legion die Artikel, die einen neuen CEO, einen neuen VR-Präsidenten bei der CS enthusiastisch begrüssten. Unvergesslich die schleimige Lobeshymne im «SonntagsBlick» auf den Gewaltstypen aus Portugal. Als unschöne Gerüchte aufkamen, dass es zwischen dem damaligen Traumpaar CEO Thomas Gottstein und VR-Präsident Ontario Horta-Osório zu Friktionen gekommen sei, eilte der SoBli herbei, um den beiden in einem Doppelinterview Gelegenheit zu geben, Sauglattismus zu versprühen:

«Frage: Sie sind ein sehr guter Tennis-Spieler, Herr Gottstein ein begnadeter Golfer …
Horta-Osório: Moment! Ich bin okay. Aber Thomas spielt besser Golf als ich Tennis.
Gottstein: Da bin ich mir nicht so sicher.
Horta-Osório: Du hast am letzten Sonntag beim Golfen unentschieden gespielt, ich habe meine Tennispartie verloren. Das ist Beweis genug. (lacht)»

Nur das zum Artikel gestellte Foto von Plisch und Plum sprach allerdings Bände. So fanden die Gazetten immer wieder lobende Worte für neue und alte Versager auf der Kommandobrücke der CS. Lediglich Arthur Rutishauser, das muss man ihm lassen, wich kaum von seiner kritischen Linie ab.

Aber bei Tamedia zahlt sich Kompetenz schon lange nicht mehr aus. Damit steht man dem wenig kompetenten Big Boss Pietro Supino in der Sonne. Also musste Rutishauser ins Glied zurücktreten, als Bauernopfer, weil die Geschäftsleitung von Tx Group die Affäre Roshani kommunikativ völlig in den Sand gesetzt hatte. Aber das wäre die Geschichte eines anderen Versagens.

Auch Ringier weicht inzwischen von seinem Schmusekurs gegenüber der Knutschkugel Alain Berset ab und setzt deutliche Fragezeichen hinter die misslungene Rettungsoperation des Bundesrats. Zu offenkundig wurde, dass weder Berset noch die frischgebackene Finanzministerin Karin Keller-Sutter die geringste Ahnung vom Inhalt dessen hatten, was sie ungelenk bei der Sonntagspressekonferenz vom Blatt lasen.

Nur die NZZ bleibt sich und ihrem Wackelkurs gegenüber der ehemaligen FDP-Bankenburg CS treu. Zu jung sind noch die engen Verzahnungen, die es zwischen der Falkenstrasse und dem Paradeplatz gab, wo Mehrfachversager Mehrfach-VR-Mandate innehatten und die CS die Hausbank der alten Tante war. Nun schimpft sie zwar fleissig mit im Chor, weist aber immer noch andere scharf zu recht: «Boni zurückfordern oder ganz verbieten – das ist Polittheater

Denn wenn nichts mehr hilft, dann hilft das Evozieren des Allheilmittels: «In einer Marktwirtschaft braucht es andere Instrumente, um Manager zur Rechenschaft zu ziehen.» Was die NZZ geflissentlich übersieht: eine Bank, die «too big to fail» ist, hat nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Absurde Gehälter und hemmungsloses Greifen in Bonustöpfe für das Produzieren von Milliardenverluste, das hat ebenfalls nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Sondern mit Politikversagen, genauer mit dem Versagen der FDP-Politik.

Es ist verblüffend, wie sich die Schlagzeilen während der Finanzkrise eins im Jahr 2008 und heute gleichen. Sie gleichen sich auch deswegen, weil weder die Medien noch die Politik – und erst recht nicht die Banker – das Geringste aus dem damaligen Systemversagen gelernt hätten.

Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass ja auch die Medienkonzerne irgendwo ihren Finanzhaushalt regulieren müssen. Und das tun sie nicht bei der Alternativen Bank oder dem Sparhafen. Sondern bei einer der Grossbanken in der Schweiz. Dort werden die Konzerne auch für Kredite vorstellig, nehmen gerne Sponsoring von Anlässen entgegen – das alles bremst dann doch etwas das Verlangen, kritisch über die eigene Hausbank zu berichten.

Dann nicht nur im Sport fragt man sich bang, was dieses Schlucken der vorletzten international tätigen Grossbank durch die allerletzte für das Sponsoring bedeuten wird. Steht nun einfach UBS drauf, wo früher Credit Suisse stand? Und wo beide Kohle liegen liessen, wir da nun ein Teil eingespart?

Bedeutende Fragen, die natürlich unbeantwortet bleiben. Deshalb lässt man gerne die zweite Garnitur ans Gerät. Wenn dabei auch noch das Geschlecht stimmt, umso besser. Wobei wahrscheinlich so die journalistische Vorhölle aussieht: eine Raphaela Birrer beauftragt eine Isabell Strassheim, ein paar strenge Worte über die CS zu verlieren. Man ist fast versucht zu sagen: also das hat die Bank nicht verdient, etwas mehr Respekt vor einer Leiche.

 

 

Guckloch-Journalismus

Die letzten Tag im Führerbunker. Pardon, «von Gottsteins Fall».

Das nennt man den Mund Vollnehmen. «Eine Recherche im Umfeld der Bankspitze zeichnet die letzten Tage von Thomas Gottsteins Fall nach.» Meiner Treu, da war Tamedia mal ganz nahe am Puls des Geschehens, der Mantel der Geschichte weht, Redaktor Holger Alich spielt Mäuschen unter dem Tisch der ganz Grossen, wo weltbewegende Entscheidungen gefällt werden. Eine Recherche in die Tiefen und Höhen einer Bank.

Nun ist es aber leider zunächst aufgewärmte, schaler Kaffee. «Vor knapp einem Monat kam es bei der Credit Suisse zum grossen Knall.» Wer’s nicht mitbekommen haben sollte: die CS hatte mal wieder ein desaströses Quartalsergebnis zu vermelden und trennte sich mal wieder vom CEO. Soweit gähn.

Nun aber: «Aus Gesprächen mit einem halben Dutzend Quellen aus dem Umfeld der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates lässt sich der Verlauf der Ereignisse nachzeichnen.» Wahnsinn, Quellen aus dem Umfeld. Das bedeutet schon mal: kein Mitglied von GL oder VR ist unter den Quellen. Dafür vielleicht die Putzfrau, die Bedienung der Kaffeemaschine, der Parkplatzwächter.

Aber aufgeplustert präsentiert das Alich so: «… heisst es von einem Manager mit Zugang zum innersten Machtzirkel». Mit Zugang? Darf er vielleicht den gleichen Lift wie der innerste Machtzirkel benützen?

Aber es wird noch viel intimer, wir bekommen Einblick in das Innenleben des Menschen Gottstein: «Aufgrund des Dauerstresses hat der einstige CS-Chef einige Kilo Gewicht verloren.» Noch schlimmer: ««Als ich mit ihm einmal golfen war, sah er wirklich schlecht aus», berichtet eine Quelle, die Gottstein länger kennt.» Himmels willen, dabei erfahren wir nicht mal, welches Handicap Gottstein hat. Oder ob er schlecht aussah, weil er ständig Bälle ins Rough oder in den Bunker schmetterte.

Welche intimen Details aus den letzten Tagen der Menschheit, also von Gottstein als CEO, erfahren wir noch? ««Er war nicht in der Lage, harte Themen anzugehen», berichtet ein Topmanager, der eng mit Gottstein zusammengearbeitet hat

Dieser Weichling, Warmduscher, zu sensibel für den Job. Das hat zwar nix mit den letzten Tagen zu tun, aber Alich hat noch andere Quellen erfunden, Pardon, aufgetan: «Quellen aus der Bankspitze monieren dabei aber schon länger, dass der Bankchef «oft mit Problemen ankam, aber nie mit Lösungen»

Das ist natürlich fatal, denn bekanntlich muss man sich entscheiden: ist man Teil des Problems oder der Lösung?

Wir versuchen zusammenzufassen. Die angeblich sechs Quallen, Pardon, Quellen, haben «aus dem innersten Machtzirkel» verraten, dass man dort nicht so ganz zufrieden mit Gottstein war. Sich der Wechsel an der Spitze «seit einiger Zeit abgezeichnet» habe. Wahnsinn, welch ein tiefer Einblick. Aber, wir wollen gerecht sein: wir wussten vorher nicht, dass Gottstein abgespeckt hatte und beim Golfspielen schlecht aussah. Für ihn hat Alich aber immerhin am Schluss einen Trost bereit: «Thomas Gottstein muss sich damit nun nicht mehr herumärgern.»

Wer aber tröstet den Leser, der dafür bezahlt hat, auf diese grosse Ankündigung hereinfallen zu dürfen? Der sich weiterhin mit solchen Luftnummern herumärgern muss?

CS: völlig losgelöst

Milliardenverlust, Chefwechsel, Aktie im Keller. Na und?

Eigentlich ist die Medienmitteilung nur so zu erklären, dass die Verfasser bereits dermassen abgebrüht sind, dass ihnen alles egal ist. Denn das Wunderwerk moderner Rabulistik hebt so an:

«Die Credit Suisse Group AG (Credit Suisse) hat heute die Ernennung von Ulrich Körner zum Group Chief Executive Officer ab 1. August 2022 bekannt gegeben. Er ersetzt Thomas Gottstein, der zurücktritt. Gleichzeitig hat die Bank angekündigt, dass sie eine umfassende strategische Überprüfung mit folgenden Zielen durchführt:»

Zunächst: «der zurücktritt»? Der zurückgetreten wurde. Der doch vor Kurzem das «volle Vertrauen» seines VR-Präsidenten genoss, der unbedingt mit ihm gemeinsam in die Zukunft schreiten wollte. Aber gut, das ist so wie in einer Ehe. Eigentlich bis der Tod uns scheide, aber dann scheidet doch das Leben.

Nun findet aber auch eine «umfassende strategische Überprüfung» statt. Das ist wunderbar, denn ein schwindsüchtiger Aktienkurs, Milliardenverluste, ständige Rückstellungen für neue Rechtsfälle, ein neuerlich desaströses Quartalsergebnis, da muss was gehen. Was denn?

Achtung, nun kommt eine Hammerankündigung:

«Alternativen, die über die Ergebnisse der letztjährigen Strategieüberprüfung hinausgehen, sollen in Betracht gezogen werden, insbesondere angesichts des veränderten Wirtschafts- und Marktumfelds. Das Ziel der Überprüfung besteht darin, eine fokussiertere, agilere Gruppe mit einer deutlich niedrigeren absoluten Kostenbasis zu schaffen, die allen Anspruchsgruppen nachhaltige Erträge liefern sowie Kundinnen und Kunden herausragende Dienstleistungen bieten kann.»

Etwas wolkig formuliert, finden Sie? Na, dann hören Sie sich mal an, was passiert, wenn auch noch eine ganze Ladung Realitätsverlust dazukommt:

  • «Das erstklassige globale Vermögensverwaltungsgeschäft, die führende Universalbank in der Schweiz und das Asset-Management-Geschäft mit Mehrfachspezialisierung sollen gestärkt werden.
  • Transformation der Investment Bank in ein kapitalschonendes, beratungsorientiertes Bankgeschäft und ein stärker fokussiertes Marktgeschäft, das das Wachstum des Wealth Managements und der Swiss Bank ergänzt.
  • Überprüfung strategischer Optionen für den Securitized Products-Bereich, die auch die Einbringung von Fremdkapital in diese marktführende, renditestarke Plattform einschließen können, um ungenutzte Wachstumschancen zu realisieren und zusätzliche Ressourcen für die Wachstumsbereiche der Bank freizusetzen.»

Nein, es ist hier von der Credit Suisse die Rede, Ehrenwort. Es ist allerdings schleierhaft, wieso eine dermassen tolle Bank überhaupt gestärkt, transformiert und überprüft werden muss. Läuft doch alles super. Wenn einer geht, einer kommt, dann dürfen natürlich alle drei Beteiligten was dazu sagen. Also eigentlich sagen nicht sie selbst das, sondern Corporate Communication holt aus dem Textarchiv ein Wording, staubt es ab, setzt neue Namen ein, und ab die Post.

Zunächst hat Axel P. Lehmann, VR-Präsident, das Wort: «Es freut mich, Ueli als unseren neuen Group CEO willkommen heissen zu dürfen, um die umfassende strategische Überprüfung in einem für die Credit Suisse so entscheidenden Moment zu beaufsichtigen. Mit seinen fundierten Branchenkenntnissen und einer beeindruckenden Erfolgsbilanz …» Das von «Ueli» zu verantwortende Asset Management hat zwar hindertzi gemacht, aber das tut einer beeindruckenden Erfolgsbilanz doch keinen Abbruch. Die besteht nämlich aus, ähm, also aus, räusper, also, hüstel, wir drücken die Pausetaste.

Dann darf Thomas Gottstein, gewesener CEO: «Es war mir eine grosse Ehre und ein Privileg(,) der Credit Suisse über diese letzten 23 Jahre zu dienen.» Wunderbar, aber wieso stellt er diesen Dienst denn ein? «In den letzten Wochen bin ich nach Gesprächen mit Axel und meiner Familie sowie aus privaten und gesundheitlichen Gründen zum Schluss gekommen, dass es der richtige Zeitpunkt ist, zurückzutreten …» Ach so, er ist gar nicht zurückgetreten worden. Männergespräche mit Alex, die Familie, die Gesundheit, sowie «private Gründe». Wir vermuten: zu wenig Zeit für den Golfplatz.

Dann darf noch Ulrich Körner, neuer CEO der Credit Suisse: «Ich danke dem Verwaltungsrat für sein Vertrauen … freue mich darauf, mit allen Kolleginnen und Kollegen in der Bank und in der Geschäftsleitung  … volle Energie für die Umsetzung unserer Transformation … herausforderndes Unterfangen … auch eine grosse Chance … Dank gilt auch Thomas für seine Unterstützung …»

So, nun holen wir Eimer und Schäufelchen und wischen diese Worthülsenstapel vom Tisch. Besen ist nicht nötig, pusten genügt, so luftig-leicht sind die. Völlig losgelöst von der Realität, ohne Gehalt. Daher erschreckend für Mitarbeiter und Aktionäre. Und dann vielleicht auch mal für den Schweizer Steuerzahler, wenn er dieser «systemrelevanten» Bank dereinst unter die Arme greifen müsste. Denn glaubt irgend jemand, dass diese Dampfplauderer ein Rezept hätten, um die einstmals stolze Bank aus dem Elendstal zu führen?

Wumms: Thomas Gottstein

Es kann immer nur einen geben. Den Boss, The Man. Aber wie macht man PR für den?

Es gibt den berühmten Ausspruch des PR-Mannes Farner: «Gebt mir eine Million, und ich mache aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat.» Das blieb uns bislang, oberflächlich betrachtet, erspart.

Wer und warum machte eigentlich Thomas Gottstein zum CEO der immer noch zweitgrössten Bank der Schweiz? Schliesslich ist die Credit Suisse «too big to fail», systemrelevant. Wenn’s richtig eng wird, darf der Steuerzahler aushelfen.

Dr. Thomas Gottstein ist seit etwas mehr als zwei Jahren der Chef der CS. 1995 erwarb er den Doktortitel in Finanz- und Rechnungswesen an der Universität Zürich. Anschliessend verlief seine Karriere eher unauffällig. Bis man dringend einen Nachfolger für Tidiane Thiam brauchte, der über einen Überwachsungsskandal gestolpert war.

Unauffällig, Schweizer, kann sympathisch lächeln: gebongt, den nehmen wir, sagte sich der Verwaltungsrat, der vorher durch Fehlgriffe aufgefallen war. Auch da war dann Feuer im Dach; während VR-Präsident Urs Rohner alle Skandale seelenruhig ausgesessen hatte, lupfte es seinen Nachfolger schon nach kurzer Zeit. Zu schlampiger Umgang mit Corona-Regeln, zu grosser Hang zu Freiflügen im Firmenjet. Daher musste er dann fliegen, aber natürlich mit goldenem Fallschirm. Also vergoldetem, die richtig saftigen Zeiten sind auch da vorbei.

Blieb also Gottstein als Fels in der Brandung. Nur: da gibt es einen Hasardeur aus Australien, der ein höchstwahrscheinlich kriminelles Schneeballsystem in Form eines Lieferketten-Fonds betrieb. Lex Greensill verfügt über das, was man im Geschäftsleben haben muss. Sympathisches Lächeln, überzeugendes Auftreten, angeblich grossartiges Geschäftsmodell. Zwischenfinanzierung von Lieferantenforderungen, Erklärungen würden zu weit führen, super Sache, der Burner, Gewinn garantiert, Verlust ausgeschlossen.

Solche grossartigen Geschäftsmodelle enden eigentlich immer gleich. Sie laufen ein Weilchen, alle sind glücklich und hauen sich auf die Schultern, dass es kracht. Dann gibt es ein paar klitzekleine Probleme, aber don’t panic, kriegen wir hin.

Nun könnte man, wenn man mit Milliarden im Feuer ist wie die CS, schnell auf die Bremse treten, einfrieren und einen Stiefel voll rausziehen. Aber «CS will not let you down», soll der sympathisch lächelnde Gottstein dem Sympathieträger Greenshill telefonisch versprochen haben.

Nun gibt es die Unsitte, gute Kunden mit Lombardkrediten spekulieren zu lassen. Also die Bank streckt vor. Geht’s gut, sind alle zufrieden. Geht’s schlecht, kommt der gefürchtete Margincall. Die Bank verlangt Nachschuss an Sicherheiten, sonst muss sie den Kredit leider glattstellen. Das führte dann zu Notverkäufen asiatischer Kunden von Greensill-Anteilen.

Statt nun den Stecker zu ziehen, soll die CS, sympathisch lächelnd, nochmals 140 Millionen Kredit in den absaufenden Fonds geschossen haben. So versuchte man, aus dem Schlamassel still und leise rauszukommen. Bis sich am 1. März 2021 das Kartenhaus Greensill-Fonds zusammenfaltete. Milliardenschaden für die CS.

Und seit einem Jahr versucht Gottstein, seine Beteiligung an dieser Katastrophe wegzulächeln. Äussert man sich kritisch dazu, bekommt man ein nettes Mail der CS, man hätte sie doch zur Stellungnahme einladen sollen. Bietet man ihr das generös an, wird aber wieder die Räuspertaste gedrückt, Sendepause. Und wahrscheinlich sympathisch gelächelt. So macht man Öffentlichkeitsarbeit.

Thomas Gottstein. Sympathie- und Anzugträger.

Wumms: Arthur Rutishauser

In den Treibsand kommentiert.

Der Oberchefredaktor von Tamedia ist im Herzen Wirtschaftsjournalist geblieben. Aber das Herz schlägt nur noch leise unter dicken Schichten von Management, Vincenz-Bashing und Entschuldigungen schreiben.

Natürlich muss Rutishauser auch etwas zum unaufhaltsamen Niedergang der Credit Suisse sagen. Das hätte er besser gelassen: «Die Credit Suisse ist eine Übernahmekandidatin». Eine Reaktion auf den Milliardenverlust im Jahr 2021, auf anhaltende Probleme, Skandale, Rechtsfälle. Rutishauser schliesst: «Bleibt abzuwarten, wer zuschlagen will.»

Ernste Miene zu schlimmem Spiel: Thomas Gottstein.

Nein, da können wir lange warten; die CS ist definitiv keine Übernahmekandidatin. Da sie «too big to fail» ist, also systemrelevant, würde hier die Schweizer Regierung ein gewichtiges Wörtchen mitreden, was die Bank zu einer sehr unattraktiven Braut macht. Dazu kommt: eine Bank wird nicht umsonst an der Börse nur mit der Hälfte ihres Buchwerts gehandelt.

Das hat zwei Gründe. Das Investment-Banking performt unterirdisch schlecht und hat ein Value at Risk von 875 Milliarden Franken, also eine beeindruckende Risiko-Blase, aufgepumpt.

Der zweite Grund ist die Mitgift, die von der CS in eine Fusion eingebracht würde. Wobei das Wort Gift zutrifft. Selbst die genauste Due Diligence könnte nicht zutage fördern, welche Leichen die Bank noch im Keller vergraben hat. Wer in solch unablässiger Folge Skandale und Rechtshändel verursacht, seit der grössten Busse für eine ausländische Bank im Steuerstreit mit den USA, der wird nicht mal mit der Beisszange angefasst.

Also ist die CS ganz sicher kein Übernahmekandidat, und niemand wird zuschlagen. Ausser, der Bund zwingt die UBS dazu, diesen Frosch zu küssen, der sich dann in eine Kröte verwandeln wird.

Wumms: Thomas Gottstein

Viel CEO, immer weniger Bank. Das ist die Lage der Credit Suisse.

Er wurde als grosse weisse Hoffnung der Schweiz gehandelt. Thomas Gottstein, endlich wieder ein Schweizer CEO der Schweizer Grossbank CS.

Nun ist aber die CS eine unglaublich schrumpfende Bank, deren Aktienkurs unaufhaltsam nur den Weg nach unten kennt, die im Vergleich zur weltweiten Konkurrenz, im Vergleich zur UBS wie die alte Fasnacht daherkommt.

Das muss nun ein CEO wegstecken können. Gottstein kann’s. Während die meisten anderen Banken 2021 satte Gewinne einfuhren, musste die CS gerade 1,6 Milliarden Verlust für 2021 vermelden. Die einzige Zahl, die gestiegen ist, ist das «Value at Risk». Damit misst man das potenzielle Risiko der Verbindlichkeiten. Stieg von 800 Milliarden auf 875.

Die einzige Zahl, die nur unwesentlich sank, ist die der Saläre und Boni. Für diesen Riesenverlust kassierten die Angestellten der Bank 9 Milliarden Franken. Flops, Pleiten, Pech und Pannen. Oder gepflegter ausgedrückt: Wertberichtigungen in einem herausfordernden Marktumfeld.

In solchen Krisen ist der Steuermann gefordert, der Kapitän auf der Brücke. Da der VR-Präsident ständigt wechselt, muss das der CEO sein. Was sagt also Gottstein zu diesem Desaster:

«solide Ergebnisse erzielt».

Echt jetzt? Zu viel Golf gespielt? Völlig den Bezug zur Realität verloren? Spielt erste Geige auf der Titanic? Hat den Ernst der Lage nicht erkannt oder will ihn nicht erkennen?

Wie sich wohl ein Mitarbeiter der CS fühlt, wenn er seinen Chef solche Albernheiten sagen hört?

Spiel, Satz und Sieg

Wie man einen VR-Präsidenten (links) aus dem Amt ballert.

Niemand weint dem ehemaligen Boss der Credit Suisse eine Träne nach. Ausser vielleicht die Mannschaft des Privatjets, mit dem er durch die Welt glühte. Ist schliesslich spannender, als in Kloten stand-by zu spielen.

Faszinierend ist allerdings die Methode, mit der António Horta-Osarío von einer scheinbar unangefochtenen Position den Abflug machen musste.

Seit 8 Monaten im Amt, mit den üblichen grossen Worten angetreten, Lobhudelei im «Blick», allerdings musste man schon damals sagen: wer sich so fotografieren lässt und der Publikation des Bildes auch noch zustimmt, hat nicht wirklich gute PR-Berater.

Magenprobleme? Bildzitat aus dem SoBli.

Aber gut, kleiner Unfall, abgesehen davon, dass sich der VRP und der CEO der zweitgrössten Bank der Schweiz wirklich nicht in einem Boulevardblatt interviewen lassen sollten. Vielleicht brachten sie damit den oder die Heckenschützen auf den Geschmack.

Denn es ist sonnenklar, dass jemand aus der Bank heraus den «Blick» mit internen Informationen versorgte. Die Reisebewegungen des VRP sind zwar kein Staatsgeheimnis, aber seinen genauen Flugplan kennen, alleine schon aus Sicherheitsgründen, nur eine sehr beschränkte Anzahl von Personen.

Selbst wenn allgemeiner bekannt ist, wo sich Horta-Osório jeweils aufhielt; die genauen Flugdaten sind dann nochmal etwas anderes. Sein Fall (mit sparsamem Fallschirm) ist mal wieder ein Beleg, wie wirkmächtig die Medien weiterhin sind.

Ähnlichkeiten wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Wenn doch: Plum ist schon mal weg …

Und wie fatal eine amateurhafte Verteidigungsstrategie ist. Wer immer beim VRP dafür verantwortlich war, ist eine Schande für seinen Beruf. In dieser Position ist es völlig klar, dass der braungebrannte Scheitelträger eine interne Crew in seinen Diensten hatte, zudem sicherlich auch externe Berater mit beeindruckenden Tagessätzen – die ihn allesamt weiter ins Elend berieten.

Blitz aus heiterem Himmel

Aber die Initialzündung war die aus heiterem Himmel angefütterte Story, dass er bei einem Abstecher nach London gegen Quarantäneregeln verstossen habe. Wie meistens in solchen Fällen unterschätzten er und seine Berater die Brisanz der Enthüllung gewaltig.

Tschakata. Der erste Schuss, und Horta-Osório war schon waidwund.

Vernütigen, welch ein schönes schweizerdeutsches Wort, das ist immer die falsche Strategie, die meistens angewendet wird. Ist sich nicht bewusst gewesen, könnte sein, ist aber wirklich kein Ding bei einem internationalen Grossbanker, der überall auf der Welt die Geschicke einer internationalen Bank bestimmen muss.

Dann gibt es immer in solchen Fällen das Zwischenhoch. Also das trügerische Gefühl, dass das nicht so schön war, aber dafür ausgestanden, und man weiss ja, wie schnell die Medien die Lust an einem Thema verlieren. Noch ein paar Kommentare mit gerunzelter Stirn und fuchtelndem Zeigefinger, das war’s dann.

Die Gegner hatten eine clevere Strategie

Aber im Gegensatz zu den Wasserträgern des VRP hatte sein Gegner eine Strategie. Genau im richtigen Moment lancierte er saftige Details wie dass ein ehemals bedeutender FDP-Nationalrat und Gesundheitspolitiker höchstpersönlich im Auftrag von Horta-Osório für eine Ausnahmebewilligung weibelte.

Das war nun schon fast der tödliche Blattschuss.

Banker, Privatjet, abgehoben, arrogant, will Extrawurst, was meint der denn.

Endlich bemerkte auch seine Entourage, dass nun gewaltig Feuer im Dach ist. Abkehr von «war mir nicht bewusst», Kehrtwende zu «mea culpa, Entschuldigung, bereue, sehe ein, klage mich selber an». Das Problem war nur: zu spät.

Dann der übliche «interne Untersuchungsbericht» zum Verwedeln. Einer der Hauptaktionäre ergreift öffentlich das Wort und stellt klar, dass man das als Peanuts sehe, Horta-Osório solle den Turnaround liefern, darum gehe es.

Nun noch der Klassiker, der Gnadenschuss

Allgemeines Aufatmen im Lager des VRP. Aber der Heckenschütze hatte natürlich noch nicht alle Munition verballert. Nun kam der Klassiker beim Abschuss: Es gab noch ein weiteres Mal. Denn einmal ist keinmal, kann passieren, ist blöd, aber ‘tschuldigung, und weiter im Text.

Der letzte Blattschuss hatte allerdings eine längere Zündschnur. Abfeuert, in der Öffentlichkeit explodiert – und nichts geschah. Der «Blick» spekulierte zwar, ob der VRP schon Ende 2021 zurücktrete nach dem zweiten Mal Quarantäneverstoss, aber nichts geschah.

Nochmaliges und letztes Aufatmen, zunächst ein Rüffel im VR, aber zumindest gegen aussen der Anschein: wir haben drüber geredet, er bereut, hat sich entschuldigt, also bitte, es gibt Wichtigeres im Leben.

Offenbar brannte intern die Lunte weiter, bis es dann ziemlich genau 35 Tage nach Beginn der Intrige soweit war: Rücktritt. Da der VR zumindest mehrheitlich an Horta-Osório festhalten wollte, müssen die Grossaktionäre ihre Meinung geändert haben.

Mögliche Erklärung: Der Heckenschütze liess durchsickern, dass er durchaus noch Munition habe.

Heckenschütze: Bei der CS war’s kein Spiel.

Fazit: Schneller Abschuss eines Gegners via Medien. Offenbar ist es Horta-Osório nicht gelungen, die Quelle für all diese Durchstechereien ausfindig zu machen und abzustellen. Fehler Nummer eins. Seine mediale Reaktion war unterirdisch schlecht, Fehler Nummer zwei. Er kam nie aus der reaktiven Haltung heraus, konnte nicht das Heft in die Hand nehmen, das Narrativ bestimmen. Fehler drei.

Hinter den Kulissen tobte der Bär

Er konnte die grossen Shareholder nicht länger davon überzeugen, dass weiter mit ihm besser sei als weiter ohne ihn. Das Ganze sollte als Lehrbeispiel in die Geschichtsbücher eingehen, wie man mit wenig Aufwand einen vorher sicher im Sattel sitzenden Häuptling abschiesst.

Wer war’s? Wenn Horta-Osório Racheglüste hat, werden wir das wohl erfahren. Bislang gibt es nur Verdachtsmomente, da die normalerweise gut informierte «Financial Times» am Anfang des Gemetzels kolportierte, dass der VRP mit der Leistung seines CEO nicht wirklich zufrieden sei. Sagte sich da Thomas Gottstein: ich mit dir auch nicht? Wir sind gespannt auf des Rätsels Lösung.

So sieht kein Sieger aus: Horta-Osório.

PS: Natürlich ist es auch Gelegenheit zur Selbstkritik. Als der Skandal aufpoppte, schrieb ZACKBUM am 10. Dezember 2021: «Bis am Wochenende wird sich entscheiden, ob Horta-Osório die Affäre überlebt, sie also aussitzt – oder nicht.»

Aber der 12. Dezember kam und ging – Horta blieb im Sattel. Das Schicksal kennt jeder Banker: Fehlprognose.

 

Bankergequatsche

Was die Qualitätsmedien kritiklos publizieren und die Credit Suisse rausbläst.

Dieser Rückgriff in dunkle Zeiten muss sein. Es war ein genialer Propagandakniff, dass der deutsche Landser im Zweiten Weltkrieg in den Nazi-Wochenschauen immer von links nach rechts durchs Bild marschierte. Immer.

Daher konnte der Zuschauer nicht beurteilen, ob es vorwärts oder rückwärts ging. Ob triumphal erobert oder kläglich zurückgezogen wurde. Nach dem grossartigen Slogan: «Vorwärts, wir ziehen uns zurück».

Allerdings merkte selbst der blödeste Reichsbürger, dass die grossartigen Erfolge und vernichtenden Abwehrschlachten sich immer mehr den Reichsgrenzen näherten. Die der Feind aber nie überschreiten werde. Bis er es dann doch tat.

Leider liegt diese Analogie – natürlich nur in Bezug auf die Propaganda – mit den jüngsten Ankündigungen der Credit Suisse auf der Hand. Die «Financial Times» hat im Zusammenhang mit der Riesenschweinerei Milliardenkredit an Mosambik die Untaten der letzten zehn Jahre grafisch aufbereitet. Entlang des sich im stetigen Niedergang befindlichen Aktienkurses. Der niemals unter 10 Franken fallen werde, bis er es dann doch tat.

Die Rohner-Strecke der CS.

Und jedes Mal, wenn er auch nur kurz die Schwelle von einstellig zu zweistellig überspringt, gibt’s Jubelchöre zu hören. Die sollen das Heulen und Zähneklappern der Aktionäre übertönen, die in den letzten zehn  Jahren Milliardenverluste ans Bein streichen mussten.

Ausser, sie gehörten zu erlesenen Kreis arabischer Investoren, die das Geld von der CS geliehen bekamen, das sie in die Bank investierten, und bis zu 9,5 Prozent Zinsen obendrauf. Aber dafür konnte die CS damals verkünden, dass sie im Gegensatz zur UBS keine Staatshilfe brauche.

Also war vor zehn Jahren die Ausgangslage doch besser für die eine der beiden Schweizer Grossbanken. Too big to fail, also mit Staatsgarantie, langer Tradition (Alfred Escher, you know) und dem Wort Suisse im Namen, immer noch mit Strahlkraft (Matterhorn, you know).

Nun aber klare Signale – oder nicht

Aber in Wirklichkeit taumelt die Bank von einer Peinlichkeit zur nächsten, ist so ziemlich an allen internationalen Skandalen beteiligt, schafft es sogar, im Doppelpack Milliardenverluste zu kassieren. Ist zum Schnäppchen geworden, das nur deswegen nicht aus der Portokasse aufgekauft wird, weil alle potenziellen Käufer Schiss haben, welche Leichen im Keller sie einkaufen würden.

Also höchste Zeit für klare Signale, einen «Big Bank», wie Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz» kalauert. Schliesslich ist doch mal wieder ein neues Dreamteam angetreten, auch wenn das nicht wirklich so wirkt.

Zwei strahlende Siegertypen: Thomas Gottstein (l.) und António Horta-Osório.

Nein, die beiden sehen nur so aus, als könnten sie sich nicht ausstehen und wären schwer angegurkt von ihrer Aufgabe. Der Schweizer CEO hat den letzten Milliardenflop überstanden und ist bereit für neue. Der neue VR-Präsident hat vom Vorgänger die weisse Weste geerbt und wurde als Sanierer, Ruderrumwerfer, neue Kraft mit Vorschusslorbeeren überschüttet.

Nun brütet man heutzutage, das ist ja nicht schlecht, ein Weilchen darüber, wie man neue Akzente setzt, das Steuer rumreisst, die Bank aus den Sandbänken der ständigen Bussen und Verluste befreit, wieder Wind in die Segel des verunglückten Banklogos pustet. Zum Beispiel, indem man sich vom Investment-Banking trennt, das seit dem Ankauf von Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ) unter dem Allfinanz-Versager Lukas Mühlemann für garantierte Verluste und Probleme sorgt. 20 Milliarden kostete damals der Ankauf der US-Investmentbude, als die Schnarchschweizer meinten, da ginge die Post ab und sich von aalglatt dampfschwätzenden Amis über den Tisch ziehen liessen.

First Boston, second flop, last survival.

Die 20 Milliarden lösten sich in Luft auf. Allerdings nicht ganz, ein guter Happen Goodwill wurde in den Büchern mitgeschleppt und konnte bis heute nicht abgeschrieben werden; die Zahlen sahen meistens auch ohne sehr trübe aus.

Aber nun, aber jetzt, nach mehrmonatigem Brüten, jetzt kommt die neue Strategie, der Ansatz, the winner, das Ergebnis scharfen Nachdenkens, von bis zur Kernschmelze getriebenen Computern, unter Verwewndung von Formeln und Algorithmen, die sich dreimal um den Paradeplatz schlängeln, so lang sind die.

Frischer Wind in die Segel der Bank der Seefahrernation Schweiz?

Was verkündet die Schweizer Wirtschaftspresse mit offenem Mund? Auch wenn’s weckert, das muss in (fast) vollständiger Länge zitiert werden:

Hier sprechen die Chefs 

Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório: «In den vergangenen Monaten haben der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung gemeinsam unermüdlich an der Gestaltung der neuen Strategie gearbeitet, die uns künftig als Kompass dienen wird. Die heute bekannt gegebenen Massnahmen bilden den Rahmen für eine deutlich stärkere, kundenorientiertere Bank mit führenden Geschäftsbereichen und regionalen Angeboten. Das Risikomanagement, das alle unsere Handlungen prägt und stets von grösster Wichtigkeit ist, wird zur Förderung einer Unternehmenskultur beitragen, welche die Bedeutung von Rechenschaftspflicht und Verantwortung weiter stärkt.» Daher «ist die Credit Suisse gut positioniert, um auf den Stärken ihrer hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihrer Geschäftsbereiche aufzubauen.»

Nein, nicht um Gnade winseln, das war erst die Hälfte:

Gruppen CEO Thomas Gottstein: «Dank dieser strategischen Überprüfung haben wir eine klare und überzeugende Stossrichtung festgelegt, die auf bestehenden Stärken aufbaut und das Wachstum in wesentlichen strategischen Geschäftsbereichen beschleunigt. Wir werden zu einer effizienteren Bank mit voraussichtlich geringerer Volatilität der Erträge und einer verstärkten Ausrichtung auf die Märkte, in denen wir tätig sind. Wir wollen unsere Position als einer der führenden Anbieter in der Vermögensverwaltung weiter ausbauen und werden verstärkt in Bereiche investieren, in denen wir über Wettbewerbsvorteile verfügen: in unserer fokussierteren und weniger kapitalintensiven Investment Bank, in unserer führenden, kundenorientierten Swiss Bank sowie in unserem Asset Management mit Mehrfachspezialisierung.»

Das ist Banglish. das ist die ausführliche Fassung von: «Vorwärts, wir ziehen uns zurück.» Denn nun müssen wieder viele, viele neue Organigramme gepinselt werden, Schnittstellen, Raportwege, Rhomben und Quadrate, kreuzende Linien und überspringende Linien. The Works, wie der Banker sagt.

Dieses Dampfgeplauder muss jedem CS-Mitarbeiter echt Schiss machen. Von Kunden und Aktionären ganz zu schweigen. Denn wenn man die heisse Luft aus den Ballons lässt, bleibt – nichts. Nichts Neues. Das ist so, wie wenn man einen Rosthaufen mit defektem Motor, platten Reifen und knirschendem Getriebe mit Wasserfarbe abduscht und sagt: et voilà, wie neu. Läuft wieder spitze, bald kommt noch ein Elektromotor rein.

Was ist betrüblicher? Solches Dampfplaudern oder seine weitgehend kritiklose Abbildung in den Medien? Schwer zu sagen. Immerhin gibt es eine einzige Ausnahme. Hässig titelt frech: «Das Ende der Credit Suisse».

Wenn eine Bank auf dem Weg nach unten ist

Die «Financial Times» berichtete, dass der VR-Präsident seinem CEO das Vertrauen entzogen habe. Die Reaktion: ein Doppelinterview – im SoBli.


«How low can you go?» Ein sinnvolle Frage – beim Limbo. Beim Fine Swiss Banking ist sie eher deplatziert.
Die FT, neben dem WSJ die Benchmark in der Wirtschaftsberichterstattung, beschrieb in einem längeren Artikel die Differenzen zwischen dem neuen VR-Präsidenten Ontario Horta-Osório und dem auch nicht so lange amtierenden CEO Thomas Gottstein.

Stein des Anstosses: Die Doppelklatsche, die die Credit Suissse mit Greensill und Archegos einstecken musste. Exponiert in einem Fonds eines vorbestraften Hasadeurs in den USA, investiert in ein durchschaubar lusches Geschäftsmodell eines australischen Hasardeurs. Nicht angeleiert vor Gottstein, aber von ihm nicht gestoppt, bis es zu spät war.

Soll der neue VRP nicht so toll gefunden haben, deshalb schaue er nach Ersatz oder spiele sogar mit dem Gedanken, die Position des CEO temporär selbst zu übernehmen. Zudem führe er Gottstein an sehr kurzer Leine, berichtet die FT.

Ob das so ist, lässt sich von aussen schwer beurteilen. Normalerweise publiziert die FT allerdings nur, wenn sie ihrer Sache verdammt sicher ist. Andererseits: solange der Break nicht vollzogen ist, sind solche Meldungen sehr schädlich für eine Bank. Was tun? Gegensteuer geben, natürlich.

Zwei ganz dicke Freunde, wie man auf dem Foto oben sieht

Wie das? Am einfachsten, indem man zu zweit ein Interview gibt und Friede, Freude, Eierkuchen zelebriert. Problem dabei: die FT ist dafür nicht zu haben. Die NZZ auch nicht. Nicht einmal Tamedia oder die Schweizer Wirtschaftspresse. Was tun? Plan B, wohl eher Plan C: gemeinsames Interview im Zentralorgan der gehobenen, seriösen Wirtschaftsberichterstattung. Dem «SonntagsBlick».

Nichts gegen den SoBli. Aber man stelle sich kurz die internationale Resonanz vor. FT berichtet dies, die beiden CS-Spitzen dementieren, im SoBli.

Where? What the heck is the «SonntagsBlick»? Is this serious? Are they kidding?

So ungefähr die Reaktion auf den internationalen Finanzmärkten.

Haben die beiden wenigstens Substanzielles zu sagen? Nun ja; der SoBli geht in medias res, obwohl er den Ausdruck sicher nicht kennt. Fragt knallhart, ob der VRP seinen CEO auswechseln und selbst die operative Führung übernehmen wolle. Knallharte Antwort: zweimal ein «Nein».

Nach einem knallharten Doppelnein fliegen Wattebäusche

Nachdem das geklärt ist, kann man das übliche Banker-Gequatsche ablassen: «Wir sind heute in einer viel besseren Position als zuvor.» Aktienkurs im tiefen Keller, nach der Klatsche ist sicherlich vor der Klatsche, die CS wäre zu einem Schnäppchenpreis zu haben, ihr passiert das nur deswegen nicht, weil alle noch weitere Leichen im Keller befürchten. Aber super Position.

Könnte man vielleicht denken, dass es mit der Handhabung von Risiken, so angesichts von Milliardenverlusten, etwas hapert? Ach nein: «Historisch verfügt die CS über eine sehr ausgeprägte Risikokultur. …  Aber es ist klar, dass es seither gewisse Versäumnisse gab.» ( Gottstein) «Wir müssen den Risikoappetit zügeln und die Anreize richtig setzen.» (Horta-Osório).

Gut, damit wäre das auch geklärt, worüber reden wir denn noch? Vielleicht über die wirklich wichtigen Sachen:

Frage: Sie sind ein sehr guter Tennis-Spieler, Herr Gottstein ein begnadeter Golfer …
Horta-Osório: Moment! Ich bin okay. Aber Thomas spielt besser Golf als ich Tennis.
Gottstein: Da bin ich mir nicht so sicher.
Horta-Osório: Du hast am letzten Sonntag beim Golfen unentschieden gespielt, ich habe meine Tennispartie verloren. Das ist Beweis genug. (lacht)

Haben die beiden seelenverwandten Sportskanonen vielleicht noch weitere Ratschläge auf Lager, ein Anlagetipp möglicherweise? Nun, das nicht, aber:

Horta-Osório: «Ich vermeide Gluten und Milchprodukte. Ich versuche, mich ans Intervallfasten zu halten, um meinen Körper zu entgiften. Auch ein wichtiger Aspekt ist der Schlaf.»

Nun gibt der VRP bekanntlich die Strategie und die grossen Linien vor, der CEO führt aus. Hier allerdings schwächelt Gottstein bedenklich: «Da ist er disziplinierter als ich.»

Damit gewinnen die beiden jede Limbo-Meisterschaft mit Abstand. Und bei Corporate Communication der CS sollten vielleicht ein paar Stellen neu besetzt werden. Schon alleine das Foto (oben am Anfang des Artikels als Bildzitat) freizugeben, müsste zu einer fristlosen Entlassung führen. Eigentlich.

 

 

Dummheit ist ansteckend

Leider eine weitere Folge. Inzwischen ist das Virus auf die Credit Suisse übergesprungen.

Am Donnerstag gab die einstmals stolze und starke Bank ihr Quartalsergebnis bekannt. Reinverlust eine runde Viertelmilliarde. Mindestens 7 Milliarden mit nur zwei Investitionen verröstet. Einem vorbestraften Family-Office-Manager 10 Milliarden Spielgeld geliehen, vielleicht sogar 20. Also die Hälfte des geschrumpften Eigenkapitals. Risk Management, gesunder Menschenverstand, Kontrolle, die simple Frage: was machen wir da eigentlich, und ist das tatsächlich sinnvoll? Abwesend.

Aktienkurs seit Februar um ein Drittel geschrumpft, und wir messen hier sowieso schon im Keller. Von einstmals stolzen 13,50 Franken auf etwas über 9 Franken. Erinnert sich noch jemand daran, dass er mal über 60 Franken war?

Das ist die Realität. Nun gibt es in jeder Bank die sogenannte Corporate Communication. Also die Oberhoheit über alles, was die Bank so rauslässt. Das hat sehr häufig mit Compliance zu tun, also was muss man zu einem Anlageprodukt sagen, welche Gesetze und Vorschriften müssen eingehalten werden.

Der anspruchsvolle Auftrag

Das ist der dröge Teil der Arbeit. Etwas anspruchsvoller sind die Quartalsberichte und der jährliche Geschäftsbericht. Denn da geht es immer häufiger darum, aus Scheisse Gold zu machen. Also das Kunststück zu vollbringen, Desaster und Katastrophen und Versagen so aufzuhübschen, dass es sich viel weniger schlimm anhört, als es eigentlich ist.

Dabei gibt es aber ein Problem. Man kann ein Ei bunt anmalen. Ein Schleifchen drum drapieren. Es in ein süsses Nest legen. Es sogar golden ansprayen. Aber wenn man es aufschlägt, und es ist ein faules Ei, dann verbreitet sich unvermeidlich ein übler Geruch. Da nützt dann die ganze Dekoration nichts.

Angesichts der aktuellen Zahlen der Credit Suisse wäre es zwar angebracht, einfach zu sagen: Es ist grauenhaft, wir beschäftigen Totalversager für viel Geld. Dafür entschuldigen wir uns, haben sie alle rausgeschmissen und hören endlich auf, Investmentbanking zu spielen, wo die «stupid gnomes from Zurich» seit Anfang an nur Verluste gemacht haben.

Etwas eleganter und staatstragender formuliert, wäre das eine Ansage, die mit der Realität in Kontakt steht. Aber wer das Statement von CS-CEO Thomas Gottstein verfasst hat, ob intern oder – immer noch gefüllte Geldtröge für die darauf spezialisierten Agenturen – extern, der müsste zugeschüttet werden. Nein, nicht mit Gold.

Hätte ein böser Satiriker diesen Text als Persiflage verfasst, es wäre geschmunzelt worden, aber er bekäme gesagt: Vielleicht etwas weniger Gas geben, sonst wird es wirklich zu unrealistisch. So etwas sagt doch kein CEO.

So etwas sagt dieser CEO:

«Unser zugrunde liegendes Ergebnis unterstreicht die Ertragskraft der Credit Suisse.»

Wohlgemerkt, dieses Ergebnis beinhaltet, dass die CS in nur einem Quartal mindestens 7 Milliarden Franken verröstet hat. Mit lediglich zwei riskanten Wetten, bei denen sie einen guten Teil des Eigenkapitals ins Feuer gestellt hat.

Problem? Was für ein Problem? Wo ist ein Problem?

Aber, das ist kein Anlass zu Panik, liess sich Gottstein in den Mund legen. Eigentlich läuft alles bestens, vor allem, weil «wir alles daransetzen, dass die Credit Suisse gestärkt aus dieser Situation hervorgehen wird.» Das freut natürlich den gequälten Aktionär ungemein, vor allem, weil im völlig Ungefähren bleibt, wann denn «diese Situation» gestärkt verlassen wird. Und was das eigentlich heissen soll.

Selbstredend wird durchgegriffen, neu aufgestellt, «Inakzeptables» wird nicht länger akzeptiert, selbstverständlich verzichtet die Geschäftsleitung – und freiwillig auch VR-Präsident Urs Rohner – auf den Bonus fürs letzte Jahr. Das ist nett von denen, aber solange die «Key Risk Taker» sich noch jedes Jahr aus einem Bonustopf von einer Milliarde bedienen – unabhängig davon, ob sie dafür einen Milliardenverlust basteln –, kann von einem Umdenken keine Rede sein.

Damit die CS wie immer gestärkt, wie immer nach einem Schwächeanfall, «aus dieser Situation» herauskommen kann, braucht sie schlappe 1,7 Milliarden frisches Kapital. Das nimmt sie mit Zwangswandelanleihen auf. Diese Contingent Convertibles heissen in Japan «Todesspiralenanlagen». Denn sie werden zwangsweise in Aktien umgewandelt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Bis vor Kurzem stotterte die CS noch bis zu 10 Prozent Zinsen auf die erste Runde in der Finanzkrise eins aufgenommene Gelder auf diesem Weg. So sieht dann die Quartalsbilanz so aus: Risk Management: versagt. Investment-Banking: versagt. Compliance: versagt. Geschäftsleitung: versagt. Verwaltungsrat: versagt. Das kann niemand schönreden, nicht einmal schönsaufen. Ausser, man will den CEO lächerlich machen. Corporate Communication: versagt.