Schlagwortarchiv für: Thomas Fasbender

Rettet die Welt!

Denn sie ist schlecht. Aber die «Weltwoche» weiss Abhilfe.

Ihre aktuelle Ausgabe ist wieder einmal voller Hiobsbotschaften. Und leider nur sehr wenigen Hoffnungsschimmern. Noch seltener sind Ratschläge, wie denn die Welt besser werden könnte.

Gleich einleitend berichtet ein gewisser «R.K.» von seinen Erlebnissen in Dubai. Viel Sand dort, da wird ihm «schlagartig bewusst: alle diese Länder möchten sein wie die Schweiz». Passend dazu trifft er einen Riesengeschäftsmann, der sich vor zehn Jahren entschied, in der Schweiz zu leben. Aber, Himmels willen: «Heute überlegt sich der Unternehmer, ob er in der Schweiz bleiben soll.» Denn die ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Banges Fazit: «Ob die Schweiz ihre über Jahrhunderte hart erkämpfte Stellung behauptet oder leichtfertig verscherzt, ist unsicherer denn je.»

Dazu passt: «Der Blackout von Skyguide ist nur das jüngste Beispiel für das schludrige Management und die Verwahrlosung der grossen Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand.» Auch das noch: Das Massnahmenpaket der Freisinnigen zur Flüchtlingskrise «zielt an der Schweizer Lebenswirklichkeit vorbei». Keine Zukunft hierzulande: «Der Nachwuchs wird mit Psychopharmaka ruhigstellt oder gar abgetrieben

Sogar Peter Bodenmann, die rote Unke aus dem Wallis, sieht schwarz: «Die Aufhebung des Mindestkurses war ein gigantischer Fehler. Die Anhebung der Negativzinsen ist ein vergleichbares Eigengoal.» Dieses Verdikt hat die WeWo so beeindruckt, dass sie es gleich zweimal wiedergibt. Auf Seite 19 und auf Seite 25 – zumindest online.

Nicht nur in der Schweiz geht’s zu wie im hölzigen Himmel: «Westen ohne Führung», beklagt Copy/paste-Meister Urs Gehriger. Grundfesten der Schweiz wanken auch: «Was ist nur mit den Bauern los?» Früher seien die erfolgreiche Lobbyisten gewesen, nun «stecken sie empfindliche Niederlagen ein».

Dafür darf dann der Chefredaktor, was halt nur ein Chefredaktor darf: ein viel zu langes Interview mit dem deutschen Schriftsteller Uwe Tellkamp führen.

Sozusagen ausser Konkurrenz läuft der Putin-Missversteher Thomas Fasbender, der endlich die uns alle unter den Nägeln brennende Frage beantwortet: «Warum hat Putin die Ukraine angegriffen?» Die Antwort ist allerdings so hanebüchen, dass wir sie dem Leser ersparen. Fehlt noch etwas? Aber klar, das Schweizer Farbfernsehen. Dazu sagt der berufene Interviewpartner Thomas Matter: «Früher war es eindeutig sachlicher und neutraler.» Früher war halt wirklich alles besser.

Ausser Konkurrenz läuft natürlich das Feuilleton der «Weltwoche», nicht zuletzt deswegen, weil Autor René Zeyer hier gelegentlich publiziert. Ab «Leben heute» wird’s dann endlich heller, aber auch seichter.

Vorher wird aber der Leser mit einer dicken Portion Pessimismus überschüttet. Einziger Lichtblick ist Christoph Mörgeli, der sich mit Lust und List an einem seiner Lieblingsfeinde abarbeitet: «Historiker Tanner vergaloppiert sich». Er schmiert ihm nochmals aufs Brot, dass der seine über 300’000 Franken in der Bergier-Kommission laut eigenen Angaben «redlich verdient» habe. Das aber, so Mörgeli, ohne eine einzige Zeile selbst verfasst zu haben. Hinterfotzige Schlussfolgerung von Mörgeli: «Um seine Haut zu retten, unterstellt Tanner indirekt den wirklichen Autoren, er sei ihr Ghostwriter gewesen und habe ihnen seine Texte untergeschoben. Damit stehen diese «unabhängigen, intelligenten jungen Historikerinnen und Historiker» (Tanner) unter Verdacht, ihn plagiiert zu haben. Eigentlich müssten sie sich gegen diese ungeheuerliche Verdächtigung zur Wehr setzen

Das ist wenigstens mal eine lustvolle Polemik, voll auf die Zwölf. Ein kleines Glanzlicht in der Beschreibung einer elenden, verelendenden Welt.

 

 

Die Welt der «Weltwoche»

Welches Weltbild vermittelt das Blatt? Eines. Seines.

Als Opener ergreift ein gewisser R.K. das Wort und konstatiert: «Die Schweiz verwildert». Wie das? Nun R.K. sticht es in die Nase: «Es riecht nach Willkür und Diktatur in den Berner Wandelgängen.»

Ein wenig Bildungsbürgertum lässt R.K. auch noch auf den Leser regnen, indem er ein Zitat von Napoleon kreativ abwandelt: «Der Weg ist kurz vom moralisch Erhabenen zum politisch Lächerlichen.» Wie verwildert die Schweiz, wer riecht nach Willkür und Diktatur? Nebensächlich, der politische Gegner natürlich. Aber am Schluss entlässt uns der Chefredaktor, Herausgeber, Verleger und Besitzer mit einem Hoffnungsstrahl: «Je grösser der Unsinn, desto kräftiger meldet sich die Vernunft zurück.» Also ER.

Da sind wir beruhigt und denken: «much ado about nothing

Als Nächster wittert Kurt Pelda Unheil: «Terrorist unterrichtet Schweizer Kinder». Das ist natürlich ein starkes Stück, auch wenn man der Wahrheit zuliebe sagen muss, dass dieser Titel den Gedanken der Resozialisierung nach einer verbüssten Strafe nicht gerade unterstützt.

Der Bundeshaus-Redaktor Hubert Mooser nimmt sich als Nächstes die üblichen Verdächtigen vor: Gerhard Pfister, Thierry Burkart plus natürlich Fabian Molina. Der fragt sich inzwischen sicher, was er denn falsch gemacht hat, wenn er einmal nicht in der WeWo drankommt. Auch hier muss vor Verwilderung gewarnt werden, das übernimmt der neutrale Banker Thomas Matter: «Man ist offensichtlich gewillt, den Rechtsstaat auszuhebeln und den Banken den Todesstoss zu versetzen.»

Da möchte man im  Sinne von R.K. rufen: «Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.» Ist zwar nicht von Napoleon, aber auch gut.

Erfrischung mit einer Uralt-Story

So kann’s nicht weitergehen, also darf Bond-Fan Peter Wälty ein taufrisches und ungemein aktuelles Thema als Coverstory abhandeln: Ursula Andress, Honey Ryder, «Dr. No». Ganz alte Leser erinnern sich an das erste Bond-Abenteuer von 1962. Ist nun 60 Jahre her; eine runde Jahreszahl, mehr Anlass braucht’s nicht, um Andress sozusagen fast port mortem zur «Ikone der Frauenbewegung» umzuschreiben. Was zwar ihrer Rolle im Film diametral widerspricht, aber he, dieses Bikini, diese Figur, dieses Gesicht.

Zurück zu ernsten Themen. Thomas Fasbender «ordnet Putins Rede an der Moskauer Militärparade ein». Das ist der gleiche Autor, der den Gewaltsflop einer Titelgeschichte über den unverstandenen Putin verbrach, als der gerade in die Ukraine einmarschieren liess. Das ist ungefähr so sinnvoll wie einen Priester Vaterfreuden einordnen zu lassen.

Dann versucht sich Hansrudolf Kamer, ehemaliger Auslandchef der NZZ, der gerne dort Chefredaktor geworden wäre, im Abklingbecken für pensionierte Weltendeuter an der Frage: «Ukraine: was will Amerika?» Darauf antwortet er im besten NZZ-Stil: einerseits, andererseits, aber dann doch wieder nicht, falls, wobei.

Klare Kante lassen dann Christoph Mörgeli und Beat Gygi nicht vermissen: «Grüner Alptraum. Der «Klimaplan» der Schweizer Umweltschützer ist linksextrem und diktatorisch. Eine Umsetzung wäre eine Katastrophe für Wohlstand, Markt und Gesellschaft.»

Schreckensbleich donnern die Autoren: «Die Grüne Partei verachtet alles, was mit wirtschaftlich-schöpferischem Antrieb zu tun hat und will vor allem Genügsamkeit.» Also vielleicht das, was zwei festangestellte Redaktoren mit Pensionskasse, Ferienanspruch und freier Themenwahl innerhalb des Rahmens, der von R.K. vorgegeben wird, auch nicht wirklich ausleben.

Nachdem sich Oskar Lafontaine mit Karacho von der mitgegründeten Partei «Die Linke» losgesagt und sie damit in die Bedeutungslosigkeit zurückgestossen hat, verfügt er über Freizeit. Da hat’s dann Platz für regelmässige Beiträge in der WeWo, zu seinem Lieblingsfeind Joe Biden. Der ist allerdings mit 79 ein Jahr älter als der Saarländer und immerhin Präsident der USA, während sich Lafontaine in seiner Politkarriere konsequent von oben nach unten vorgearbeitet hat.

Wackelkontakt mit der Realität

Dann verlässt die WeWo mit einem Bericht von Tom Kummer den Bereich der Ernsthaftigkeit, auch wenn sie mit dem Obertitel «Basierend auf wahren Begebenheiten» sozusagen in der Packungsbeilage darauf hinweist, dass die Begebenheiten weder wahr, noch eine Basis sein müssen, sondern auch der Fantasie des Fake-Autors entsprungen sein könnten. Nichts gegen Resozialisierung, aber gibt es nicht genügend reale Storys in der Welt?

Eine Lobhudelei auf den Faschismus-Freund Le Corbusier, das «Genie des vereinfachten Stils», nimmt auch nur sehr partiell Kontakt mit der Realität auf.

Aber anschliessend betreten wir mit «Literatur und Kunst» die Hallen des erhabenen Feuilletons. Natürlich ist hier der Autor Partei, weil er dort ab und an publiziert. Daher verkneifen wir uns sowohl Lob wie Tadel (wobei es nix zu tadeln gäbe, wie wir in aller Objektivität feststellen müssen).

Gegen hinten wird’s dann etwas dünn

Mit «Leben heute» plämpelt das Blatt dann so langsam aus. Alles erlaubt, nur braucht’s im begrenzten Raum der guten Laune, die R.K. unermüdlich verströmen will, wirklich Promiklatsch mit André Häfliger? Premiere des Zirkus Knie; gibt es ein Thema, das noch verstaubter, verschnarchter ist? Ein Stelldichein gut gelagerter B- und C-Promis? Oder wer hat denn schon mal von «Schoscho Rufener» samt «Ehefrau Nadine Borter» gehört? Und muss man nicht sagen: wer sich in dieser Gesellschaft blicken lässt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren?

Aber, wir kommen zum Fazit. Vorangestellt sei, dass R.K. der einzige uns bekannte Chefredaktor ist, der sich in seinem eigenen Blatt von mir kritisieren lässt. Wenn nun also ein Lob kommt, dann hat das nichts mit Bewahrung eines Publikationsplatzes zu tun.

Die WeWo ist, trotz angeblich unbändig guter Laune des Chefs, häufig kreischig, alarmistisch, läutet unablässig Totenglöcklein, befürchtet Schlimmes und Schlimmstes, warnt, mahnt, lebt weiterhin den Reflex aus: gegen den Strom. Wenn alle dafür sind, sind wir dagegen. Und umgekehrt. Worum geht’s? Keine grosse Ahnung, aber gewaltig starke Meinung.

Positiv hingegen ist, dass kein anderes Organ in der Schweiz auf dermassen knappem Raum so viel Anregung enthält. Durchaus auch Aufregung. Jedes Mal, wenn man gähnt und denkt: oh je, wenn der Name Molina auftaucht, kann man gleich weiterblättern, überrascht einen die Zeitschrift mit einem schön quer in der Landschaft stehenden und originellen Ansatz.

Die Feinde haben’s leicht

R.K. macht es seinen Feinden, und die sind zahlreich, manchmal zu leicht, indem er so vorhersehbar ist, dass man eine Replik eigentlich schon schreiben kann, bevor er zum Griffel greift. Und bei aller Kritikfähigkeit bräuchte es schon ein Flächenbombardement mit russischen Überschallwaffen, um ihn aus einer einmal bezogenen Position wieder rauszukriegen.

Die WeWo ist weiterhin, und ergänzt durch ein einsam grosses Feuilleton, ein bunter Strauss. Manche Blumen sind verwelkt, andere stinken. Aber wieder andere duften, verschönern und bereichern. Dagegen ist das meiste andere, was in Schweizer Medien erscheint, vor allem in denen der grossen Medienclans, welkes Gemüse, Brei, selbst gequirlte oder gleich per copy/paste übernommene dünne Suppe.

Die WeWo ist dann die Worcestershiresauce des Schweizer Journalismus. Der verblichene VEB Exzellent Dresden bot sie als Worcestersauce pikant und als Worcestershiresauce «lieblich würzig» an. Diesem Vorbild eifert Köppels Magazin erfolgreich nach.