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Fargahis Schulmeisterei

Auf Stammtischniveau politisieren immer nur die Anderen.

Von Thomas Baumann
Am Samstag beglückte uns der Tagesanzeiger wieder einmal mit einem Leitartikel. Titel: «Die Volksschule darf nicht zur Kampfzone werden».
Was dieser Titel wohl bedeutet? Dass die Schule dem Lernen und nicht als Kampfarena dienen soll, ist ja eigentlich klar.
Im Lead fordert die Autorin, es brauche «konstruktive Lösungen anstatt plumper Forderungen aus der Politik».
Die «vielen Herausforderungen» führten dazu, «dass die Schweizer Volksschule zur Kampfzone der politischen Auseinandersetzung geworden» sei. FDP-Präsident Thierry Burkart hätte die integrative Schule für gescheitert erklärt, gleich wie die SVP. Selbst die Mitte-Partei fordere, das Konzept der integrativen Schule zu hinterfragen.
Die FDP fordere in einem Bildungspapier auch den Abbau von Frühfranzösisch und Frühenglisch, schreibt die TA-Redaktorin weiter.
Dass sich die Politik mit der Volksschule befasse, sei ja zu begrüssen. Jedoch: «Die Grenze ist dort zu ziehen, wo legitime Forderungen in Populismus umschlagen», belehrt uns TA-Redaktorin Nina Fargahi.
Populismus ist für sie zum Beispiel die Aussage von Marcel Dettling (SVP), dass die Schüler statt «richtigem Unterricht» Filme über Transsexualität schauen würden: «Provokationen à la Dettling tragen nur wenig — oder gar nichts — zur Verbesserung der Bildung unseres Nachwuchses bei.»
Trägt die Forderung von Dettling nun wenig oder gar nichts zur Verbesserung bei? Das ist durchaus ein Unterschied. Es ist natürlich klar, was die Redaktorin insgeheim meint: nämlich «nichts».
Aber sie getraut es sich nicht, das auszusprechen. Die Gründe dafür? Die Angst, dass sie falsch liegen könnte, Feigheit? Das Resultat: Die Aussage ist unbestimmt, unklar, unpräzise. Weil die Redaktorin Angst hat, etwas Falsches zu sagen, sagt sie gar nichts.
Viel lieber will sie ja Lösungen vorschlagen, «tragfähige Lösungen statt Stammtisch-Forderungen». Diese sehen zum Beispiel so aus:
«Vor allem braucht es mehr finanzielle Mittel und personelle Ressourcen, um den Schulbetrieb zu entlasten.»
Populismus oder plumpe Forderung? ‹I wo, ich doch nicht!› Und natürlich braucht die TA-Redaktorin für ihre Forderung auch nicht selber zu bezahlen. Darin ähnelt sie allen anderen Linken, die mit finanziellen Forderungen um sich werfen.
Was das Konzept der integrativen Schule betrifft: «Eine inklusive Gesellschaft braucht eine inklusive Schule», belehrt uns die TA-Redaktorin. Begründung? Fehlanzeige! Hat hier gerade jemand «Populismus!» gerufen?
Und wir lernen den tieferen Sinn des Titels kennen: Populisten sind immer nur die Anderen. Wehe, sie wagen es, mit anderen als den eigenen Forderungen anzutreten: Damit machen sie die Volksschule zur Kampfzone, diese Übeltäter!
Nicht gerade subtil, wie hier dem politischen Gegner die Legitimation abgesprochen wird.

Eat the Rich!

Diesem Motto hat sich offenbar Tamedia verschrieben.

Eva Novak ist – wie viele Journalisten – der Auffassung, dass Sachkenntnis nicht unbedingt stört. Aber fehlt sie, kann man sie problemlos durch Ideologie ersetzen, indem man die Narrative der eigenen Gesinnungsblase bedient.

Wunschgemäss schäumt auch der Kommentarschreiber unter ihrem Artikel. Denn es ist natürlich eine Steilvorlage. Bürgerliche Parlamentsmehrheit. Superreiche. Stiftungen. Vermögen weitergeben.

Muss man da noch etwas dazu sagen? Superreiche wollen sicherlich steuerfrei mit ihrem Vermögen machen, was sie wollen. Das ist unverschämt und müsste eigentlich verboten werden. Oder wie holpert ein Kommentarschreiber so schön: «Ich würde eine Eigentums Obergrenze von 10 Millionen sofort unterschreiben.» Es steht zu vermuten, dass er selbst unter dieser Grenze fliegt, wahrscheinlich dürfte der Arme nicht mal eine Million sein eigen nennen.

Aber gut, das ist mehr das Thema «arm im Geist». Diesem Motto frönen auch die ungezählten Kommentatoren, die diese Stiftungsfrage damit verknüpfen, dass nun unbedingt ja zur 13. AHV-Rente gestimmt werden müsse. Nach der Devise: wenn Reiche Stiftungen benützen wollen, dann dürfen wir wenigstens die AHV ruinieren.

Worum geht es eigentlich? Um Superreiche. Da ist der Kartenhausbauer Wunderwuzzi immer ein guter Einstieg: «Der gestrauchelte österreichische Immobilienkönig René Benko hat sein Privatvermögen in einer Familienstiftung parkiert. Mit dem Nebeneffekt, dass es wohl dem Zugriff der Gläubiger entzogen ist. In der Schweiz könnte er das nicht. Hier sind Stiftungen, die der Weitergabe des Familienvermögens dienen, verboten.»

Aha, da sieht man es doch sofort: eine Familienstiftung ist eigentlich immer eine üble Sache. Eine böse Sache. Irgendwie so eine Sache für Reiche, mit der sie irgendwelche Schweinereien machen, die eigentlich verboten gehören.

Zustimmend fährt Novak fort:

«Eine linke Minderheit geisselte das «massgeschneiderte Instrument für einige sehr wenige Familien, die Reichtümer in einer Höhe konzentrieren, wie es sie in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat». Angeführt vom Genfer Sozialdemokraten Christian Dandrès wehrte sie sich gegen die Wiederauferstehung des «Steueroptimierungsvehikels aus dem Ancien Régime», wie sie es nannte.»

Nun ist hier schon mal ein Wort verräterisch: Steueroptimierung. Dandrès ist offenbar der Auffassung, dass jeder Staatsbürger, der nicht so viele Steuern wie möglich zahlt, sondern legale Möglichkeiten ausnützt, weniger zu zahlen, irgendwie eine Schweinebacke sei. Selbst dem ehemaligen Bundesrat Schneider-Ammann wurde ja um die Ohren geschlagen, dass sein Firmenkonglomerat nicht etwa so viel Steuern wie nur überhaupt möglich zahlt, sondern legale Möglichkeiten benutzt, das nicht zu tun.

Wie das alle Firmen machen, bei denen der CFO noch alle Tassen im Schrank hat – und nicht wegen Unfähigkeit entlassen werden will. Denn eine Firma, die nicht wie alle anderen Steuern spart, wo’s geht und legal ist, produziert teurer als die Konkurrenz – und ist dann mal weg vom Fenster. Worauf wieder der Verlust vieler Arbeitsplätze beklagt wird.

Eine Stiftung ist, wie ein Bankkonto, ein Trust, eine Holding, eine AG, eine GmbH, einfach mal ein juristisches Gefäß, das es erlaubt, gewisse Bedürfnisse in einem legalen Rahmen abzuhandeln. Dazu gehören beispielsweise komplexe Familienverhältnisse mit verschiedenen Ansprüchen und Mitgliedern, die in verschiedenen Jurisdiktionen unter verschiedenen Steuerregimes leben. Eine Stiftung ist ein Instrument, mit dem der Stifter über seinen Tod hinaus festlegen kann, was mit seinem Vermögen und dessen Erträgen geschehen soll.

Schon die Weiterführung einer KMU ist manchmal eine kitzlige Sache, wenn die Erben nicht über Sachverstand verfügen. Auch da kann eine Stiftung hilfreich sein, um beispielsweise Arbeitsplätze zu retten. Aber damit verlassen wir natürlich das Narrativ von Dandrès und Novak.

Wie jedes Finanzkonstrukt kann auch eine Stiftung missbraucht werden. Für die Leser, die es immer noch nicht kapiert haben sollten, wiederholt Novak: Seitdem 1907 solche «Unterhaltsstiftungen» in der Schweiz verboten wurden, «müssen reiche Familien, die ihren Angehörigen über eine Stiftung den Lebensunterhalt finanzieren und gleichzeitig die Steuern optimieren wollen, ins Ausland ausweichen – namentlich nach Liechtenstein.»

Das ist im Prinzip richtig, wobei Steueroptimierung immer noch nichts Schlechtes ist. Steuerhinterziehung via Stiftung im Ländle hat sich aber spätestens mit dem AIA, dem Automatischen Informationsaustausch, erledigt, daher ist die Zahl solcher Stiftungen im Ländle auch dramatisch geschrumpft.

Dass jemand, der Vermögen besitzt, darüber verfügen möchte, ist für die Gefolgsleute von Dandrès hingegen ein ««zutiefst reaktionäres Konzept». Eine Familienstiftung diene dazu, den nachfolgenden Generationen die Wünsche des Gründerpatriarchen aufzuzwingen.» So eine Unverschämtheit aber auch.

Nun hat aber das Parlament zum Ingrimm von Dandrès und auch Novak die Motion des FDP-Parteipräsidenten Thierry Burkart angenommen, der Bundesrat muss ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten.

Vielleicht sollte sich Novak mal vorsichtig erkundigen, wie viele Mitglieder des Coninx-Clans eine Stiftung in Liechtenstein unterhalten – aber dazu reicht der Mut dann doch nicht.

Es wäre doch wunderbar, wenn das Haus der Qualitätsmedien zunächst einmal banale Tatsachen darstellen würde, um dann anschliessend  nach Lust und Laune zu kommentieren. Aber das würde statt Meinung Sachkenntnis voraussetzen. An Meinung ist bei Tamedia kein Mangel …