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Wie China sein Terrorismus-Problem löste

Man kann auch anders mit Terrorismus umgehen.

Von Felix Abt

Islamistische und andere Terroristen sind in der Regel eine winzige Minderheit mit dem Potenzial, Mehrheiten in Angst und Schrecken zu versetzen.

Während mehrerer Jahre wurden die Bürger Chinas von Bombenanschlägen islamistischer Uiguren in U-Bahnen, Gebäuden und anderswo massiv bedroht.

Daily Mail: “31 Menschen sind ums Leben gekommen und mehr als 90 wurden verletzt, nachdem Angreifer mit ihren Autos auf einen Markt unter freiem Himmel in China gefahren waren und Sprengstoff aus den Fenstern geschleudert hatten.”

Die uigurischen Islamisten konnte die Medien nicht optimal für ihre Zwecke nutzen, weil die chinesische Regierung den Terroristen nicht den Gefallen tun wollte, ihre mörderischen Taten offenkundig zu machen, und sie daher wann immer möglich zensierte.

Die Hauptstossrichtung der Regierung bestand darin, die Terroristen und ihre Sympathisanten zu isolieren, ohne die Mehrheit der muslimischen Bürger gegen sich aufzubringen. So verzichtete man beispielsweise darauf, auf uigurischen Terror mit Staatsterror zu reagieren, etwa mit Flächenbombardierungen dicht besiedelter Gebiete oder anderen kollektiven Maßnahmen zur „Bestrafung“ vieler unschuldiger Menschen. Peking wusste, dass dies den Terroristen nur in die Hände gespielt hätte.

Uigurische Terroristen kämpfen gemeinsam mit von den USA unterstützten islamistischen Gruppen gegen die syrische Regierung. Sie schworen, nach China zurückzukehren, um das Land in ein Blutbad zu verwandeln.

Jeder, der die Geschichte des uigurischen Terrorismus in China erforscht hat, weiss, dass Wohlstand und nicht Repression die Pläne der Terroristen letztendlich vereiteln. Also wurden Terroristen und ihre Unterstützer zwar hart angefasst, gleichzeitig wurden jedoch riesige Summen in modernste Infrastruktur investiert und die Wirtschaft zum Blühen gebracht.

Die einst sehr arme chinesische Provinz Xinjiang sieht heute völlig anders aus, nachdem eine milliardenschwere Kampagne zur Modernisierung ihrer Städte, zur Errichtung neuer Krankenhäuser und Schulen, zum Bau von mehr als 20 Flughäfen, zur Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze in modernen Fabriken sowie zur Mechanisierung ihrer Landwirtschaft und der Verbindung zur Region durchgeführt wurde mit Hochgeschwindigkeitszügen. (Bild: Ürümqi, Hauptstadt der Autonomen Region Xinjiang)

Das Terrorproblem wurde gelöst, als es den Terroristen nicht mehr gelang, einen anhaltenden Strom verzweifelter, mittelloser und deshalb leicht zu radikalisieren Menschen zu rekrutieren. Die gleiche Strategie, die in Xinjiang erfolgreich war, würde auch in Gaza wirksam sein: Die Menschen müssen eine Zukunft mit Wohlstand und Sicherheit sehen, damit die Extremisten ihre Anziehungskraft verlieren.

In China rettet die KP den Kapitalismus, Part II

Dies und andere Dinge, die Ihnen die Medien hierzulande gar nicht oder falsch erzählen.

Hier geht es zu Teil 1.

Von Felix Abt

Geht es darum, die Medienkonsumenten ahnungslos zu halten? Man mag es den mit bescheidenem Wissen ausgestatteten “Tagesschau”-Mitarbeitern verzeihen, da selbst die sonst viel professionelleren Journalisten von “Bloomberg” rein innenpolitische Konflikte in Indien zwischen der dortigen Hindu-Mehrheit und der kleinen Sikh-Minderheit auf den “Streit zwischen Indien und China” zurückführen.

Bloomberg berichtet: «Der Mann, der im Mittelpunkt eines Streits zwischen Indien und China steht, war ein prominentes Mitglied der separatistischen Sikh-Bewegung.» China unterstützt keine Separatisten und Terroristen in Indien, ebenso wenig wie Indien Separatisten und Terroristen in China unterstützt. Solche Aktivitäten fallen in der Regel in den Zuständigkeitsbereich der Vereinigten Staaten.

Immerhin weiß der chinesische Außenminister, dass die derart “informierten” Menschen im Westen Chinesen, Japaner und Südkoreaner in der Regel nicht auseinanderhalten können. Seinen japanischen und koreanischen Amtskollegen empfahl er, gemäss “Japan Times”: “Egal, wie sehr wir uns die Haare blond färben und unsere Nase verändern, wir werden nie Amerikaner oder Europäer werden und sollten zu unseren Wurzeln stehen.

Sherelle Jacobs, Chefredakteurin der britischen “Nachrichten-Website des Jahres” des Londoner “Telegraph”, studierte Geschichte an der School for Oriental and African Studies in London, arbeitete eine Zeit lang für die “Deutsche Welle” in Bonn und als freie Journalistin in Tunesien.

Wirtschaftlich in der Krise – und dazu noch terroristisch!

Sie hat nie in China gelebt, spricht weder die Sprache noch versteht sie die Kultur des Landes; dennoch urteilt sie messerscharf über China und kommt zu dem Schluss, dass das Land “die größere Gefahr darstellt, als es die terroristische al-Qaida je war, und dass es die westliche Zivilisation in seinem Krieg bereits besiegt hat”.

Welch Schock! Werden von Peking entsandte Terroristen (vielleicht sogar hochkompetente und erfahrene aus Xinjiang) also bald Wolkenkratzer im zivilisierten Westen in die Luft jagen? Jedenfalls scheint es so, als ob die “Telegraph”-Journalistin Jacobs möchte, dass ihre Leser dies glauben:

(Screenshot: Telegraph)

Sherelle Jacobs’ Vater ist Nigerianer. Das britische Empire unterwarf Nigeria 1901 als Protektorat und begann von da an, die Nigerianer faktisch zu versklaven und dem Land diktatorisch seine Politik aufzuzwingen. In Afrika waren die Briten vielleicht weniger grausam als in China, gegen das sie zwei Opiumkriege führten. Vor den Opiumkriegen war China die mächtigste Volkswirtschaft der Welt, und nur ein Jahrzehnt später war seine Wirtschaft um die Hälfte geschrumpft.

Indien erging es noch schlimmer: Die britische Kolonialpolitik forderte zwischen 1880 und 1920 einhundert Millionen Menschenleben. Indiens Anteil an der Weltwirtschaft betrug 23 Prozent, als die Briten kamen; als die Briten gingen, waren es nur noch 4 Prozent. Außerdem lebten am Ende der britischen Kolonialherrschaft 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, und die Lebenserwartung betrug nur 27 Jahre.

Die Alphabetisierungsrate in der britischen Kolonie betrug weniger als 17 Prozent. Die Ausgaben für den Kindergarten bis zur Universität betrugen weniger als die Hälfte des Budgets des Staates New York für Grundschulen. Außerdem haben die Briten insgesamt einen volkswirtschaftlichen Gegenwert von 45 Billionen Dollar aus Indien gestohlen.

Über all das schreibt diese britische Journalistin nichts. Umso mehr versucht sie, China zu dämonisieren – ein Land, das selbst nie andere Länder kolonisiert hat und das als Weltmacht jahrhundertelang seine Flotte nicht für Kanonenbootpolitik und die Unterwerfung anderer Länder missbraucht hat, sondern sie nur für den friedlichen Handel nutzte.

Britische Kolonialtruppen in Nigeria (Quelle: answersafrica.com)

Aber könnte es sein, dass China unter der Führung der Kommunistischen Partei kolonialistische und imperialistische Tendenzen entwickelt hat? Zunächst eine kleine Korrektur: “Kommunistisch” ist sie immer noch im Namen, aber in Wirklichkeit ist sie eine bessere “kapitalistische” Partei als die, die etwa im Zweiparteiensystem in den USA den Ton angeben.

In China herrscht Kapitalismus mit chinesischen Merkmalen, der für die meisten chinesischen Bürger besser funktioniert als der ungezähmte Kapitalismus mit amerikanischen Merkmalen für die meisten amerikanischen Bürger. Peking greift ein, wenn die Marktwirtschaft dysfunktional wird, um sie zum Funktionieren zu bringen – etwa durch das Verbot von Kartellen und Monopolen -, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. So hat beispielsweise der Online-Vermarkter Alibaba in China eine Vielzahl von lokalen Konkurrenten, anders als sein amerikanisches Pendant Amazon in Amerika.

Kommunisten als Retter des kapitalistischen Systems?

Außerdem müssen im chinesischen Kapitalismus, anders als in den USA, die Reichen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen, die von der Regierung zur Verringerung von Armut und größeren sozialen Ungleichheiten verwendet werden. Sie nutzt den Markt als Wettbewerbsinstrument, um Innovation und Modernisierung voranzutreiben und letztlich den “chinesischen Traum” zu verwirklichen, den ich gleich erläutern werde. Die Ergebnisse ließen nicht lange auf sich warten: 800 Millionen Menschen wurden in den letzten Jahrzehnten aus der Armut befreit, das Land ist hochinnovativ, meldet die meisten Patente der Welt an, hat die besten Universitäten der Welt (vor allem im Bereich Ingenieurwesen und Technologie) und ist in mittlerweile 37 von 44 Technologiebereichen weltweit führend.

Der “Chinesische Traum” (中国梦), auf den sich chinesische Politiker häufig berufen, hat seine Wurzeln in der alten Literatur und Geistesgeschichte Chinas. Er ist eng mit der Idee einer Hoffnung auf die Wiederherstellung der verlorenen nationalen Größe früherer Dynastien verbunden. Das Ziel ist jedoch nicht, eine globale Vormachtstellung zu erlangen, sondern allen chinesischen Bürgern Zugang zu besserer Bildung, besserer Medizin und Gesundheitsfürsorge, besserem Wohnraum, stabileren Arbeitsplätzen, höheren Gehältern und einem höheren Maß an sozialer Sicherheit zu verschaffen.

Konfuzianischer Einfluss

Die Kommunistische Partei Chinas ist ebenfalls konfuzianisch geprägt und steht daher für die Meritokratie, in der Beamte nicht nur die Aufnahmeprüfungen für den öffentlichen Dienst bestehen müssen, sondern auch jederzeit ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen, wenn sie ihre Stelle nicht verlieren wollen. Artikel 27 der chinesischen Verfassung verpflichtet die Beamten, im “besten Interesse des Volkes” zu handeln. Darin heißt es: “Alle Staatsorgane und Beamten müssen sich auf die Unterstützung des Volkes verlassen, engen Kontakt mit ihm halten, seine Meinungen und Vorschläge berücksichtigen, seine Aufsicht akzeptieren und ihm nach besten Kräften dienen.” Jeden Tag gibt es in China etwa 500 Proteste. Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, “gegenüber jedem staatlichen Organ oder Funktionsträger Kritik zu üben und Vorschläge zu machen“, heißt es in Artikel 41, in dem auch beschrieben wird, was geschieht, wenn die Beschwerde nicht beachtet wird.

Für viele im Westen ist es unvorstellbar, dass selbst chinesische Wissenschaftler, wie etwa Forscher der Tsinghua-Universität, Studien über Proteste veröffentlichen dürfen. Anstatt alle Proteste und jede Kritik in den sozialen Medien zu unterdrücken, will die Partei sie sogar nutzen, um die Regierungsführung des Landes zu verbessern. Die lokalen Behörden sind verpflichtet, sie ernst zu nehmen, und Differenzen werden in der Regel durch Kompromisse beigelegt. Die Bürgerinnen und Bürger können lokale Behörden sanktionieren, indem sie sie aus dem Amt wählen.

Das Streben nach einer harmonischen Welt

Wie sah Konfuzius, der das Denken der Chinesen stark beeinflusst hat, die Beziehung zwischen Regierenden und Regierten? Er lehrte, dass ein “Herrscher einen Auftrag des Himmels” hat und dem Volk ein gutes Beispiel geben muss, indem er überall Tugendhaftigkeit einflößt und damit seine “Harmonie mit dem Göttlichen” beweist. Die einzige Möglichkeit, den Frieden wiederherzustellen, wenn der Herrscher nicht mehr moralisch (oder zum Wohle des Volkes) regiert, besteht darin, ihn abzusetzen, so Konfuzius. Hier finden Sie eine detaillierte Beschreibung, wie im konfuzianischen China mit Kritik und Beschwerden umgegangen wird.

Die Partei vertritt auch das jahrtausendealte Konzept von “Tianxia (天下), was wörtlich “(alles) unter dem Himmel” bedeutet. Gemeint ist eine umfassende Welt voller Harmonie für alle, oder um es salopp und für die westlichen Konfrontationisten in Washington, London, Ottawa, Brüssel und Berlin verständlich zu formulieren: “Wir lassen euch in Frieden, und ihr lasst uns in Frieden.” Deshalb ist das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder für die Chinesen so wichtig. Im Laufe ihrer Geschichte war die Harmonie für die Chinesen immer ein hochgeschätztes Ideal.

 

«Tianxia» in Afrika – eine Herausforderung für westlichen Hegemonismus und Neokolonialismus

Zum Vergleich: Die USA haben 29 Militärstützpunkte in Afrika, China hat nur einen in Dschibuti, in der Nähe von Somalia, um Handelsschiffe vor Piraten zu schützen, und die Aktivitäten der chinesischen Regierung auf dem Kontinent beschränken sich auf den Bau von Energieversorgungsanlagen, Krankenhäusern, Schulen, Eisenbahnen und ähnlichem. Und die angebliche “chinesische Schuldenfalle” ist eine westliche Erfindung.

Der kollektive Westen, in dem Unilateralismus, Militarismus und die Ausdehnung der US-Gerichtsbarkeit auf extraterritoriale Gebiete in der ganzen Welt in Verbindung mit anderen Zwangsmaßnahmen wie Sanktionen (die «Hungerwaffe») selbstverständlich sind, versteht die Chinesen nicht und projiziert seine Haltung auf sie.

Zum Schluss noch eine Frage: Wussten Sie bereits von all dem, was ich Ihnen hier erzählt habe? Wenn nicht, dann ist das auch nicht weiter schlimm. Immerhin werden Sie ja regelmäßig von der “Tagesschau”, dem “Spiegel”, der “Neuen Zürcher Zeitung, dem “Tagesanzeiger” bzw. der “Süddeutschen”, und den vielen anderen Medien darüber bestens informiert, was in China alles schief läuft. Das macht Sie schon zu einem ziemlich guten China-Kenner.

Konzernjournalist Tobler

Der Prototyp des Niedergangs des Qualitätsjournalismus.

Wer im sich zu Tode sparenden Journalismus überleben will, muss flexibel sein. Sehr flexibel. In alle Richtungen dehnbar, verwandelbar, immer zur Stelle, wenn es gilt, eine Meinung abzusondern. Die eigene? I wo.

Andreas Tobler ist der Mann für alle Fälle bei Tamedia. Einen unliebsamen Konkurrenten niedermachen? Tobler begeht sogar Rufmord am Rufmord.  Es geht gegen den Chefredaktor der NZZaS? Auf ihn. Es geht gegen die neue Radiostation «Kontrafunk»? Hau drauf. Faktenbefreit und meinungsstark.

Es geht drum, einen Kritiker des Schweizer Staatsfernsehens niederzumachen? Tobler liefert die Schmiere dafür. Verständnis für den Genderwahn und für Frauen im Allgemeinen heucheln? Tobler ist zur Stelle.

Schon ganze 32 Mal musste sich ZACKBUM mit dieser Zierde seines Berufs befassen. Jedes Mal dachten wir: eine Steigerung ist nicht mehr möglich. Jedes Mal zeigt uns Tobler: doch. Tamedia hilft dabei. Denn offenbar stockt der Nachschub mit Secondhand-Artikeln aus München. Was  tut da ein Qualitätsmedium, um dem Konsumenten den Kauf schmackhaft zu machen? Es rezykliert ausgewählte Artikel und präsentiert die auf seiner Homepage, als wären sie gerade aus dem Ei geschlüpft.

Vielleicht ein Test des Kurzzeitgedächtnisses des Lesers. Oder man will die Reaktion provozieren: über diesen Unsinn habe ich mich doch schon mal geärgert. Das trifft eigentlich auf jeden Artikel der Literaturchefin Nora Zukker zu. Ganz trübe wird’s bei der regelmässig, wenn Alkohol im Spiel ist:

Das beschwipste Interview ist vom 11. Juni, aber es prangt stolz wieder auf der aktuellen Homepage des «Tages-Anzeiger». Vielleicht soll das ZACKBUM provozieren, aber wir bleiben nüchtern.

In diesem Ringelreihen «empfiehlt» die Redaktion aktuell besonders auch diesen Artikel:

Diese «exklusive Recherche» gerann zu einem Buch von Andreas Tobler. Darüber durfte er selbst ganz exklusiv am 24. April 2022 auf zwei Seiten in der «SonntagsZeitung» berichten. Tobler erzählt hier die Geschichte der WG in der Bändlistrasse in Zürich nach. Dafür blendet er zum April 1972 zurück. Es waren wilde Zeiten damals. 1968 waren die Studenten in Europa und in den USA auf die Strasse gegangen und wollten alles ändern. Das System, den Kapitalismus, die Welt. Hatte nicht ganz geklappt.

Danach splitterte sich die Bewegung auf. Die einen traten den Marsch durch die Institutionen an, die anderen gaben auf und verschwanden in Landkommunen, im Drogenrausch oder setzten sich zu Füssen eines Gurus. Wieder andere kamen zur Überzeugung, dass das herrschende Schweinesystem nur mit Gewalt geändert werden könnte. Gewalt gegen Sachen, Gewalt gegen Personen. Gegen die Charaktermasken des Kapitals.

Da sprang im April ’72 ein junger Mann im LSD-Rausch durch die Scheibe der WG in der Bändlistrasse und landete schwer verletzt auf der Strasse. Die Polizei durchsuchte, fand Waffen, Sprengstoff, die kindische Inschrift RAF an der Wand. Das stand für «Rote Armee Fraktion», eine Gruppe von Linksterroristen in Deutschland. Ihre militanten Mitglieder um Andreas Baader, Gudrun Enslin und der ehemaligen «konkret»-Kolumnistin Ulrike Meinhof hatten gerade ihr erstes Autobombenattentat verübt. Später sollten sie mehrere deutsche Wirtschaftsführer ermorden, berühmt wurde die Entführung und Hinrichtung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Schleyer.

Es gab damals enge Kontakte zwischen der Bändlistrasse und der RAF. Es gab enge Kontakte zwischen Schweizer Linksradikalen und Linksterroristen in Deutschland und in Italien, insbesondere zu den Brigate Rosse, den Roten Brigaden.

Tobler hatte einen Überlebenden und Zeitzeugen aufgetrieben, der ihm offen Auskunft über die damaligen Zeiten gab. Dazu stellt Tobler die üblichen Geschichten von André Chanson und Co. Im Mai gab es dann eine Buchvernissage, moderiert vom Westentaschen-Co-Chefredaktor Mario Stäuble vom «Tages-Anzeiger».

Dabei wäre ein ehemaliger Chefredaktor des Tagi viel geeigneter gewesen, über dieses Thema zu diskutieren. Er hätte viel aus eigenem Erleben beisteuern können. Das hätte sich auch prima bebildern lassen. Denn vom Augenzeugen des damaligen Fenstersprungs veröffentlichte Tobler das Polizeifoto:

Nun hätte man Res Strehle genau gleich für den Anlass porträtieren können:

Screenshot Artikel «Weltwoche».

Die Verhaftung von Strehle fand 1984 statt, also 12 Jahre später. Diesmal waren es die Zeiten der 80er-Jugendbewegung. Der nicht mehr so ganz jugendliche 32-jährige Strehle hatte mit Gesinnungsgenossen ein Gebäude nahe dem Zürcher Stauffacher besetzt, sozusagen einen Steinwurf von seiner späteren Wirkungsstätte beim «Tages-Anzeiger» entfernt. Auch damals waren Brandanschläge im Schwange, so wurde die McDonald’s-Filiale am Stauffacher von «Aktivisten» abgefackelt.

Im Februar 2013 veröffentlichte der damalige «Weltwoche»-Redaktor Philipp Gut unter dem Titel «Der süsse Duft des Terrorismus» die Ergebnisse seiner Recherche in der linksradikalen Vergangenheit des damaligen Tagi-Chefredaktors. Der hatte sich inzwischen dem Marsch durch die Institutionen angeschlossen und war bequem auf einem Chefsessel gelandet. Während er sich allerdings früher noch für die Unterdrückten und Entrechteten eingesetzt hatte, exekutierte Strehle damals die ersten Sparrunden des Konzerns mit brutaler Effizienz.

Was wohl der jüngere Strehle vom älteren gehalten hätte? Denn noch 1993 «verfasste Strehle einen krachenden Nachruf auf die Schweizer Terroristin Barbara Kistler», der sei dann sogar der von Strehle mitbegründeten WoZ  zu radikal gewesen, merkt Gut süffisant an, sie verweigerte, auch wegen inhaltlichen Fehlern, den Abdruck. Kistler hatte sich in der Türkei einer leninistischen Splittergruppe angeschlossen, «sie ist nicht im Bett gestorben, sondern mit der Waffe in der Hand, wie es ihr Wunsch war», schwärmte Strehle damals. Ebenfalls vom konsequenten Handeln, die Revolutionärin habe «für viele Genossinnen und Freundinnen einen Massstab gesetzt».

Aber nicht für Strehle, der solche Kämpfe lieber aus Distanz wohlwollend mit Worten begleitete. Schon 1986 hatte er über eine portugiesische Terrorgruppe geschwärmt und den Lesern erklärt: «Revolutionäre Gewalt ist die Antwort auf die Repression des Staates, die den Arbeitern zeigen soll, dass es auch andere Formen des Klassenkampfs gibt.» Klassenkampf wurde für Strehle dann aber immer mehr der Kampf um einen Platz in der Business Class, mit möglichem Upgrading in First.

Noch 1984 war er Fan von «der Zerstörung des kapitalistischen Staats durch die sozialistische Revolution». Aber spätestens ab 2009 war er dann für die Zerstörung eines kleinen Teils des Profits des Coninx-Clans, indem er erst als Co-, dann als alleiniger Chefredaktor ein exorbitantes Gehalt bezog.

Also wer wäre prädestinierter gewesen, die Vernissage des Buchs von Tobler mit eigenen Erfahrungen zu bereichern. Aber so meinungsstark Strehle als Chefredaktor auch war, indem er unzählige staatstragende Kommentare absonderte, so schweigsam ist er, was seine linksradikale Vergangenheit betrifft. Als alter Medienprofi machte er das einzig Richtige: er sagte nichts. Keine Stellungnahme, keine Erwiderung, keine Erklärung. Nichts. Er setzte nur juristisch die Streichung einiger Passagen im WeWo-Artikel durch und beschwerte sich beim Presserat, der als Köppel-Hasser natürlich eine «Verletzung der Privatsphäre» Strehles monierte.

Einen besonders widerlichen Geruch bekommt diese alte Affäre dadurch, dass Tobler bekanntlich einen sogenannten «künstlerischen Mordaufruf» gegen den WeWo-Chefredaktor Roger Köppel verharmloste. Das sei doch nur ein «Theatermord», der als Reaktion auf Äusserungen Köppel «verstanden werden» könne, sülzte Tobler. Und sein damaliger Chef Strehle sah darin keine «journalistische Fehlleistung».

Vielleicht ein kleiner nostalgischer Rückfall in seine eigene Vergangenheit. Nun ist es aber so, dass in dem ganzen Buch von Tobler über die Bändlistrasse, Linksterrorismus und die bewegten Zeiten in den 70er- und 80er-Jahren zufällig ein ziemlich prominenter Name fehlt. Der ist dem Recherchiergenie irgendwie entgangen. Durchs Raster gefallen. Entwischt. Welcher Name? Ach, den wollen wir nicht enthüllen; unsere intelligenten Leser kommen sicherlich nach reiflichem Nachdenken auf das richtige Resultat. Kleiner Tipp: Der Mann mit diesem Namen ist zwar schon längst pensioniert, veröffentlicht aber jährlich einen «Qualitätsbericht» über das Schaffen von Tamedia. Jeweils ein Quell unbändigen Gelächters für die Leser.