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Katzenjammer

Die Medien haben völlig Mass und Mitte verloren.

Selbst die NZZ versagt bei ihrer vornehmsten Aufgabe, Ereignisse einzuordnen und ihren Platz nach Wichtigkeit zu bemessen.

Dass das Boulevard-Imitat «Blick» – alter Wein in neuen Schläuchen – auf der Klaviatur der Erregungsbewirtschaftungs spielt, okay. Wenn ein «Aufreger» nicht mehr aufregt, dann kann die Redaktion wirklich nach Hause gehen.

In dieser Bewirtschaftung gelten seit Urzeiten die gleichen Spielregeln. Etwas passiert. Der Aufreger wird an die Öffentlichkeit gezerrt, die Journaille ist gespannt, ob das überhaupt jemanden interessiert oder ob kein Schwein schaut. Volltreffer, die Kommentatoren überschlagen und ballen sich, wunderbar.

Es wird nachgezogen, Reaktionen abgeholt, inquisitorische Fragen gestellt, der Untergang der Bachelorette der Politik hämisch begleitet und kommentiert, nach der Devise: recht geschieht’s ihr. Politiker und andere Meinungsträger drängen ins Scheinwerferlicht; auch sie wissen, dass man nur mit starken Sprüchen eine Chance hat, zitiert zu werden. Für Ausgewogenes ist kein Platz.

Recht mitleidlos wird der Untergang beschrieben, mildernde Umstände erwogen und verworfen. Die Entrüstung des Publikums wird gespiegelt und verstärkt. Die Volksseele kocht, der Kommentator wird zum Scharfrichter, mit einem Wort: die bewusste, absichtliche, eiskalt kalkulierte Provokation eines Politik-Pin-up-Girls gerät ausser Kontrolle.

Aber solche Strohfeuer lodern hell und schnell auf, um genauso schnell wieder in sich zusammenzufallen. Darauf folgt der übliche letzte Akt im ewig gleichen Spiel: die Katharsis. Die Reinigung, die Entäusserung. Die Rufe nach Mässigung, Innehalten, die kritischen Fragen, ob da nicht vielleicht etwas übertrieben worden sei, Grenzen überschritten. Lustigerweise wird dafür das genau gleiche überbordende Vokabular gewählt wie vorher beim Niedermachen und Kritisieren.

Auf niedrigster Ebene zeichnen sich dabei – wie üblich – zwei Organe aus. Der Tagi und die «Republik». Im Tagi sülzt der unerträgliche Philipp Loser zusammen mit Angela Barandum über «die Zerstörung der Sanija Ameti». Der gleiche Heuchler, der als Konzernjournalist einen Konkurrenten dermassen übel niedermachte, dass er sich dafür entschuldigen musste und der Artikel gelöscht wurde. Aber über seinen Versuch der Zerstörung Lebruments schreibt er keine Zeile.

«Was ist da gerade passiert? Was passiert da gerade?» Mit diesen beiden selten stupiden Fragen beginnt das Machwerk. Was passiert? Dass der Tagi wie alle anderen auch sich über Kommentare und durch die Decke gehende Klickraten freut, was denn sonst.

Dabei täte sich vor allem eine ideologische Richtung hervor, behaupten die zwei faktenfrei: «Rechtsextreme aus ganz Europa twitterten schäumend zum Fall, riefen zum Boykott dieser «widerlichen Person» auf». Und, natürlich, sei das Ganze mal wieder eine «Gender»-Frage. Die selbst immer wieder in Fettnäpfchen tretende Tamara Funiciello labert: «Verurteilte Stalker, Rassisten und Belästiger müssen selten Konsequenzen befürchten für ihre Taten. Wenn eine junge Frau mit Migrationshintergrund eine Dummheit macht, dann gibt es Morddrohungen.»

Und ein «Kommunikationsexperte» darf aufgeblasene Allgemeinplätze von sich geben, die ehrfurchtsvoll zitiert werden: ««Egal, wie gross die Dummheit ist, die man angestellt hat – dahinter steht immer noch ein Mensch.» Oder was nach einem solchen Shitstorm noch davon übrig ist.»

Dabei wird eine Lüge immer nochmal wiederholt: Ameti habe sich «sofort» entschuldigt und den Post gelöscht. In Wirklichkeit stand der zehn Stunden im Netz, und erst als sich die Anfragen, zuerst von ZACKBUM, häuften, ging Ameti zum kalkulierten zweiten Schritt über: löschen und halbgar entschuldigen. Erst mit dieser arroganten, völlig verunglückten Entschuldigung schaufelte sie sich dann ihr öffentliches Grab, nicht vorher.

Gesteigert wird das zuverlässig nur noch durch die «Republik». Mit der üblichen schnarchigen Verzögerung meldet sich hier ellenlang Elia Blülle zu Wort. Er verlässt sein Lieblingsthema «nachhaltige Ernährung» und dekretiert: «Das überhastete Vorgehen verrät erschreckend viel über die GLP. Und legt offen, wie anfällig die Schweizer Politik bis tief ins progressive Milieu für rechts­extreme Kampagnen ist.»

Dann zählt er tapfer verschiedene Äusserungen aus dem politisch konservativen bis rechten Lager auf. Hineingesprengselt immer wieder Bemerkungen, dass man natürlich schon nicht auf Maria und das Jesuskind schiessen sollte. Dann entrüstet er sich scheinheilig: «Aufgrund von Drohungen steht Ameti mittler­weile im Austausch mit der Polizei, die Schutz­massnahmen für sie prüft. Das bestätigt die Stadtpolizei Zürich auf Anfrage. Dass es so weit kommen musste, ist eine Schande.»

Das ist keine Schande, sondern leider heutzutage normal. Die Zahl von Persönlichkeiten, auch in der Schweiz, die zeitweise oder länger Polizeischutz brauchen, wird immer grösser. Denn Verpeilte, Amoks, anonyme Rabauken gibt es immer mehr, die unter dem Schutz der Anonymität im Internet übelste Drohungen ausstossen.

Dann dreht Blülle völlig ab:

«Aufstrebenden neofaschistischen Kräften in Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien gelingt es immer besser, mit rechten und menschen­feindlichen Framings die Debatten zu lenken und zu verderben. Antimuslimische Ressentiments florieren.»

Das nennt man mal eine Täter-Opfer-Umkehr, bis es dem Leser schwindlig wird. Sein Schluss ist dann ein echter Schenkelklopfer: «Wann hat das letzte Mal jemand in der Schweizer Politik so schnell, so bedingungslos und ohne Relativierung einen Fehler zugegeben? Den betroffenen Menschen ihre verletzten Gefühle vorbehaltlos zugestanden? In dieser Hinsicht hat Ameti nicht Ausschluss und Häme verdient. Sondern Respekt und Grossmut.» Der Flachdenker hat nicht einmal mitgekriegt, dass Ameti genau das nicht gemacht hat. Und hätte sie es, vielleicht wäre ihr der Absturz erspart geblieben.

Auch die NZZ lehnt sich nun wieder auf die andere Seite. Zuerst gehörte sie zu den grössten Fans von Ameti, veröffentlichte Lobhudeleien und wahre Modestrecken mit ihr. Dann wurde sie ganz böse, «ruiniert sie ihre Karriere», nun kommen Unterstützer zu Wort.

Eine lustige Schraube dreht wie immer der «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel. Was macht er? Richtig geraten, das Gegenteil. Wovon? Ist doch egal, Hauptsache Gegenteil. Er schreibt und lässt schreiben: «Finger weg von Ameti. Die Meinung- und Redefreiheit gilt auch für Andersdenkende». Das Argument ist allerdings schwachsinnig. Denn niemand will oder wollte Ameti zensieren. Im Gegenteil, sie hat gerade von diesem Recht Gebrauch gemacht. Nur heisst Meinungsfreiheit nicht, dass sie gratis sei.

Wer in ihrer Ausübung juristische Grenzen überschreitet, wird sanktioniert. Wer zu Unruhe und Umsturz auffordert, hat die Konsequenzen zu tragen. Wer primitiv provoziert, macht sich selbst unmöglich.

Dass eine PR-Agentur eine Mitarbeiterin entlässt, die sich selbst dermassen stigmatisiert hat – völlig verständlich. Wer möchte sich denn von so einer Versagerin kommunikativ beraten lassen? Dass sich eine Partei von einem Mitglied distanziert, dass deren Grundwerte in den Dreck gezogen hat – vernünftig. Dass niemand der Provokateurin ihre erste, überhebliche Pseudo-Entschuldigung abnahm, die die Empfänger zudem für dumm verkaufen wollte – logisch.

Dass die Elendsmedien Pirouetten drehen, zuerst dreinschlagen, dann vor Dreinschlagen warnen, das ist die übliche Halt- und Haltungslosiogkeit heutzutage. Dass Köppel gegen den Strom schwimmt, ist zwanghaft vorhersehbar. Dass sich Tagi und «Republik» in Schwachsinnigkeiten überbieten, ist auch nichts Neues.

Dass aber auch die NZZ Mass und Mitte verliert – und bis heute nicht wiedergefunden hat, das ist beunruhigend.

Dass eines fehlt, ist hingegen typisch für das sumpfige Elend, in dem der moderne Journalismus plantscht: jeder Hauch von Selbstkritik. Von Selbstreflexion. Selbst bei einem so einfachen Nicht-Ereignis wie dieser dummen, zu erfolgreichen Provokation ist nicht einmal die NZZ in der Lage, ihr eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen. Das schafft ungemein Vertrauen.

Postfaschistisch

Sprachreinigung oder korrektes Sprechen ist elitär-postfaschistisch und angebräunt.

Ein Blick in die Geschichte hilft häufig, die Gegenwart besser zu verstehen. Schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der Hitler-Faschisten in Deutschland, wurde das «Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda» geschaffen. Hier wirkte das böse Propaganda-Genie Joseph Goebbelswollt ihr den totalen Krieg?»).

Möglicherweise wurde hier auch der Begriff «Sprachregelung» erfunden. Berüchtigt bis heute sind Begriffe wie «Endlösung der Judenfrage» für den Holocaust, «Kinderlandverschickung» für die Evakuierung aus bombardierten Städten. Wer in den 1970er-Jahren von der BRD statt von Deutschland sprach, von West-Berlin statt von Berlin, von der Baader-Meinhof-Gruppe statt der Baader-Meinhof-Bande, konnte sich leicht ein Berufsverbot einfangen, also mit dem «Radikalenerlass» in Konflikt geraten. Die Tradition solcher Beschönigungen wird natürlich in der Politik bis heute betrieben; so hiessen Ausgangssperren in der Coronazeit in Deutschland offiziell «Ausgangsbeschränkung».

«Wider den undeutschen Geist» war der Kampfruf. Den verkörperte für die Nazis der Jude. Entlarvend hiess es in einem Flugblatt der «Deutschen Studentenschaft»: «Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutlich denkt, ¡st ein Verräter

Das führt dann zu dieser Schlussfolgerung: «Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens, im deutschen Geiste.»

Wem es bei diesen Sätzen kalt den Rücken hinunterläuft, der hat ein gutes Sprachgefühl. Natürlich würden es heute nur noch verblendete rechtsradikale Kreise wagen, solchen Unfug über Juden zu schreiben.

Aber die gleiche Mentalität, die gleiche Ideologie metastasiert sich weiterhin durch Universitäten und hat leider auch ihre Anhänger in den Medien. Die jüngste Philippika von Tamedia gegen «Blackfacing» oder das Verkleiden als Indianer an der Fasnacht ist das letzte von unzähligen Beispielen, wie Sprachreiniger gewisse Begriffe so stigmatisieren wollen, dass sie «nicht mehr verwendet werden» sollten, wie «20 Minuten» in einem wiedererwachten völkischen Geist sich nicht entblödet zu schreiben.

Einen einsamen Höhepunkt setzten Andreas Tobler (noch am Gerät) und Aleksandra Hiltmann (inzwischen entsorgt) in der «SonntagsZeitung»:

Selten erschien unter dem Rubrum «Kultur» etwas dermassen kulturloses. Das hätte problemlos, unter Verwendung anderer Kampfbegriffe, zwischen 1933 und 1945 in Deutschland erscheinen können. Es erschien aber am 28. März 2021; bis heute hat sich Tamedia dafür weder entschuldigt, noch davon distanziert, um mit der gleichen inquisitorischen Strenge vorzugehen wie die beiden Autoren.

Sie handelten auf ganzen drei Seiten das Thema «richtig gendern» ab. Mit Handlungsanleitungen und allen weiteren Dummheiten:

ZACKBUM war damals davon überzeugt, dass nun diese Genderwelle ihren Scheitelpunkt erreicht hätte und dieser Blödsinn wieder verschwände. So kann man sich täuschen. Der Schoss ist bis heute fruchtbar, aus dem das kroch: «Diversität ist zu einer Frage der gesellschaftlichen Verantwortung geworden, ähnlich wie Nachhaltigkeit oder Umwelt.»

Aber nicht nur Journalisten zeigen bis heute, dass sie Grundprinzipien der Sprache und der Kommunikation nicht verstanden haben. Dass sie sich mit Inbrunst um Pipifax-Themen kümmern und immer wieder erstaunt bis angeekelt zur Kenntnis nehmen müssen, dass die der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung (und ihrer Leser) schwer am Hintern vorbeigehen. Da sehen sie nicht etwa ein, dass sie eine Dienstleistung gegen Bezahlung erbringen sollten, sondern schwingen sich zu Lehrmeistern auf. Und geben Irrlichtern (nur ein Beispiel unter ach so vielen im wuchernden Genderlehrstuhl-Wahnsinn) wie dem Zürcher AL-Gemeinderat David García Nuñez das Wort: «Als Arzt hat er eine wissenschaftliche Studie geleitet, die zeigt, dass auch bei Transmenschen, die den Geschlechtsangleichungsprozess hinter sich haben, die falsche Ansprache traumatisierend wirkt und Depressionen hervorruft

In diesem Dreiseiter wurden auch einige Schweizer Literaten gefragt, wie sie es denn mit dem Genderstern hielten. Korrekterweise wurde der Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss nicht gefragt, der kann bekanntlich kein richtiges Deutsch. Unvergesslich aber die Antwort von Peter von Matt, dem wohl intelligentesten und elegantesten Essayisten der Schweiz. Der drückte seine Verachtung für diese Frage mit einem kurzen Wort als Antwort aus: «Nein

Nun werden aber bis heute Diskussionsrunden wie der «Club» im Schweizer Farbfernsehen, Meinungsumfragen (mit erschütternden Ergebnissen für die Anhänger einer sauberen und diskriminierungsfreien Sprache) durchgeführt, an diversen Universitäten in der Schweiz korrektes Gendern als Benotungskriterium verlangt.

Als Männerhasserin outete sich damals die einschlägig bekannte Tamara Funiciello. Sie schrieb sich in einen wahren Rausch hinein:

«Genug Männer, die uns Gewalt antun oder angetan haben, dass wir mit unserem Schlüssel zwischen den Fingern nach Hause laufen, flache Schuhe zum Rennen dabeihaben, keine Musik hören, wenn wir alleine sind, damit wir die Gefahr hören, wenn sie kommt. … Wir sind in unserer Freiheit eingeschränkt, weil wir Angst haben müssen vor Übergriffen, Gewalt, Belästigung, Drohung. Es ist ein bisschen wie Corona – nicht jeder Mensch, den du triffst, ist eine reelle Gefahr – dennoch schützen wir uns, weil es eine sein könnte.»

Zu solchen Absurditäten, die nichts mit der Schweizer Realität zu tun haben, versteigen sich völlig verpeilte Feministinnen, die mit jedem Wort der Sache der Frau schaden. All diese Sprachreiniger verwechseln eine gesäuberte Sprache mit einer verbesserten Realität. Nicht das Wort Mohrenkopf ist diskriminierend, seine Ächtung macht die Welt um keinen Biss rassismusfreier.

Modernisieren wir doch kurz den damaligen Aufruf der «Deutschen Studentenschaft».

«Wider den unkorrekten Geist. Der Macho kann nur männlich denken. Schreibt er genderkorrektes Deutsch, dann lügt er. Der Mensch, der deutsch schreibt, aber nicht genderkorrekt denkt, ist ein Verräter. Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens, im genderkorrekten, inkludierenden Geiste.»

Das könnten ach so viele dieser moderneren, postfaschistischen Sprachreiniger ohne zu zögern unterschreiben. Sie sind so geschichtsvergessen, dass ihnen nicht einmal das Angebräunte in ihren Gedankengängen auffällt.