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Alle Wetter!

Tamedia erklärt die Lage – der Leser sorgt sich.

Der schwere Sturm über La Chaux-de-Fonds hat es in sich. Er forderte ein Todesopfer und verursachte happige Gebäudeschäden, dazu umgestürzte Bäumen und andere Verwüstungen.

Die Gelegenheit, endlich einmal die Überlegenheit einer Qualitätszeitung auszuspielen. Oder so. Die Autorenzeile unter dem ersten Artikel lautet «SDA/aru/mst». Das bedeutet, dass zwei Nasen die SDA-Tickermeldung veredelt haben. Augenzeugenberichte vor Ort, der Tamedia-Korrespondent im Jura? Welcher Korrespondent?

Aber glücklicherweise gibt es die sozialen Medien und Plattformen, wo jede Menge Videos und Fotos hochgeladen werden, die man zu einem «Tamedia Video» umtopfen kann. Dabei dachte ZACKBUM, das Teil heisse nun endgültig «Tages-Anzeiger». Aber das wäre ein anderes Thema.

Hier wird etwas Schadenbilanz gezogen, das obligate Mitgefühl des Bundespräsidenten erwähnt, und dann «eingeordnet». Allerdings: «Es ist noch unklar, wie dies meteorologisch einzuordnen ist.» Downburst oder Tornado oder beides oder keines von beidem?

Auf jeden Fall sei es ein «extremes Windereignis». Das hat was, bei Spitzengeschwindigkeiten von angeblich über 200 km/h. Immerhin wurde der «Journalist Laurent Duvanel, der selber in La Chaux-de-Fonds wohnt», aufgetrieben, besser als nix.

Aber dann lebt Tamedia noch richtig auf, es folgt der Beratungsteil. Ein «Gewitter- und Unwetterforscher» erklärt, dass man nicht nur das Wetterradar auf dem Handy betrachten solle, «sondern auch den Himmel aufmerksam beobachten». Dabei – merke auf – kann man die Gefährlichkeit sauber einschätzen. «Wenn eine Gewitterwolke dunkel und bedrohlich wirkt, dann birgt sie auch Gefahrenpotenzial.» Das muss einem ja mal gesagt werden. Bei grünlich sollte man auch aufpassen, das sei ein «Anzeichen für einen sehr intensiven Niederschlag oder sogar Hagel». Leider: «oft – aber nicht immer

Aber selbst solche Extremwetterberichterstattung hält Tamedia nicht davon ab, genderkorrekt die Sprache zu malträtieren: So hätten «Autofahrende» den Trümmern eines Lastwagendachs nicht ausweichen können. Es gab dann aber keine Verletzende.

Während es hier aber noch gesittet zugeht, tobt in der Kommentarspalte der Klimaretter unter den Lesern.

«Klimawandel/Klimakollaps … Sollten wir aufhören, uns über Klimaaktivist:innen lustig zu machen … sofortiger Stopp aller Ferienflüge, keine fossilen Flüge mehr bis Ende Jahr. Ein Aus für die Fleischwirtschaft … Ich bin wutentbrannt …»

Plus die ganze Leier, ob das noch Wetter oder schon Klima sei. Normal oder Vorbote des Untergangs. Einer kündigt sogar an, seinen geplanten Surf-Urlaub in Portugal zu canceln. Hoffentlich erwischt ihn dann niemand am Flughafen.

Das kommt halt davon, wenn man den Lesern keine Faktenbasis, keine Einordnung, keine Bandbreite von verschiedenen wissenschaftlichen Meinungen bietet. Das kann man mit Fug und Recht als Volksverdummung bezeichnen.

Wir können allerdings froh sein, dass Unwetter und Blitze nicht mehr als Erscheinungsformen eines zürnenden Gottes «gelesen» werden. Bislang.

Antäuschung einer Reportage

Das kann nur Tamedia. Die Bankrotterklärung.

Die Reportage ist eine Königsdisziplin des Journalismus. Gerne nehmen sich diejenigen, die noch etwas Bildung haben, Egon Erwin Kisch als Vorbild. «Schreib das auf», war sein Anfeuerungsruf. Und das tat er. Bis heute stilbildend reportierte er die Wirklichkeit – unabhängig davon, dass er Kommunist war.

Denn das ist die Aufgabe einer Reportage. Ausser, sie findet im luft- und gedankenleeren Raum von Tamedia statt. Da wird grossartig eine «Reportage aus der AfD-Hochburg» angekündigt. Da wird die dunkel-dräuende Frage in den Titel gewuchtet: «Warum glauben die Menschen hier nicht mehr an die Demokratie?» Hier hat sich «Reporter» Dominique Eigenmann todesmutig nach Erfurt begeben. Und fragt bang: «Was können andere Parteien noch tun, wenn die AfD das Regieren fast unmöglich macht

Das ist alles eine Bankrotterklärung des Journalismus. Ein Missbrauch des Begriffs «Reportage». Das ist so, wie wenn McDonald’s einen Big Mac als exklusive Gourmet-Spitzenleistung anpreisen würde. Nein, das stimmt nicht, der sättigt wenigstens.

Aber der Reihe nach. Die Menschen glaubten in Thüringen nicht mehr an die Demokratie? Weil sie demokratisch einen AfD-Kandidaten zum Landrat gewählt haben? Der nun regiert, womit die AfD keinesfalls das Regieren unmöglich macht?

Aber das sind nur die ersten Vorboten eines völlig verunglückten Artikels. Eine Reportage besteht normalerweise darin, dass sich der Reporter auf der Strasse umhört, also den Menschen von Thüringen eine Stimme gibt. Nur: kommt nicht vor, hat sich Eigenmann nicht getraut. Eine Reportage über eine Partei beinhaltet normalerweise, dass man Vertretern der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. In der «Reportage» über die «AfD-Hochburg» kommen weder die AfD-Wähler noch die AfD selbst mit einem einzigen Wort vor.

Zu Wort kommen lediglich ein Mike Mohring, Funktionär und Politiker der CDU. Ein Martin Debes, «Journalist und Autor». Beide sind – Überraschung – der AfD nicht gerade freundlich gesinnt. Das wäre okay, wenn sie zwei Stimmen in einem Chor von Meinungen wären. Da laut Umfragen die AfD mit über 30 Prozent die wählerstärkste Partei in Thüringen ist, müsste es nicht so schwer sein, den einen oder anderen AfD-Anhänger zu einer Aussage zu bewegen, wieso er denn diese Partei bevorzugt.

Hätte Eigenmann mit mehr als drei Thüringern gesprochen, hätte er einen Treffer gelandet. Aber er hat’s nur auf genau drei sorgfältig Ausgewählte geschafft. Wieso er überhaupt nach Erfurt reiste, erschliesst sich aus der «Reportage» auch nicht. Wie sieht die Stadt aus, was gibt es dort für Probleme, was sind die Schönheiten, wie halten die Menschen ihren Dialekt aus – das wären alles fundamentale Ingredienzien einer Reportage.

Stattdessen zitiert Eigenmann noch die Mitarbeiterin Anne Küpers, die zu einem Team der Universität Jena gehört, das die Stimmung in Thüringen monitoriert. Die letzte Arbeit stammt übrigens von 2022, brandaktuell. Sie behandelt Themen wie «Verschwörungserzählungen» oder «Migranten:innenfeindlichkeit, Muslim:feindlichkeit, Antisemitismus, Antifeminismus». Womit die politische Schlagseite genügend beschrieben wäre.

Aber nach Erfurt reisen (wirklich in echt, nicht nur virtuell, weil mit drei Leuten reden kann man heutzutage auch problemlos fernmündlich?), angeblich eine Reportage über die AfD schreiben, weil die dort so viele wählen – und dann ausschliesslich mit drei politischen Gegnern der Partei sprechen, das ist keine Reportage. Das ist eine Schande für den Journalismus.

Das ist ein Missbrauch des Worts «Reportage», für die Eigenmann eigentlich belangt werden müsste. Eigenmann lässt drei Personen kritische Sachen über die AfD sagen. Das ist nicht mal der Schatten eines Schattens einer Reportage. Eine Reportage beinhaltet ein Stimmungsbild, versucht die Wirklichkeit vor Ort einzufangen, verdichtet Beobachtungen, Zitate, Vorkommnisse zu einem lebendigen Abbild.

Handelt die Reportage von einer politischen Partei, wäre es für den Leser noch sachdienlich, ihm darzustellen, mit welchen Positionen, Forderungen, mit welchem Programm denn diese Partei es schafft, zur wählerstärksten zu werden. Wegen «Verschwörungserzählungen» und «Antifeminismus»? Unfassbar. Als Höhepunkt einer «Analyse» der AfD-Wähler zitiert Eigenmann einen launigen Tweet von Debes: «20 Prozent Nazis, 30 Prozent Affine, 50 Prozent Leck-mich-mal.»

Das ist nicht mal Schmiere, es ist Abfall. Noch schlimmer dabei: jeder Anfänger im Journalismus bekommt irgendwann mal beigebracht, was eine Reportage ist. Wenn es bei Tamedia noch eine funktionierende Qualitätskontrolle gäbe, wäre dieses elende und ellenlange Stück niemals dem zahlenden und fluchenden Leser serviert worden.

Gäbe es noch den Schatten einer Qualitätskontrolle, hätte spätestens die Chefredaktorin gefragt: und wo ist hier eine Reportage? Wo sind O-Töne, Beschreibungen der Wirklichkeit, wo ist die AfD? Dafür müsste Raphaela Birrer wissen, was eine Reportage ist. Aber da sie schon Mühe mit einem Kommentar hat, was so ziemlich das Einfachste im Journalismus ist …

Zu Kreuze kriechen

Die Tamedia-Interpretation des Schweizerkreuzes.

Die USA poltern mal wieder gegen die Schweiz. Da gibt es eine sogenannte Helsinki-Kommission. Das ist eine eigentlich völlig unbedeutende Behörde der US-Regierung. Aber sie wird gerne benutzt, um gegen andere Staaten zu fäusteln. Auch gegen die Schweiz.

Da toben profilneurotische US-Parlamentarier herum. Duftmarke: «Wir können nicht zulassen, dass das Bankgeheimnis der Schweiz die westlichen Mächte daran hindert, korrupte Politiker zu isolieren», sagt ein US-Senator, der wahrscheinlich nicht mal in der Lage wäre, die Schweiz von Schweden zu unterscheiden.

Russische Vermögen in der Schweiz, lasche Suche nach Oligarchengeldern, angeblich unkontrollierter Rohstoffhandel, offener Dual-Use-Handel mit Russland. Also der Export von Gütern, die sowohl zivil wie militärisch genutzt werden können. Kein Klischee zu abgenutzt, um es hervorzuziehen.

Fakt dagegen ist: während die Schweiz bereits 7,5 Milliarden Dollar russischer Vermögen eingefroren hat, sämtliche jeglicher Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechende Sanktionen der USA und der EU übernimmt – in eklatanter Ritzung der Neutralität – und mit Schweizer Gründlichkeit allen Verdachtsfällen nachgeht, sieht das in den USA ganz anders aus.

Dort wurden bislang – soweit man weiss, denn mit Transparenz hält man es dort nicht so – knapp eine Milliarde russischer Vermögen arretiert. Obwohl die USA das Paradies für russische Oligarchen waren. In den USA stehen nebenbei die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, von denen nicht nur der gesamte lateinamerikanische Drogenhandel profitiert. Wer sein Geld steuerneutral und sicher vor jeder Kontrolle lagern will, muss nach Delaware, Texas oder Florida.

Die USA sind nicht beim AIA, beim  Automatischen Informationsaustausch über Anlagen von nicht im Anlegerland steuerpflichtigen Personen, dabei. Die USA erpressen mit ihrem Dollar-Clearing hingegen alle Finanzhäuser der Welt, ihnen unilateral alle Daten auszuliefern, auf die sie lustig sind. Stichwort FATCA.

Während sie selbst normalerweise Auskunftsbegehren ignorieren. Und diese Weltmacht der Heuchelei und Doppelmoral fällt mal wieder über die Schweiz her. Im triumphalen Bewusstsein, dass man die Eidgenossen auch schon im Steuerstreit rechtsimperialistisch zu Kleinholz verarbeitet hat. Mit dem Erfolg, dass es seither in der Schweiz kaum mehr unversteuerte Vermögen gibt, weil die meisten in die USA geflüchtet sind, wo sie nichts zu befürchten haben.

Nun also Russland, Oligarchengelder, Handel, Exporte. Dabei sind der grösste Exporteur von Dual-Use-Produkten –  die USA bis heute. Aber wer unangefochtene Weltmacht ist, mehr Militärtbudget stemmt als die nächsten zehn Staaten der Welt zusammen, wer Besitzer der Weltwährung Dollar ist, der muss sich nicht gross um Moral, Anstand, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit kümmern.

Also wird dort gepoltert und gekeift, am liebsten nach der Devise: USA gross und mächtig, Schweiz klein und schmächtig. Als einzige Verteidigung eines Kleinstaates gäbe es das pickelharte Insistieren auf der eigenen Rechtssouveränität. Also schlichtweg darauf, dass in der Schweiz Schweizer Gesetze gelten – und angewendet werden. Und dass sich der Rechtsstaat Schweiz sicherlich nicht vom Wildweststaat USA sagen lassen muss, was Recht und was Unrecht sei.

So müsste das sein, aber Tamedia zuvorderst zeigt wieder einmal, was weinerlicher Kriechgang ist. So kommentiert Wirtschaft-Redaktor Jorges Brouzos in gebückter Haltung: «Die Schweiz hat die Angriffe auf Bankenplatz und Rohstoffhandel durch eine Kultur des Wegschauens erst ermöglicht.»

Zwar fällt es selbst ihm auf, dass in dieser Helsinki-Kommission absurder Schwachsinn geredet wird. Aber das hindert ihn nicht daran, selbst über die Schweiz herzufallen: «Der lasche Umgang mit Anwälten, Treuhändern und Vermögensverwaltern macht unser Land angreifbar. Das war auch der Grund für den harschen Brief der G-7-Staaten an den Bundesrat vom letzten April. Darin wurde die Schweiz aufgefordert, «verdächtige Finanzstrukturen aktiv zu untersuchen»».

Die EU fordert die Schweiz auf? Das Geldwäschereiparadies Deutschland, die Steuerhinterzieherinsel Luxemburg, Malta, Italien, Spanien? Im Ernst jetzt? Aber das sei laut Brouzos nicht alles. Da gäbe es noch den Rohstoffhandel. Der zwar wie kaum in einem anderen Land der Welt so kontrolliert ist wie in der Schweiz. Aber mangels Sachkenntnis behauptet der Tamedia-Redaktor: «Dass es die schweizerischen Behörden nicht schaffen oder nicht schaffen wollen, verlässliche Angaben über den Rohstoffhandel in der Schweiz zu erhalten, ist höchst fragwürdig

Welche «verlässliche Daten» sollen nicht erhältlich sein? Welche verlässliche Daten gibt es über die Rohstoffbören in New York, London, Singapur, Dubai oder Hongkong?

Dass die USA rechtsimperialistisch und mit dem unschlagbaren Argument «wer ist hier der Stärkere?» immer wieder über die Schweiz herfallen – verständlich. Dass es Kreuzkriecher wie Brouzos gibt, die ihnen dabei Recht geben, ist sowas von peinlich, unreflektiert, uninformiert, dass es beim Lesen weh tut.

Es hat überhaupt nichts mit Patriotismus oder Vaterlandsverteidigung zu tun, freche Übergriffe von absurd unwichtigen Komitees zurückzuweisen, die einfach mal testen wollen, ob es Gegenwehr gibt. Ginge es nach Brouzos, würde die Schweiz ein weisses Kreuz in einer weissen Flagge schwenken. Glücklicherweise geht es nicht nach ihm.

 

Canonica streckt die Waffen

Moderner Schmierenjournalismus siegt.

Ihr freiwilliger Beitrag für ZACKBUM

Die Methode ist bis zum Erbrechen bekannt. Eine Frau greift tief in die Vergangenheit und stellt eine Reihe von unbewiesenen, unbelegten, rufschädigenden Behauptungen über – wenn überhaupt – längst verjährte angebliche Übergriffe auf.

Sie sei verbal sexuell belästigt, erniedrigt, beleidigt, gemobbt worden. Diese angeblich unerträglichen Zustände habe sie zwar viele Jahre ausgehalten, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber nun reiche es; so wie die Opfer von Weinstein ihre Stimme fanden, habe sie nun auch den Mut gefunden, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Dann findet die Frau ein «#metoo»-besoffenes Organ, das diese Anschuldigungen abdruckt und damit eine öffentliche Hinrichtung des wahren Opfers, nämlich des Angeschuldigten, veranstaltet. Dass diese Behauptungen mehrfach untersucht und ins Reich der Fantasie verwiesen wurden, dass ausser dümmlichen Hakenkreuz-Kritzeleien als Kritik an germanischen Ausdrücken nichts belegbar ist, dass angebliche Augen- und Ohrenzeugen feige schweigen oder in den Untersuchungen die Behauptungen nicht bestätigt haben, was soll’s.

Dass sich diverse Behauptungen einfach widerlegen lassen – so hat eine angebliche beleidigende Äusserung des Chefredaktors an einer Weihnachtsfeier gar nicht stattfinden können, weil die Weihnachtsfeier nicht stattfand –, was soll’s.

Dass sich herausstellt, dass die Denunziantin sich – vergeblich – auf die Stelle ihres Vorgesetzten beworben hatte, obwohl der keinerlei Absichten hatte, sie zu verlassen, was soll’s. Dass es sich offensichtlich um die Rache einer beruflich verschmähten Frau handelt, die nicht gemobbt wurde, sondern ihren Chef wegmobben wollte, was soll’s. Das schaffte sie zwar, Tamedia trennte sich von ihm. Aber statt Triumph – endlich selber Chef werden – kam die Tragödie, auch sie wurde gefeuert.

Was bleibt? Der Ruf des Mannes ist unrettbar ruiniert, auf Jahre hinweg, wohl lebenslänglich findet er keinen Job mehr im Journalismus. Das gilt natürlich auch für die Denunziantin. Zurück bleiben – unter Mithilfe des einschlägig bekannten «Spiegel» – zwei beschädigte Menschen.

Dass die übrige Medienmeute wie meist mithetzte, losraste, belegfrei mit angeblichen weiteren «Zeugen» operierte, die natürlich anonym bleiben mussten und höchstwahrscheinlich erfunden sind, was soll’s. Dass sich neben dem «Spiegel» auch die «Zeit» von der Denunziantin via eine einschlägig bekannte, schlechte Journalistin für den Rachefeldzug einspannen liess, was soll’s.

Der Betroffene versuchte, mit einer Klage zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Auch Tamedia setzt sich juristisch zur Wehr, der Big Boss ist etwas angefasst, dass er in die Nähe von Harvey Weinstein, einem verurteilten Sexualstraftäter, gerückt wurde. Das Schicksal seines ehemaligen Chefredaktors ist ihm hingegen, pfeif auf die Fürsorgepflicht, schlichtweg egal.

Der lässt nun via Anwalt ausrichten, dass er seine Klage gegen den «Spiegel» zurückzieht. Die Belastung sei «sowohl finanziell wie psychisch» zu gross geworden. Das vermeldet «Inside Paradeplatz», der Finanzblog, der auch im Medienbereich die Konkurrenz abtrocknet. So kann das Schmierenblatt aus Hamburg triumphieren. Auch ein weiterer übler Denunziant, der immerhin den Journalismus verlassen hat, kann aufatmen.

Hat jemand gesiegt? Alle haben verloren.

Zunächst die Anklägerin; zu offensichtlich ist ihr Motiv, so unglaubwürdig ihre Erzählung, zu erfunden, konstruiert, zumindest nicht belegbar sind fast alle ihrer Vorwürfe.

Dann der Beschuldigte. Er konnte sich zwar erklären und fand einen Journalisten, dessen Reflexe noch funktionieren und der sich nicht von Narrativen leiten liess, sondern das tat, was ein Journalist tun muss: recherchieren, konfrontieren, analysieren. Aber er – und seine Familie – sind beschädigt, Opfer einer Kampagne geworden, öffentlich hingerichtet, gevierteilt und geteert und gefedert.

Dann das einmalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg, das sich in letzter Zeit nicht entblödet, eine angebliche Enthüllungsgeschichte nach der anderen im besten #metoo-Framing zu veröffentlichen. Storys, die unter Augstein, unter Aust niemals erschienen wären. Aber die Würstchen, die sich seither in der Chefredaktion die Klinke in die Hand geben, haben jeden Massstab, jedes Niveau, jede Klasse verloren.

Schliesslich die übrigen Medien, hier zuvorderst CH Media und die «Zeit», die mit unbewiesenen Behauptungen, üblen Vermutungen, anonymen und erfundenen Zeugen («es war alles noch viel schlimmer») sich an der Hetze beteiligten und sogar einen Nasenstüber einfingen. CH Media musste einen Schmierenartikel löschen und sich öffentlich entschuldigen.

Entschuldigt sich jemand beim Betroffenen? Wird wenigstens dieser Fall zum Anlass genommen, über Vorverurteilungen, über den Verlust aller journalistischen Massstäbe, über das Kolportieren unbewiesener Behauptungen, über die Rolle angeblicher anonymer Zeugen nachzudenken?

Niemals. Schlamm drüber, die nächsten Säue sind schon längst durchs Dorf getrieben, Til Schweiger, Rammstein, ein Koch, der Sänger einer Brachialband, keiner ist heutzutage vor dieser Meute sicher.

Welch ein beschämender Anblick. Die Medien verwandeln sich in eine Horde von kläffenden, japsenden, geifernden Kötern, die einem Popanz nachrennen, jagen, zur Strecke bringen, sich verbeissen. Um dann plötzlich von der Beute abzulassen, um einer neuen Schimäre nachzujagen. Auf ein Neues. Auf ein Neues, bis Ruf, Ansehen, Renommee, Image genauso ramponiert, ruiniert sind wie die der Opfer dieser Hetzjagden.

Lang lebe die Unschuldsvermutung. Was für ein schaler Witz.

Wumms: Priska Amstutz

Auch so eine Art Karriere …

ZACKBUM hat den Arbeitsweg von Amstutz seit ihrem Aufstieg zur Co-Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers» amüsiert begleitet.

Frausein reichte dafür aus, mit eher durchwachsenem Hintergrund in die Chefredaktion aufzusteigen. Ihre Buchpublikation wurde gebührend mit einem gnadenlos-kritischen Interview abgefeiert. Ansonsten kann man ihr Wirken als eher unauffällig bezeichnen.

Aber Frausein schützt dann doch nicht vor kleinen Rückschlägen. Kaum drei Jahre im Amt, kam schon das Aus. Ihr Kollege Stäuble, obwohl kleines Licht und Mann, erklomm nach dem Fall aus der Chefredaktion immerhin den Posten des Inlandchefs. Für Amstutz reichte es nur für «Innovationschefin» was immer das sein mag. Aber auf jeden Fall Chefin.

Nun möchte sie aber «der Frage mehr Raum geben, wie sie die nächste Phase ihres Berufslebens» gestalte, verrät sie persönlich.com. Oder mit anderen Worten: sie geht schon wieder. Was lässt sie zurück? «In meiner neuen Rolle als Chefin redaktionelle Innovation konnte ich vor Kurzem das erste Projekt auf den Weg bringen, das stark an meine Erfahrungen beim Tages-Anzeiger anknüpft

Das hört sich ungefähr so konkret an wie das «Klimalabor» der «Republik». Nur hat Amstutz etwas weniger gekostet. Vielleicht geht sie ja zurück zu ihren Wurzeln als Chefredaktorin des Kundenmagazins von Kuoni, zur «Annabelle», zu «Bolero» oder «Style».

Aber ihre Tätigkeit als Co-Chefredaktorin und vor allem als Innovationschefin wird unvergesslich bleiben. Wir erinnern uns besonders gerne an, ähm, also an, grübel, verflixt, da nehmen wir doch den Telefonjoker.

Auf jeden Fall wünschen wir ihr alles Gute auf dem weiteren Lebensweg und hoffen ein wenig, dass der aus dem Journalismus hinausführt …

Die sexistische Seite des Tagi

Frauen an der Spitze bedeutet noch gar nichts.

Kein anderer Medienkonzern macht so ein Gewese um Inkludierung, Kampf gegen Sexismus, gendergerechte Sprache und ähnlichen Unfug wie Tamedia.

So kriegt sich Nora Zukker über ein Buch gar nicht ein, das sich mit der Frage beschäftigt, was Männlichkeit heute sei. Allerdings lässt schon der Titel Übles ahnen: «Oh Boy: Männlichkeit*en heute». Die Inhaltsangabe bestätigt den Verdacht:

«Ein Mann, der sich die eigene Übergriffigkeit eingesteht. Eine non-binäre Person, die ihr Genital nicht googeln kann. Ein Gefangener zwischen Krieger oder Loser. Diese Texte erzählen von männlichem Leistungsdruck, von Männerfreundschaften, Söhnen und ihren Vätern. Sie ergründen die Kapitalisierung von Männlichkeit, beschreiben Intimität und Verlust.»

Ach, und wem das noch nicht reicht: ein gewisser Kim Irgendwas schreibt auch einen Beitrag. Wir nehmen mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis: das Eierattentat scheint er ohne Schreibstau überstanden zu haben.

Dann wird der Tagi aber recht locker: «Ferien, das ist Sex mit Vorspiel». Aber hallo. Die Prostitution wird mal wieder entzaubert: «Kein anderer Job macht Menschen so kaputt». Dabei sehen viele Feministen «Sexarbeit» als Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung.

Alexandra Bröhm will mit einem weiteren (männlichen) Vorurteil aufräumen. Der Unterteilung in jagende Männer und sammelnde Frauen in dunklen Vorzeiten. Stimmt gar nicht, sagt Bröhm. Beweis: in ein, zwei Gräbern seien die Überreste von Jagdwaffen gefunden worden. Bei weiblichen Skeletten. Wahnsinn. Die Geschichte des Neandertalers muss umgeschrieben werden. Denn: «Frauen sind Jägerinnen». Eigentlich hätte auch das generische Maskulin gereicht, aber «Frauen sind Jäger» käme einer Autorin natürlich nie in die Tastatur. Obwohl die feminine Verdoppelung etwas leicht Pleonastisches hat. Aber frau und schreiben …

Zurück in die Jetztzeit und zu einem ganz üblen, frauendiskriminierenden Ausrutscher. Ein weiterer Beitrag zum Thema: ein männlicher Politiker würde niemals so beschrieben werden. Wie? «Yolanda Díaz ist …» kompetent, charismatisch, durchsetzungsfähig, engagiert? Aber nein, ist zuallererst und zuvorderst «modebewusst».

Wahnsinn, und das im Tagi. Aber danach kommen nun sicherlich Beschreibungen ihrer politischen Fähigkeiten: Nun ja: sie ist «modebewusst, meist gut gelaunt …» Man stelle sich diese Beschreibung eines spanischen Politikers –männlich – vor. Noch nie gelesen? Eben. Aber aller schlechten Dinge sind drei, nun wird vielleicht noch die Intelligenz, die klare politische Linie der Politikerin erwähnt? Fast: sie «ist modebewusst, meistens gut gelaunt – und erfolgreich».

Aha. Erfolgreich, weil modebewusst und immer lächelnd? Kämpft sie etwa mit den Waffen einer Frau? Als Schlusspointe zitiert der Tagi sogar die Konkurrenz von rechts: «Rechten Medien wie der Zeitung «El Debate» gilt Yolanda Díaz schon als Sanchez’ Geheimwaffe, ihr Lächeln als ihre schärfste Munition.»

Dass das spanische Machos so sehen, mag ja noch angehen. Aber der sensible Tagi, mit seitenlangen Erklärungen über gendergerechte Sternchensprache immer zur Hand, sofort auf den Barrikaden, wenn es angeblich überkommene Frauenbilder und Geschlechterrollen zu kritisieren gilt? Und dann das?

Hat das Raphaela Birrer gesehen? Ist das für Kerstin Hasse feministisches digitales Storytelling? Entspricht das ihrer Forderung nach «kompletter, ehrlicher und offener Gleichstellung»? Wildes Gefuchtel ist einfach. Genaues Hinschauen im eigenen Laden, nun ja. Wahrscheinlich ist die (weibliche) Chefetage schon in den Familienferien, hoffentlich ohne Flugscham.

Kriegsberichterstattung, reloaded

Kann man absurd steigern? Die Medien probieren’s.

Neues vom Sändele im militärischen Sandkasten. Das Kriegsglück schwankt, die Meldungen sind widersprüchlich, aber energisch vorgetragen.

In der militärischen Kommandozentrale des «Blick», aka Samuel Schumacher, «Ausland-Reporter» mit Einsatzgebiet Newsroom, herrscht Konsternation:

Statt Triumphmeldungen von den tapferen Ukrainern muss Schumacher Trauriges vermelden: «Das Fiese am russischen Killer-Kopter: Er kann seine Raketen aus bis zu zehn Kilometern Entfernung abfeuern und sie mit seinem integrierten Laserstrahl auf jedes erdenkliche Ziel in seinem Blickfeld lenken – bei Tag und bei Nacht. Damit liegt der Alligator ausserhalb der Reichweite der allermeisten ukrainischen Flugabwehrgeräte an der Front. Ein verzweifelter ukrainischer Soldat sagte gegenüber der «Bild»: «Wir haben nichts, um die russischen Helikopter in acht Kilometern Entfernung zu bekämpfen

Ist ja wirklich fies von den Russen, eine neue Wunderwaffe einzusetzen, mit der niemand gerechnet hat. Wobei: «Seit 2008 wird der 310-Stundenkilometer schnelle Killer-Heli in Russland seriell hergestellt.» Also eher ein Oldie auf dem Schlachtfeld.

Schon am 21. Juni musste Chiara Schlenz, «Ausland-Redaktorin» mit Einsatzgebiete Bildschirm, Unerwartetes von der Front vermelden:

Da sind die fernen «Kriegsbeobachter» mal wieder «überrascht», diese schwankenden Gestalten. Sie können ja auch nur abschreiben, was geschrieben steht: «Berichte über eine heftige russische Gegenoffensive zur Gegenoffensive häufen sich in den letzten Tagen.» Und versuchen, das Beste draus zu machen: «Diese aufwendigen Verteidigungsanlagen zeugen aber nicht nur von guter russischer Vorbereitung – sondern auch von russischer Angst.»

Wechseln wir zu Organen, die wenigstens behaupten, Journalismus in langen Hosen zu betreiben. In der neu benannten Rubrik «Russlands Krieg» zeigt Tamedia Tierliebe («Tiere suchen nach der Flut von Cherson ein neues Zuhause», was man als Tierporno bezeichnen könnte). Dann erholen sich «Ukrainierinnen, die von Russen missbraucht worden sind, im Zistertienserinnenkloster in Freiburg». Putin gebe «sich ganz volksnah», und im «Ticker» wird auch nur Pipifax vermeldet. Alles ruhig an der Front, wenn man Tamedia glauben will.

Auch CH Media berichtet weitab vom Kampfgeschehen: «Rache ist süss – Putin liquidiert das Wirtschaftsimperium des Söldner-Chefs». Auch der «Ukraine-Newsblog» muss News zusammenkratzen: «Selenski will Ukraine für Basis für Rakentschutzschirm in Europa machen» und «Bedrohter Getreidedeal: EU -Staaten erwägen Zugeständnis an Europa». «Will» und «erwägen», die beiden Allheilverben für: alles reine Spekulation. Eine knallharte Reportage hingegen ist das hier: «Die besten Skiakrobaten der Ukraine trainieren in der Schweiz – was macht der Krieg mit ihnen

Ach, und: «Rätselhafter Angriff in der Wüste – der Druck auf die Wagner-Söldner ausserhalb von Russland steigt». Das haben wir noch vergessen: «Druck steigt», die Allerweltsformel für «nichts Genaues weiss man nicht».

Nun ein militärstrategischer Zwischenruf der Kriegsmaschine «watson»:

Das trifft sich gut; da Putin bekanntlich auch wahnsinnig ist, müssten sich die beiden ausgezeichnet verstehen.

«20 Minuten» hat die geheimen Operationskarten des ukrainischen und des russischen Generalstabs durchgeblättert und versucht es mit einer grafischen Darstellung der Lage:

Korrekt ist sicherlich Transnistrien eingezeichnet, der Rest ist allerdings gegendarstellungsfreier Vermutungsraum.

Weit in die Vergangenheit blickt hingegen die NZZ, um weit in die Zukunft zu schauen:

Tatsächlich korreliert der Rückzug aus Afghanistan mit der Auflösung der UdSSR, wieweit er auch kausal daran beteiligt sein soll, weiss nur Ulrich Schmid, der Russland-Experte auf allen Kanälen. Noch wilder ist sein Blick in die Zukunft: «Was geschieht mit dem Vielvölkerstaat Russland nach einer Niederlage in der Ukraine?» Wenn man das auch historisch sehen will: nichts. Abgesehen davon, dass es zu einer Niederlage noch weit, sehr weit hin ist. Und zur Voraussetzung hätte, dass auch Russland, wie die USA in Vietnam oder Korea, gegen den Ratschlag der Militärs auf den Einsatz von Atomwaffen verzichten würde.

Aber die NZZ sorgt sich auch um die Heimatfront: «Die Schweiz wird als Spionage-Drehscheibe für Russland wichtiger – müssen die Behörden härter durchgreifen?» Die Frage stellen, heisst natürlich für die NZZ, sie auch beantworten.

Wer sich die Mühe machen würde, die Kriegsberichterstattung im Ersten oder Zweiten Weltkrieg durchzublättern, würde wenig überrascht zur Kenntnis nehmen: dass die Wahrheit im Krieg zuerst stirbt, ist eine ewig gültige Wahrheit.

Xplain hat einiges zu erklären

Behörde, Datensicherheit, Widerspruch.

Zögerlich sind Bundesbehörden und Medien aufgewacht. Bei der privaten Sicherheitsfirma Xplain sind mehrere Millionen sensible Daten abhanden gekommen und waren zeitweise im Darknet einsehbar.

Mehr als 30 Schweizer Amtsstuben sind Kunden der IT-Firma aus Interlaken. Vertraulich sind dabei in erster Linie die Geschäftsbeziehungen. Wie wird eine solche Firma ausgewählt, wie wird ihr Sicherheitsstandard überprüft. Oder einfach gefragt: wie kann es offenbar russischen kriminellen Hackern gelingen, dermassen viele Daten abzusaugen und nach einem misslungenen Erpressungsversuch zu veröffentlichen?

Gleich sieben Kräfte wirft Tamedia in die Informationsschlacht. Die bringen so wertvolle Erkenntnisse an die Oberfläche wie die, dass die IT-Bude ihre Räumlichkeiten oberhalb einer Kebab- und einer India-Bude hat. Scharf recherchierte Erkenntnis: «Es duftet nach Tandoori Chicken und Döner mit scharf.»

Das war sicherlich insofern eine gute Nachricht, weil die dortige Einkehr im Rahmen des Spesenreglements von Tamedia gelegen haben dürfte. Aber obwohl es den Informationsbeschaffern sogar gelungen ist, mit dem  Gründer und CEO von Xplain zu sprechen, ergibt sich daraus nur: «Darüber kann Löwinger derzeit nicht sprechen.»

Worüber aber zu sprechen wäre, listet «20 Minuten» auf. Der neuste Datenskandal ist ein weiterer in einer langen Liste. Den Anfang machte «Insieme» im Jahr 2012. Korruption vom Feinsten, freihändige Vergabe von Millionenaufträgen, ungetreue Amtsführung. 120 Millionen Franken später zog der Bundesrat die Notbremse und beendete das Projekt.

Der bundeseigene Rüstungsbetrieb Ruag wurde ein Jahr lang ausspioniert, bis die angebliche Expertin für Datensicherheit vom Nachrichtendienst des Bundes 2016 darauf aufmerksam gemacht wurde; selbst hatte sie nix bemerkt.

2022 poppte das Milliardenprojekt für die Cybersicherheit der Armee auf. Es soll zwischen 800 Millionen und 3 Milliarden kosten, oder so. Es soll auch irgendwann fertig werden, zu unbekannten Kosten.

Zur Bearbeitung der Welle von Asylgesuchen nach Ausbruch des Ukrainekriegs beschaffte sich der Bund schnell ein Registriertool für 2,8 Millionen Franken. Freihändig, also ohne Ausschreibung. Und jetzt Xplain.

Dazu kommt noch das Datenleck bei den Corona-Krediten und der Skandal um die angeblich sichere Verschlüsselungstechnologie der Crypto AG.

Und jetzt Xplain. Neben vielem anderen kann man die Adressen von Bundesräten oder Top-Kadern einsehen, heikle Daten von Interpol, SBB-Datensammlungen über Kunden, Fahndungslisten, und, und, und.

Anscheinend soll sich die Firma in Absprache mit dem Bund geweigert haben, ein gefordertes Lösegeld zu bezahlen. Das alles ist sozusagen normaler Bestandteil des aktuellen Kampfes um Datensicherheit. Dabei gilt grundsätzlich: was von A nach B transportiert wird, kann auch abgegriffen werden.

Sowohl die Verschlüsssler wie die Knacker rüsten unablässig auf, aber es bleibt die Tatsache bestehen, dass nicht einmal nur physisch gelagerte Daten vor Diebstahl sicher sind. Allerdings erhebt sich hier wieder einmal eine ganze Latte von Fragen.

In erster Linie: wieso die Unsitte von Behörden, Aufträge freihändig zu vergeben, obwohl es klare und eindeutige Vorschriften gibt, dass ab einer niedrigen Schwelle obligatorisch eine Ausschreibung zu erfolgen hat, niemals Konsequenzen hat. So bekam Xplain offenbar nach Gewohnheitsrecht mehr und mehr Aufträge in Millionenhöhe, ohne dass die Behörden in der Lage wären, deren Sicherheitsstandards zu überprüfen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sensible Daten offenbar auf Servern von Xplain gelagert wurden, möglicherweise sogar in der Cloud. Auch wenn sie dort verschlüsselt sind, ist das natürlich eine laut ausgesprochene Einladung an Hacker.

Hacken ist dabei ein Geschäft wie jedes andere. Es geht um Aufwand und Ertrag. Hacker haben null Interesse, sich an mit allen Schikanen und modernsten Mitteln verschlüsselten Daten die Zähne auszubeissen. Sie nehmen sich immer Kandidaten vor, bei denen Schwachstellen zu vermuten sind.

Etwas anderes sind übrigens Hacks, von denen nicht zuletzt Tamedia immer wieder profitiert. Hier geht es um das Stehlen von Geschäftsunterlagen, die dann als «Papers» oder «Leaks» ausgeschlachtet und als Hehlerware veröffentlicht werden. Wobei die Motive der Hacker, die diese Datenseen gratis zur Verfügung stellen, immer im Dunklen bleiben. Genau wie die Kriterien der profitierenden Medien, nach welchen sie einzelne Personen medial ans Kreuz nageln – und andere nicht.

Diese Veröffentlichungen hatten bei den Profiteuren der Hehlerware noch nie personelle oder andere Konsequenzen. Genau so wird es nun wohl auch bei den schlampigen Bundesbehörden gehen, obwohl Alfred Heer, Mitglied der Geschäftsprüfungskommission, bereits «lückenlose und rasche Aufklärung» sowie personelle Konsequenzen gefordert hat. Abgesehen davon, dass er dafür das falsche Parteibuch hat – SVP – wird es höchstens zu ein paar Frühpensionierungen kommen.

Ob allerdings Xplain diesen Schlag überlebt, ist mehr als zweifelhaft.

Sonntags-Zumutung

ZACKBUM trifft die SoZ. Aua.

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Es gab Zeiten, und die liegen noch nicht so lange zurück, da wäre so ein Cover als schlechter Scherz vom Tisch gefegt worden:

 

Ein für Tamedia-Verhältnisse sexistisches Aufmacherbild zu einem Thema, aus dem das Sommerloch so gross gähnt, dass man als Leser Schiss bekommt, hineingezogen und verschlungen zu werden.

Daneben gleich dem Zielpublikum noch eins in die Fresse: Benzin muss und soll doch teurer werden, verstärkte Beimischung von «Biotreibstoff» ist doch eine gute Sache, bis die Schweiz dann völlig CO2-frei wird.

«So wird der Garten attraktiv für Vögel», eine Wahnsinns-Schlagzeile – für die «Tierwelt». «Heisse Liebe, wie die Sonne unser Verhalten beeinflusst». Tut sie das? Und wieso wussten wir das die vergangenen 30’000 Jahre nicht?

Dann kommt eine Doppelseite nach der Devise: fällt der Redaktion trotz Kopfkratzen gar nichts ein, dann machen wir doch ein paar Statistiken. Die gelingen dann besonders gut, wenn man selbst und willkürlich die Auswertungskriterien festlegt. Dann kommt man auch zu Wunschresultaten:

Zudem weiss die SoZ: «Auf einer Skala von – 10 (links) bis + 10 (rechts) befindet er sich mit einem Wert von 10.0 am äussersten rechten Rand.»

Aber eigentlich hätte ihm die SoZ am liebsten eine + 11 gegeben …

Aber, oh Schreck, es ist immer noch Platz frei im Blatt, was tun?

«Der Sozialpsychologe untersucht»; solche Untersuchungen sind normalerweise der Rettungsanker im Boulevard, wo die absurdesten Korrelationen hergestellt werden. «Glatzenträger haben weniger Sex» oder so. Da will neuerdings die SoZ nicht abseits stehen, dabei ist es erst Anfang Juli. Wie sich das Blatt bis in den August durchhangeln will? Den zahlenden Leser erwartet ein echter Belastungstest.

Hat das Blatt noch etwas ausgelassen? Ja, natürlich, den Beitrag zu «wenn Wünschen helfen würde»:

Das wäre natürlich eine Weltsensation erster Güte. Worin besteht die denn? Wenn Aliens landen und uns neue, ungekannte Energiequellen schenken? Fast. Der GLP-Präsident Jürg Grossen ergreift die Chance beim Schopf, dass in der verzweifelten Suche nach Storys jede Furz-Idee punkten kann. Apropos, gegen seinen Vorschlag war die Furz-Idee von Peter Bodenmann mit den Solarpanels in den Alpen geradezu seriös und konkret.

Nach langfädiger Einleitung im Interview rückt Grossen dann mit seiner Furz-Idee heraus:

«Die sicherste Lösung für Saisonspeicher in der Schweiz ist die sogenannte Power-to-Liquidto-Power-Technologie. Sie funktioniert so: Statt als Gas speichert man den Strom in Flüssigtreibstoffen, die man im Winter wieder verstromen oder für den klimaneutralen Flug- und Schwerverkehr nutzen kann. Die heute bestehenden Tanklager würden reichen, um den für den Winter benötigten Vorrat zu speichern. Diese Treibstoffe sind vergleichsweise einfach zu handhaben.»

Selbst der SoZ fallen dazu aber eine ganze Reihe von Killerargumenten ein: «Diese Technologie steckt aber noch in den Kinderschuhen, ist nicht marktreif und bis jetzt ineffizient: 85 Prozent der Energie gehen verloren.»

Das räumt Grossen auch grossmütig ein: «Ganz so schlimm ist es nicht, aber die Technologie hat heute leider tatsächlich noch einen niedrigen Wirkungsgrad.» Aber: «Ich bin zuversichtlich, dass die Speicherung von Strom als Flüssigtreibstoff in den kommenden Jahren marktreif wird.»

Also schon wieder einer, der die Energieversorgung der Schweiz in einem Wolkenkuckucksheim betrachtet. Aber, sonst wäre es ja nicht die GLP, obwohl er eigentlich gegen AKW ist, hält sich Grossen auch hier alle Optionen offen: «Gegen eine neue Generation von Reaktoren, bei denen das Problem des radioaktiven Abfalls gelöst ist und die kein Sicherheitsrisiko darstellen, würde ich mich nicht wehren

Allerdings verrät er uns nicht, wie denn das Problem des radioaktiven Abfalls gelöst werden könnte.

Wir fassen zusammen: Unter einem Brüller-Titel schrumpft die «sicherere, besserer und günstigere Lösung» auf den Vorschlag zusammen, eine völlig unausgereifte Technologie mit einem Wirkungsverlust von 85 Prozent als Garantie für die zukünftige Stromversorgung der Schweiz anzubieten. Wenn’s als Satire gemeint ist, kann man das so stehenlassen.

Schon kommen wir zum nächsten Brüller:

Das ist tatsächlich ein Skandal. Was Autor Cyrill Pinto aber zu erwähnen vergisst: die SoZ gehörte zuvorderst zu den Organen, die eine allumfassende Maskenpflicht und das sofortige Anlegen von ausreichenden Reserven, von Käufen, koste es, was es wolle, lautstark befürwortete und somit die Hysterie um das Maskentragen ankurbelte. Um dann kleinlaut und kleingedruckt einzuräumen, dass deren Wirkung inzwischen allgemein und selbst von damaligen Befürwortern bezweifelt wird.

Aber auch nur ein maskierter Hauch von Selbstkritik? Niemals.

Selbst für eine Sommerloch-Ausgabe ist dann dieser Artikel schon starker Tobak:

Nichts gegen Tiere, aber: muss sich mit solchen Meldungen der Aufenthalt des SoZ-Redaktors Cyrill Pinto in Cherson amortisieren? Und hat er von dort aus, während er mit einer Hand einem Hund die Ohren kraulte, den Artikel über die Maskenvernichtung geschrieben?

Aber immerhin, das Urgestein Martin Suter löckt noch etwas gegen den Stachel und gegen die Einheitsmeinung, die von der «Süddeutschen» in die Tamedia-Organe schwappt, dass das, was Trump getan habe, dann im Fall noch viel schlimmer sei:

Wie der Skandal um den Präsidentensohn zuerst ignoriert, dann kleingeschrieben wurde und wird, kein weiteres Ruhmesblatt für den einseitigen Blasenjournalismus, auch bei der fremdbestimmten Tamedia.

Im «Fokus» (kaum ein Gefäss ist dermassen auf den Hund gekommen wie dieses) versprüht die SoZ nun etwas Sozialneid:

Da muss es doch der urbanen, grün-woken Leserschaft der SoZ glatt die vegane Butter vom Vollkornbiogipfeli blasen. Okay, der Mediensprecher von «Renovate Switzerland» sieht das vielleicht entspannter und würde sich nie vor einem Ferrari auf die Autobahn kleben. Vor allem, wenn er zuerst damit hingefahren ist.

Einsamer Lichtblick ist wie meist Peter Schneider:

Auch Rico Bandle zeigt keine Scheu vor der Gefährdung seines Arbeitsplatzes, indem er begründet und belegt nachweist, wieso jegliche Behauptung, die SVP sei noch weiter rechts als die AfD, ins Reich der Fantasie gehört, bzw. eine polemische Propagandalüge ist, ein typischer Fall von Fake News.

In der «Wirtschaft» geht’s aber gleich wieder ins Sommerloch:

Eine völlig zeitlose Geschichte, die man gestern, heute oder morgen bringen kann; Newswert null. Dass sich die EU um ein Verbot bemüht, ist ungefähr so spannend wie der Farbe an der Wand beim Trocknen zuzuschauen.

Auch das Sammelgefäss (um es nicht Abfalleimer zu nennen) «Leben & Kultur» wartet mit News auf, ohne die wir problemlos durch den Sonntag kommen:

Meiner Treu, Jeff Bezos von Amazon hat sich für teures Geld scheiden lassen und eine viel jüngere Geliebte. Dass er deswegen muskulöser und breitschultriger als auch schon rumläuft, so what, kann man nur sagen. Aber wenn man auch hier verzweifelt eine ganze Seite füllen muss, was man halt nicht nur mit einem Riesenfoto des neuen Schwarzenegger schafft …

Es bleibt dem Leser auch hier nichts erspart: «8 Tipps für Restaurants mit sommerlichem Flair und lauschigen Freisitzen». Schlimmer ist eigentlich nur, wenn Christian Seiler schnippelfreie Tipps für verantwortungslose vegane Mamis mit Kleinkind im Arm gibt.

Geht’s noch blöder? Immer:

DER Schauspieler Pine lief KÜRZLICH nicht irgendwo, sondern in Mailand BARFUSS. Wahnsinns-News. Ob er auch keine Unterhosen trug oder fluchte, als er in einen Hundehaufen trat, ist leider nicht übermittelt. Das sind die Berichte, die wir dringend brauchen, wenn wir uns beim Gähnen den Unterkiefer ausrenken wollen (he, das wäre mal ein Nutzwert-Artikel: «richtig gähnen, wir liefern die Anlässe und die Anleitung»).

Schliesslich noch «Warum manche Menschen ständig zu spät kommen». ZACKBUM hat da eine schlagende Theorie: weil sie beim Lesen der SoZ oder des Tagi weggeschnarcht sind.

Immerhin, die Auto-Seite präsentiert diesmal nicht einen 300’000-Franken-Sportwagen, sondern den Togg. Hä? Na, den «SUV Togg T10X, das erste türkische E-Auto». Immerhin merkt der Autor kritisch an: «Ob man aber bei uns ausgerechnet auf einen türkischen SUV wartet, sei mal dahingestellt.» Das muss er so säuseln, schliesslich füllt er eine Seite damit. ZACKBUM hingegen kann kurz und knapp die richtige Antwort geben: nein.

Der schönste Brüller kommt aber ganz am Schluss; Reisen. Da schimpft zunächst Chris Winteler über durchaus sinnvolle Bestandteile eines Hotelzimmers:

Wieso er zum Beispiel die Bügelvorrichtung weghaben will, erschliesst sich nicht. Entweder kann Winteler auf Spesen seine Kleidung waschen und bügeln lassen, oder er hatte noch nie einen Geschäftstermin, bei dem ein knitterfreier Anzug und ein gebügeltes Hemd durchaus minimale Höflichkeit und Achtung dem Gesprächspartner gegenüber ausdrücken.

Aber das ist noch nicht der Brüller, der kommt vorher (oder nachher, denn als Sparmassnahme wird Reisen ja auf der letzten Seite angeteasert und sollte wohl rückwärts gelesen werden). Die exotische Reiseempfehlung ist diesmal Island. Toller Ökotourismus. Der Flug dorthin dauert auch nur vier Stunden. Flug? Aber ja, das ist doch bekanntlich auch für Klimakleber kein Problem, die fliegen sogar nach Mexiko oder auf die Malediven. Da darf doch der SoZ-Leser wenigstens den Hüpfer nach Island machen. Dauert bloss vier Stunden, ein paar tausend Flugkilometer, das lässt die Gletscher auf Island doch sicher nicht schneller schmelzen.

Wir stellen die Gretchenfrage: Ist das Gebotene Fr. 6.40 wert? Sagen wir mal so: Am 6. Juli 1997 bekam man 104 Seiten für Fr. 2.80. Das war ein Seitenpreis von 2,7 Rappen. Der ist auf aktuell genau 10 Rappen hinaufgeschnellt, der Umfang auf 64 Seiten eingeschrumpft. Ist etwas mehr als die Hälfte den vierfachen Preis wert?

Das würde ja eine Verachtfachung der Qualität, des Inhalts, der komprimierten Fachkompetenz, des Nutzwerts, der Analysequalität bedeuten.

Auch da ist die Antwort einfach und klar: nein.

 

Whataboutism

Gegenfrage und Themenwechsel. Die Königsdisziplin der Betroffenen.

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Der Vergleich lag so nahe, dass ihm Simon Widmer von Tamedia nicht widerstehen konnte: «Analyse zum Titanic-.Tauchboot: die toten Migranten haben mehr Anteilnahme verdient». Ist das so? Weil sie mehr sind?

Hält Widmer einer fühllosen Gesellschaft den Spiegel vor, blicken wir in eine teilnahmslose Fratze? Auch Adrian Kreye von der «Süddeutschen Zeitung» macht sich seine Gedanken: «Über die vermutlich 500 Flüchtenden, die vor Griechenland starben, weiß man nur wenig.» Dabei sei es «das Sinnbild des herzlosen Nordens , der nicht bereit ist, die Menschen zu retten, die aus dem Süden vor Krisen wie Krieg, Klima oder Armut fliehen mussten, an denen der Norden oft Mitschuld hat».

Ähnlich sieht das auch Widmer: «Das Schicksal der superreichen Titan-Passagiere treibt viele mehr um als der Tod von Hunderten Migranten.» Interessante Beobachtungen von zwei Mitmachern. Zwei Journalisten. Über die U-Boot-Tragödie erschienen in den letzten sieben Tagen 684 Artikel. Über die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer im letzten Monat ganze 31. Also beklagen die beiden etwas, woran sie selber mitbeteiligt sind.

Denn statt zu klagen, hätten sie ja den toten Flüchtlingen im Mittelmeer mehr Aufmerksamkeit verschaffen können. Stattdessen fällen sie moralische Werturteile über etwas, woran sie selber schuld sind.

Daraus entsteht dann dieser unsägliche Whataboutism, wofür es kein adäquates deutsches Wort gibt. Diese Leiter kann man beliebig hinaufsteigen. Wieso gibt es im vergangenen Monat über 15’000 Meldungen zur Ukraine, lediglich 522 zum Sudan? Findet denn dort kein Krieg statt, mit Massakern, Verwüstungen, Flüchtlingen, Elend, Misere?

Und whatabout die 10’000 Kinder, die jeden Tag an Hunger oder leicht heilbaren Krankheiten sterben? Ein Massenmord, wie Jean Ziegler nicht müde wird zu betonen.

Und whatabout die Millionen Menschen in Armut, im Elend, die Ausgebeuteten, Erniedrigten, Geknechteten, Versklavten, die Kinderarbeiter ohne Zukunft, die Sweat Shops, wo die T-Shirts all der besorgten Gutmenschen genäht werden, die in der Schweiz jährlich ein Trinkgeld für nachhaltig hergestellte Kleider ausgeben?

Während aber Kreye sich wenigstens allgemein Gedanken über das Missverhältnis in unserer Aufnahmefähigkeit von Tragödien macht, fordert Widmer ultimativ «mehr Teilnahme». Ohne das allerdings begründen zu können. Das Problem fällt ihm selber auf, also versucht er es mit untauglichen Hilfskonstruktionen: «Vom missglückten Tauchgang des Titanic-Tauchbootes lassen sich über den Fall hinaus nur wenige Lehren ziehen.» Das mag so sein. «Beim Schiffsunglück im Mittelmeer stellt sich hingegen eine ganze Liste an juristischen, politischen und moralischen Fragen.» Auch das mag so sein.

Was für Lehren will Widmer daraus ziehen? Am Schluss wird’s absurd: «Und selbstverständlich bleibt zu hoffen, dass alle Titan-Passagiere doch noch lebend geborgen werden können. Doch dieselbe Anteilnahme haben auch die Flüchtlinge verdient, die in der vergangenen Woche ertrunken sind

Welche Anteilnahme haben nun die Flüchtlinge verdient? Die Hoffnung, dass auch sie noch lebend geborgen werden könnten? Nein, sie sind tot, wie die Besatzung des U-Boots, wie man inzwischen weiss. Anteilnahme ist nicht das Gleiche wie Lehrenziehen. Abstrakte Anteilnahme ist wohlfeil, die Forderung danach ist geradezu schäbig, wenn sie ein Journalist äussert, der Bestandteil der Erregungsbewirtschaftung um das U-Boot ist. Statt sich an seine Redaktionskollegen zu wenden, erhebt er gegenüber der Öffentlichkeit den Mahnfinger. Dabei liest und diskutiert die doch nur, was ihr Widmer, Kreye und Kollegen servieren.

Widmer ist auch schon ganz woanders. Er erklärt den Lesern die abgeschriebenen Wirren um ein Kindermädchen in Kolumbien. Statt den Schicksalen der ertrunkenen Flüchtlinge nachzugehen.

Heinrich Pestalozzi soll gesagt haben: «Wohltätigkeit ist das Ersaufen der Gerechtigkeit im Güllenloch der Gnade.» Dazu passt:

Anteilnahme ist das Ersaufen der Abhilfe im Güllenloch der Gefühlsduselei.