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Tamedia Leaks

ZACKBUM wurde der Inhalt einer Redaktionskonferenz zugespielt.

Leaks aller Orten. Dem deutschen Medienportal «Medieninsider» wurden interne Gespräche der «Süddeutschen  Zeitung» zugehalten. Mit peinlichem Inhalt, denn sie dokumentieren, wie die Chefredaktion versuchte, Plagiatsvorwürfe gegen die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid als «Kampagne» wegzubügeln. Peinlich: nachdem nun auch noch Zweifel an der Dissertation von Dr. Föderl-Schmid aufgetaucht sind, wurde sie aus dem «Tagesgeschäft» zurückgezogen. Peinlicher: die Chefredaktion veranlasste eine Bespitzelung der eigenen Redaktion und durchkämmte Mail- und Telefondaten, um den Maulwurf zu enttarnen – vergeblich. Auch das kam ans Licht der Öffentlichkeit.

Das Qualitätsmedienhaus Tamedia übernimmt bekanntlich gröbere Teile seines Contents aus München. Allerdings nicht diesen. Das gab innerhalb der Redaktion zu reden; wieso jeder Münchner Furz seinen Weg in Tagi und SoZ finde, aber so ein Skandal mit keinem Wort erwähnt werde. Im besten Sinne der Solidarität mit den Kollegen Redaktoren von der SZ wurde auch ZACKBUM der Inhalt einer Redaktionskonferenz im Glashaus an der Werdstrasse zugespielt.

Wir hoffen, dass sich aus einer auszugsweisen Wiedergabe keine zweite Spitzelaffäre entwickelt, das wäre dann doch zu peinlich. Zum Schutz der Sprecher wurden einige Namen anonymisiert.

Wir steigen gleich in die interessante Passage ein:

Tagesleitung: Wir gehen dann zur Seitenplanung über.
Redaktor X: Moment, ich hätte gerne eine Antwort auf meine Frage, ob wir den Bespitzelungs-Skandal bei der SZ nicht aufnehmen.
Chefredaktor Ressort Zürich: Also ich bin da mal raus, das ist sicher kein Zürcher Thema.
Mario Stäuble: Gilt auch für mich, kein Schweizer Thema.
Ueli Kägi, Leitung Sport: Schliesse mich an; man könnte vielleicht eine gelbrote Karte geben.
Kerstin Hasse: Ich fordere eine absolute Gleichberechtigung. Und hat jemand mein Smoothie gesehen?
Allgemeines Schweigen.
Newschef: Also ist das wirklich eine News? Die Faktenlage ist noch nicht ganz klar. Vielleicht sollten wir das Ergebnis der Untersuchung abwarten.
Redaktor Y: Ich finde schon, dass das ein Thema ist. Was sagt denn das Recherchedesk dazu? Da werden doch ständig geleakte Papers veröffentlicht.
Oliver Zihlmann: Das ist nun ein absurder Vergleich.
Christian Brönnimann: Apropos, wir arbeiten gerade seit Monaten an dem nächsten Skandal, der dann keiner wird. Da haben wir sowieso keine freien Kapazitäten.
Redaktor Z: Könnten wir vielleicht mal eine klare Antwort bekommen, machen wir da was oder nicht?
Kerstin Hasse: Oh, ich habe drei Likes für mein neustes Liftfoto bekommen.
Allgemeines Schweigen.
Chefredaktorin Raphaela Birrer: Das bleibt jetzt unter uns. Ich habe gerade mit Judith, also Judith Wittwer, gesprochen. Die hat mir erklärt, dass das eine ganz üble Kampagne rechter Kreise gegen die SZ sei. Ich glaube nicht, dass wir da Schützenhilfe leisten sollten.
Redaktor X: Aber die SZ hat doch selbst öffentlich Stellung genommen. Alleine aus Transparenzgründen sollten wir …
Stv. Chefredaktor Adrian Zurbriggen: Wenn ich da auch etwas einbringen darf, ich bin der Ansicht ...
Birrer: Das interessiert hier nicht wirklich. Wir sollten auch langsam voranmachen, es kommen noch jede Menge Koordinierungssitzungen mit den anderen Kopfblättern.
Tagesleitung und Planungschefin im Chor: Genau, Zürich, Bern, Basel, Ihr wisst doch, wie das ist. Riesenpuff wieder.
Redaktor Y: Ich finde, zur Bespitzelung sollte es eine Stellungnahme der Chefredaktion geben. Wenn vielleicht Arthur dazu etwas schreiben …
Arthur Rutishauser: Ich? Immer ich? Nein, danke, bis nächsten Sonntag ist das sicher schon vorbei.
Adrian Zurbriggen, Matthias Chapman im Chor: Also wir nicht, das würde der Sache auch viel zu viel Gewicht geben; vielleicht könnte man aber ein Digital Storytelling draus machen …
Hasse: Ich bin völlig ausgelastet, ich habe noch nie so viel gearbeitet, so sorry, Boys, ausserdem bin ich ab morgen im Wellnessurlaub.
Redaktor Z: Einfach ein Ja oder ein Nein, ich wäre für ein Ja.
Birrer: Also Judith und ich finden nein, Ende der Debatte.
Unverständliches Gemurmel.

Hier endet das Typoskript.

Muss ZACKBUM extra darauf hinweisen, dass es sich selbstverständlich um eine Satire handelt, alle Zitate frei erfunden sind und das Dargestellte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Redaktionsalltag eines Qualitätsmediums hat?

Spitzel-Süddeutsche

Und was sagt Tamedia zum Skandal?

Tamedia ist dauererregt, wenn es um Überwachung oder Bespitzelung in Unrechtsstaaten geht. China, Russland, furchtbar.

Wenn die Kollegen von der «Süddeutschen Zeitung» bespitzelt werden? Skandal! Skandal? Kein Skandal. Denn sie wurden von der eigenen Redaktionsleitung ausgeforscht.

Oder wie nicht nur der «Spiegel» hämisch berichtet: «Die Chefredaktion der »Süddeutschen Zeitung« hat E-Mails und Telefonverbindungen ihrer Mitarbeiter nach Kontakten zum Branchendienst »Medieninsider« durchsuchen lassen, nachdem Informationen aus einer internen Redaktionskonferenz von diesem veröffentlicht worden waren.»

Worum geht’s? Nun, die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid steht im Plagiatsverdacht. Die Vielschreiberin aus Österreich haut gerne dem deutschen Bundeskanzler Scholz eins über die Rübe und weiss – gut eingewöhnt in Deutschland – sowieso alles besser.

Nun räumte die Chefredaktion der SZ intern ein, dass die Dame mit dem lustigen Doppelnamen tatsächlich einen «fehlerhaften Umgang» mit fremden Textstellen pflege. Das ist nun oberpeinlich, weil die ja wohl doch Vorbild sein sollte. Allerdings war der Chefreddaktor Wolfgang Krach schnell mit der Behauptung zur Stelle, es handle sich hier um – was sonst – eine «Kampagne» gegen die SZ. Das Allerweltsschlagwort, wenn einem nichts Besseres einfällt.

Nun hat ein deutsches Pendant zu ZACKBUM namens «Medieninsider» diese Affäre ans Licht gebracht. Und die haltlosen Behauptungen des Chefredaktors. Das fand nun die SZ überhaupt nicht lustig. Nein, nicht das Fehlverhalten von Föderl-Schmid, auch nicht den schwachen Auftritt von Krach. Sondern: Wer war das? Wer hat diese Interna an den «Medieninsider» durchgestochen?

Hier sei «das Herz einer Redaktion abgehört» worden, fabulierte die SZ weiter, und «das können wir nicht hinnehmen», polterte Krach und macht die Sache noch schlimmer. Denn es wurde nicht abgehört, es wurde schlichtweg ein Vorgang, der den Leser der SZ interessieren sollte, ans Licht der Öffentlichkeit gebracht.

Aber nun wird’s aschgrau. Was macht die Chefreaktion der SZ? Sie hat doch tatsächlich Telefon- und Maildaten ihrer Mitarbeiter durchsucht. Das ist nun nicht unbedingt illegal, wenn das in den Anstellungsverträgen ausbedungen wird. Denn der Verlag ist der Besitzer dieser Kommunikationsmittel.

«Redaktionsausschuss, Betriebsrat und Chefredaktion sind sich einig, dass der Schutz des Redaktionsgeheimnisses für unsere Arbeit unabdingbar ist. Deshalb steht es für uns außer Frage, dass wir Kolleginnen und Kollegen, die das Redaktionsgeheimnis verletzen, versuchen ausfindig zu machen.»

Das ist schon mal schräg, wenn man bedenkt, dass die SZ schon x-mal zu diesen internationalen Konsortien gehörte, die gestohlene Geschäftsunterlagen als Hehlerware merkantilisierten und zu «Leaks» und «Papers» umlogen. Da ist’s erlaubt im Sinne der Aufdeckung, aber im eigenen Hause? Pfuibäh.

Dann wird’s noch ganz schräg:

«Die ›Süddeutsche Zeitung‹ toleriert keinerlei Angriff auf den Schutz der Pressefreiheit, weder von außen noch von innen.»

Es soll ein Angriff sein, wenn ein Medienorgan darüber berichtet, wie die Kritik an einem Fehlverhalten eines Mitglieds der Chefredaktion intern abgebügelt wird?

Aber das Sahnehäubchen ist: auch diese Bespitzelungsaktion wurde an «Medieninsider» berichtet. Die SZ ist nicht ganz dicht. Schlechte Nachricht für alle, die sich mit einer vertraulichen Information unter Quellenschutz an das Organ wenden wollen.

Inzwischen sind noch weitere Vorwürfe gegen Dr. Föderl-Schmid erhoben worden. Sie habe möglicherweise auch bei ihrer Dissertation nicht sauber gearbeitet. Als Konsequenz hat sie sich (bzw. wurde sie) «aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen», was immer das bedeuten mag. Von einer «Kampagne» ist offenbar nicht mehr die Rede.

Ach, was hat das mit der Schweiz zu tun? Na, der Qualitätsmedienkonzern Tamedia übernimmt bekanntlich grosse Teile seines Inhalts aus München. Ausland, Wirtschaft, Kultur, usw. Immerhin erspart das häufige Auftritte von Nora Zukker. Aber sonst? Erspart das dem Schweizer Leser nichts, wenn er gezwungen wird, die Welt durch deutsche Augen zu sehen.

Nun stellt sich noch heraus, wie es so intern beim Qualitätsorgan in München zugeht. Wie sich die Chefredaktion einigelt, wird einer der ihren kritisiert. Und wie die Chefredaktion sich nicht scheut, die eigenen Mitarbeiter zu bespitzeln.

Ein Doppelschlag ins Wasser. Der «Maulwurf» wurde nicht gefunden, auch die peinliche Aktion kam ans Tageslicht. Und der Tagi? Das «Recherchedesk»? Wo bleiben Brönnimann oder Zihlmann? Wo bleibt die harsche Kritik? Wo bleibt die Winzmeldung? Ist das wieder peinlich …

Mein Gott, Walter, Part II

ZACKBUM ist abgehärtet. Aber nicht so.

Zum Thema Abservieren eines Mitarbeiters, der insgesamt 27 Jahre für Tamedia gearbeitet hat, davon viele Jahre als Ressortleiter, gibt es deshalb einen Nachtrag.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass der Mann 63 Jahre alt ist. Das bedeutet, dass er schlichtweg keine Chance hat, als Wissenschaftsjournalist nochmals eine Festanstellung zu finden. Die Tx Group macht einen Jahresumsatz von fast einer Milliarde Franken. Durch die Zusammenlegung der Verkaufsplattformen mit Ringier ist ein Sonderprofit in Milliardenhöhe entstanden. Dafür gab es dann für den geldgierigen Coninx-Clan eine Sonderdividende, zur normalen hinzu.

Im VR und auf der Teppichetage sitzen jede Menge Auslaufmodelle, die nichts zur Entwicklung des Geschäfts beitragen. Der Digital-Oberjehudi hat in seinem ganzen Leben noch nichts Nennenswertes gebacken gekriegt; ob er als Digital Native in seinem Alter durchgehen kann, ist dann doch schwer die Frage.

Es würde zu den primitivsten Regeln des Anstands gehören, den 63-jährigen Nik Walter wenigstens bis zu seiner Frühpensionierung weiterzubeschäftigen. Das wäre auch sein Wunsch gewesen, wie er persoenlich.com sagt: «Für mich war eigentlich immer klar, dass ich bis zu meiner Pensionierung im Sommer 2025 weiterarbeiten will». Aber aus Rücksicht auf jüngere Kollegen sei er halt über die Klinge gesprungen.

Das Haus hat in letzter Zeit (Stichwort Aurora) mit so vielen Projekten Geld in den Sand gesetzt, dass ein ehrenhafter Ausklang eines Arbeitslebens doch durchaus drinneläge. Vielleicht müssten dann die goldenen Wasserhahnen in der Villa, der Ankauf des neusten Richter, die Neumöblierung der Yacht einen Moment zurückgestellt werden. Im schlimmsten aller Fälle.

Auf jeden Fall wäre das, im Gegensatz zu vielem anderen, aber wir wollen ausnahmsweise keine Namen nennen, kein rausgeschmissenes Geld, denn Walter würde – wie in den 27 Jahren zuvor – weiterhin grundsolide Arbeit abliefern.

Und nein, ZACKBUM ist mit ihm weder verwandt, noch verschwägert, noch sonderlich befreundet. Es ist einfach so, dass in der Berichterstattung über die üblichen Sauereien in den Medien manchmal auch eine ganz spezielle aufpoppt, die dann für leicht ungeordnete Verhältnisse beim Adrenalinspiegel sorgt.

Dieser Rausschmiss in seiner bodenlosen Unanständigkeit ist so eine bodenlose Sauerei.

Wumms: Fabienne Riklin

Ein Bärendienst für die ukrainischen Flüchtlinge.

Tamedia-Redaktorin Riklin will den Geflüchteten eine Stimme geben. Also erteilt sie Olena Andreyeva in Tamedia das Wort. Was meint die dazu, dass ein Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj die Flüchtlinge aufgefordert hat, in ihr Land zurückzukehren?

Vielleicht ist Riklin auch ein ausgekochtes Luder, denn zunächst einmal stellt sie im Artikel klar, dass die 66’000 Ukrainer in der Schweiz pro Jahr eine runde Milliarde kosten und das vor allem deswegen, weil nur 21 Prozent von ihnen im erwerbsfähigen Alter einen Job haben.

Andreyeva studierte Germanistik in der Ukraine, unterrichtete dort an einer Privatschule und kam 2022 in die Schweiz, wo sie «bis letzten Herbst» auch unterrichtete. Also zurzeit arbeitslos ist. Sie findet die Idee des Beraters Leschtschenko überhaupt nicht toll. Auf die geht sie gar nicht erst ein, stattdessen geht sie auf die Person los. Er werde «niemals das Schicksal der Flüchtlinge verstehen, da er nie seinen Job, sein Einkommen oder sein Zuhause verloren hat». Zudem sei er schon unter dem damaligen Präsidenten Poroschenko Grossverdiener gewesen und sitze im Aufsichtsrat der «korruptionsanfälligen Eisenbahngesellschaft Ukrzaliznytsia». Also ein typischer ukrainischer Politiker.

Der behaupte doch, es sei sicher in Kiew. «Vielleicht in seiner Wohnung, aber sicher nicht dort, wo die breite Bevölkerung wohnt.» Sie selbst könne sich «nicht vorstellen, in nächster Zeit in die Ukraine zurückzukehren. Meine Familie ist darauf angewiesen, dass ich einen guten Lohn verdiene und sie von hier aus unterstützen kann.»

Fazit: wieso genau sie geflüchtet ist, weiss man nicht. Ob sie etwas Materielles verloren hat oder ihre Stelle in der Ukraine, man weiss es auch nicht. Dass es in Kiew nicht sicher sei, behauptet sie bloss. Statt inhaltlich auf den Berater einzugehen, der den Verlust vieler Menschen für die ukrainische Wirtschaft befürchtet, denunziert sie ihn als typischen korrupten Politiker. Es störte sie aber bis 2022 nicht, in einem solchen Staat zu leben.

Und am Schluss sagt sie ganz offen, worum es geht. Sie müsse ihre Familie in der Ukraine unterstützen, natürlich von der Schweiz aus, denn die Gehälter in der Ukraine sind viel niedriger. Also brauche sie «einen guten Lohn», obwohl sie trotz besten Deutschkenntnissen und Qualifikationen arbeitslos ist.

Soll mit diesem Beitrag Verständnis für das Schicksal geflüchteter Ukrainer geschaffen werden – oder will Riklin sie in die Pfanne hauen, indem sie sie sich frisch von der Leber weg ins Elend reden lässt?

Man weiss es nicht, vermutet aber im Zweifel für die Angeklagte, dass Riklin den Beitrag als völkerverbindend meint.

Mein Gott, Walter

Weiter im Rausschmeissen zur Qualitätssteigerung.

Traurig. So «enden gut 27 Jahre als Wissenschaftsredaktor bei «SonntagsZeitung» und «Tages-Anzeiger». Mit der wohlverdienten Pensionierung? Nein, das endet «nicht ganz freiwillig», gibt Nik Walter bekannt. Mit anderen Worten: man hat ihn eingespart.

Der Mann hat über viele Jahre völlig rumpelfrei Das «Wissen»-Ressort der SoZ geleitet. Zuzeiten von Corona ist er zwar etwas aus der Spur geraten, aber ein kleiner Aussetzer sei in 27 Jahren verziehen. Während die NZZaS mit ihrem Wissensbund brilliert (aktuell Interessantes über KI; ZACKBUM konnte übrigens 5 der 8 Quizfragen beantworten und möchte daher RI genannt werden; reale Intelligenz), hat Tamedia zuerst den eigenen Bund eingestellt und dabei Walter als Ressortleiter gekübelt und ins Glied zurückversetzt.

Lässt sich auch nicht jeder gefallen, aber Walter ist ein braver Mitarbeiter, der keinen Konflikt sucht. Nach dieser Degradierung nun das Aus; Walter muss seine Brötchen als freier Autor verdienen.

Das wäre an und für sich schon stossend. Extrem stimmungssteigernd wird es dadurch, dass es andererseits Redaktorinnen gibt, die sogar – weil ohne Glied – Mitglied in Führungsgremien sind, wo sie – ausser durch Selbstbeweihräucherung und Klagen über unmenschliche Belastungen – durch schlichtweg nichts auffallen. Ausser vielleicht durch viele Selfies, bei denen unablässig etwas verzehrt wird oder die eigene Kleidung bewundert oder Feriengrüsse versandt werden, während Tamedia das grosse Rausschmeissen ankündigte.

Der Laden tut wirklich alles dafür, die Stimmung unter den Überlebenden zum Siedepunkt zu heizen. Allerdings traut sich natürlich niemand, ein böses Wort zu verlieren. Denn wenn es so untadelige Mitarbeiter wie Walter trifft, kann es jeden treffen. Besonders gefährdet sind dabei, genau, Pimmelträger.

Alles eine Frage der Effizienz

Heute wird es voll betriebswirtschaftlich. Eine Analyse des Stellenabbaus bei den Medienhäusern.

Von Kurt W. Zimmermann*

Die Frage war nur noch: Sagen wir es unseren Mitarbeitern vor Weihnachten, oder warten wir aus Pietät etwas zu?

TX Group, die frühere Tamedia, und CH Media sagten es ohne Umschweife: 85 und 150 Stellen werden hier abgebaut. Ringier wartete bis nach Neujahr, um den Abbau von 75 Stellen zu kommunizieren.

310 Stellen weniger in den drei grössten Verlagen der Schweiz. Es ist, in der Kombination, die bisher grösste Sparübung der Branche. Bei Stellenabbau ist das entscheidende Kriterium, wie sich der Umsatz pro Mitarbeiter entwickelt hat. Zu diesem Kriterium der Effizienz kommt man in drei Schritten.

Betrachten wir im ersten Schritt, wie sich die Mitarbeiterzahl (MA) bei den führenden Verlagen Ringier Schweiz, TX Group, CH Media und NZZ-Gruppe seit 2017 entwickelt hat, wobei wir bei CH Media jeweils die Zahlen von 2018 heranziehen, weil die Firma erst dann gegründet wurde. Zum Abgleich stellen wir die öffentliche SRG daneben.

Mitarbeiterzahl (MA)

2017 2022 +/–

Ringier CH 3006 2358 – 22 %

TX Group 3261 3380 + 4 %

CH Media 2000 1800 – 10 %

NZZ-Medien 800 821 + 3 %

SRG 4975 5518 + 11 %

Interessant ist der Fall Ringier Schweiz, also ohne die Aktivitäten in Osteuropa. Ringier hat hier in kurzer Zeit 650 Stellen abgebaut. CEO Marc Walder hat einen vorzüglichen Job gemacht und dies geschafft, ohne dass die Schnitte in Öffentlichkeit und Medien ein Thema geworden wären.

Auch bei CH Media fiel die Mitarbeiterzahl. Die Firma entstand aus der Fusion der AZ Medien mit den Regionalmedien der NZZ und beseitigte Doppelspurigkeiten.

Die TX Group und ihr Chef Pietro Supino andererseits, die als Sparteufel gelten, haben an Mitarbeitern zugelegt, unter anderem durch den Kauf der Basler Zeitung.

Und natürlich ist der Personalbestand bei der SRG seit 2017 explodiert, wenig erstaunlich, wenn die Kosten vom Steuerzahler gedeckt werden.

Betrachten wir im zweiten Schritt nun, wie sich die Umsätze der Medienunternehmen entwickelt haben.

Ertrag (in Mio. Fr.)

2017 2022 +/–

Ringier CH 798 643 – 19 %

TX Group 974 925 – 5 %

CH Media 448 430 – 4 %

NZZ-Medien 213 247 + 16 %

SRG 1595 1549 – 3 %

Fast alle Medienunternehmen verzeichnen sinkende Erträge, am meisten bei Ringier. Es ist überall die Folge des gesunkenen Werbevolumens. Ausnahme ist die NZZ . Sie setzt auf das Geschäftsmodell Publizistik und dadurch auf Einnahmen aus dem Lesermarkt. Das macht sie weniger abhängig vom Anzeigengeschäft.

Im dritten Schritt ergibt sich nun der Umsatz pro Mitarbeiter. Es ist die Kennzahl für die Effizienz eines Unternehmens.

Umsatz pro MA (in Fr.) 2017 2022 +/-

Ringier CH 265 000 273 000 + 8000

TX Group 304 000 274 000 – 30 000

CH Media 224 000 239 000 + 15 000

NZZ-Medien 266 000 301 000 + 45 000

SRG 320 000 280 000 – 40 000

Auffallend ist zuerst einmal, wie ineffizient die TX Group geworden ist. Ein Sparprogramm von Tages-Anzeiger bis 20 Minuten ist darum unausweichlich.

Unproduktiv ist im Vergleich besonders die CH Media. Sie ist es auch darum, weil sie über zwanzig Radio- und TV-Sender betreibt, wo die Margen schlecht sind. Generell sind die Kosten zu hoch, darum ist es folgerichtig, dass CEO Michael Wanner einen harten Personalabbau durchzieht.

Deutlich besser präsentiert sich die NZZ-Gruppe unter ihrem CEO Felix Graf. Auch hier wird zwar immer mal die eine oder andere Stelle eingespart, aber man kann das dank einer imposanten Effizienzsteigerung ziemlich locker nehmen.

Als Schlusspointe bleibt die SRG. Ihr Umsatz pro Mitarbeiter ist im freien Fall, weil immer mehr Angestellte das immergleiche Angebot produzieren. Es ist ein Absturz an Effizienz. Aber das scheint SRG-Chef Gilles Marchand egal zu sein.

Effizienz im freien Fall: Immer mehr Angestellte produzieren bei der SRG das immergleiche Angebot.

*Die Kolumne erschien zuerst in der «Weltwoche» Nr. 3/24. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Tagi kann nix

Wie obrigkeitshörig soll’s denn sein?

Der Berner Regierungspräsident und Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) rechnete unter dem Vermerk «Verpflegung» oder «Znüni» ein Bio-Mehrkornbrötli für 95 Rappen ab, eine Banane für 20 Rappen oder ein «Laugenbrezeli mit Butter» für 3.20 Franken. Auch einen Adventskranz über 183 Franken zu «Repräsentationszwecken» verbuchte Müller über die Spesen.

Das ist zwar kein Skandal, aber jämmerlich, knausrig und zeigt einen kleinkarierten Geiz, der an den staatsmännischen Fähigkeiten von Müller zweifeln lässt.

Nun könnte man die Enthüllung vom «Kassensturz» noch etwas vertiefen oder ausweiten. Genügend (noch) beschäftigte Journalisten gäbe es doch.

Stattdessen entblödet sich Tamedia nicht, eine SDA-Tickermeldung ins Blatt zu heben, in der sich der Regierungsrat unwidersprochen mit absurden Behauptungen zur Wehr setzen darf: «Er selber habe nie solche Kleinspesen verrechnet. Aber es gebe diese Spesenbelege – und «wie sie genau in die Spesenbuchhaltung kamen, weiss man nicht». Er übernehme dafür selbstverständlich die Verantwortung – «es war mein Fehler, weil es in meinem Bereich stattfand.»»

Tja, wie kamen denn nun die Pipifaxspesenbelege in die Buchhaltung? Müller behauptet, er selbst habe «nie einen einzigen Spesenzettel für Kleinstspesen abgeliefert». Also hat sie ihm ein übereifriger Mitarbeiter aus dem Portemonnaie gezogen und hinter seinem Rücken abgeliefert? Und als Müller dieser Pipifax erstattet wurde, hat er sich nicht gefragt, was das soll?

Aber nicht nur Müller, auch seine Partei kennt nix. So berichtet SDA und Tamedia übernimmt: «An der Mitgliederversammlung der Stadtpartei gab es zu der Angelegenheit nur eine Wortmeldung: Eine Freisinnige bezeichnete die Medienberichte als «bodenlose Frechheit von Presse, Journalisten und ‹Kassensturz›». Die Frage sei, was man gegen die Leute unternehme, die solches verbreiteten.»

Müller soll staatsmännisch geantwortet haben, dass man das «am Mittwoch in der Regierung» anschaue.

War es bis hierhin nur eine Schmonzette über einen peinlich-geizigen Pünktlischiisser, der ohne jedes Schamgefühl selbst Rappenbeträge vergütet bekommt, wird es hier zu einem Politskandal. Die Rüpelei der Freisinnigen, die aufgeblasene Antwort Müllers, die sei von den FDP-Mitgliedern «mit spontanem Applaus» quittiert worden.

20 Rappen für ein Banane als Spesen einreichen und zurückbekommen. Das ist peinlich.

Behaupten, man könne sich das nicht erklären und habe selber sicher nicht so einen Beleg eingereicht, das könnte für einen Rücktritt reichen, wenn es sich als Unwahrheit herausstellt. Aber dass Parteidelegierte dann nicht ihrem Exponenten die Kappe waschen, sondern die Enthüllung bedenklichen Verhaltens als «bodenlose Frechheit» beschimpfen, das ist mehr als bedenklich. Was meinen diese abgehobenen FDPler eigentlich?

Wohlgemerkt bekommen Müller und seine Miträte zusätzlich zu ihrem üppigen Gehalt noch eine Spesenpauschale von 8000 Franken im Jahr. Müller als Präsident nochmals 6000 Franken obendrauf. Aber selbst die 2000 Franken den Feier-Apero dafür rechnete er separat ab. Dazu kommen Dutzende solcher Kleckerbeträge der Regierungsräte und Tausende von Franken Bewirtungskosten, die eigentlich in diesen Pauschalen abgedeckt sein sollten, aber dennoch separat eingereicht wurden. Was die Frage erhebt, wie und wofür sie denn die 8000, bzw. 14’000 Franken eigentlich ausgeben.

Wird man bei etwas so Peinlichem erwischt und steht mit offenem Hosenschlitz im Scheinwerferlicht, dann sollte man den Anstand haben, rot anzulaufen, sich zu schämen und um Verzeihung zu bitten. Stattdessen schaue man sich an, was man gegen eine solche Berichterstattung unternehmen könne? Und Tamedia bringt diesen Unfug kommentarlos, anstatt tiefer zu bohren?

Sackschwach, peinlich. Für alle Beteiligten.

Da waren’s nur noch zwei …

Herber Rückschlag für alle Trump-Hasser. Dritte Strophe Pfeifen im Wald.

Die sich abzeichnende Wahl zwischen Joe Biden und Donald Trump ist wie zwischen Pest und Cholera. Ein seniler Greis gegen einen Amok-Greis. Da können sich Spin Doctors und Schönschreiber, Warner vor dem einen oder dem anderen, Fans und Anhänger noch so Mühe geben: es ist ein Graus. Womit wir wohl 90 Prozent der ZACKBUM-Leser gegen uns aufgebracht hätten.

Das Schlimmste in diesem Mainstream, der zwar gelegentlich Kritisches über Biden sagt, aber bei der Erwähnung von Trump regelmässig in unkontrollierte Schübe und Zuckungen gerät, ist das verzweifelte Pfeifen im Wald.

Die Vorwahlen bei den Republikanern haben begonnen, Trump hat einen Erdrutschsieg eingefahren. Mehr als die Hälfte aller Delegiertenstimmen bekommen, seine beiden Mitbewerber deklassiert, die zusammen nicht mal ansatzweise auf seine Prozentzahl kamen.

Natürlich, das ist der erste Caucus von vielen, ein kleiner Bundesstaat, dann war noch Schnee und Eis. Aber wenn man Trump etwas lassen muss, dann seine Fähigkeit, eine richtig tolle US-Show abzuziehen. Und zu wissen, dass sein Stern so hell strahlt, dass er nicht mal an TV-Debatten mit seinen Konkurrenten teilnimmt – weil nur die davon profitieren könnten, etwas von seinem Ruhm abzukriegen.

Nun ist es aber noch dramatischer, als alle Unken vorhersagten. Die nun ungeniert ihre früheren Prognosen in die Tonne treten. So titelt srf.ch angewidert: «Die Bruchlandung des vermeintlichen Überfliegers der Republikaner». Neutraler formuliert für einmal sogar «watson»: «Ron DeSantis steigt aus dem Rennen um US-Präsidentschaft aus».

Dabei hatte ihn Grossanalyst Constantin Seibt von der «Republik» schon zur Zukunft des Faschismus hochgeschrieben, was mit einer selten demagogischen Illustration eines Teufels in Menschengestalt untermalt wurde. Und nun das.

So hetzt das Gutmenschenblatt «Republik».

Wie geht denn damit der Grossanalyst Peter Burghardt um, der sich in Iowa Arsch und Finger abfror und die Leser der «Süddeutschen Zeitung» und Tamedia mit seinem Geschwurbel belästigte? Als hätte er ihn (und die einzig verbliebene Kandidatin) nicht kurz zuvor noch als Hoffnungsschimmer gelobt, behauptet er nun: «Jetzt ist also auch die Tournee des Ron DeSantis vorbei, wen mag das noch wundern.». Na, einen Burghardt zum Beispiel, aber das möchte er nicht zugeben.

Fantasierte Burghardt noch vor Kurzem, dass Nikki Haley noch lange nicht verloren, vielleicht sogar noch eine Chance habe, Präsidentschaftskandidatin zu werden, ist es nun plötzlich für ihn klar: «es müssten wirklich außergewöhnliche Umstände eintreten, wenn Trump beim Parteikongress im Juli in Wisconsin nicht mit Pauken und Trompeten zum offiziellen Bewerber der Republikaner ernannt würde.»

Aber die Hoffnung stirbt auch bei Burghardt zuletzt: «Nun ist nur noch Nikki Haley als halbwegs ernsthafte Widersacherin Trumps im Rennen.» Halbwegs ernsthaft, das ist natürlich bitter.

Allerdings: eigentlich müsste diese Festlegung Burghardts eingefleischte Trump-Fans beunruhigen. Denn bislang ist der Mann immer falsch gelegen mit seinen Prognosen …

Der Wurmfänger

Leider ist es in der Schweiz einsam um Erik Gujer.

Natürlich, schon wieder. Aber ZACKBUM kann auch nichts dafür, dass die anderen Chefredaktoren grosser Massenmedien nichts oder nur Unwichtiges oder gar Unsinniges zu sagen haben. Schlichtweg Belangloses.

Der Chefredaktor und Geschäftsführer der NZZ, God Almighty, solange er auch wirtschaftlich mit seiner Expansion nach Deutschland Erfolg hat, nimmt sich jede Woche die Mühe, mit scharfem Blick Deutschland zu sezieren.

Die Ergebnisse seiner Autopsien sind lesens- und bedenkenswert. Daher müssen sie gelobt werden, weil sie unter Artenschutz im Schweizer Journalismus stehen.

«Früher herrschte Neid auf die teutonischen Streber mit ihren Exporterfolgen und gesunden Staatsfinanzen. Heute geht die Furcht um, das Land ziehe seine engsten Partner nach unten

Rezession im Jahr 2023, eine dysfunktionale Regierungskoalition mit einem führungsschwachen Chef, der schlimmer als weiland Helmut Kohl die Probleme auszusitzen versucht. Aber ohne dessen Fortune.

Dazu schreiender Wahnsinn im Sozialstaat. Das sogenannte «Bürgergeld», der Euphemismus für die frühere Sozialhilfe, wurde in lediglich zwei Jahren um 25 Prozent angehoben. Völlig irre, denn während Deutschland gleichzeitig Arbeitskräfte fehlen, sinkt so der Anreiz, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, für Niedrigverdiener gegen null.

Der Staat als mit Abstand wichtigster Player in der Wirtschaft – er kontrolliert mehr als 50 Prozent des BIP und ist monströs wachsender Arbeitgeber – versagt bei seinen Kernaufgaben. Infrastruktur, Energieversorgung, Bildungssystem, schlanke Rahmenbedingungen für Unternehmertum schaffen – alles liegt im Argen.

Wie immer bei staatlichen Leistungen ist deren Verringerung ein Ding der Unmöglichkeit. Jede Anspruchsgruppe pocht auf ihre errungenen Privilegien, Stichwort Bauernprotest. Gnadenloses Urteil von Gujer: «Deutschland ist derzeit eine Ansammlung von griesgrämigen Sauertöpfen.»

Die Wirtschaft ist natürlich die Basis für politische Fehlentwicklungen: «Nur in der Bundesrepublik misslingt, was sonst in Europa halbwegs funktioniert: die Inklusion rechter Protestparteien in das politische System. Die AfD wird mit deutscher Gründlichkeit ausgegrenzt

Schlimmer noch, auf die Frustration der Stimmbüregr über das jämmerliche Schalten und Walten der Regierung und der Altparteien, reagiert der Staat und seine Machthaber mit Rundumschlägen gegen angeblich «rechtstextrem unterwanderten Bauern», von einer Bewegung, natürlich die AfD, die den Staat delegitimieren will, dabei besorgt er das selbst: «Wäre es nicht so trist, könnte man darüber lachen: Ausgerechnet die Regierung, die allenthalben vor Verschwörungstheorien warnt, verbreitet selbst Schauermärchen.»

So wird ein konspiratives Treffen von ein paar verpeilten Rechtsexttremen zu einer Art neuem Reichsparteitag aufgepumpt, wo der Umsturz geplant, zumindest angedacht werde. Wo die SPD sogar unter die 5-Prozent-Hürde zu fallen droht, denkt sie laut über ein Verbot der AfD nach. Deren Gottseibeiuns Björn Höcke soll das aktive und passive Wahlrecht entzogen werden. Als ob das das richtige Vorgehen gegen einen nationalistisch angebräunten Zeusler und Brandstifter wäre.

Eigentlich müsste alleine er schon die AfD unwählbar machen. Dass sie in Umfragen vor allem im Osten von Triumph zu Triumph eilt, ist nicht ihr Verdienst, sondern die Folge des unfähigen Regierungshandelns. Oder wie das Gujer formuliert: «Zu den Aufgaben einer Regierung gehört es, in anstrengenden Zeiten Lösungen aufzuzeigen und Zuversicht zu verbreiten. Hierbei versagen der maulfaule Kanzler und seine zerstrittenen Partner.» 

Man kann über diese Einschätzungen geteilter oder konträrer Meinung sein. Vielleicht ist Gujer sogar nicht der intellektuelle Überflieger in der Schweiz. Wäre es nicht so trist, könnte man darüber lachen. Zur Überfigur wird Gujer, weil seine Konkurrenz dermassen schwach abstinkt. Schreibt bei Tamedia, CH Media oder gar dem «Blick» einer ein Editorial oder einen Leitartikel, dann fliegt der so tief, dass er an jeder Bordsteinkante zerschellt. Sein Inhalt ist so flach, dass sich sogar Hühner vor Lachen am Boden wälzen. Der intellektuelle Gehalt ist nicht mal unter einem Elektronenmikroskop sichtbar.

Da wirkt Gujer natürlich riesenhaft, obwohl er vielleicht nur ein Scheinriese ist.

Journalismus schafft sich ab

Das kann kein Geschäftsmodell mehr sein.

Journalisten opinieren, räsonieren, analysieren, schätzen ein, meinen, fordern, wissen es besser. Das ist zwar manchmal mühsam, aber erlaubt.

Journalisten spielen sich als als Genderpäpstinnen wie Andreas Tobler, als Konzernbüttel wie Philipp Loser, als Kriegsgurgeln wie Georg Häsler, als Panikkreischen wie Marc Brupbacher oder als Stimme der Gutmenschen wie Reza Rafi auf. Das ist manchmal unerträglich, aber Ausschuss wird überall produziert.

Journalisten kreieren Narrative und Framings. Sie bestehen darauf, dass Donald Trumps Konkurrenten durchaus noch intakte Chancen hätten, genügend Delegiertenstimmen zu sammeln, um Kandidat der Republikaner in den Präsidentschaftswahlen zu werden. Damit wiederholen sie ihre Fehler bei den vorletzten Wahlen: am Schluss erklären zu müssen, wieso sie krachend danebenlagen. Journalisten sind nicht sehr lernfähig. Das ist extrem dumm. Dummheit existiert überall und ist bekanntlich lernbar.

Aber es gibt einen heiligen Gral im Journalismus, an dem man sich nur dann vergreift, wenn man sich abschaffen will. Es handelt sich um ein Einverständnis zwischen Journalist und Leser, das nicht mutwillig oder fahrlässig missbraucht werden darf.

Die einstmals auflagemässig grösste Zeitung der Welt hat dieses Prinzip sogar zu ihrem Titel gemacht. «Prawda», Wahrheit. Sie hatte versprochen, ihren Lesern nur die Wahrheit zu erzählen. Lenin und Trotzki kamen unabhängig voneinander auf die Idee, eine solche Zeitung zu publizieren. Ihr Herausgeber war der spätere langjährige Aussenminister der Sowjetunion Molotow. Er agierte im Hintergrund, offiziell gab es rund 40 Herausgeber, die von der zaristischen Zensur regelmässig verhaftet und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wurden. Sie waren sogenannte Sitzredakteure, dazu bereit, für anderen Strafen abzusitzen, die sie sich mit dem Verbreiten der Wahrheit einhandelten.

In ihren besten Zeiten hatte sie eine Auflage von über 10 Millionen Exemplaren. Allerdings verbreitete sie immer weniger die Wahrheit, immer mehr Lügen. Damit entkernte sie sich.

Nun kann man zu Recht fragen, was denn eigentlich die Wahrheit ist und wer zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden darf und die Autorität dafür hat. Niemand und jeder. Niemand ist im Besitz einer objektiven, einzig wahrhaftigen Wahrheit. Jeder glaubt an seine Wahrheiten, viele wollen wissen, dass sie die Wahrheit kennen.

Also ist alles relativ, alles erlaubt? Nein, eben nicht.

Denn es gibt eine unausgesprochene Vereinbarung zwischen Berichterstatter und Konsument. Der Konsument bezahlt normalerweise dafür (sei es entweder mit Geld oder seiner Aufmerksamkeit oder seinen Daten), dass er sich darauf verlassen kann, dass ihm in Berichten über Gegenden oder Ereignisse, die er nicht kennt, kein Bären aufgebunden wird.

Wird diese Geschäftsgrundlage aufgehoben, ist der Journalismus am Ende. Sein Tod tritt nicht sofort, aber auf Raten ein. Deshalb beschäftigten viele Redaktionen früher Mitarbeiter, die sich der sogenannten Dokumentation widmeten. Also alle Fakten und Tatsachenbehauptungen checkten, die in einem Artikel vorkamen. Sie taten das zum Schutz des Redaktors vor Irrtümern und zum Schutz des Konsumenten vor Falschinformationen.

Sie sind als eine der ersten Abteilungen den Sparmassnahmen zum Opfer gefallen. In der Schweiz existieren sie nicht mehr. Gelegentlich werden mit grossem Brimborium Journalisten beauftragt, einen sogenannten Faktencheck durchzuführen. Das ist aber nicht mehr das gleiche.

Im deutschen Sprachraum leistet sich der «Spiegel» noch die grösste Dokumentarabteilung. Darauf ist er besonders stolz und wird nicht müde, die vielen Stationen aufzuzählen, die ein Manuskript durchlaufen muss, bis es publiziert wird. Der Grossfälscher Class Relotius sprengte diese Reputation in die Luft. Ihm gelang es jahrelang unentdeckt, frei erfundene Reportagen zu publizieren, bei denen sogar nachprüfbare Angaben wie Distanzen oder örtliche Beschaffenheiten erschwindelt waren, um dem Spin der Story zu dienen. Nicht einmal das fiel den Faktencheckern des «Spiegel» auf.

Sie waren, mitsamt allen anderen Kontrollinstanzen, voreingenommen. Sie hatten das Interesse verloren, zu schreiben, was ist. Sie wollten beschreiben, wie es sein sollte. Wie es ihrer Meinung nach zu sein hatte. Sie machten den alten erkenntnistheoretischen Zirkelschluss: wenn ich mit einer vorgefassten Meinung an die Wirklichkeit herangehe, finde ich in der Wirklichkeit das, was ich zuvor hineingetragen habe. Oder noch schlimmer: wenn ich es nicht finde, erfinde ich es.

Das ist keine lässliche Sünde, sondern eine Todsünde. Dafür gibt es leider im Schweizer Journalismus immer mehr kleine und grosse Beispiele. Eine Aufzählung wäre endlos, aber es sind zwei Tendenzen zu erkennen. Am häufigsten betroffen davon ist Tamedia. Dort hat eine wahrhaftige Verluderung der Sitten stattgefunden.

Die Leser belehren und mit absurdem Genderwahn quälen zu wollen, das ist verkaufsschädigend, aber noch nicht tödlich. Den Lesern keine Reportagen, sondern die Wiedergabe vorgefasster Meinungen zu servieren, das ist dumm, aber noch nicht tödlich.

Sich immer wieder dabei ertappen zu lassen, dass die vorgefassten Meinungen so stark sind, dass die Wirklichkeit, wenn sie nicht passt, passend gemacht wird, das ist tödlich. Wenn ein Präsident eine Meinung vertritt, die dem Berichterstatter nicht passt, dann ist es dennoch seine Pflicht, sie dem Leser wiederzugeben. Denn dafür bezahlt er, weil er selbst weder am WEF anwesend ist, noch Zeit oder Lust hat, die ganze Rede im Wortlaut anzuhören.

Wenn aber schon im ersten und auch im letzten Satz des Berichts die Wirklichkeit, höflich ausgedrückt, umgebogen wird, dann fühlt sich der Leser zu recht verarscht, wenn er das entdeckt. Und glücklicherweise gibt es in der Schweiz noch so etwas wie eine Pressefreiheit, wo solche Verbiegungen aufgedeckt und denunziert werden können. Das unterscheidet die Schweiz von Russland und der Ukraine.

Berichterstattung, wenn sie etwas wert ist, sollte dazu dienen, dem Käufer und Konsumenten dabei zu helfen, die grosse, weite Welt und auch seine nähere Umgebung besser zu verstehen. Oder zu begreifen, dass vieles, was sich abspielt, komplex, widersprüchlich, unübersichtlich, nicht fassbar ist. Die beiden aktuellen Beispiele dafür sind der Ukrainekrieg oder der Krieg im Gazastreifen. Noch nie verfügten wir über dermassen viele Informationsquellen, noch nie waren wir so ungenügend informiert.

Daraus entstehen Verschwörungstheorien, das sei Absicht, Manipulation, Bevormundung, von finsteren Mächten orchestriert, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinn zu beeinflussen. Aber die Wahrheit ist hier viel banaler. Natürlich gibt es Heerscharen von Spin Doctors, die sich diesen Versuchen widmen. Natürlich wird Selenskyj – im Gegensatz zu Putin – hochkarätig und sorgfältig beraten, wie er öffentlich aufzutreten hat. Vom gedrechselten Inhalt seiner Reden bis zu seiner Kleidung, seinem Gesichtsausdruck.

Aber das wäre durchschaubar, wenn man sich die Mühe machte. Wenn sich der 100. Todestag eines Welterschütterers wie Lenin jährt, um das zweite aktuelle Beispiel zu nehmen, dann wäre eine Würdigung, eine Auseinandersetzung auf Niveau mit seinen Taten geboten, vor allem in einem Intelligenz-Blatt wie der NZZ. Wenn stattdessen übelwollend die Krankheitsgeschichte seiner letzten Jahre ausgebreitet wird, ist das zwar kein Verstoss gegen das Wahrheitsgebot, aber so jämmerlich, dass der Leser sich auch fragt, wieso er dafür einen Haufen Geld zahlt.

Fazit: Journalismus, der die Übereinkunft mit seinen Konsumenten einseitig aufkündigt, schafft sich damit ab. Das ist nicht den Umständen geschuldet. Sondern selbstverschuldet. In der Schweiz steht Tamedia am nächsten vor diesem Abgrund, gefolgt vom «Blick».