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«bajour» hilft sich selbst

Neues von der Geldverrösterei.

Früher, ja früher wies «bajour» noch gelegentlich Zahlen über «Member», Leser und Einnahmen aus. Was Ausgaben betrifft, war man schon immer etwas zurückhaltender.

Ganz zurückhaltend wird es, wenn es um die Frage geht, wie lange wie viel Geld eine reiche Pharma-Erbin noch über die «Stiftung Medienvielfalt» hier verrösten will.

Ursprünglich war einmal die Rede davon, dass man dann mal auf eigenen Füssen stehen wolle. Bzw., dass man nur noch so viel Gratiskohle abgreife, wie man auch selbst erwirtschaften könne.

Aber solche Transparenz ist inzwischen verschwunden. Dafür jubiliert «bajour» mit einer vermeintlich guten Nachricht: nach drei Jahren «Anschubfinanzierung» gibt es drei weitere Jahre «Anschubfinanzierung». Mit dieser Schubkraft sollte «bajour» eigentlich in eine Umlaufbahn um den Mond einbiegen können.

Zumindest könnte man ein wenig Gegenwert erwarten. Zum Beispiel in Form einer einigermassen gepflegten Webseite:

Schon vor geraumer Zeit machte ZACKBUM darauf aufmerksam, dass man diese Fehlermeldung zu sehen bekommt, wenn man sich für die «bajour Kollektion» interessiert.

Na und, sagt sich das Organ ohne Publikum, wir haben keine Kollektion, also gibt’s auch keine Page dafür.

Aber vielleicht könnte «bajour» ein wenig Inhalt für viele Millionen Gratisgeld liefern. Nun ja:

Immerhin ist das die x-te Umgestaltung der Homepage. Darunter kommen dann aber sicher brandaktuelle Basler Storys. Nun ja:

Viel Meinung, wenig Inhalt. Scrollt man nur ein wenig hinunter, ist man bereits in der Abteilung eingeschlafene Füsse und Uralt-Storys:

Jetzt mal wieder im Ernst: das ist alles, was vier Vorstandsmitglieder des «Vereins Bajour», drei «Geschäftsleiter», einmal «Backoffice», neun Mitglieder der «Redaktion», acht «freie Mitarbeiter», drei «Fotografen», drei Mitarbeiter bei «Gern geschee» und ein «Redaktionshund» als Ausstoss hinkriegen? Also insgesamt 31 Nasen, ohne Redaktionsköter.

Dagegen sind ja selbst die Lohnabhängigen bei der «Republik» noch munter unterwegs, und das will etwas heissen.

Es ist immer das gleiche Lied, nicht nur in Basel. «TagesWoche», «bajour», «Republik», «nebelspalter.ch». Aber auch «Kultureinrichtungen» wie das «Kosmos» in Zürich. Früher sagte mal ein intelligenter Banker, das Bankgeheimnis mache «fett, aber impotent». Auf den Medienzirkus übertragen, kann man sagen, dass Millionen von spendablen Mäzenen fett und faul machen. Denn wozu soll man sich um das Publikum kümmern, darum, eine Leistung anzubieten, die genügend Nachfrage hat. Viel besser ist es doch, finanziert von Spendern den eigenen Bauchnabel zu betrachten und die Welt mit völlig überflüssigen Mitteilungen zuzumüllen.

Blablajour: Das haben nicht mal die Basler verdient

Schon Kurt W. Zimmermann beschimpfte die Basler als mediale Trottel. Recht hat er.

Fehler machen kann jeder. Als der Basler Daig mit offenen Mündern zuschaute, wie ihre grossartige Verlegerdynastie die «Basler Zeitung» an den Rand des Ruins führte, hätte es theoretisch die Möglichkeit gegeben, dem unfähigen Hagemann Junior sowohl finanziell wie strategisch unter die Arme zu greifen.

Lieber nicht, sagte sich der Daig. Als sich dann enthüllte, dass der Gottseibeiuns für viele Basler Linke, Edellinke und Daig-Linke, dass Christoph Blocher die «Basler Zeitung» gekauft hatte, begann sogar der Daig zu blubbern und Pickel zu kriegen.

Und als dann auch noch der kleine Gottseibeiuns die Chefredaktion übernahm, da war es fast allen in Basel klar: So geht das nicht. So geht das überhaupt nicht. Statt eine langsam in den roten Zahlen ersaufende, dafür aber Basler BaZ haben wir nun ein von Zürich aus gekapertes Blatt, das so rechtspopulistisch sein wird, dass nur noch die rechte Randspalte bedruckt wird.

Die Rettung nahte: Geld wie Heu

Was tun, fragte sich da der Daig, wie weiland Lenin. Wie es sich gehört, fanden diskrete, aber erregte Gespräche statt. Viele Redaktoren der BaZ waren natürlich zutiefst entrüstet, dass sie nun sicherlich statt von links nach rechts von rechts nach links schreiben mussten. Niemals, sagten sie, aber blöd auch, aufrecht kündigen wäre einfach, einen neuen Job suchen nicht so sehr.

Aber die Rettung nahte, eine reiche Pharma-Erbin öffnete die Portokasse ihrer Portokasse und schmiss ein paar Millionen auf. Damit kann man etwas anfangen, sagten sich viele Journalisten, auch bei der BaZ, die zwar ums Verrecken keinen Anlass fanden, um dem neuen Chefredaktor Markus Somm in irgendeiner Form Zensur, Eingriffe, politische Vorgaben vorwerfen zu können.

Das alles sollte erst noch kommen, denn nach vielen öffentlich solidarisch, aber insgeheim natürlich intrigant geführten Debatten entstand die «TagesWoche». Nun konnten einige BaZ-Journalisten, nicht gerade die besten, endlich die Konsequenz daraus ziehen, dass sie zwar nicht auf rechtspopulistische Linie getrimmt werden sollten, aber grundsätzlich und aus Prinzip nicht für ein Blocher-Somm-Organ arbeiten konnten.

Statt Begeisterung sehr schnell Ernüchterung

Am 28. Oktober 2011 erblickte die erste Ausgabe das Licht der Welt; mit dem grossartigen Slogan: «Die Welt im 21. Jahrhundert braucht Medien aus dem 21. Jahrhundert.» Das mag so sein, aber während Gottseibeiuns Blocher zusammen mit Eisenfuss Bollmann den Trümmerhaufen BaZ aufräumte und sanierte (nicht zuletzt mit dem Einschuss von Geld in die Pensionskasse), holperte die «TagesWoche» von Anfang an vor sich hin.

Anspruch und Einlösung, mit vollen Händen das Startkapital ausgeben, aber keinerlei Businessplan, wie es nach einer Anschubfinanzierung aus eigenen Kräften weitergehen sollte: die erste Begeisterung, es den Zürcher Invasoren gezeigt zu haben, machte sehr schnell einer grossen Ernüchterung Platz.

Wie es sich gehört, begannen auch ziemlich schnell die offen ausgetragenen Intrigen und Machtkämpfe im Kollektiv. Schon nach anderthalb Jahren wurde der Gründungschefredaktor abgesägt. Ein knappes Jahr später wurde Urs Buess offiziell entsorgt. Dem Trio um Dani Winter wurden zwar exzellente Beziehungen zur Mäzenin nachgesagt, aber Performance, Erfolg, Führung, das waren nicht so ihre starken Seiten.

Schritt für Schritt konsequent zum Ende

Den Anfang vom Ende leitete das Bekanntwerden eines übelriechenden Deals ein. Mehr als die Hälfte der beglaubigten Printauflage verstopfte gratis die Flughäfen Basel und Zürich. Machen auch andere, aber nicht gleich mit dem grösseren Teil der Auflage. Auch die tolle «Community» mit angeblich ziemlich aktiven 10’000 Mitgliedern erwies sich als ein Luftschloss. 70 Prozent von ihnen waren laut den eigenen Statistiken der TaWo noch nie aktiv geworden.

2015 wurden dann auch Dani Winter samt Gefolgschaft per sofort rausgeworfen. Ab Januar 2016 versuchte es noch ein Neuer, aber auch Christian Degen verliess das sinkende Schiff ein Jahr später. Am 5. November 2018 überraschte dann die Herausgeberschaft die wenigen verbliebenen Leser und Mitarbeiter mit der Nachricht, dass das Blatt zugeklappt werde. Sicher reiner Zufall, dass das eine Woche nach dem Abschluss des Verkaufs der BaZ an Tamedia bekannt gegeben wurde.

Hat die reiche Mäzenin etwas aus diesem Desaster gelernt?

Ende der Fahnenstange, 30 gefeuerte Mitarbeiter verbrachten fröhliche Weihnachten. Nun könnte man ja einige Schlussfolgerungen daraus ziehen. Zum Beispiel, dass ein Organ «gegen» damit keine Existenzberechtigung  für irgendwas bekommt. Zum Beispiel, dass sich die TagesWoche eigentlich als Lokalblatt positionieren wollte, ihre Redaktoren aber natürlich lieber die grosse, weite Welt als ihr Thema sahen.

Und schliesslich, eine millionenschwere Anschubfinanzierung ist eine tolle Sache, aber irgend etwas oberhalb von «wird schon irgendwie» als mittelfristiger Businessplan, das sollte es schon mal geben. Gab’s nicht, stattdessen Intrigen, Stühle wegziehen, Beschiss.

Unverdrossen, denn es leert sich ja weiterhin nur die Portokasse der Portokasse, wurde neuerlich eine Million pro Jahr als Anschubfinanzierung für irgendwas ausgelobt. Ausgerechnet dem begabten Millionenverröster Hansi Voigt den Zuschlag zu erteilen, der gerade nicht ganz freiwillig die Geldvernichtungsmaschine «watson» verlassen hatte, zeugte nicht gerade von Weitblick und gewonnenen Erkenntnissen.

Schon wieder riecht es streng nach Untergang

Wie schon mehrfach berichtet, brüstet sich bajour.ch inzwischen mit «2427 Member». Da Voigt sich leider weigert, unsere Fragen zu beantworten, weiss niemand, ob die wirklich oder nur digital existieren. Aber selbst wenn, wie bajour mit seiner aufgeblähten Mitarbeiterstruktur mit bloss 100’000 Franken im Jahr durchkommen will, wenn dann mal die drei zugesagten Millionen verbrannt worden sind, das steht in den Sternen. So viel verbraucht bajour bei jämmerlichem Output für Gehälter und Infrastruktur. Pro Monat.

Aber im Gegensatz zur «TagesWoche» überzeugt bajour doch sicher durch eine umfangreiche und aktuelle Berichterstattung aus Basel? Nun ja, dem vielköpfigen Team um Voigt ist es in diesem Jahr gerade mal gelungen, ganze sechs Stücke rauszupusten. Darunter ein Gastkommentar und ein Bericht über nachkolorierte alte Aufnahmen von Basel.

Zuoberst ein Nachruf auf Genosse Pfister, ein Klimaprozess, die Eröffnung eines Second-Hand-Shops. Und dann das.

Schon ins alte Jahr zurück führt das Trendthema Sexualität. Einmal als «Transboys will be Boys and only Boys? Blödsinn!» (muss man nicht verstehen) oder als

«Ich hasste es, eine Frau zu sein.»

Ein erschreckender Bericht über Endometriose; fünf Betroffene berichten (muss man nicht kennen). So der Stand am 5. Januar 2021.

Für diese magere und tropfenweise verabreichte Kost sollen tatsächlich knapp 2500 Basler je 40 Franken springen lassen? Und sich wunschgemäss verzehnfachen, wenn bajour in zwei Jahren aus eigenen Kräften über die Runden kommen soll? Also

so vertrottelt können nicht einmal die Basler sein,

Zimmermann hin oder her.

 

Packungsbeilage: Ich publizierte in der BaZ unter Somm. Über alles, was ich wollte. Wie ich wollte. Niemals zensiert, niemals umredigiert.