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Re-he-he-design

Der Tagi macht mal wieder alles noch schlimmer.

Hat das Qualitätsorgan etwa auf die wiederholte Kritik von ZACKBUM gehört und deshalb das Gerümpelturnier seiner Webseite umgerümpelt? Das war allerdings keine gute Idee.

Auf jeden Fall vermeldet Raphaela Birrer, Chefredaktorin:

Wichtigstes Ziel: «Damit wurden Übersicht und Leserlichkeit verbessert.» Erstaunt nimm man zur Kenntnis, wie viele Mitarbeiter der Tagi noch hat. Oder sollte man sagen: zu viele Köche verderben den Brei?

Oder sollte man sagen: was die NZZ besser vormachte, macht nun der Tagi schlechter nach? Im Wesentlichen heisst es nun scrollen, scrollen, scrollen. Als hätte man noch nie von responsive design gehört, kommt die Webseite auf dem Desktop, dem Laptop, dem Tablet und dem Smartphone eigentlich immer gleich daher.

Gab es vorher x verschiedene Darstellungsformen, gilt nun: Titel und Lead oben, grosses Bild drunter. Oder Titel und Lead links, Foto rechts. Oder das Gleiche zweimal nebeneinander. Oder auf dem Smartphone alles in Einerkolonne.

Oder (fast) das Gleiche untereinander:

Nur der Podcast wurde offensichtlich nicht angetastet:

Auch bei den «spektakulären Spionagefällen in der Schweiz» herrscht noch die gute, alte Wimmelbild-Atmosphäre. Aber trotz allen Werbebemühungen schafft es das Werk einfach nicht in die Bestsellerliste.

Bei den vier angepriesenen Videos flimmert es dem Leser zusätzlich vor den Augen, weil die unablässig laufen. So in den Niederungen der Webseite, wo auch weiterhin die geflopte Kochserie untergebracht ist, kommt dann wieder der flotte Vierer, vier Storys nebeneinander, gehäuft zum Einsatz. Oder der Dreier.

Aber vielleicht reichte die Workforce nicht aus, um alles zu renovieren.

Auf jeden Fall verabschiedet sich Birrer, die zu diesem Thema ihr Schweigegelöbnis bricht, obwohl eigentlich alle ein klares Wort zum grossen Rausschmeissen erwarten, mit dieser Ankündigung: «Wir sind sehr gespannt, wie der neue «Tages-Anzeiger» bei Ihnen ankommt.»

Nun, da kann der Leser Abhilfe schaffen. Und seine Meinung ist fast einhellig: schlecht kommt er an, ganz schlecht.

Der Leser schimpft wie ein Rohrspatz. Unter den ersten 75 Kommentaren hat es fast keine positiven. Und ob die einsamen zwei ganz spontan da reinrutschten? Ansonsten wird kräftig Dampf abgelassen:

«Das neue ReDesign ist absolut misslungen! Wie kann so etwas nur passieren?  … Mir gefällt es nicht, es gibt viel zu viel weisse Flächen, die reinste Platzverschwendung … Das App-Layout auf dem Desktop ist das Letzte … Katastrophal für jemanden, der sich auf einem Laptop-Bildschirm gerne einen schnellen Überblick verschaffen möchte. Aber klar, so lässt sich der Leistungsabbau besser kaschieren … In der PC-Ansicht ist auf einer Seite gefühlt 10% Bild, 5% Text und 85% weisse Fläche. Was soll das? … Nicht gut, einfach zu wenig Übersicht. Nicht User freundlich … Gibt’s den Tagi nun gratis ? Für mich als Abonnenten in dieser Form nicht mehr tragbar … Absolute Katastrophe … Wieder ein haufen Geld zum Fenster rausgeworfen … Das neue Design ist unmöglich …   Ich bin schwer enttäuscht … Das neue Design ist milde gesagt ein Flop.»

Und so weiter, und so fort. Die zwei einsamen positiven Kommentare riechen streng nach verzweifelt bestellt.

Tja, was macht man in einem solchen Fall? Routine. Man sagt, dass Veränderungen zuerst immer Verunsicherung und Kritik auslösen. Dann sagt man, dass man sehr dankbar für das Feedback sei und schnurstracks gewichtige Verbesserungen durchgeführt habe. Dann sagt man nichts mehr und denkt: scheiss auf die Lesermeinung. 35 Nasen, die an diesem missglückten Redesign mitarbeiteten, können sich doch nicht irren.

Allerdings: Was beim Online-Auftritt eines Newsorgans im Design zu lösen ist, ist doch ganz einfach. Wie bringt man vor allem ganz oben möglichst viele Info-Angebote an den Leser, ohne dass es nervt. Und wie koppelt man Bild und Text. Da muss man das Rad nicht neu erfinden, es gibt x gelungene Versuche. Ein Blick auf nzz.ch hätte eigentlich gereicht. Aber richtig plagiieren, das will halt auch gelernt sein.

Oder aber – das wäre allerdings für das IQ-Level der Führungsfiguren bei Tamedia zu genial –, diese Scroll-Orgie soll mehr Leser dazu verleiten, zur Printausgabe zurückzukehren.

Es ist allerdings anzunehmen, dass Birrer nun wieder in ihr tiefes Schweigen zurückfällt. Und es gibt ja keine Kerstin Hasse mehr, die wenigstens mit Ess-Selfies oder feministischen Kampfansagen von diesem Desaster ablenken kann.