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«Sieg heil, liebe CDU»

Kann man Verluderung steigern?

Bernd Kramer, ein Politik-Reporter der «Süddeutschen Zeitung», versucht’s nicht ohne Erfolg. Wenn die Finger schneller als das Hirn sind (oder vielleicht auch nicht), dann entstehen Tweets, die jedem anständigen Menschen die Schamröte ins Gesicht treiben würden.

«Bernd Kramer ist bei der SZ zuständig für Themen rund um die Arbeitswelt und Bildungspolitik», steht auf seiner Autorenseite. Zuvor war er bei der taz (die tägliche deutsche WoZ), das erklärt schon einiges. Er begibt sich gerne aus seinen Themenbereichen hinaus zum Holzfällen.

Auf den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz gemünzt, schlammte er: «Der Führer hat gesprochen». Das ist vor allem in Deutschland und am Gedenktag für die Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee unerhört. Er warf dann noch ein Stück Dreck hinterher, auf den Generalsekretär der CDU gezielt: «Carsten Linnemann ist bereits genervt vom «Brandmauergerede». In diesem Sinne: Sieg Heil, liebe CDU.»

Nun kann man nur hoffen, dass Kramer das unter dem Einfluss von verbotenen Substanzen gekeift hat. Aber seine Reaktion auf die über ihn hereinbrechende Welle von Kritik lässt nicht viel Hoffnung:

Er murmelt zu seinem gelöschten Tweet:

«Mich empört und bestürzt, dass die CDU sich derzeit offenbar Mehrheiten bei den Rechtsradikalen sucht. Ich habe dafür ganz offensichtlich unangemessene Worte gefunden. Dafür entschuldige ich mich.»

Ach so, er ist empört und bestürzt. Ja dann. Die Entschuldigung ist natürlich nur ein verzweifelter Versuch der Arbeitsplatzsicherung. Verfolgt man seine Tweets, ist bei ihm der Schoss fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Blitzschnell krebste die SZ zurück, sie tweetete, dass sie «sich in aller Form von den Äußerungen» distanziere und natürlich «den Inhalt auf das schärfste verurteile». Immerhin sei das der private Account des SZ-Mitarbeiters.

ZACKBUM wagt die Spekulation, dass die interne Reaktion etwa so aussah: inhaltlich völlig richtig, so sehen wir das doch auch, aber falsche Wortwahl. Vielleicht wird Kramer nun zum Bauernopfer, vielleicht kommt er auch mit einem scharfen Verweis davon. Auf jeden Fall wird Zeit gewonnen, genaue Abklärung, Anhörung, Gremium, Blabla: man prüfe, «wie es dazu kommen konnte». Diese Prüfarbeit kann man der SZ ersparen: es kam dazu, weil das genau Kramers ideologischem Standpunkt entspricht.

Nicht nur ihm verrutscht die Sprache, auch Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach haute einen Tweet raus. Er warf Merz vor, der «hofiere» die AfD und sei «moralisch bankrott». Auch Lauterbach löschte und winselte:

«Ich habe einen Tweet, in dem ich den Ausschwitz-Gedenktag mit der aktuellen Debatte um die Migrationspolitik in Verbindung bringe, gelöscht und mich bei  @_FriedrichMerz entschuldigt. Der Tweet war in Ton und Inhalt deplatziert. Wir sind im Wahlkampf. Aber Anstand muss sein.»

Das ist ungefähr so lustig wie die Ermahnung des US-Richters an die Jury, nach einem Einspruch das zuvor Gesagte nicht zu beachten. Mit «Anstand muss sein» hat Lauterbach dann noch für einen Brüller gesorgt.

Die deutsche Innenpolitik war schon immer rustikaler als die schweizerische. Aber was sich diese beiden Lümmel hier erlaubten, ist jenseits von Gut und Böse.

Man vermisst allerdings eine Stellungnahme von Tamedia. Das Qualitätshaus an der Werdstrasse hat schliesslich auch schon Artikel von Kramer aus der SZ übernommen, im Rahmen der Qualitätsoffensive mit weniger Mitarbeitern wäre es doch eine Sparmassnahme, auf weitere Werke dieses Schmierfinken zu verzichten.

Stattdessen übernimmt Tamedia eine «Meinung» der SZ-Autorin Constanze von Bullion. Statt auf die offenkundige Problematik der Messerattacke von Aschaffenburg einzugehen, plädiert sie für «Zivilcourage». Obwohl der afghanische Messerstecher auch einen Passanten tötete, der versuchte, beim Angriff auf eine Kindergruppe einzugreifen.

Lieber Absurdes kopieren als selbst Zivilcourage zu zeigen; das ist der Tagi, wie er leibt und lebt.

He, Ihr Tagi-Schnarchnasen

Aus München übernehmt Ihr jeden Furz. Wieso nicht mal was Sinnvolles?

Ausland, Kultur, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Leben: kein Bereich, indem der Qualitätskonzern Tamedia seinen Lesern nicht Aufgewärmtes aus der SZ-Küche aus München serviert.

Meint dort ein Amok, aus der Rede von Elon Musk lediglich einen vermeintlichen Hitlergruss oder «römischen Gruss» denunzieren zu müssen – die braune Sauce schwappt ungefiltert in den Tagi. Selbst wenn der ehemalige Münchner Oberbürgermeister sich Gedanken über Katzen macht, wird das dem zahlenden Leser als ungeniessbarer Brei auf den Teller geklatscht.

Aber wenn in München mal was Nachahmenswertes passiert, dann denken die in einen Newsroom eingepferchten Journalisten der Zentralredaktion in Zürich nicht im Traum daran, das nachzuahmen.

Denn bei der «Süddeutschen Zeitung» wird gestreikt. Wieso, gab es auch eine Massenentlassung wie in Zürich? Aber nein:

«Die Berichterstattung, die sonst acht verschiedene Ausgaben umfasst, schrumpft auf eine Seite zusammen. Hintergrund ist ein Warnstreik in der Redaktion

Denn es laufen Tarifverhandlungen über Lohnerhöhungen. Die Gewerkschaften fordern bis zu 12 Prozent mehr, die Verleger bieten weniger. Anlass genug, mal die Muskeln spielen zu lassen.

Aber dafür müsste man erst mal welche haben in Zürich. Oder sich trauen. Wenn sich 76 erregten Frauen über angeblich unerträglichen Sexismus und demotivierende Diskrimination beschweren, dann gibt es ein grosses Hallo, Selbstbezichtigungen des Kaders, Betroffenheit und Gelöbnisse zur Besserung. Dabei konnten die Weiber keinen einzigen ihrer Vorwürfe auch nur im Ansatz belegen; alle entzogen sich auch jedem Versuch der Überprüfung.

Aber wenn im Rahmen einer völlig verunglückten Neuorganisation der Redaktion zunächst 92 Leute gefeuert werden sollen, dann wird mal richtig losgelegt. In der Romandie kam es zu einer, nun ja, wollen wir es Protestveranstaltung nennen? So etwas in der Art. Und in Zürich? Wurden zwei, drei handgemalte Protestplakate vor die Eingangstüre des Glashauses gestellt. Und ein völlig lächerliches Filmchen gedreht, in dem sich B- und C-Prominenz darüber ausliess, wie schlimm das doch sei.

Aber wirklicher Protest, gar ein Streik? Die nötige Forderung, dass die beiden Verantwortlichen für das Desaster, Jessica Peppel-Schulz und Simon Bärtschi, dem Beispiel von Kerstin Hasse folgen müssen? Dass eine Chefredaktion hermuss, die den Namen verdient?

Und vor allem: dass eine Strategie entwickelt werden muss, mit der der nächste grosse Rausschmiss verhindert werden kann? Und einfach zum zeigen, dass es durchaus noch möglich ist, den Tagi samt Kopfblattsalat noch magerer und dünner werden zu lassen, streikt die Redaktion mal einen Tag oder zwei. Falls alle vergessen haben sollten, wie man das macht: einfach mal in München nachfragen. Erklären die dort gerne.

Mussolini, Hitler, Musk

Jetzt hat er sich endgültig geoutet. Jedenfalls für die Journaille.

Dass Elon Musk ein etwas erratischer Milliardär ist, wussten wir natürlich schon. Aber jetzt rauscht durch die Schweizer Gazetten: «Elon Musk und der Hitlergruss: das sind die Reaktionen».

Also darf man ihn jetzt auch mit dem Lieblingsschimpfwort aller erregten Gutmenschen belegen, ist er Faschist? Der Beweis: er habe bei seiner Rede sich ans Herz gefasst und dann die Hand nach oben gestreckt, «eine Geste, die stark an den Hitlergruss erinnert». Weiss CH Media. Und SRF. «Tech-Milliardär Elon Musk hat bei einer Veranstaltung zur Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump mit einer dem Hitlergruss ähnlich sehenden Geste für Aufsehen gesorgt», echot der «Blick».

Hat Musk in seiner Rede irgend etwas gesagt? Ach, konzentrieren wir uns aufs Wesentliche, auf diese Handbewegung. Selbst die Anti-Defamation League, jeglicher Sympathien für Trump oder Musk unverdächtig, schreibt: «Es scheint, dass er in einem Moment des Enthusiasmus eine ungeschickte Geste gemacht hat, keinen Nazi-Gruss.»

Und Musk selbst twittert, dass seine Gegner «ehrlich gesagt bessere schmutzige Tricks» bräuchten. Und: «Der ‹Jeder ist Hitler›-Angriff ist so müde».

Der Qualitätskonzern Tamedia übernimmt mal wieder ungeniert die Meinung des Korrespondenten der «Süddeutschen Zeitung». Der orgelt los, dass sich Musk schliesslich in Italien bestens auskenne, nicht zuletzt wegen seiner freundschaftlichen Beziehung zur Ministerpräsidentin Meloni, und die ist bekanntlich auch eine «Postfaschistin».

«Wenn also dieser Elon Musk in der Capital One Arena in Washington zur Amtseinführung seines Idols Donald Trump auf der Bühne vor lauter Begeisterung den Saluto romano, den römischen Gruß zeigt, der in Deutschland als Hitlergruß bekannt ist, dann muss man annehmen, dass er weiß, was er tut.»

Weiterer Beweis laut Marc Beise: «Er würde für sein Leben gern als Gladiator auftreten.» Dann entblödet sich Beise nicht, mal kurz die Entstehungsgeschichte des Grusses zu erzählen, der in deutschen Landen als Hitlergruss bekannt ist. Der sei als römischer Gruss in Italien verboten, in Deutschland übrigens auch.

Wenn Dr. Beise Latein könnte, würde er schliessen: «Das ist also der Zusammenhang, in dem Musk sich gebärdete», quod erat demonstrandum.

Dafür verplempert alleine er 4400 Anschläge. Über den Inhalt der Rede Musks – null.

Wenn das die ersten Vorboten sind, auf welche Art Berichterstattung man sich zukünftig einzurichten hat, dann gute Nacht. Fassungslosen Journalisten beim Hyperventilieren und wildem Denunzieren zuschauen zu müssen, das ist kein schöner Anblick.

Inzwischen werden in den sozialen Medien Fotos herumgeboten, die auch andere mit einer solchen Geste zeigen. Es käme aber wohl niemand auf die Idee, den deutschen Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu bezichtigen, er zeige den deutschen Gruss. Oder doch?

Aber einer weiss es wieder ganz genau, das ehemalige Nachrichtenmagazin, das zur Karikatur seiner selbst verkommen ist der Zerr- und Hohlspiegel:

Der übelste Trick von allen: Wenn du’s nicht selber sagen willst, sag es als Zitat von einem anderen.

Wieso wird eigentlich unerwähnt gelassen, dass Trump seinerseits häufig die geballte rechte Hand erhebt? Also einen Kommunistengruss macht, unter Genossen bis heute beliebt. Himmels willen, also kommen hier rote und braune Fäuste zusammen? Blöd nur, dass man dann Trump nicht mehr als «Faschist» beschimpfen könnte. Aber «Kommunist» zusammen mit «Faschist», das ist doch auch nicht schlecht.

Sudan? Ist da was?

Einzig die NZZ berichtet. Andere betrachten lieber ihren Bauchnabel.

Im Sudan findet die grösste humanitäre Katastrophe dieser Zeit statt. Zwei Tyrannen ringen um die Macht, rund 12 Millionen Sudanesen  (von schätzungsweise 48 Millionen) sind vor den Kämpfen in die mausarmen Nachbarländer geflüchtet. Die Hälfte der Bevölkerung hat nicht genug zu essen. Schätzungsweise 150’000 Menschen sind bei den Kämpfen bislang umgekommen.

Die Infrastruktur, mit der es auch vorher nicht weit her war, ist weitgehend zusammengebrochen. Schätzungsweise 80 Prozent aller Spitäler oder Gesundheitszentren sind nicht mehr benutzbar.

Im Kampf um die Macht schrecken weder die Rebellentruppe Rapid Support Forces, noch die offizielle sudanesische Armee vor Gräueltaten, Massakern und Völkermord zurück. Besonders umkämpft ist die Provinz Darfur, aber auch um die Hauptstadt Khartum herum und in anderen Landesteilen wird erbittert um die Macht gefunden.

Dabei stehen sich RSF-Führer Mohammed Hamdan Daglo und Militärgeneral Abdelfatah Burhan feindlich gegenüber. Sie hatten noch gemeinsam mit einem Putsch im Jahr 2019 die Macht vom damaligen Herrscher Omar al-Bashir übernommen und mit einer Militärjunta gemeinsam regiert. Vier Jahre später zerbrach dieses Zweckbündnis, erklärt die NZZ die Hintergründe.

Darfur galt einst als die Kornkammer Sudans, inzwischen schrecken die Kriegsparteien nicht einmal davor zurück, humanitäre Hilfe nur gegen Bestechung zuzulassen. Die enormen Kriegskosten werden mit den Goldschätzen des Sudans bezahlt, damit lassen sich auf den internationalen Märkten problemlos Waffen und alles Nötige besorgen, um die Schlachtereien und Metzeleien fortzusetzen.

Die internationale Gemeinschaft wirft ab und an mal ein Auge auf die Situation, die USA sprechen ein paar Sanktionen aus – ansonsten interessiert das kein Schwein. Auch der Tagi lässt verdienstvollerweise manchmal einen Korrespondenten zu Wort kommen, Arne Perras von der «Süddeutschen Zeitung».

Aber ansonsten interessiert sich der Wertewesten einen Dreck für diese humanitäre Katastrophe. Falsche Weltgegend, falsche Hautfarbe, es lässt sich kein Konflikt zwischen den Guten (wir) und den Bösen (Russland, China und alle anderen) konstruieren. Da ist es dann mit der Verteidigung unserer Werte nicht weit her. Nennenswerte Sanktionen existieren auch nicht.

Es wäre nicht allzu schwierig, diesem Morden ein Ende zu bereiten, indem eine internationale Friedenstruppe einmarschiert. Aber werder die Organisation afrikanischer Staaten (OAS) noch sonstjemand bringt das Interesse, die Energie und die Finanzmittel dafür auf.

Daraus lernt die Welt wieder einmal, dass die universelle Gültigkeit von westlichen Werten doch eher sehr partiell gehandhabt wird. Nicht zuletzt deswegen hat sich nur eine einstellige Zahl von Staaten (wenn man die EU insgesamt als einen nimmt) den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Denn die damit verbundene Heuchelei und die Finanzierung dieses Krieges mit Multimilliarden und immer wieder neuen Unterstütztungspaketen beruht nur darauf, dass damit den Grossmachtsstreben Russlands empfindliche Schläge versetzt werden können.

Da ist dann jedes einzelne tote Kind (wenn es auf ukrainischer Seite zu beklagen ist) Schlagzeilen wert. Dass sudanesische Kinder wie die Fliegen sterben, interessiert hingegen entschieden weniger.

Wumms: Verena Mayer

Gehns weida. Die SZ-Korrespondentin dreht auf – und durch.

Hilfä, kommen neue alte Zeiten einer Machtergreifung?

Eines ist für die SZ-Korrespondentin «für Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Moldau und Slowenien» schon im Titel klar: Kickl und seine FPÖ gehören nicht zu den «demokratischen Kräften». Denn die haben versagt. Also eigentlich hat der österreichische Stimmbürger versagt, aber das traut sich Mayer nicht so unverblümt zu schreiben.

Sie schreibt auch nicht, dass die «demokratischen Kräfte» an der Regierung halt Murks gemacht haben und dafür vom Wähler abgestraft wurden. Denn ähnlich wie bei der AfD in Deutschland glänzt die FPÖ nicht gerade mit vielversprechenden Konzepten für eine strahlende Zukunft Österreichs.

Apropos: haben diese Korrespondenten eigentlich überhaupt mal das Parteiprogramm der FPÖ gelesen oder ihren Lesern vermittelt? Es ist ohne grossen Rechercheaufwand auffindbar. Es strotzt vor nicht allgemeingefährlichen Allgemeinplätzen:

«Wir wollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich mit seinem starken industriellen Kern verbessern.»

Das unterscheidet es im Übrigen nicht von dem Wahlprogramm der ÖVP:

«Wir bekennen uns zu einer Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung, fördern die
Leistungsorientierung und ermöglichen Wachstum für kleine und mittlere Unternehmen.»

Oder der SPÖ:

«Innovative Ein-Personen-Unternehmen (EPU), Klein- und Mittelunternehmen (KMU) und Start-ups sind das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Für sie muss die unternehmerische Tätigkeit einfacher werden.»

Das übliche Politikgelaber halt. Oh, hoppla, sehe gerade, da habe ich doch das Zitat der ÖVP und der FPÖ verwechselt. Ts, ts, aber das ist sicherlich jedem Leser aufgefallen, denn bei der ÖVP handelt es sich schliesslich um eine demokratische Kraft, während die FPÖ «in Teilen rechtsextrem» ist. Was Sebastian Kurz wiederum nicht war, denn der ist in der ÖVP. Oder doch in der FPÖ? Bei diesem typisch Wiener Kaiserschmarrn kommt doch keiner mehr draus.

Ausser Mayer. Die weiss alles: «Die Situation in Österreich steht exemplarisch für die Schwierigkeit vieler Parteien der Mitte, sich über die Lager hinweg auf ein Bündnis zu einigen.» Die «vielen Parteien» schrumpfen dann auf ÖVP, SPÖ, SPD, Grüne und FDP zusammen, aber macht ja nix.

Dafür erklärt sie noch schnell die Gesetzmäßigkeiten der Politik: «Die Geschichte hat oft gezeigt, dass politische Entwicklungen kein Wetterphänomen sind, das man einfach hinnehmen muss. Es ist daher auch kein Naturgesetz, dass sich die ÖVP nun doch bereit erklärt hat, mit jener FPÖ Koalitionsgespräche zu führen, die man bis vor kurzem noch als Gefahr für die Demokratie bezeichnet hat.»

Wie wahr; viel zu oft hat der Staatsbürger politische Entwicklungen wie Wetterphänomene hingenommen und an Naturgesetze in der Politik geglaubt.

Am Schluss ihres Kommentars, mit dem Tamedia mal wieder seine Leser belästigt, leidet Mayer unter dem Schicksal so vieler Kommentatoren, Rechthaber und Kennern der Sachlage: niemand hört auf sie. Denn: «Es hätte Möglichkeiten zu politischen Kompromissen gegeben, die Option, mit der SPÖ eine hauchdünne Mehrheit zu bilden und sich anlassbezogene Mehrheiten im Parlament zu organisieren.»

Aber eben; weil niemand auf Mayer hört, wurden all diese Möglichkeiten versemmelt. Typisch Österreich halt.

Besserwisserin

Heute feststellen, dass gestern heute morgen war. Grossartig.

Sonja Zekri ist die grosse Nahost-Spezialistin. Deswegen sitzt sie auch in (fast) jeder Talkshow. Und füllt die «Süddeutsche Zeitung» mit ihren Meinungsartikeln. Dabei hält sie sich an ein beeindruckendes intellektuelles Niveau. So weiss sie zum Beispiel:

«Der Sturz von Baschar al-Assad hat selbst US-Geheimdienste überrumpelt. Dabei war der Untergang des Regimes absehbar – wenn man die Zeichen beachtet hat.» Das kann Zeichendeuterin Zekri. Allerdings: Im Nachhinein Zukunftsprognosen abzugeben, das ist keine grosse Kunst.

Das ist so wie: Dass es gestern regnete, hat alle überrumpelt. Dabei war das absehbar, wenn man die Zeichen beachtet hat. Was allerdings die grosse Zeichendeuterin auch nicht vorher der Welt mitteilte, erst nachher.

Ein Blick ins Archiv zeigt allerdings, dass Zekri selbst in den vergangenen Jahren niemals Zeichen gegeben oder beachtet oder beschrieben hat, dass der Untergang Assads absehbar gewesen sei. Dieses Wissen hat sie offensichtlich für sich behalten.

Sie ist überhaupt Spezialistin für fast alles, was schon viel ist. Sie studierte Slawistik und war im Feuilleton der SZ. Dann war sie Korrespondentin in Moskau. Was das alles mit dem Nahen Osten zu tun hat? Nichts, wenn man diese Zeichen richtig deutet. Bis 2020 leitete sie dann das Feuilleton der SZ. Und berichtet aus Kairo «über den arabischen Raum». Wow.

Das befähigt sie nicht nur dazu, aus der Vergangenheit in die Zukunft zu schauen. Nein, sie kann das auch aus der Gegenwart heraus, was der Tagi als kleiner Bruder (oder kleine Schwester, oder hybrid oder nonbinär (notbinär will das Korrekturprogramm daraus machen, der fiese Schlingel)) von der SZ übernimmt:

Wobei sie doch zuerst in die Vergangenheit schweifen muss und über das Öffnen eines Foltergefängnisses schreibt. Allerdings handelt es sich um Abu Ghraib im Irak, das kurz vor seinem Sturz von Saddam Hussein aufgesperrt wurde – und dann als Foltergefängnis der USA zu unrühmlicher Bekanntheit kam.

Auch hier weiss die Seherin inzwischen mehr: «Heute weiss man: Der Irak wurde tatsächlich zum Modellfall, allerdings für das Risiko, das die kenntnisfreie Einmischung einer Supermacht in eine komplizierte Gesellschaft bedeutet.»

Was soll nun dieser Vergleich bedeuten? Eigentlich nichts: «Syrien und Irak könnten freilich unterschiedlicher nicht sein. Im Irak erzwangen äussere Kräfte den Umsturz, in Syrien aber stützten fremde Mächte das Regime. Den Umsturz schafften die Syrer allein.»

Also vergleicht sie Nicht-Vergleichbares und reiht in diese Nicht-Vergleiche auch noch Ägypten, Libyen, Jemen und Tunesien ein. Schlussfolgerung: «Was heisst das für Syrien? Dass es ein vernünftiges Erwartungsmanagement braucht.»

Ohä, Erwartungsmanagement, und erst noch ein vernünftiges, hätte ZACKBUM nie gedacht, dass Syrien so etwas dringend braucht. Aber immerhin, Zekri erteilt dem neuen Machthaber ihren Segen: «Syriens neuer starker Mann Ahmed al-Sharaa, der sich in seiner Al-Qaida-Zeit Abu Mohammed al-Jolani nannte, macht vieles richtig.» Das Lob aus dem Mund einer unverschleierten Frau wird ihn sicherlich von Herzen freuen. Aber natürlich muss Zekri auch warnend die Stimme erheben:

«Umso riskanter wäre es, jetzt schon auf freie Wahlen zu drängen. Ohne freie Medien, ohne vertrauenswürdige Institutionen, ohne ein Minimum an Loyalität gegenüber dem Staat und eben nicht nur gegenüber der eigenen Religion, der ethnischen Gruppe oder dem Stamm, so hat der britische Wirtschaftswissenschaftler Paul Collier herausgefunden, werden Wahlen zur Schaufensterveranstaltung.»

ZACKBUM gratuliert nebenbei auch dem Wissenschaftler Collier, der diese Banalität herausgefunden hat und dafür eigentlich den Nobelpreis verdient hätte. Aber Zekri auch, denn sie spart wirklich nicht mit guten Ratschlägen für ein Gedeihen Syriens. Allerdings ist auch hier die bange Frage: hört man auf sie?

«Dringend müssten die westlichen Länder nun Kontakt zu Syriens neuer Führung aufnehmen. Denn wenn sie sich nicht engagieren, auch dafür ist Syrien ein Beispiel, werden andere es tun.»

Die Türkei, Israel, Europa, die USA, keiner wird von ihren Ratschlägen verschont. Vielleicht muss sie schon bald wieder darauf hinweisen, dass es halt schlecht herausgekommen ist, wie sie schon richtig damals schrieb, weil niemand auf sie gehört hat und niemand ihre Zeichen zu deuten wusste. Das ist halt das schreckliche Schicksal aller Kassandras. Sie sagen das Unvermeidliche voraus, aber niemand hört auf sie, deshalb trifft es dann ein. Aber die Welt wäre eine viel bessere, würde sie auf Zekri hören. Davon ist zumindest ein Mensch felsenfest überzeugt.

 

Wer hat Angst vor Milei?

Die NZZ zeigt mal wieder, was Journalismus ist.

Der argentinische Präsident Javier Milei? «Bricht mit allen Regeln der Diplomatie, um eine rechtsextreme Internationale aufzubauen» (WoZ), «demonstriert wurde gegen ein umstrittenes Reformpaket der ultraliberalen Regierung» (SRF), «Diese Woche brannten mal wieder die Straßen von Buenos Aires. Dabei trat Argentiniens Präsident Javier Milei vor einem halben Jahr mit dem Versprechen an, das Land zu goldenen Zeiten zurückzuführen» («Süddeutsche Zeitung»).

Lateinamerikas Trump, Kettensägen-Präsident, Ultra-Liberaler, Anarcho-Kapitalist, selbst seine Frisur war Anlass zu launigen Bemerkungen in der Mainstreampresse. Thomas Fuster resümiert in der NZZ: «Noch vor einem Jahr schwankte der europäische Blick auf Javier Milei zwischen Belustigung und Entsetzen.» Wobei doch das Entsetzen überwog.

Denn das Problem war und ist: sollte Milei mit seiner Radikalkur gegen alles, was dem woken Gutmenschen lieb und teuer ist, Erfolg haben, dann sind mal wieder alle Illusionen eines solidarischen, sich verschuldenden Sozialstaats in Lateinamerika geplatzt. Die waren in Argentinien selbst für den härtesten Linken schon vorher am Ende. Zu offenkundig korrupt und unfähig richtete der Kirchner-Clan das Land zugrunde. Präsidentin Kirchner versuchte noch vergeblich, mit Kampftiraden gegen Geierfonds zu verhindern, dass Argentinien endlich einmal seinen Versprechungen nachkommen musste, seine Schulden auch wirklich zu bezahlen. Vergeblich, der nächste Staatsbankrott war fällig.

Und nun das, wie Futer Zwischenbilanz nach einem Jahr Milei zieht: «Er hat die Staatsausgaben real um fast einen Drittel gesenkt, die Zahl der Ministerien halbiert, Bürokratie abgebaut und dringend benötigte Devisen zurück ins Land geholt. Mit disziplinierter Finanzpolitik ist es ihm gelungen, dass der Staat wieder Primärüberschüsse ausweist; ohne den Schuldendienst übersteigen die Einnahmen somit die Ausgaben

Es ist eine nötige Rosskur eines Landes, das jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt hat und dabei gigantische Schuldenberge auftürmte: «Die Reformen beginnen zu greifen, wobei der Bevölkerung grosse Opfer abverlangt werden. Argentinien durchleidet eine schwere Rezession. Die Armutsquote steigt. Und im öffentlichen Sektor, der von den Peronisten zuvor stark aufgebläht worden war, sind schon Zehntausende von Stellen gestrichen worden

Dennoch – oder vielleicht deswegen – ist die Popularität Mileis in der Bevölkerung ungebrochen hoch, zum Leidwesen aller, die in ihm ein politisches Feindbild par excellence sehen. Dazu schreibt Futer richtig:

«Diese Popularität wird oft mit Populismus verwechselt. Doch wenn ein Populist ein Politiker ist, der den Leuten nach dem Mund redet, ihnen das Blaue vom Himmel verspricht und Probleme verharmlost, dann ist Milei der Anti-Populist. Er hat dem Wahlvolk nichts versprochen ausser Blut, Schweiss und Tränen. Er sagt: «No hay plata» – da ist kein Geld. Nach Jahrzehnten der Misswirtschaft gibt es nichts mehr zu verteilen.»

Nicht einmal zu dieser einfachen und logischen Einsicht sind die meisten übrigen Analysten, Lateinamerikaspezialisten und Rechthaber in der Lage, die die Welt so hinschreiben wollen, wie sie ihnen in den Kram passt.

Auch die Gleichsetzung von Trump und Milei ist gugus, hält Futer fest: «Der Argentinier wehrt sich gegen fast alles, was der Amerikaner will: Zölle, Protektionismus, Subventionen für die Industrie. Milei fordert vielmehr Freihandel, Wettbewerb, Austerität. Dass dies kurzfristig unbequemer ist als staatliche Rundumversorgung, verheimlicht er nicht.»

Also Operation in vollem Gange, der Patient leidet, stirbt aber nicht. Will man das auf Europa übertragen, dann wäre zum Beispiel im zweitgrössten EU-Staat Frankreich mit seiner gigantischen Staatsverschuldung von über 3,3 Billionen Euro eine ähnliche Rosskur dringend nötig. Oder in Italien. Oder in Griechenland. Oder langsam sogar auch in Deutschland.

Aber das wird nicht geschehen. Vielleicht schon deswegen, weil es an einer charismatischen Figur wie Milei fehlt, der seine Exzentrik durchaus als Propagandawaffe einsetzt.

Aber wer dem Stimmbürger Rentenerhöhungen, mehr Sozialleistungen, Ausbau staatlicher Dienstleistungen und Ähnliches verspricht, das Ganze – wenn er überhaupt davon spricht – über ungehemmtes Schuldenmacher finanzieren will, der sammelt in Europa immer noch mehr Wählerstimmen als einer, der bittere Wahrheiten verkündet.

In der Schweiz hält ein SP-Co-Präsident eine 12-Millionen-Schweiz für «machbar», ist stolz über das Bodigen des Ausbaus der Infratstruktur, schimpft über Singapur, ohne von dem Stadtstaat die geringste Ahnung zu haben, und fantasiert, dass die Schweiz doch die Schuldenbremse über Bord werfen könnte und sich doppelt so hoch wie aktuell verschulden, damit seien dann fast alle Probleme gelöst.

Höchstwahrscheinlich sind also Traumtänzer wie Cédric Wermuth eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil sie ungedeckte Checks auf Kosten der nächsten Generationen einlösen wollen. Und Liberale wie Milei ein Hoffnungsschimmer.

Auch das muss nicht so sein; ein Jahr ist eine zu kurze Zeit, um zu beurteilen, ob er mit seiner Radikalkur Erfolg haben wird – oder ob er mit Schimpf und Schande von einer gequälten Bevölkerung aus dem Amt gejagt wird. Das eigentliche Trauerspiel ist aber mal wieder die Berichterstattung über ihn, die dem Leser null Nahrung gibt, um sich selbst ein Bild über die Politik und die Erfolge Mileis zu machen. Daher ein dickes Lob an Futer und die NZZ.

 

 

Wumms: Thomas Hahn

Keiner zu klein, Demagoge zu sein.

Der ehemalige Sportjournalist und Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» mit Sitz in Tokio kümmert sich nicht mehr um die Probleme von Geishas. Sondern die turbulenten Ereignisse in Südkorea haben seine Aufmerksamkeit erregt und ihn zu einem Kommentar genötigt, den der Qualitätsmedienkopfsalat von der Werdstrasse namens Tamedia mangels eigener Meinung brav übernimmt:

Da hat offensichtlich der südkoreanische Präsident durch die Ausrufung des Kriegsrechts versucht, mit einer Notmassnahme das oppositionelle Parlament auszubremsen. Allerdings ist ihm das nicht gelungen. Hingegen gehört es zum Machtbereich des Präsidenten, so etwas zu tun. Das sieht Hahn aber schon mal anders: «Er hat also einen Putsch versucht gegen die politische Konstellation, die das Ergebnis von freien Wahlen ist.»

Das Aurufen des Kriegsrechts ist an und für sich noch kein Putschversuch, muss man den Sportjournalisten belehren, der hier gleich die rote Karte zückt. Aber diese Überhöhung braucht er nur, um zu seinem eigentlichen Thema zu gelangen:

«Obacht bei der politischen Führungspersonalwahl – das ist die Botschaft dieser Yoon-Anmassung an alle Wähler und Parteien, die sich zu leicht einlullen lassen vom Blendwerk selbstsüchtiger Populisten

Wer’s immer noch nicht gemerkt hat, wen Hahn eigentlich meint, hier legt er nochmals nach: «Solche selbstsüchtigen Populisten» – erkennbar an der gelben Haartolle – «sind nicht geeignet für Spitzenpositionen im Parlamentarismus, weil sie Wahlsiege missverstehen als Lizenz zum Durchregieren nach ihrer eigenen, vereinfachenden Auffassung von Welt».

Nun kann Hahn endlich die Katze aus dem Sack lassen und offen loslegen: «Der designierte US-Präsident Donald Trump ist natürlich das prominenteste Beispiel eines rücksichtslosen Vereinfachers, der eigentlich wenig von der Demokratie versteht.»

Nun muss Hahn allerdings zu eiern beginnen. Denn einerseits: «Yoon Suk-yeol ist als Präsident nicht mehr zu halten.» Was ja bedeutet, dass die Demokratie doch stärker ist als dieser Populist. Aber, merkt auf, ihr dummen Republikaner in den USA: «Das Beispiel von Yoon Suk-yeol zeigt, dass Parteien genauer prüfen müssen, ob ihre Spitzenbewerber überhaupt geeignet sind für die Welt der Demokratie.»

Oder auf Deutsch: der südkoreanische Präsident ist es nicht, Trump ist es ebenfalls nicht. Da wäre es doch wohl nach dem Demokratieverständnis von Hahn angezeigt, dass die blöden US-Stimmbürger, die mehrheitlich – so wie die Südkoreaner – diese Populisten gewählt haben, sich umbesinnen, auf Hahn hören und einen neuen Präsidenten wählen – statt eines ungeeignet.

Diese Wahlen müssten allerdings so oft stattfinden, bis ein Kandidat gewinnt, mit dem Hahn einverstanden sein kann.

Märchenstunde beim Tagi

Wenn der SZ-Märchenonkel Hubert Wetzel aus einem Paralleluniversum berichtet …

Eigentlich ist die Schande des Berufs der Süddeutschen Zeitung für die USA zuständig. Dort warnt er so inbrünstig wie vergeblich vor Donald Trump. Aber auch die übrige Welt bedarf seinen strengen Zurechtweisungen. Diesmal berichtet er aus einem EU-Parlament in Brüssel.

Nicht aus dem realen; Wetzel hat es offenbar geschafft, sich in eine Parallelwelt zu beamen. In dieser soll der ungarische Regierungschef Viktor Orban eine Abreibung durch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekommen haben.

Schon mit dem Einstieg beweist Wetzel, dass seine Beobachtungen nicht von dieser Welt sind:

«Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft begann am 1. Juli, und eigentlich dauert sie noch bis zum 31. Dezember. Uneigentlich war sie allerdings am 5. Juli schon wieder vorbei. Das war der Tag, an dem Viktor Orban auf «Friedensmission» von Budapest nach Moskau flog und Wladimir Putin, dem Diktator, Kriegstreiber und Vergewaltiger der Ukraine, im Kreml die Hand schüttelte.»

Putin wurde ja schon viel vorgeworfen, aber dass er die Ukraine vergewaltigt (wie hat man sich das wohl vorzustellen?), das ist neu. Aber das ist ja nur der Einstieg in ein uneigentliches Paralleluniversum, wo offenbar auch für den Journalismus andere Regeln und Gesetze gelten:

«Seither tut der rechtspopulistische ungarische Regierungschef zwar gern so, als sei von seiner mit Pomp und Fanfaren angekündigten Ratspräsidentschaft noch etwas übrig. Am Mittwoch etwa stellte Orban sich vor das Europaparlament und erläuterte in einer für seine Verhältnisse sogar recht gemässigten Ansprache sein «Programm»

In einer Welt, wo noch ein paar Grundregeln des Journalismus gelten, könnte man eigentlich von Wetzel erwarten, dass er nun kurz den Inhalt dieser Rede zusammenfasst. Aber doch nicht in seiner Parallelwelt. Auch die Gegenrede von der Leyens kann Wetzel nicht wiedergeben, er behauptet, sie habe Orban «de facto als Vasallen der Russen und Chinesen bezeichnet». Was sagte sie dann wirklich? Unwichtig für Wetzel.

Nun muss Wetzel aber knirschend einräumen, dass Orban gar nicht so der Paria ist, als den ihn der Schmierenjournalist gerne darstellen möchte: «Bei dem Thema, das die EU seit Jahren wie kaum ein anderes beschäftigt, quält und spaltet – dem Umgang mit illegalen Einwanderern –, ist Orban längst kein geächteter Rechtsaussenseiter mehr. Im Gegenteil, er gibt Europa den Takt in der Migrationspolitik vor: Abschottung, Abwehr, Ausweisungen.»

Was Wetzel in seinem Paralleluniversum zu erwähnen vergisst: während der Rede Organs führten sich EU-Parlamentarier ungebührlich bis unmöglich auf. Sie keiften hinein und wedelten sogar mit Transparenten. Aber was hatte Orban denn so Fürchterliches gesagt? Da schweigt Wetzel verkniffen – und ist damit nicht alleine. Wer den Inhalt anhören will, muss schon weit suchen, denn keines der grossen Massenmedien hielt es für nötig, die durchaus bedenkenswerten Bemerkungen wenigstens zusammenzufassen.

Das tut einzig und alleine die «Weltwoche»: «Er reihte Binsenwahrheit an Binsenwahrheit: Die ungezügelte Migration habe Antisemitismus, Homophobie und Gewalt gegen Frauen befeuert. Die Abkoppelung von billiger Energie aus Russland habe eine Wirtschaftskrise ausgelöst. Er forderte weniger Bürokratie und Regulierung, dafür mehr Energiesicherheit und Wettbewerbsfähigkeit, damit Europa international bestehe

Und nur die «Weltwoche» dokumentiert inzwischen die durchaus staatsmännische Rede Orbans im Wortlaut …

Was dann folgte, kann man nur jenseits von unserer Welt als «Abreibung für Orban» bezeichnen. Von der Leyen keilte tatsächlich zurück, worauf sie aber anschliessend von Orban deutlich in die Schranken gewiesen wurde.

Nun geht es nicht darum, die Richtigkeit der Positionen von Orban hier zu bewerten. Aber die Qualität der Berichterstattung von Wetzel kann durchaus gemessen werden.

Sie ist unterirdisch; in jedem Anfängerkurs für angehende Journalisten würde ein solch demagogisches Machwerk, das nichts mit den tatsächlichen Ereignissen zu tun hat, hochkant als völlig ungenügend in den Papierkorb wandern. Und dem Autor würde nahegelegt, es vielleicht mal mit einem anderen Beruf zu versuchen; Märchenonkel hat immer Konjunktur.

So wäre das, wenn im Tagi noch Qualitätsjournalismus betrieben würde. Da der aber – ausser in Worten von Bärtschi – weggespart, abgeräumt, niedergemacht, vergessen ist, kommt ein solches Stück second hand ins Blatt.

Das ist nicht nur geistlos, sondern geradezu schamlos. Wie die dafür Verantwortlichen dem Leser noch ins Auge blicken können, ohne rot anzulaufen? Aber darin haben die bislang überlebenden Leichenfledderer des seriösen Journalismus Übung. Sie leben wohl alle selbst schon in einem Paralleluniversum, in dem der Tagi noch eine ernstzunehmende Qualitätszeitung ist. Und morgen erzählen wir ein anderes Märchen.

Wumms: Tomas Avenarius

Es gibt doch noch intellektuelle Lebenszeichen aus der SZ.

Tomas Avenarius hat sich schon mehrfach als Klugscheisser hervorgetan. Bereits 2023 sah er das Ende Putins nahen. Auch für den Gazastreifen hatte er eine duale Lösung:

«Wer die Hamas zerschlagen will, muss entweder den Gazastreifen mit Bomben endgültig unbewohnbar machen oder eine politische Lösung des Palästinenserproblems finden

Gut, das war dann alles nix, aber ZACKBUM ist begeistert, mitteilen zu können, dass Avenarius tatsächlich dazugelernt hat. Nun titelt Tamedia, das mal wieder seine Meinung in Form eines Leitartikels von den Kollegen aus München übernimmt:

Das ist schon mal interessant und wird die verbliebenen «Israelis sind die Guten, wer sie kritisiert, ist Antisemit»-Kreischen zu lautem Getöse animieren.

Aber Avenarius geht diesen Weg unbeirrt weiter, was ihm garantiert da Etikett Judenfeind ankleben wird. Denn seine Schlussfolgerung ist so bitter wie wie realistisch:

«Es gilt nur noch das Recht des Stärkeren. Diplomatische Phrasen und Moralappelle bewirken überhaupt nichts mehr. Knallharter, unparteiischer Druck auf Israelis, Palästinenser und Iraner – das ist das Einzige, was vielleicht noch Aussicht auf Erfolg hätte

Allerdings bleibt er einem kleinen Denkfehler treu. Knallharten Druck auf Israel wird es nicht geben. Der israelische Ministerpräsident Netanyahu hat schon zur Genüge gezeigt, dass er auf Ratschläge oder gar Druckversuche der USA pfeift. Nicht zuletzt möchte er so lange wie möglich dem Knast entgehen.

Und gerade im Wahlkampf um die Präsidentschaft wird es kein Kandidat wagen, es sich mit der mächtigen Israel-Lobby in den USA zu verscherzen. Und die regierende Lame Duck wir auch nichts tun, was auf die Kandidatur seiner Vizepräsidentin negative Auswirkungen haben könnte.

Bis hierher als ein eingeschränktes Bravo für Avenarius. Vielleicht hätte man, aber man will ja nicht zu viel aufs Mal, von ihm noch erwarten können, dass er ein paar klare Worte zu den israelischen Terrorangriffen im Libanon sagt. Aber wahrscheinlich traut er sich nicht, weil dann auch die SZ (und Tamedia) den heiligen Zorn aller Fans von israelischen Kriegsverbrechen entzünden würde.

Und bevor auf ZACKBUM der Kommentarschreiber wieder im roten Bereich dreht: Angriffe auf Flüchtlingslager und Beiruter Wohngebiete, bei denen Zivilisten ums Leben kommen, sind schlichtweg Kriegsverbrechen. Wer’s nicht glaubt, lese halt mal die Definition nach. Und wer behauptet, die seien halt alle selber schuld, weil sich unter ihnen Terroristen eingenistet haben, der kann gerne erklären, wie er mutig diesen fundamentalistischen Wahnsinnigen entgegentreten würde.

Israel behauptet inzwischen, Belege dafür zu haben, dass die Hetzbollah zum Jahrestag des Massakers vom 7. Oktober 2023 plante, diesmal am anderen Ende Israels ein Massaker anzurichten. Man ist auf diese Belege gespannt. Mindestens so gespannt auf eine endgültige Antwort, wie es denn dieser gnadenlos effiziente Geheimdienst, der die Hetzbollah zu Kleinholz zerlegt und offenbar besser als deren Führungsclique weiss, wo sich wer wann aufhält, wie dieser gnadenlos effiziente Geheimdienst, der Pager mit Sprengladungen versehen kann und offensichtlich alles abhört, wie dieser herausragende Geheimdienst die mehr als ein Jahr andauernden Vorbereitungen auf den 7. Oktober 2023 übersehen haben kann.

Aber eigentlich meinen die Zyniker, die Israels Wüten im Libanon verteidigen, ohne sich das eingestehen zu wollen: wer in Beirut oder so lebt, hat halt Pech gehabt. Hätte ja auch in der Schweiz geboren werden können. Oder nein, noch besser: kann doch in die Schweiz flüchten, wenn er dort Angst um sein Leben haben muss.