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Skrupel von Fall zu Fall

SP-Politiker: die BZ lässt Gnade walten. SVP-Politikerin: das ist was anderes.

Die «Berner Zeitung» (BZ) berichtet über Lokales. Das kann sie besonders gut, weil Tamedia, zu dem das Blatt gehört, ja die sonstige Einheitssauce aus der Zentralredaktion in Zürich auf alle Kopfblätter verteilt. Das kann die Lokalredaktion der BZ noch besser, seit diejenige des Schwesterblatts «Der Bund» weggespart, bzw. fusioniert wurde.

Das musste sein, den Tamedia muss sparen. Warum? Na, wer nicht spart, kann doch nicht 830 Millionen Gewinn machen, ist doch logisch. Das freut den Coninxclan, denn die Aktionäre bekommen eine hübsche Dividende. Aber damit ist’s dann vorbei mit der Sparerei? Mitnichten, ist ja schliesslich erst ein Drittel des 70-Millionen-Sparpakets abgearbeitet.

Da muss auch im Kleinen gespart werden. Zum Beispiel bei den Kommentaren. Denn es trug sich zu, dass die BZ Unerfreuliches berichten musste: «Vizechef der Stadtberner SP-Fraktion hat Lebenslauf frisiert». Ts, ts, Juso-Stadtrat Mohamed Abdirahim «hat weder studiert, noch eine Ausbildung als Kindererzieher abgeschlossen, noch arbeitet er als Jugendarbeiter». So stand’s aber in seinem Lebenslauf. Damit konfrontiert, legte er zerknirscht ein Geständnis ab. «Alle machen Fehler», meinte die Berner SP milde, und auch die BZ zeigt viel Verständnis für den Menschen, denn der «Einzelgänger» habe durch die Politik schliesslich «nach eigenen Angaben zum ersten Mal ein soziales Umfeld gefunden».

Also alles sind sehr lieb zu ihm, was sicherlich nichts mit seinem Namen und seiner Hautfarbe zu tun hat. Zudem muss der Mann geschützt werden; daher: «Die Redaktion hat entschieden, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes die Kommentarfunktion bei diesem Artikel zu schliessen.»

Man könnte den Persönlichkeitsschutz auch so leben, dass man ihn verletzende Kommentare nicht publizierte, andere schon. Aber das würde ja in Arbeit ausarten.

Das Gleiche ist nicht dasselbe

Weniger rücksichtsvoll ist die Lokalredaktion der BZ hier: «Wortbrüchige Politikerin? Meier irrlichtert weiter, Amstutz schweigt. Seit Wochen kündigt Madeleine Amstutz an, sich zu Verschwörungstheorien zu äussern, die ein Kandidat ihrer Wahlliste verbreitet. Trotzdem schweigt sie beharrlich.»

Früher war es mal eine Kunstform, einen Lead zu basteln. Item, hier geht es darum, dass Amstutz für die Wahlen zum Berner Grossen Rat kandidiert. Da sie bei der SVP in Ungnade gefallen ist, tut sie es mit einer eigenen Wahlliste, auf der auch ein Hans Meier steht, der auf seinem Facebook-Profil merkwürdige Ansichten zu Corona und der Ukraine von sich gibt.

Obwohl «diese Zeitung» schon mehrfach Amstutz um Stellungnahme bat, verweigerte sie die, was nun eher ungnädig von der BZ aufgenommen wird. Immerhin darf der «Berner Politologe und Wahlkampfexperte Mark Balsiger» milde urteilen, «es sei verständlich, dass Amstutz versuche, die Sache auszusitzen». Hier macht sich die BZ allerdings keine Sorgen um den Persönlichkeitsschutz der Politikerin. Die Kommentarfunktion wurde nicht geschlossen.

Was ja entweder zeigt, dass es möglich ist, den Leser kommentieren zu lassen, ohne dass da Verletzungen stattfinden würden. Oder aber, im Fall des SP-Genossen musste das unbedingt verhindert werden, im Fall einer im Umfeld der SVP angesiedelten Politikerin nicht.

Von politischen Präferenzen kann keine Rede sein

Das hat natürlich null und nichts mit der politischen Ausrichtung der Lokalredaktion der BZ zu tun. Zwei Ellen, Doppelmoral, Heuchelei, Parteinahme, Einseitigkeit? Also bitte, diese Ausdrücke wollen wir doch in diesem Zusammenhang nicht verwenden, sonst könnte sich noch ein empfindlicher Lokaljournalist in seiner Persönlichkeit verletzt fühlen.

So etwas wäre doch wie aufgelegt für das neue Berner Organ «Hauptstadt». Schliesslich entstand das nicht zuletzt wegen der Zusammenlegung der beiden Berner Zeitungen aus dem Hause Tamedia. Aber höchstwahrscheinlich hätte das die Kapazitäten der zehn Mitarbeiter gesprengt, die ja schon alle Hände voll zu tun haben, pro Tag mindestens einen ganzen Artikel rauszupusten. Und am 12. März war das «Fit für die Kantonsratswahlen», am 11. ein Interview mit einer «Politologin, die zu Geschlecht und Frieden in Osteuropa» forsche. Und am Tag zuvor gab’s ein Rezept zu «Winterportulak», und nein, wir schreiben hier keine Realsatire.

NZZaS lobt Schnarchorgan

Das überlassen wir lieber Aline Wanner von der NZZaS, die das Schnarchorgan aus Bern in den höchsten Tönen in ihrer Medienkolumne lobt. Das Schmalbrustblättchen zeige, es gebe «ein Bedürfnis nach zuverlässigen, liebevollen, überraschenden Informationen aus der Nähe». Kochrezepte, Politologie zu Geschlecht in Osteuropa, das sind Informationen aus der Nähe?

Man fragt sich, welche «Hauptstadt» Wanner da gelesen oder gemeint haben mag. Auf jeden Fall muss man auch bei der NZZaS einen Frauenbonus vermuten. Anders lässt es sich nicht erklären, dass so ein Nonsens publiziert wird. Aber vielleicht gab auch, wie bei Lucien Scherrer, Konzernjournalismus den Ausschlag. Scherrer durfte den «Blick» und Ringier prügeln, Wanner darf nun zu Tamedia «ätsch» sagen. Denn zum Schluss bemerkt sie noch maliziös, dass die TX Group «einen beträchtlichen Gewinn» bekanntgegeben habe.

Jedoch, nimm das, Pietro Supino: «Aber kleine, schlanke Unternehmen sind bekanntlich oft innovativer als träge Kolosse mit fragwürdiger Betriebskultur.»

Es bleibt die Frage, ob die NZZ Gruppe schlank oder träge ist. Und wie es eigentlich mit ihrer Betriebskultur steht, wenn man so die Flugzeiten bei der NZZaS als Massstab nimmt.