Bank Reyl traut sich was
Eine superprovisorische Anordnung gegen Enthüllungen ist gescheitert.
Selten hat ein Genfer Gericht einem Antragsteller so eine Klatsche verpasst. Die Genfer Pochettli-Bank Reyl, genauer Reyl Intesa Sanpaolo, wollte mit dieser Massnahme ungute Presse vermeiden.
Seit 2021 gehört sie mehrheitlich zur italienischen Bankengruppe Intesa Sanpaolo, und sie hat eine Vorgeschichte. Im Zusammenhang mit der «Cahuzac-Affäre» wurde Reyl 2017 in Frankreich zu einer Geldstrafe verurteilt, da sie dem ehemaligen französischen Finanzminister Jérôme Cahuzac bei der Verschleierung von Vermögenswerten geholfen haben soll.
Jetzt berichtete die «SonntagsZeitung»: «Kurz nach dem Überfalls Russlands auf die Ukraine «eröffnete die Genfer Bank Reyl ein Millionenkonto für die Tochter eines russischen Kriegssponsors. Auch ein Ex-Minister von Wladimir Putin und Mitglieder von Diktatorenfamilien aus Usbekistan und Kasachstan gehörten bis mindestens 2024 zur Kundschaft der Bank Reyl. Besonders brisant: Alt-Bundesrätin Ruth Metzler war bis letzten Sommer acht Jahre lang Verwaltungsrätin bei der Bank Reyl und in diesem Gremium insbesondere zuständig für Fragen der guten Geschäftsführung.»
Als die Bank davon Wind bekam, weil sie wie es sich gehört vor Publikation mit den Anwürfen konfrontiert wurde, liess sie von ihren Anwälten ein 24-seitiges Schreiben mit der Aufforderung ans Gericht richten, diese Berichterstattung zu untersagen. Putzig die Begründung:
«— Die Existenz einer Bankbeziehung mit einem Kunden sei durch das Bankgeheimnis geschützt und dürfe in einem Artikel nicht erwähnt werden.
— Die Daten über Bankkunden seien unrechtmässig an die Medien gelangt, und wenn die Journalisten sie weitergeben oder nur schon «verwenden» würden, machten sie sich strafbar.
— Die Pressefreiheit gelte nicht, wenn die Veröffentlichung eine Straftat sei.
— Eine Offenlegung der Kunden wäre aber «zweifellos» eine Straftat.
— Die Bank sei gerade dabei, wegen dieser Tatsachen Strafanzeige zu erstatten.
— Eine Publikation basierend auf solchen Daten würde «den Ruf des gesamten Finanzplatzes Schweiz schädigen», wobei die finanziellen Folgen weit über den Schaden für die betroffene Bank hinausgehen könnten.
— Letztlich stünden hier sogar die Interessen der ganzen Schweizer Wirtschaft auf dem Spiel.
Das Schreiben an das Gericht schliesst mit einem Plädoyer: Angesichts der Bedeutung dieser Frage «für das Ansehen des gesamten Finanzplatzes Schweiz und für den Schutz des Bankgeheimnisses» sei ein Verbot des geplanten Artikels «vollkommen verhältnismässig».»
Auf ihrer Webseite sondert die Bank den üblichen Bullshit Bingo des Banking ab: «Success.Together». Das Geldhaus wurde 1973 gegründet und verfügt seit 2010 über die Lizenz zum Banking. Es fiel schon mehrfach bei der Finanzaufsicht FINMA auf, die zurzeit ein sogenanntes Enforcement-Verfahren durchführt, die schärfste Waffe, wenn Hinweise auf Rechtsverletzungen vorliegen.
Die Banker scheinen noch in der guten, alten Zeit zu leben, als ihr Handeln sakrosankt war und jede Kritik daran Majestätsbeleidigung.
Heutzutage zu behaupten, eine kritische, auf Fakten basierende Berichterstattung über ihr Tun schädige gar den «Ruf des gesamten Finanzplatzes Schweiz» – und nicht etwa das Handeln der Bank –, ist eine nassforsche Umkehr der wahren Lage.
Ihre Argumentation, dass die Veröffentlichung von Kundendaten eine Straftat sei, ist allerdings nicht ganz falsch. Denn theoretisch existiert das Bankgeheimnis noch, und diese Informationen stellen ein Bruch dar.
Auf der anderen Seite gibt es ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, über dieses Geschäftsgebaren der Bank informiert zu werden.
Oder wie es das Gericht formulierte: «Die Verbreitung wahrer Tatsachen durch die Presse ist grundsätzlich durch den Informationsauftrag gerechtfertigt.»
Brenzlig wird es allerdings, wenn es sich herausstellt, dass behauptete Tatsachen nicht wahr sind. Die Hürden für die Erlangung einer solchen superprovisorischen Verfügung, die als einziges Rechtsmittel dem Betroffenen kein Gehör gibt, sondern zur Abwehr einer sonst nicht vermeidbaren Schädigung dienen soll, sind allerdings gesenkt worden, der Ständerat hirnt darüber, ob nicht einfach die Publikation aller rechtswidrig erlangten Informationen verboten werden sollte.
Da gibt es den guten Satz von George Orwell:
«Journalismus ist etwas zu veröffentlichen, was andere nicht wollen, dass es veröffentlicht wird. Alles andere ist PR.»
Viele Medien in der Schweiz fürchten inzwischen nicht nur superprovisorische Verfügungen, sondern juristische Scharmützel, die ein unliebsamer Artikel nach sich ziehen kann. Dabei geht es den Betroffenen nicht in erster Line darum, Recht zu bekommen, sondern der Publikationsquelle möglichst grossen finanziellen Schaden zuzufügen, der alleine schon durch die notwendige Gegenwehr entsteht.
Und in Zeiten eines verelenden Journalismus gehört es zu den vornehmsten Aufgaben der Redaktionsleiter, dieses Gefahrenpotenzial abzuschätzen – und im Zweifelsfall auf eine Publikation zu verzichten.