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Spitzel-Süddeutsche

Und was sagt Tamedia zum Skandal?

Tamedia ist dauererregt, wenn es um Überwachung oder Bespitzelung in Unrechtsstaaten geht. China, Russland, furchtbar.

Wenn die Kollegen von der «Süddeutschen Zeitung» bespitzelt werden? Skandal! Skandal? Kein Skandal. Denn sie wurden von der eigenen Redaktionsleitung ausgeforscht.

Oder wie nicht nur der «Spiegel» hämisch berichtet: «Die Chefredaktion der »Süddeutschen Zeitung« hat E-Mails und Telefonverbindungen ihrer Mitarbeiter nach Kontakten zum Branchendienst »Medieninsider« durchsuchen lassen, nachdem Informationen aus einer internen Redaktionskonferenz von diesem veröffentlicht worden waren.»

Worum geht’s? Nun, die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid steht im Plagiatsverdacht. Die Vielschreiberin aus Österreich haut gerne dem deutschen Bundeskanzler Scholz eins über die Rübe und weiss – gut eingewöhnt in Deutschland – sowieso alles besser.

Nun räumte die Chefredaktion der SZ intern ein, dass die Dame mit dem lustigen Doppelnamen tatsächlich einen «fehlerhaften Umgang» mit fremden Textstellen pflege. Das ist nun oberpeinlich, weil die ja wohl doch Vorbild sein sollte. Allerdings war der Chefreddaktor Wolfgang Krach schnell mit der Behauptung zur Stelle, es handle sich hier um – was sonst – eine «Kampagne» gegen die SZ. Das Allerweltsschlagwort, wenn einem nichts Besseres einfällt.

Nun hat ein deutsches Pendant zu ZACKBUM namens «Medieninsider» diese Affäre ans Licht gebracht. Und die haltlosen Behauptungen des Chefredaktors. Das fand nun die SZ überhaupt nicht lustig. Nein, nicht das Fehlverhalten von Föderl-Schmid, auch nicht den schwachen Auftritt von Krach. Sondern: Wer war das? Wer hat diese Interna an den «Medieninsider» durchgestochen?

Hier sei «das Herz einer Redaktion abgehört» worden, fabulierte die SZ weiter, und «das können wir nicht hinnehmen», polterte Krach und macht die Sache noch schlimmer. Denn es wurde nicht abgehört, es wurde schlichtweg ein Vorgang, der den Leser der SZ interessieren sollte, ans Licht der Öffentlichkeit gebracht.

Aber nun wird’s aschgrau. Was macht die Chefreaktion der SZ? Sie hat doch tatsächlich Telefon- und Maildaten ihrer Mitarbeiter durchsucht. Das ist nun nicht unbedingt illegal, wenn das in den Anstellungsverträgen ausbedungen wird. Denn der Verlag ist der Besitzer dieser Kommunikationsmittel.

«Redaktionsausschuss, Betriebsrat und Chefredaktion sind sich einig, dass der Schutz des Redaktionsgeheimnisses für unsere Arbeit unabdingbar ist. Deshalb steht es für uns außer Frage, dass wir Kolleginnen und Kollegen, die das Redaktionsgeheimnis verletzen, versuchen ausfindig zu machen.»

Das ist schon mal schräg, wenn man bedenkt, dass die SZ schon x-mal zu diesen internationalen Konsortien gehörte, die gestohlene Geschäftsunterlagen als Hehlerware merkantilisierten und zu «Leaks» und «Papers» umlogen. Da ist’s erlaubt im Sinne der Aufdeckung, aber im eigenen Hause? Pfuibäh.

Dann wird’s noch ganz schräg:

«Die ›Süddeutsche Zeitung‹ toleriert keinerlei Angriff auf den Schutz der Pressefreiheit, weder von außen noch von innen.»

Es soll ein Angriff sein, wenn ein Medienorgan darüber berichtet, wie die Kritik an einem Fehlverhalten eines Mitglieds der Chefredaktion intern abgebügelt wird?

Aber das Sahnehäubchen ist: auch diese Bespitzelungsaktion wurde an «Medieninsider» berichtet. Die SZ ist nicht ganz dicht. Schlechte Nachricht für alle, die sich mit einer vertraulichen Information unter Quellenschutz an das Organ wenden wollen.

Inzwischen sind noch weitere Vorwürfe gegen Dr. Föderl-Schmid erhoben worden. Sie habe möglicherweise auch bei ihrer Dissertation nicht sauber gearbeitet. Als Konsequenz hat sie sich (bzw. wurde sie) «aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen», was immer das bedeuten mag. Von einer «Kampagne» ist offenbar nicht mehr die Rede.

Ach, was hat das mit der Schweiz zu tun? Na, der Qualitätsmedienkonzern Tamedia übernimmt bekanntlich grosse Teile seines Inhalts aus München. Ausland, Wirtschaft, Kultur, usw. Immerhin erspart das häufige Auftritte von Nora Zukker. Aber sonst? Erspart das dem Schweizer Leser nichts, wenn er gezwungen wird, die Welt durch deutsche Augen zu sehen.

Nun stellt sich noch heraus, wie es so intern beim Qualitätsorgan in München zugeht. Wie sich die Chefredaktion einigelt, wird einer der ihren kritisiert. Und wie die Chefredaktion sich nicht scheut, die eigenen Mitarbeiter zu bespitzeln.

Ein Doppelschlag ins Wasser. Der «Maulwurf» wurde nicht gefunden, auch die peinliche Aktion kam ans Tageslicht. Und der Tagi? Das «Recherchedesk»? Wo bleiben Brönnimann oder Zihlmann? Wo bleibt die harsche Kritik? Wo bleibt die Winzmeldung? Ist das wieder peinlich …

Trumps allerschärfste Waffe …

… sind Journalisten vom Schlag eines Stefan Kornelius.

Der ist nicht irgendwer, sondern Leiter des «Polit-Ressorts der Süddeutschen Zeitung». Er hat den krachledernen Bayernstil perfektioniert, was die Eingeborenen dort derblecken nennen.Das kommt im Bierzelt nach der dritten Mass sehr gut an, aber in angeblichen Qualitätsorganen? Der Verbal-Amok, wie ihn ZACKBUM schon bezeichnen musste, hat eine Lieblingsvokabel, wenn es gegen seine Lieblingsgegner geht: Lügner. Zuletzt arbeitete sich Kornelius an Lawrow ab: «Der russische Außenminister setzt Standards für alle aktiven Populisten und Demagogen, zu deren wichtigster Befähigung es gehört, Tatsachen in Lügen und Lügen in Tatsachen zu verwandeln. Lawrow ist so etwas wie die Verbalausgabe eines Spiegels: Was er von sich gibt, ist nur spiegelverkehrt korrekt

Wunderlich gedrechselte Wortkaskade, aber der Inhalt, Belege? Da wird’s dann dünn: dem Aussenminister sei zum Beispiel entgangen, dass es sich bei Selenskyj «in Kiew um eine demokratisch gewählte Regierung handelt». Wer einen durch einen Oligarchen gekauften Wahlsieg in einem hochkorrupten Land ohne grosse demokratische Tradition oder Strukturen demagogisch so hochjubelt, kann eigentlich nicht ernst genommen werden.

Aber versuchen wir’s doch, denn Kornelius reiht sich vorhersehbar bei den Alarm-Kreischen ein, die vor Donald Trump warnen müssen und wollen. In der SZ heisst sein Erguss «Er ist entfesselt». Damit meint er Trump, aber der Titel passt perfekt auf ihn selbst. Tamedia hat dann daraus gemacht: «Trump nutzt seine schärfste Waffe: die Lüge».

Das Ausmass der Erregung des Schreibers kann man einfach darin messen, welche Fotografie von Trump verwendet wird. Hier das Bildzitat aus dem Tagi:

Trump beim Derblecken.

Kornelius bibbert bereits heute so vor diesem Gottseibeiuns, dass er gleich um himmlische Hilfe bittet: «Offenbar kann nur noch ein Himmelszeichen diesen Mann zumindest als Präsidentschaftskandidaten der Republikaner verhindern.» Oder ein Menetekel an der Wand oder vielleicht ein Blitzschlag.

Denn es wird nicht, es ist schon grauenhaft: «Die Entfesselung des Kandidaten Trump ist ein nahezu totalitäres Schauspiel.» Versteht man nicht? Nun, wenn die Erregung die Feder führt, dann geraten Worte und Gedanken ins Schlingern.

Was ist denn passiert? In einem der vielen Prozesse gegen ihn hat Trump die Plattform genutzt und das getan, was jeder Angeklagte tut: er nennt die Vorwürfe «Betrug an mir», er werde von der Staatsanwältin gehasst, der Richter habe eine eigene «Agenda». Das sind nun ruppige Behauptungen, aber direkt lügen kann man Trump damit nicht unterstellen.

Denn in Wirklichkeit sind die Medien schon längst eine Symbiose mit Trump eingegangen. Seine Unterstützer und seine Gegner tun genau das Gleiche. Sie bieten ihm Multiplikationsplattformen, weil Trump immer für eine Show gut ist. Er darf einfach nicht zu lange ins Labern geraten, sonst wird es ein Desaster wie sein Gespräch mit Tucker Carlson, in dem er am Rande des Deliriums fabulierte und sich verhaspelte. Aber auch das bescherte dem Moderator Traumeinschaltquoten.

Hier aber hat Trump einfach ein paar seiner üblichen Sottisen zum Besten gegeben, weder neu, noch originell noch weltbewegend. Ausser für Kornelius, der deswegen gleich alle journalistischen Grundsätze über Bord wirft, selbst den Anschein von Objektivität fahren lässt. Nicht nur, dass er hier belegfrei (obwohl es genügend Anlass gäbe, Trump der Lüge zu überführen, aber dafür müsste man als Leiter Politkabarett doch tatsächlich etwas recherchieren) den voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner als Lügner beschimpft.

Nicht nur, dass Koryphäe Kornelius keinen Versuch unternimmt, sich und seinen Lesern zu erklären, wieso rund die Hälfte der US-Stimmbürger für diesen Lügner sind. Das wäre allerdings mit etwas intellektuellem Aufwand verbunden, mit der Fähigkeit zur Analyse, zur Einordnung. Aber das ist Kornelius doch wesensfremd geworden. Wahrscheinlich denkt er, dass halt die Hälfte der Amis bescheuert ist, zu blöd, um richtig abzustimmen, eine Schande für die Demokratie. Aber das traut er sich dann doch nicht zu schreiben.

Dafür das starke Stück hier: «Wie schon vor vier Jahren werden die demokratischen USA alle Kraft aufbringen müssen, um Trump zu stoppen.» Kornelius bietet in diesem titanischen Abwehrkampf seine bescheidenen Dienste an. Nur: genau solche Amokläufer wie er sind die besten Helfershelfer Trumps. Sie bemühen sich erfolgreich, ihn mit ihrem Geschimpfe noch zu unterbieten, sein unterirdisches Niveau von schräg unten anzukläffen. Das löst ausserhalb der Gesinnungsblase um Kornelius herum bei vielen Lesern den Reflex aus: also wenn der Mann so masslos angerempelt wird, aufs Übelste beschimpft und verleumdet, dann muss doch was an ihm dran sein. Ungelogen.

Wumms: Jan Diesteldorf

Dummschwätzer breiten sich in Tamedia weiter aus.

Jan Diesteldorf ist ein weiterer unerwünschter Ausländer beim Tagi. Brüssel-Korrespondet, dann im Frankfurter Büro der «Süddeutschen Zeitung». Das qualifiziert ihn zu einem «Essay» in der SZ: «Wer zögert, verliert». Im Tagi wird das zur «Analyse» hochgezwirbelt: «Drei Wege, um Putin in die Knie zu zwingen». Dem schlottern sie jetzt schon …

Denn Diesteldorf haut zunächst allen Befürwortern von Sanktionen eins in die Fresse, denn er weiss als Einziger, wie man den Kremlherrscher fertigmacht: «Sanktionen konnten Russlands Kriegswirtschaft nicht ausbremsen, im Gegenteil. Jetzt muss Europa alles tun, um den Kreml da zu treffen, wo es schmerzt: beim Geld.» Ein typischer Schwurbler, den erkennt man an der Blubber-Formulierung «jetzt muss Europa alles tun». Wer ist Europa, warum muss es jetzt, weil Diesteldorf den Befehl gibt? Immerhin, nach einem solchen Flachsinn ist der mündige Leser gewarnt und stellt die weitere Lektüre ein.

Ausser, ZACKBUM muss seiner Berichterstatterpflicht nachgehen, was schon eine Bürde ist, die wir aber mit Fassung tragen. Zunächst, gelernt ist gelernt, der szenische Einstieg: «… die Raketen fliegen, sie treffen Kiew, sie treffen Charkiw, ihre Wucht tötet Menschen, lässt Häuser brennen und einstürzen, sie unterbrechen die Versorgung mit Strom und Gas».

Was haben wir? Einen «zuversichtlichen Lügner» auf der einen Seite, schlimmer noch: «Putins Siegesgewissheit ist kein hohles Geschwätz. Sie ist gut begründet.» Auf der anderen Seite schwindende Ambitionen der EU, ihm die Stirn zu bieten, dazu noch das Quertreiben des «Populisten und Russlandfreunds Orban». Das Panoptikum des Schreckens wäre nicht vollständig, fehlte dies, nämlich «dass sich mit Donald Trump wieder jemand warmläuft, der mit Putin nicht nur die Siegesgewissheit gemein hat». Was sonst noch? Die Frisur? Den Wunsch, Kriege zu führen? Was für ein hohles Geschwätz.

Hohl, aber mit Pathos vorgetragen: «Dabei hat sich an der moralischen Verpflichtung für Europa und den Westen und jeden einzelnen Bürger, der in jener Freiheit lebt, die die Ukrainer stellvertretend verteidigen, nichts geändert.» Genau, wir Freiheitsliebenden wollen sie bis zum letzten Ukrainer verteidigen, unerschrocken und mit der Waffe in der Hand. Beziehungsweise auf der Tastatur im wohlgeheizten Büro.

Dann überrascht Diesteldorf mit aus den Überschwemmungen in Deutschland gezogenen Erkenntnissen: «Ein Damm ist eben nur dicht, wenn man ihn zu Ende baut.» Unfertige Dämme sind untauglich, das sollte man den Niedersachsen endlich mal sagen.

Aber was nützt dieses Beispiel im Kampf gegen Putin? Was hat Diesteldorf zu bieten? «Ölpreisdeckel verschärfen, komplettes Gasembargo, Sekundärsanktionen». Gähn. Irgendwie fällt es ihm selber auf, dass seine drei Wege, «Putin in die Knie zu zwingen», höchstens funktionierten, wenn Putin beim Schlapplachen umfällt. Daher winselt der Autor zum Schluss: «Wohl wahr, das alles hat kaum Aussicht auf Erfolg.»

Schlimm, ist das denn alles? Fast: «kurz bevor sich der Krieg zum zweiten Mal jährt, sollte man es den Ukrainern gleichtun und die Hoffnung nicht aufgeben.» Genau, die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch darauf, dass bei Tamedia endlich mal wieder so etwas wie eine Qualitätskontrolle Einzug hält. Bevor der Leser auf die Knie fällt und um Gnade und Verschonung von solch gebackener Luft winselt.

Tagi mit teutonischer Sicht

Nichts hasst man so, was man mal liebte.

Philipp Bovermann ist von der taz (die tägliche Ausgabe der WoZ in Deutschland) zur Süddeutschen Zeitung gewechselt. Das sind innerdeutsche Angelegenheiten. Nun beschallt er aber via Tamedia auch das Schweizer Leserpublikum (soweit es sich das noch bieten lässt).

Geradezu wagnerisch-düster ist bereits der Titel. «Greta Thunbergs tiefer Fall». Bovermann fand neben Hinweise auf Neues «im Kino und Streaming», neben einer TV-Kritik über eine Talksendung, neben einer Kritik an X (vormals Twitter) auch noch Zeit, in der SZ über die gefallene Thunberg zu schreiben.

Diesmal erschöpfen sich die Redigierkünste von Tamedia weitgehend im Herausoperieren von ß. Der Titel wird übernommen und mitsamt Lead und Artikel einen Tag nach der SZ als lauwarmer Kaffee dem Tamedia-Leser serviert. Einzig im Lead wurden kleine Veränderungen vorgenommen.

Original: «Einst verkörperte sie die Hoffnung – lange her. Über eine junge Frau, die erst zur Klimaheiligen und dann zum antisemitischen Dämon gemacht wurde.» Kopie: «Einst verkörperte sie die Hoffnung – das scheint nun vorüber. Über eine junge Frau, die erst zur Klimaheiligen erhoben und dann zur Antisemitin gestempelt wurde

Ach, und dann muss natürlich auch noch das hier geändert werden. Original: «Wahrscheinlich ist Thunberg weder die engelsgleiche Verkünderin von Klimawahrheiten noch der antisemitische Dämon, zu dem sie nun vor allem in Deutschland stilisiert wird.» Kopie: «Wahrscheinlich ist Thunberg weder die engelsgleiche Verkünderin von Klimawahrheiten noch die antisemitische Dämonin, zu der sie nun stilisiert wird.»

Ist es redlich, «vor allem in Deutschland» herauszuoperieren, auf dass es dem Schweizer Leser nicht so auffällt, dass er mal wieder einen deutschen Text einer deutschen Tageszeitung in seiner Schweizer Zeitung liest – und dafür erst noch bezahlen muss?

Und was schreibt Bovermann denn über den «tiefen Fall»? Er schreibt nochmal zusammen, dass alle Thunberg-Bewunderer, die sich nicht einkriegten vor diesem leicht behinderten Mädchen, wie das allen die Leviten las, von Gipfeltreffen zu Gipfeltreffen weitergereicht wurde, alle die, die sich noch vor Kurzem auf ein gemeinsames Foto drängten, sich inzwischen erschüttert abwenden.

Dabei hat Thunberg einfach ihr Repertoire etwas erweitert und mischt sich nun genauso kreischig in den Nahostkrieg ein, wie sie es vorher in der Klimadebatte tat. Dabei kritisiert sie die israelische Militäraktion, fordert einen Waffenstillstand und benützt auch das Wort «Genozid». Darüber ist nun eine akademische Debatte entstanden, ob man die Kriegsverbrechen, die Israel im Gazastreifen verübt, als Genozid bezeichnen darf. Nach Definition des Wortes wohl nicht, als medialer Kampfbegriff, warum nicht.

Aber plötzlich wird gefordert, dass sich Thunberg doch gefälligst auf Schulstreiks fürs Klima und markige Worte auf diesem Gebiet beschränken sollte. Warum eigentlich? Hätte sich jemand daran gestört, wenn Thunberg das Massaker der Hamas, die Massenvergewaltigungen und Verstümmelungen, den brutalen Überfall auf ein Musikfestival mit kräftigen Worten verurteilt hätte?

Ist sie tatsächlich tief gefallen, weil sie nicht mehr das Narrativ von Bovermann erfüllt? Interessiert in der Schweiz wirklich, wie scharf in Deutschland die Auseinandersetzung zwischen Thunberg und dem deutschen Ableger von «Fridays for Future» geführt wird? Und sollte man für die unqualifizierte Meinung des Filmkritikers  und Kulturjournalisten Bovermann in ihrer Zweitverwertung wirklich bezahlen müssen?

Handelt es sich hier nicht eher um einen tiefen Fall von Tamedia? «Analyse zur Aktivistin auf Abwegen», stabreimt Tamedia. Dabei ist es ein Meinungsbeitrag im Feuilleton der SZ. Die einzig offene Frage: grenzt das nur an Leserverarschung oder ist’s das?

Bernstein-Imitat

Es gibt auf Netflix ein Biopic über Leonard Bernstein. Und im Tagi einen Kritikverschnitt dazu.

Zum Film kommen wir noch. Zunächst ist es so, dass der Filmkritiker der «Süddeutschen Zeitung» eine Filmkritik geschrieben hat. Titel: «Es ist nur eine Nase, Hase». Lead: «Der Film zur umstrittenen Gesichtsprothese: Bradley Cooper spielt Leonard Bernstein als „sexuell-fluide Persönlichkeit“ im Netflix-Biopic „Maestro“.» Dahinter kann David Steinitz wohl stehen.

Version Tamedia: ««Maestro» von Bradley Cooper: Der Film über Leonard Bernstein ist packend, doch etwas enttäuscht». Doch, das ist der Titel hier. Lead: «Bradley Cooper spielt den amerikanischen Dirigenten und Komponisten zwar als «sexuell-fluide Persönlichkeit», der aber seine Frau hintergeht. Hatten wir das nicht schon mal?»

Unterschied? Richtig geraten. Bei der SZ macht der Titel neugierig, der Lead fasst den Aufreger und das Thema knackig zusammen. Bei Tamedia hingegen: Titel ist zum Wegschnarchen und lässt die Frage offen, wieso man dann den Artikel überhaupt noch lesen soll. Und der Lead stümpert mit Namenswiederholung vor sich hin.

Inhaltlich unterscheidet sich dann der jeweilige Lauftext nur um Nuancen, wo ein überflüssiger Tamedia-Kulturredaktor noch etwas rumgefummelt hat, wenn er schon dabei war, die ß rauszuoperieren.

Aber in beiden Versionen braucht der Autor zunächst einmal jede Menge Platz, um die Geschichte nochmal zu erzählen, dass durchgedrehte Woke-Menschen sich dabei unwohl fühlten, dass dem Schauspieler eine vergrösserte Nase angeklebt worden war – damit er dem Original-Zinken von Bernstein entsprach. Das sei zur Abwechslung mal nicht Black-, sondern «Jewfacing» und ginge gar nicht.

Bernsteins Kinder hingegen, die beratend gewirkt hatten, fanden das voll okay. Aber gut, haben wir nochmal drüber geschrieben.

Dann folgt die obligate Nacherzählung des Werdegangs des Musikgenies Bernstein («West Side Story»). Erstaunlicherweise lässt der Autor aus, was man an diesem Musical aus heutiger Sicht alles rummeckern könnte.

An Bradley Coopers «Maestro» kann Steinitz aber vor allem herummeckern, dass sich der Film auf das Liebesleben von Bernstein kapriziere. Nun hat er als Leitmotiv halt die Nase entdeckt, also muss er das zu Tode schreiben: «Wie sich das Saufen und Rauchen und überhaupt das ganze vermaledeite Leben nach und nach in diese immer poröser werdende Nase einfräsen, da müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn es dafür nicht den Oscar fürs beste Make-up gäbe.»

Ist das launig-komisch, richtiger Teutonenhumor. Inhaltlich kann es ihm Cooper aber nicht wirklich recht machen; formal schon. Denn: «Auf einer rein sensorischen Ebene ist das alles sehr überwältigend, und kein Zuschauer muss sich schämen, wenn er deshalb zufrieden und gesättigt das Kino oder die Couch verlässt.»

Da ist man als potenzieller Zuschauer doch froh, sich endlich einmal nicht schämen zu müssen. Obwohl: «Der Film-Bernstein braucht seine Frau als Rahmenhandlung für sein Leben. Und der Film braucht Bernsteins Frau als Haupthandlung, weil den Machern zum Künstler Bernstein leider nicht mehr einfällt als das verschwitzte Dirigentengezappel vor grossem Publikum. Das ist für zwei Stunden Filmbiografie doch ein bisschen wenig.»

Hui, verschwitztes Dirigentengezappel; darf man das eigentlich über einen jüdischen Komponisten sagen? Einen mit Zinken erst noch? Hat damit die Filmkritik ihre Aufgabe erfüllt; dem Leser einen Anhaltspunkt zu liefern, ob er ohne Scham nach Visionierung zufrieden und gesättigt aufstehen darf? Oder ob er auf diese Zeitverschwendung mit einer Kopie der Darstellung eines egomanischen Künstlers verzichten kann, denn mit dieser «eher schlichten, hundertfach durchgenudelten Prämisse lässt sich kein rechter dramaturgischer Spannungsbogen stricken».

Es bleibt allerdings die Frage, ob sich ein Spannungsbogen stricken lässt. Mit oder ohne Zinken. Aber immerhin, man muss sagen, dass Tamedia mit seinem gescheiterten Einstieg das Scheitern des Autors perfekt widerspiegelt. Oder strickt, wie der sagen würde.

 

 

 

Und der Gewinner ist …

… die «SonntagsZeitung». Dümmster Titel ever.

Headlines sind Zuspitzungen. Sie heissen auf Englisch auch noch «Barker», Beller. Sie sollen den Leser anbellen, damit er hinguckt und sich in den Artikel verbeisst. So weit, so gut.

Nun ist aber Chefökonom und Chefredaktor Arthur Rutishauser am Gerät, wie er mit seinem Editorial beweist. Dennoch lässt er einen solchen Titel durchgehen, mit dem jeder Anfänger aus dem Raum gelacht werden würde.

Armin Müller versucht sich im Text dann an einer Rettung: «Doch wenn die Teuerungsrate sinkt, heisst das nicht, dass die Preise sinken – sondern bloss, dass sie weniger schnell steigen.» Um den Wirrwarr zu vervollständigen, versucht er sich dann noch an einer originellen Definition des Unterschieds zwischen gefühlter und gemessener Inflation: «Dass die gefühlte Inflation nicht der gemessenen entspricht, liegt daran, dass die Teuerung längst nicht bei allen Löhnen ausgeglichen wurde.» Hä?

Vielleicht mal eine kurze Faktenbasis: nach offiziellen Zahlen stiegen die Konsumentenpreise im September in der Schweiz um 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat; sie sanken im Vergleich zum Vormonat um 0,1 Prozent. Sagt der Landesindex (LIK).

Die «gefühlten Preise» seien hingegen um 0,2 Prozent im Monatsvergleich angestiegen, aber daran ist die Konjunkturforschungsstelle der ETH beteiligt, deren Abkürzung KOF gerne mit doof assoziiert wird.

Das ist natürlich noch paradiesisch im Vergleich zur EU, wo Deutschland eine offizielle Inflation von 3,2 Prozent, Ungarn von knapp 10 Prozent ausweist.

Das Schlamassel hat mit der Messung der Inflationsrate zu tun, die mittels eines untauglichen Warenkorbs berechnet wird, in dem wichtige Preistreiber wie Versicherungsprämien oder Geldzinsen gar nicht enthalten sind. Es hat auch damit zu tun, dass diese Raten meistens im Vergleich zum Vorjahr ausgewiesen werden. Wurde damals vieles viel teurer, kann sie sinken, obwohl heuer vieles immer noch teurer wird. Vor allem natürlich Energie; Gas plus 77 Prozent, Heizöl 70, Strom 30 Prozent. So viel Solidarität mit der Ukraine muss halt sein.

Ganz allgemein sind in der Eurozone Güter des täglichen Bedarfs wie Nahrungsmittel ein sattes Viertel teurer geworden als im Vorjahr. Entsprechend mies ist die Stimmung der Konsumenten. Das nennt man nämlich Kaufkraftverlust; gekniffen sind weiterhin die Sparer, die inzwischen mageren Zinsen gleichen die Inflation nicht aus.

So viel zum Cover.

Lustig ist hingegen, dass Chefredaktor Rutishauser seiner Oberchefredaktorin Birrer widerspricht: Während die für eine völlig unrealistische Neuverteilung der sieben Sitze plädiert, will Rutishauser dem Leser eine Erhöhung auf 9 Bundesräte schmackhaft machen. Nochmal peinlich für Birrer: seine Argumentation hat Hand und Fuss und macht Sinn. Ob das allerdings seine Arbeitsplatzsicherheit erhöht? Denn auch im Journalismus gilt eine alte Indianerregel: der Häuptling singt immer am schönsten. So nebenbei: verdammte Machos, die edlen Indianer. Denn was ist die weibliche Form von Häuptling, he? How.

Trotz Nebenbemerkungen gegen diese verdammten Ränkespiele und öffentliche Geheimpläne beteiligt sich auch die SoZ daran. Indem sie dem absaufenden SP-Kandidaten Jon Pult im grossen Interview die Chance gibt, sich wählbarer zu machen. Kreidefressen in der Öffentlichkeit, kein schöner Anblick.

Keine spürbare Anhebung des Niveaus passiert dann auf Seite 5: Da «erklärt» ein Neuropsychologe (was es alles gibt), «wie Kinder am besten lernen können». Wie das? Nach, einfach: üben und wiederholen. Wie? Zurück zu Bleistift und Papier. Richtiger, aber völlig unrealistischer Ansatz, da zunächst einmal der ganze Schrott beiseite geräumt werden müsste, den die ewigen Schulreformen, aufgeführt von didaktischen Trockenschwimmern, hinterlassen haben.

Dann eine Hiobsbotschaft für alle Freunde der Alternativenergien: «Für die Solarkraftwerke wird die Zeit knapp». Das ist immerhin die Hälfte der Wahrheit, die andere ist: ihre Leistung wäre nie ausreichend, um die Stromlücke zu stopfen. Dafür (und für eine möglichst CO2-neutrale Energiegewinnung) braucht es AKW, braucht es sicher nicht den Ausstieg aus der Atomenergie. Wann sich das mal bis zur SoZ durchspricht?

Mehr schlechte Nachrichten, aber nur für Männer unter 50: schwere Herzerkrankungen mehren sich. Nun ja, im Rahmen des Konjunktiv-Journalismus, der aus einer Nullmeldung einen Barker machen will. Typisches Hochzwirbeln. «Gefährdet: Männer im besten Alter». Schweissausbruch bei diesen Männern, aber schon der Lead besänftigt. «Kardiologen sind besorgt, … zu schweren Herzkrankheiten führen können»; ach, wenn die Modalverben und der Konjunktiv nicht wären, was würde dann aus dieser Art von Journalismus?

Etwas ernster nehmen muss man den Indikativjournalismus von Michèle Binswanger: «Ärzte schlagen wegen Brustamputationen Alarm – und werden zensiert». Denn immer mehr Minderjährige, im Rahmen des Genderwahnsinns, meinen, im falschen Körper geboren zu sein – und wollen das operativ ändern. Ein Riesengeschäft.

Dann öffnet die SoZ eine Spalte dem deutschen Rechthaber Nicolas Richter von der «Süddeutschen Zeitung». Der weiss nämlich: «Es rächt sich, dass SPD, Grüne und FDP ihre Differenzen nicht gleich zu Beginn ausgeräumt haben.» Es ist immer ein Kreuz mit diesen Politikern, wieso hören sie nie auf sinnvolle Ratschläge von Menschen wie Richter? Die im Nachhinein immer vorher alles besser gewusst haben wollen.

Gibt es noch andere wichtige Probleme der Menschheit? Nun, eines, das vor allem Coleoiden umtreibt: «Darf man Tintenfische noch essen?» Die seien nämlich eigentlich zu intelligent dafür. Was ja Krake Paul bewies, indem er bei der Fussball-WM 2010 alle Spiele mit deutscher Beteiligung richtig vorhersagte. Was bei Schweinen aber kein Schwein interessiert.

Dann die Hiobsmeldung aus China: «8,5 Millionen in finanziellen Schwierigkeiten». Ist das das Ende des Reichs der Mitte? Moment, bei 1,4 Milliarden Einwohnern sind das 0,57 Prozent. Hm.

Dann widmet sich Aleksandra Kedves einem eher schlüpfrigen Thema. Die Generation Z verschiebe «ihr erstes Mal». Aber: «Dafür nehmen Masturbation und Pornografie-Konsum drastisch zu». Dabei weiss man doch, dass beides das Rückenmark schädigt und zu Hirnerweichung führt.

Apropos, die Farbe Weiss ist als Wohntrend schon wieder aschgraue Vergangenheit. Neu, weiss Marianne Kohler Nizamuddin, sind «flauschige Möbel» als «Teddys zum Wohnen» angesagt. Aber Vorsicht beim Ankauf: schon nächste Woche kann die kühle Sachlichkeit drohen.

Dann, das Absackerchen, widmet sich Sebastian Herrmann von der SZ endlich einer Frage, die auch ZACKBUM schon lange umtreibt: «Wieso verzapfen so schlaue Menschen bloss so blödes Zeug?» Endlich einmal die Art von Selbstkritik, die wir bei Journalisten so schmerzlich vermissen. Aber oh je, er handelt nicht etwa seine Kollegen von der Journaille ab, sondern Nobelpreisträger. Thema verfehlt, verschrieben, canceln.

 

 

Münger wallt

Und Münger würde Biden wählen.

Nun können Katzen nicht einkaufen, und Christof Münger kann in den USA nicht wählen. Aber Katzen können nur miauen oder schnurren, der Auslandchef von Tamedia muss gelegentlich ein Lebenszeichen von sich geben, da ja die eigentliche Auslandberichterstattung fast vollständig von der «Süddeutschen Zeitung» in München erledigt wird. Mit klar deutscher Perspektive.

Nun fürchtet Münger, dass es für den amtierenden Präsidenten Joe Biden bei den nächsten Wahlen in einem Jahr eng werden könnte. Das erfüllt ihn mit ähnlichen Gefühlen wie sie wohl auch eine Katze erlebt, wenn die Büchse leer ist.

Nun passiert es Präsidenten eher selten, dass sie nur eine Amtszeit ausüben können. Als erster verlor John Adams die Wiederwahl gegen Thomas Jefferson. Gerald Ford wurde sogar nie gewählt, weil er nur für den zurückgetretenen Richard Nixon nachgerückt war. Schliesslich verloren auch Jimmy Carter und George W. H. Bush. Und Donald Trump, obwohl der das bis heute nicht wahrhaben will.

Biden hat zurzeit drei gröbere Probleme. Wirtschaftlich reisst er keine Bäume aus. Im Nahen Osten wird er vom israelischen Ministerpräsidenten vorgeführt, der zunächst auf seine Forderung nach einer Waffenpause (für manche Kreischen ist Biden deshalb schon ein Antisemit) pfiff. Aber vor allem sagt in Umfragen eine satte Mehrheit, der bei einer Wiederwahl 82-Jährige sei schlichtweg zu alt für das Amt. Das finden bei Trump lediglich 39 Prozent. Ob’s an seiner Haartolle liegt?

Auf jeden Fall eilt Münger nun Biden zu Hilfe. Ob das den Umschwung bringen wird? Zunächst holt der Auslandchef ohne Ausland weit in die Geschichte aus: «Amerika hat Erfahrung mit gebrechlichen Präsidenten: Abraham Lincoln war depressiv, Franklin D. Roosevelt im Rollstuhl, und bei Ronald Reagan setzte gegen Ende seiner Amtszeit mutmasslich Alzheimer ein.»

Dennoch seien das alles Heroen gewesen, lobt Münger und sieht dafür vor allem bei Reagan über hässliche Flecken (Iran-Contragate) hinweg. Und nun sei es an Biden, mal wieder den freien Westen vor üblen Gesellen zu bewahren: «Als Verteidiger der Demokratie möchte der 46. US-Präsident in die Geschichte eingehen, als einer, der sich gegen die Kräfte des Chaos, des Terrors und der Diktatur gewehrt hat. In dieses Bild passen seine beiden Frontbesuche in Kiew und Tel Aviv, riskante und für einen 80-Jährigen anstrengende Trips. Der letzte US-Präsident, der sich in einem Krieg so weit vorwagte, war Abraham Lincoln.»

Biden, Lincoln, wow.

Hingegen sein mutmasslicher Herausforderer: «Kehrt Trump ins Weisse Haus zurück, wird eine gefährlich gewordene Welt noch gefährlicher.» Helm auf; wie schon bei den letzten und vorletzten Wahlen stimmt Münger recht früh in das Gekreische von deutschsprachigen Journalisten ein, die es damals wie der «Spiegel» als vornehmsten Aufgabe ansahen, Trump «wegzuschreiben». Auf Erklärungsversuche, wieso denn eine Mehrheit der US-Stimmbürger Trump gewählt hatte, verzichteten sie weitgehend. Oder liessen Fälscher wie Relotius etwas hinschmieren, was ihren Vorurteilen Zucker gab.

Münger ist bereits auf dem Kriegspfad: «Umso wichtiger scheint, dass das Trump-Comeback verhindert wird.» Das gibt Hoffnung, dass die Berichterstattung von Tamedia über die nächsten Präsidentschaftswahlen in umsichtiger Ausgewogenheit versuchen wird, dem Leser die US-Politik näherzubringen.

Bereits heute versucht es Münger mit einem Stossgebet:

«Joe Biden bleibt der aussichtsreichste Kandidat, um Donald Trump zu verhindern, ungeachtet der miesen Umfragewerte. Hoffentlich realisieren die Amerikanerinnen und Amerikaner, dass sie am 5. November 2024 nicht nur über einen alternden Präsidenten befinden, sondern eine Weiche stellen. Dabei geht es um mehr als um Amerika

In diesem Schluss ist mal wieder alles Elend des modernen Journalismus versammelt. Münger will den US-Stimmbürgern von seiner Verrichtungsbox im Glashaus an der Werdstrasse Zürich vorschreiben, was sie zu realisieren haben. Danach folgt die Binse, dass die Wahl eines US-Präsidenten eine Weichenstellung sei. Diese Erkenntnis, ähnlich wie bei allen Wahlen, ist von umwerfender Originalität. Aber Münger kann noch einen Draufsetzen: Es geht um mehr als Amerika. Auch das ist unbezweifelbar richtig, dass die Wahl des Präsidenten des militärisch mächtigsten Landes der Welt durchaus Auswirkungen auf die übrige Welt haben wird.

Wir fassen die Sparbüchse müngerscher Gedankenflüge kurz zusammen. Biden schwächelt bei Umfragen, das liegt nicht zuletzt an seinem gebrechlichen Zustand und Alter. Aber es habe auch schon andere angeschlagene Präsidenten gegeben. Nur nicht so alte, vermeidet Münger dabei zu sagen. Aber Biden sei wie auch immer der geeignete Mann, um einen neuerlichen Präsidenten Trump als Gottseibeiuns zu verhindern. Der hat allerdings immerhin in seiner Amtszeit keinen Krieg angefangen oder massiv unterstützt, sagt Münger nicht.

ZACKBUM hat da einen Vorschlag. Wie wäre es, wenn Münger Werbung für Katzenfutter machte und an seiner Stelle eine Katze Kommentare schriebe? Deren Äusserungen könnte man mithilfe von KI problemlos übersetzen. Damit wäre allen gedient. Ausser den Herstellern von Katzenfutter.

Tiefdruckgebiet Sonntag

Dabei wäre die Weltlage doch so interessant …

Aber die «SonntagsZeitung» setzt mal wieder ihre eigenen Prioritäten:

Sie adressiert die wichtigsten Fragen der Menschheit zurzeit. Die da wären: «Hilft die Glukosemessung beim Abnehmen?», «Das sind die besten Spaghetti», «Eine 84-Jährige, die am liebsten in Jugis schläft», «Darf man noch schimpfen?» und «UNO: Schweiz auf der Seite der Israel-Kritiker». Das ist zwar Berichterstattung über den Nahen Osten, bezieht sich aber auf eine längst abgefrühstückte und im Übrigen bedeutungs- und sinnlose Abstimmung in der UNO-Vollversammlung.

Dann will Glättli überraschungsfrei nicht Bundesrat werden (umgekehrt wäre es eine frontwürdige Meldung), herrscht beim Bau der zweiten Gotthardröhre Vorsicht, und ganz unten rechts (!) noch die Meldung «Moskau einfach». Nein, «Kommunisten sehen sich im Aufwind». Sehen sich, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Mal im Ernst, wurde nun auch der letzte zurechnungsfähige Blattmacher entlassen? Kann sich jemand vorstellen, dass eine solche Front am Kiosk einen unbezähmbaren «muss ich kaufen»-Reflex auslöst?

Wer dem tatsächlich nachgegeben hat oder zu den zwangsbeglückten Abonnenten gehört, wird auch auf der nächsten Doppelseite unsanft in den Schlaf gewiegt. Arthur Rutishauser hat einen patenten Lösungsvorschlag für den nahen Osten, der angeschlagene Obergrüne Glättli wird doch allen Ernstes gefragt, ob er sich Chancen auf einen grünen Bundesrat ausrechne, dann noch etwas Schlaumeierei «Angriff der Grünen setzt SP unter Druck, nicht die FDP», und schon erlöst ein Inserat den Leser. Aber nur kurzfristig. Die nächste Seite ist wieder putzig.

Oben wird die Schweiz gebasht, dass sie einer UNO-Resolution für eine «humanitäre Waffenruhe» zugestimmt habe. Der israelische UNO-Botschafter, nie um harsche Worte verlegen («UNO-Generalsekretär muss zurücktreten»), beschimpft das als «Schande». Auch die SoZ muss die Schweiz darauf hinweisen, dass jeglicher Hinweis auf die Verursacher der Eskalation in der Resolution fehle. Noch schlimmer: die Liste der Urheberländer mache «hellhörig».

Denn neben dem Haupturheber Jordanien gebe es da viele arabische Länder und, Gottseibeiuns, «zweifelhafte Nationen wie Nordkorea, Russland und Venezuela». Pfuibäh, wenn die für irgendwas sind, muss man dagegen sein, egal, was es ist. Aber eigentlich sind wohl alle 120 Nationen, die dieser Resolution zustimmten, irgendwie zweifelhaft und sollten sich am besten auflösen. Anhaltend hohes Niveau der intellektuellen Durchdringung, auch bei der SoZ.

Aber dann wird es ganz heikel: «Tausende liefen an Kundgebungen mit», an «Pro-Palästinenser-Demos». Fast bedauernd meldet die SoZ: sie «blieben friedlich», und offenbar ist es den Veranstaltern gelungen, Hamas-Wahnsinnige und «from the river to the sea»-Idioten auszugrenzen. Ausser in Basel, dort wurde ein solches Transparent gezeigt. Zudem waren es mehr als erwartet, in solchen Fällen spricht man dann von «mehreren Tausenden».

Der unverwüstliche Alt-Nationalrat Geri Müller zeigte in Bern seine schönsten Selfies. Nein, er wies darauf hin, dass dieser Spruch keineswegs antisemitisch sei, sondern nur fordere, dass Palästinenser zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer frei leben könnten. Kleine Märchenstunde.

Da es aber keinen Vorfall gab, der Anlass für richtig verbale Dresche geboten hätte, ist der Artikel scheu mit (SDA/SZ) gezeichnet. Da wollte sich kein Redaktor die Finger dran verbrennen.

Dann ein Bericht, der uns alle mehr aufrütteln sollte als die Gefahren, die vom Islamismus ausgehen: «In diesem Berner Büro planen sie die Weltrevolution». Schluck, schon wieder? Doch, doch: «Die Regierungen der Kapitalisten müssen von der vereinten Arbeiterklasse gestürzt werden». Jö. Es gibt in der Schweiz auch Nostalgiker, die den Alpöhi zurückwollen. In Österreich trauern manche dem Kaiser nach. Aber eine Seite und dieser Titel für Revolutions-Nostalgiker?

Dann muss aber jedem linientreuen Tamedia-Journi das Halbeli hochkommen, das er sich am Samstag gönnte, um den Frust über die neuen Entlassungswellen runterzuspülen. Ein positives Porträt über Nina Fehr Düsel. Frisch gewählte Nationalrätin und Tochter von Hans Fehr. Ja, dem Fehr von SVP. Und sie ist auch in dieser fremdenfeindlichen Hetzerpartei. Dabei heisse es über sie, sie «sei konstruktiv, tolerant, ja «liebenswürdig»». Und das muss man in der SoZ lesen, da platzt so manche Gesinnungsblase.

Dann, da war doch was, eine Seite Ukraine. Aber gerade nach der jüngsten Ausdünnung der Work Force stammt der Artikel natürlich von der «Süddeutschen Zeitung», what else?

So geht’s dann auch weiter. Eine Seite Gemischtes, Abhandlung über gefährlichen Häuserkampf und Abhandlung über Sahra Wagenknecht. Beides ist der SZ nicht ganz geheuer, wie die beiden Autoren aus München zum Ausdruck bringen, was dem SoZ-Leser frisch aufgewärmt serviert wird. Ach, vielleicht eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der frischgegründeten Partei Wagenknechts? I wo, eine Glosse darüber, dass deren provisorisches Kürzel BSW schon von anderen gebraucht werde, darunter dem «Bundesverband Schwimmbad & Wellness». Ist das vielleicht zum Brüllen komisch.

Aber nicht nur im Nahen Osten geht es strub zu und her: «160’000 Schweizer Kinder erhalten Ohrfeigen». Die «Präsidentin von Kinderschutz Schweiz» mahnt: «Jeder Fall ist tragisch, gopf. Jedes Kind kann eine langfristige Schädigung davontragen.» Von den Kindern in Israel und im Gazastreifen ganz zu schweigen.

Aber dann müssen alle Klimaretter, die es aktuell sowieso nicht so leicht haben, dank Greta, eine weitere eiskalte Dusche über sich ergehen lassen: ein Arktisforscher behauptet doch unwidersprochen: «Der Weltuntergang ist nicht nahe». Wenn das die Klimakleber wüssten.

Sonst noch was? Rutishauser entgeht ja in der Wirtschaft nichts, auch nicht: «Globus sucht nach neuen Investoren». Das ist zwar ungefähr so überraschend wie «Trump ist gar nicht so reich, wie er tut». Aber immerhin, mit Riesenfoto von René Benko mit Gattin Nathalie füllt das die erste Seite und zweite Seite des Wirtschafts-Bundes.

Aber immer noch relevanter als die Titelstory bei «Leben & Kultur»: «Abnehmen und fitter werden dank Blutzuckertracker?» Ein Selbstversuch, immer wieder beliebt. Resultat: war nix. Ausser: zwei Seiten gefüllt.

Dass es die SoZ allerdings nicht fertigbringt, mit eigenen Kräften den neusten Asterix zu besprechen, sondern das auch von München erledigen lässt, ein Armutszeugnis. Die spinnen, die an der Werdstrasse.

Aber dann der Test, auf den die Welt gewartet hat, der vor allem in Italien mit angehaltenem Atem gelesen wird: die besten Spaghetti. Erstaunliches Resultat: mit einem halben Kochtopf Vorsprung gewinnen die Migros-Spaghetti. Wohlgemerkt die von M-Budget. Wahnsinn. Darf man den Kalauer machen, dass der Name einer der beiden Autorinnen gut zum Thema passt? Claudia Salzmann

Ach, einer geht noch, was macht der «SonntagsBlick»? Nun, es gibt ihn noch, was ja schon mal eine Nachricht ist. Er ignoriert auf der Front die Welt, lobt natürlich Gut-Behrami und macht mit einem Interview auf. Mit dem Gottseibeiuns Christoph Blocher. Und bevor er den interviewt, topft Reza Rafi auch noch die Grünen ein «Es ist bittere Ironie, dass die Grünen ausgerechnet mit einer Bundesratskandidatur ihr Unreife für eine Regierungsbeteiligung darlegen». Na ja, «darlegen», aber inhaltlich für einmal nichts zu meckern.

Nur das Hausgespenst bleibt sich treu und irrlichtert etwas über die SVP, diese «Schweizer Rechtspopulisten, Anti-Europäer aus tiefster Seele». Aber immerhin, er schreibt nicht «schwarzer Seele», und den «Führer aus Herrliberg» lässt er auch mal weg. Dafür drischt er in eine neue Richtung: «Für die Siege der Rechtspopulisten trägt die Linke die Verantwortung.» Da schau an.

 

Schafft endlich diese Kultur ab!

Der Tagi macht aus Leserverarschung eine Kunst.

Das Qualitätsmedium wiederholt sich, ZACKBUM wiederholt sich.

Da stirbt einer der ganz grossen Maler der Gegenwart. Fernando Botero war nicht nur in seinem Heimatland Kolumbien ein Star, sondern weltweit anerkannt. Mit seinen voluminösen Figuren, aber auch mit seinem Schalk hatte er ein unverwechselbares Oeuvre geschaffen.

Da er über 90 war, hatte jede anständige Kulturredaktion bereits einen Nachruf in der Schublade. Ausser natürlich das kultur- und niveaulose Blatt aus der Werdstrasse in Zürich. Dort kümmern sich die Kulturredaktoren lieber um die eigene Befindlichkeit oder um den neusten Sexismus-Skandal oder um korrektes Gendern. Also um Themen, die die Leserschaft zum Gähnen bringen und in Scharen vertreiben.

Stirbt nun Botero, reicht es gerade dazu, eine Tickermeldung der AFP zu übernehmen, zurechgeschnipselt von einem Autorenkürzel «nlu», das aber zu niemandem aus dem «Team Kultur» passt. Und weil das Team einfach wurstig und schlampig arbeitet, kommt die Meldung auch noch im «News-Ticker Kultur». Wiederholung? Na und. Dass es eine Panne beim «Kraftwerk»-Konzert gab, ist ja auch eine alte Kamelle, ziert aber dennoch den «Kultur-Ticker». Dann diesmal als Platzhalter (ist schon blöd, dass man sich immer vier Stoffe aus den Fingern saugen muss) eine «Widmerzeile».

Aber halt, da ist doch noch eine Rezension einer Biografie über Elon Musk. Immerhin. Schon, aber hier ist der Autor vollständig angegeben. Es handelt sich um Adrian Kreye. Genau, der Mitarbeiter der «Süddeutschen Zeitung» in München, von der das Qualitätsblatt der Schweiz grössere Teile der Inhalte übernimmt, um sie dann dem fluchenden Leser teuer zu verkaufen.

Wir beenden diese Serie über ein Trauerspiel im allgemeinen Niedergang und bitten einfach inständig: lieber Tagi, liebe Redaktionsleiterin, liebe Ressortleiterin, haben sie Erbarmen mit dem Leser. Sie müssen sowieso noch ein paar Millionen einsparen bis Ende Jahr. Eine ersatzlose Streichung  des «Team Kultur» – wir garantieren das –, würde niemandem auffallen. Im Gegenteil. Der Leser wäre beglückt und erfrischt, dass ihm dieses Elend, diese Bankrotterklärung des Kulturjournalismus, erspart bliebe.

Wumms: Arne Perras

Zeichen und Wunder. Ein intelligenter Kommentar bei Tamedia.

Natürlich ist das nicht den eigenen Schreibkräften eingefallen, die hängen wohl noch in den Seilen nach der Street Parade und sehen den eigenen Bauchnabel doppelt.

Wie vieles Schlechte kommt aber auch ab und an etwas Gutes aus München. Hier in Gestalt des langjährigen Afrika-Korrespondenten Arne Perras. Schon der Anfang ist vielversprechend:

Natürlich war der Titel in der «Süddeutschen Zeitung» besser, aber das ist man sich von Tamedia gewohnt:

Glücklicherweise wurde am Inhalt auf den ersten Blick nichts gefummelt. Lustig ist auch, dass schlechte Kommentare aus München hinter der Bezahlschranke verstaut werden, dieser gute nicht.

Der Anfang ist sehr gut:

«Westliche Gesellschaften haben Gefallen gefunden an einer ausgiebigen Nabelschau. Familie, Beziehung, Gesundheit. Jede Facette des eigenen Lebens wird begutachtet, Berater und Influencer helfen bei der Selbstbespiegelung.»

Trifft haargenau auf das Biotop Tamedia zu, deshalb merken die diese Kritik nicht mal in ihrer Gesinnungsblase.

Dann bringt Perras das Verhalten der westlichen Industriestaaten gegenüber der Dritten Welt auf den Punkt: «Ihre eigene Selbstgerechtigkeit fällt den Industrieländern selten auf. Immer wieder fordern sie – gern im Duktus des Dozenten – Freiheit, Pluralismus oder Menschenrechte ein, sie wollen die Welt mit ihren Idealen beglücken.»

Es folgt eine gnadenlose Abrechnung mit westlichen Idiotien: «Ignoranz und Doppelmoral aber schaden dem Westen mehr, als es sich seine Regierungen eingestehen. Sie schüren Misstrauen. Sei es, weil das Erbe des Kolonialismus Schatten wirft; sei es, weil sich die Europäer durch Widersprüche unglaubwürdig machen. Kleinbauern in Westafrika mit Entwicklungshilfe zu fördern, aber zugleich lokale Märkte mit subventioniertem Geflügel aus Europa zu überschwemmen – das passt nicht zusammen.»

Dann zitiert Perras den indischen Aussenminister: «Sinngemäss merkte er an, dass Europa seine eigenen Probleme stets als Weltprobleme betrachte; aber wenn die Welt Probleme habe, sähen die Europäer diese nicht als die ihren an.»

Das sind mal erstaunlich wohltuende, reflektierte Zeilen, die sich auch die Tamedia-Redaktion zu Herzen nehmen könnte. Was sie tunlichst vermeiden wird. Denn dort gilt seit der Machtergreifung von nach Geschlecht Hochbeförderten: Denken kann der Arbeitsplatzsicherheit schaden. Nehmt euch ein Beispiel an der Führungsspitze.