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Das dröhnende Schweigen der Medien

Multimillionenschaden für die CS, Niederlage für SRF, Israel, Sudan und Trump. Ist da was?

Es bröckelt überall. Die UBS muss über eine halbe Milliarde zahlen, um weitere Altlasten der Credit Suisse wegzuräumen. Die hatte trotz Multimilliardenbusse weiterhin US-Schwarzgelder gebunkert – und wurde dabei neuerlich erwischt.

Zudem stellte sich heraus, dass sie ihr sicherstes Asset, Schweizer Hypotheken, ausgelagert und verpfändet hatte. Um weiterhin horrende Boni für ihre Versager zahlen zu können. Und der Hauptverantwortliche Urs Rohner geniesst sein unverdientes Millionengehalt – so wie alle anderen Versagerräte und CEOs und angeblich für Compliance Zuständige.

Und? Arthur Rutishauser arbeitet sich weiterhin unermüdlich an der CS ab, ansonsten herrscht – immer abgesehen von «Inside Paradeplatz» – betroffenes Schweigen.

Das Schweizer Farbfernsehen SRF musste sich nach einer Falschberichterstattung über einen Unternehmer offiziell entschuldigen, wollte die Veröffentlichung mit einer Schweigevereinbarung verhindern, an die sich der Betroffene aber nicht hält. Zudem hat der Gebührensender mit geballter juristischer Kraft von einigen Anwälten versucht, genau das zu unterbinden. Was dieser Spass den Gebührenzahler gekostet hat, bleibt geheim. Und? Da in den Mainstreammedien niemand so richtig Munition für die Initiative zur Herabsetzung der Gebühren liefern will – tiefes Schweigen.

Die isrealische Regierung begeht fortgesetzt Kriegsverbrechen in Syrien, im Libanon und im Gazastreifen. Selbst die Israelfreunde in den Medien, und von denen gibt es viele, schweigen betroffen. oder drücken sich vor klaren Worten.

Sudan, das grösste Massaker der Menschheit zurzeit? Ach, falsche Hautfarbe, falscher Ort, was soll man dazu auch sagen, wenn in der Ukraine zwei Kinder sterben.

Und dann der Grölaz, der grösste Lümmel aller Zeiten. Macht von sich ein Selfie als Papst, behauptet, dass seine Frau das lustig gefunden hat. Der mächtigste Mann der Welt als Clown, der immer mal wieder einen raushaut. Auch Donald Trump hat noch erschreckend viele Anhänger, die über solche Bodenlosigkeit schweigen.

Es bröckelt überall. Die Schweizer Regierung will aus dem existenziellen Vertragsentwurf über den EU-Deal eine Geheimsache machen, gibt nur Ausgewählten Einblick in das 1800 Seiten umfassende Werk. Will das Ständemehr ausschalten, weil zu Recht befürchtet wird, dass es die Chancen einer Ablehnung deutlich erhöhte. Der neue deutsche Bundeskanzler in spe schafft es nicht im ersten Anlauf, gewählt zu werden. In den USA regiert ein Amok. Der ukrainische Präsident warnt vor einer Teilnahme an den Siegesfeierlichkeiten in Moskau. Das Freihandelsabkommen mit China will sich die Schweiz doch nicht durch ein paar chinesische Menschenrechtsverletzungen verderben lassen.

Gibt es Meldungen in den Medien, die all diesem Wahnsinn wenigstens Ausdruck verleihen wollen? Ach was, es wird geschwiemelt, gemeint, es wird der eigene Bauchnabel betrachtet und darüber lamentiert, dass eine solche Karikatur von geldwertem Journalismus immer weniger zahlende Konsumenten findet.

Es ist die Betrachtung einer ganzen Branche im unaufhaltsamen Niedergang. Sie hat kein Geschäftsmodell mehr, sie liefert kaum mehr Mehrwert oder Hilfe zur Orientierung in der Welt. Das liegt an schwindenden Ressourcen, das liegt an der Negativauswahl, dass erfahrene Kenner zu teuer werden und rausgeschmissen. Stattdessen Egoshooter, die die Leser mit ihrer höchsteigenen Meinung über die Welt langweilen und so sinnlos wie umsonst Ratschläge erteilen, an die sich niemand hält.

Ersetzt werden sie durch Kindersoldaten in der Hölle des Newsrooms, wo News schneller rausgehauen werden müssen, als der Verstand der Fliessbandarbeiter nachkommt. Im Fall Schwab hat sich keiner, ausser dem Autor dieses Blogs, an den Skandal Think Tools erinnert, wie ärmlich ist das denn.

Unter dem Leichentuch regt sich manchmal noch etwas, aber man weiss nie, ob das einfach Gärungsprozesse einer verwesenden Leiche sind – oder echte Lebenszeichen.

Was soll man darüber noch Sinnvolles schreiben, ohne sich ständig zu wiederholen?

Ausser, dem eigenen Schreibzwang nachzugeben und vielleicht zum Chronisten eines Niedergangs zu werden, der nach dem absehbaren Ende auch niemanden mehr interessiert.

Unsere abgrundtiefe Heuchelei

Wieso folgt kaum jemand den Russland-Sanktionen?

Nimmt man die EU als Einheit, ist es eine einstellige Zahl von Staaten, die sich an Wirtschaftssanktionen gegen Russland beteiligen. Eine kleine, radikale Minderheit. Wieso steht die überwältigende Mehrheit der 194 Nationen abseits?

Ein Phänomen, dem die Massenmedien mit verständnislosem Schweigen begegnen.

Dabei ist die Antwort ganz einfach: wegen der ungeheuerlichen Heuchelei, die damit verbunden ist. Wie sich die äussert? Zum Beispiel so: «Mindestens 3 Tote bei neuen russischen Luftangriffen auf Kiew». Diese Meldung hallte durch die Medien und wurde überall im deutschsprachigen Raum aufgenommen.

Unbestreitbar ist das ein weiteres russisches Kriegsverbrechen in einem völkerrechtswidrigen und internationale Verträge brechenden Angriffskrieg. Den nicht einmal ein «stabiles Genie» wie angekündigt in 24 Stunden beenden kann.

Aber.

Im Gazastreifen begeht die israelische Armee weitere Kriegsverbrechen und bombardiert die Schuttwüste. So wüten die sogenannten Verteidigungskräfte auch im Libanon und in Syrien. Strenge Worte der Sanktionsländer dagegen? Ein leises Wackeln mit den Zeigefinger. Kein Wunder, empören sich die arabischen Länder über so viel Doppelmoral. Bevor hier aufgeschäumt wird: natürlich sind die Hamas und alle anderen fundamentalistischen Wahnsinnigen auch nicht besser.

Im Sudan, im Kongo und anderswo in Schwarzafrika finden grauenhaften Metzeleien statt, sterben Menschen wie Fliegen, sind Millionen auf der Flucht. Strenge Worte der Sanktionsländer dagegen? Falscher Ort, falsche Hautfarbe, man kann sich doch nicht um alles kümmern. Kein Wunder, wenden sich die afrikanischen Länder von so viel Doppelmoral angewidert ab.

In Mianmar findet seit Jahren ein Völkermord statt, verübt von einer ruchlosen Militärdiktatur. Strenge Worte der Sanktionsländer dagegen? Zu tief im asiatischen Dschungel, worum geht’s da eigentlich? Kein Wunder, wenden sich die asiatischen Länder von so viel Doppelmoral angeekelt ab.

In Salvador in Zentralamerika räumt ein mit überwältigender Mehrheit wiedergewählter Präsident mit der Bandenkriminalität auf, in Argentinien bekämpft ein neuer Präsident die katastrophalen Hinterlassenschaften seiner korrupten Vorgänger mit beeindruckenden Anfangserfolgen. Lobende Worte der Sanktionsländer? Aber nein, strenge Kritik und Schulmeisterei. Kein Wunder, wenden sich die lateinamerikanischen Länder von so viel Heuchelei mit Carajo ab.

Ist das Whataboutism, sollen hier Untaten gegeneinander aufgewogen werden? In keiner Form. Denn entweder gelten Verurteilungen aufgrund von moralischen oder rechtsbasierten Werturteilen überall – oder nirgends. Es kann keine selektive Moral aus Gründen der Opportunität geben.

Bertolt Brecht hat das schon vor langer Zeit auf den Punkt gebracht:

«Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!»

Geradezu verblüffend, wie das auf die heutige Klimahysterie zutrifft. Aber nicht nur.

Sudan? Ist da was?

Einzig die NZZ berichtet. Andere betrachten lieber ihren Bauchnabel.

Im Sudan findet die grösste humanitäre Katastrophe dieser Zeit statt. Zwei Tyrannen ringen um die Macht, rund 12 Millionen Sudanesen  (von schätzungsweise 48 Millionen) sind vor den Kämpfen in die mausarmen Nachbarländer geflüchtet. Die Hälfte der Bevölkerung hat nicht genug zu essen. Schätzungsweise 150’000 Menschen sind bei den Kämpfen bislang umgekommen.

Die Infrastruktur, mit der es auch vorher nicht weit her war, ist weitgehend zusammengebrochen. Schätzungsweise 80 Prozent aller Spitäler oder Gesundheitszentren sind nicht mehr benutzbar.

Im Kampf um die Macht schrecken weder die Rebellentruppe Rapid Support Forces, noch die offizielle sudanesische Armee vor Gräueltaten, Massakern und Völkermord zurück. Besonders umkämpft ist die Provinz Darfur, aber auch um die Hauptstadt Khartum herum und in anderen Landesteilen wird erbittert um die Macht gefunden.

Dabei stehen sich RSF-Führer Mohammed Hamdan Daglo und Militärgeneral Abdelfatah Burhan feindlich gegenüber. Sie hatten noch gemeinsam mit einem Putsch im Jahr 2019 die Macht vom damaligen Herrscher Omar al-Bashir übernommen und mit einer Militärjunta gemeinsam regiert. Vier Jahre später zerbrach dieses Zweckbündnis, erklärt die NZZ die Hintergründe.

Darfur galt einst als die Kornkammer Sudans, inzwischen schrecken die Kriegsparteien nicht einmal davor zurück, humanitäre Hilfe nur gegen Bestechung zuzulassen. Die enormen Kriegskosten werden mit den Goldschätzen des Sudans bezahlt, damit lassen sich auf den internationalen Märkten problemlos Waffen und alles Nötige besorgen, um die Schlachtereien und Metzeleien fortzusetzen.

Die internationale Gemeinschaft wirft ab und an mal ein Auge auf die Situation, die USA sprechen ein paar Sanktionen aus – ansonsten interessiert das kein Schwein. Auch der Tagi lässt verdienstvollerweise manchmal einen Korrespondenten zu Wort kommen, Arne Perras von der «Süddeutschen Zeitung».

Aber ansonsten interessiert sich der Wertewesten einen Dreck für diese humanitäre Katastrophe. Falsche Weltgegend, falsche Hautfarbe, es lässt sich kein Konflikt zwischen den Guten (wir) und den Bösen (Russland, China und alle anderen) konstruieren. Da ist es dann mit der Verteidigung unserer Werte nicht weit her. Nennenswerte Sanktionen existieren auch nicht.

Es wäre nicht allzu schwierig, diesem Morden ein Ende zu bereiten, indem eine internationale Friedenstruppe einmarschiert. Aber werder die Organisation afrikanischer Staaten (OAS) noch sonstjemand bringt das Interesse, die Energie und die Finanzmittel dafür auf.

Daraus lernt die Welt wieder einmal, dass die universelle Gültigkeit von westlichen Werten doch eher sehr partiell gehandhabt wird. Nicht zuletzt deswegen hat sich nur eine einstellige Zahl von Staaten (wenn man die EU insgesamt als einen nimmt) den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Denn die damit verbundene Heuchelei und die Finanzierung dieses Krieges mit Multimilliarden und immer wieder neuen Unterstütztungspaketen beruht nur darauf, dass damit den Grossmachtsstreben Russlands empfindliche Schläge versetzt werden können.

Da ist dann jedes einzelne tote Kind (wenn es auf ukrainischer Seite zu beklagen ist) Schlagzeilen wert. Dass sudanesische Kinder wie die Fliegen sterben, interessiert hingegen entschieden weniger.

Immerhin: Sudan

Es ist ein Elend, vor dem (fast) alles andere verblasst.

Die Ukraine? Der Nahe Osten? Der Gaza-Streifen? Die Bombardierung Libanons? Das Gemetzel der fundamentalistischen Wahnsinnigen? Die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung, deren Ministerpräsident mit internationalem Haftbefehl gesucht wird?

Schlimme Sachen, täglich, stündlich in allen Massenmedien der Welt dargestellt, beinahe bis zum Überdruss.

Im Sudan findet zurzeit die grösste humanitäre Katastrophe der Welt statt, noch schlimmer als in den das afrikanische Land umgebenden Elendslöchern, noch schlimmer als das Wüten der Militärdiktatur in Myanmar.

Aber alle diese Gegenden der Welt haben etwas gemein: das Leiden der Menschen dort ist uns schlichtweg scheissegal. Der Reporter der «Süddeutschen Zeitung» Arne Perras gehört zu den Wenigen, die immer wieder versuchen, auf diese unsägliche Elend hinzuweisen. Er formuliert zurückhaltender:

«Der Krieg zweier Generäle hat eine Hungersnot ausgelöst, wie sie die Welt lange nicht mehr erlebt hat. Doch der Westen schaut weg

Immerhin, Tamedia, die ja bekanntlich nur noch über eine Rumpf-Auslandredaktion verfügt, deren Chef Christof Münger durch wirre Kommentare zu den US-Präsidentschaftswahlen auffiel, übernimmt für einmal sinnvollerweise eine Leistung der SZ und versteckt sie nicht einmal hinter der Bezahlschranke.

Das sei hier ausdrücklich gelobt.

Natürlich ist die Gebärfreudigkeit der Sudanesinnen ein Problem. Natürlich sind die Ursache, die zu dieser humanitären Katastrophe führen, ebenfalls hausgemacht. Und natürlich hat die ganze grossartige «Entwicklungshilfe» des Westens seit der Unabhängigkeit der schwarzafrikanischen Länder nicht nur nicht gefruchtet, sondern im Gegenteil Schaden angerichtet, brutale Diktaturen unterstützt, denen das Wohlergehen ihrer Untertanen völlig egal ist und die erfreut zur Kenntnis nehmen, dass dumme Westler sich um ihre darbende Bevölkerung kümmern. Es ist keine Lebenshilfe, es ist Todeshilfe, wie die afrikanische Wissenschaftlerin Dambisa Moyo völlig zu recht sagt.

Ein paar Zahlen? 25 Millionen Menschen in dieser Region sind unterernährt, eine Dreiviertelmillion ist akut vom Hungertod bedroht. Mehr als 11 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Nach Schätzungen (den wer zählt schon die Toten) sind bislang über 150’000 Todesopfer zu verzeichnen. Und das ist erst der Anfang einer Katastrophe, die Hunderttausende von Menschenleben fordern kann.

Eine der Ursachen dieser Katastrophe ist der Machtkampf zwischen zwei Generälen, der mit äusserster Brutalität geführt wird. Die Skrupellosigkeit geht soweit, dass diese Verbrecher sogar Abgaben oder Schmiergeldzahlungen dafür verlangen, dass Hilfsorganisationen helfen dürfen.

Die kämpfenden Bandenchefs machen sich aller vorstellbarer und nicht vorstellbarer Kriegsverbrechen schuldig. Folter, Versklavung, Massenvergewaltigungen, Völkermord, Bombardierungen und Angriffe ohne die geringste Rücksicht auf die Zivilbevölkerung.

Wie es auch im Nahen Osten vorkommt, nur wird dort mehr oder minder Buch geführt über solche Verbrechen.

Im Sudan interessiert sich der Westen einen Dreck dafür. Dabei wäre es, wenn man sich schon nicht an die Gepflogenheiten des Völkerrechts hält, für eine westliche Militärintervention ein Leichtes, diesem Gemetzel ein Ende zu bereiten.

Aber alle vor Betroffenheit bebenden Gutmenschen, die sich nicht einkriegen, wenn sie wieder einmal einen Fall von Sexismus, Ausgrenzung oder gar Rassismus in der Schweiz erlebt haben wollen, die sich furchtbar unwohl fühlen, wenn sie dem Wort Mohr begegnen, die tapfer für den Genderstern streiten, als hinge das Wohl der Menschheit von dieser Sprachvergewaltigung ab, die verlieren  kein Wort über diese Menschheitskatastrophe.

Warum?

Ganz einfach: falscher Ort, falsche Hautfarbe, falsche Himmelsrichtung. Hier kann kein ideologischer Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen richtig und falsch, zwischen dem Wertewesten und dem Unwerteosten geführt werden. Also sollen die Schwarzen dort doch am besten laut- und klaglos verrecken.

Menschenrechte sind unteilbar, jedes Lebewesen ist gleich viel wert. Was für eine unerträgliche Heuchelei von all denen, die das in ihren Gesinnungsgottesdiensten sabbern.

Im Leiborgan der Gesinnungslinken «Republik» findet man im ganzen vergangenen Jahr unter dem Stichwort Sudan ganze 21 Treffer. Ein einziger eingekaufter Artikel beschäftigt sich mit diesem schreienden Elend.

Alleine schon deswegen ist zu hoffen, dass dieses Magazin auch bald verhungert.

 

Peinlich, peinlicher, Medien

35 Meldungen zum feigen Rückzieher des Zurich Film Festival. Darunter eine kritische von ZACKBUM.

Das Medienarchiv SMD weist seit gestern 35 Treffer für die Stichworte ZFF und Dokumentarfilm auf. Die Medien sind ihrer Berichterstatterpflicht nachgekommen. Sie haben vermeldet, dass Festival-Direktor Christian Jungen eine Kehrtwende hingelegt hat.

«Weil das Leben besser mit Filmen ist». Reine Realsatire.

Der Mann trägt den Smoking gut und kann verbindlich auf dem grünen Teppich in die Kameras grinsen. Hinter dieser Fassade verbirgt sich aber ein feiger Wackelpudding, der vor dem Gegröle des Pöbels von nah und fern einknickt. Alleine die ungehörige und rüppelige Intervention der ukrainischen Regierung hätte dazu führen müssen, dass man diesen Zensoren ein kräftiges «nicht bei uns» entgegen hielte.

Aber doch nicht das Film Festival. Gegen diese massive Zensur hätte selbstverständlich auch die Stadtregierung, die Kantonsregierung, die Landesregierung protestieren müssen. Und sich diese unerhörte Einmischung in innere Angelegenheit und die Freiheit der Kunst verbitten sollen. Wo kämen wir hin, wenn in der Schweiz ukrainische Zustände der Zensur und Unterdrückung herrschen würden. Wo bleibt der Respekt gegenüber einem Land, das Zehntausende von kriegsunwilligen Ukrainern mit Sonderstatus aufnimmt und mit Hunderten von Millionen Franken Steuergeldern durchfüttert.

Das alles hätte man tun können. Das alles hätten die Qualitätsmedien der Schweiz vielleicht erwähnen können. Aber mutig sind deren Journalisten nur, wenn es darum geht, Fernes zu kritisieren. Putin, Trump, Maduro, Kim der Dickere, da kann die Journaille Dampf ablassen, billig herumkrakeelen.

Finden Massaker und Tragödien in der falschen Weltgegend und mit Menschen der falschen Hautfarbe statt, bleiben sie ebenfalls stumm. Myanmar, Sudan, Äthiopien, Eritrea: scheiss drauf. Schlägt aber in der Ukraine eine russische Rakete ein, wird grosses Geschrei erhoben. Schlägt in Russland eine ukrainische aus europäischer Produktion ein, eher nicht.

Aber nun passiert in Velodistanz der Redaktionen von «Blick», NZZ und Tamedia etwas Ungeheuerliches. Ein feiger Festivaldirektor nimmt die Sicherheit des Anlasses zum billigen Vorwand, um Zensurrüpeln nachzugeben.

Ein ungeheuerlicher Vorgang. Lediglich die NZZ, obwohl Veranstalter und Besitzer, wagt ein kritisches Wort, was ihr hoch anzurechnen ist. Und die übrigen Medien? Gebührensender SRF? Sendepause. Tamedia, «Blick», CH Media: möglichst neutrale Meldungen. Alle sonst so meinungsstarken Kommentatoren sind verstummt. Oder überlassen krakeeligen Kommentatoren den Raum, die sich öffentlich zum Deppen machen, indem sie einen Dokumentarfilm als russische Propaganda beschimpfen, den sie nicht einmal gesehen haben.

Russische Soldaten sind nicht generell Kriegsverbrecher, Vergewaltiger, Kriminelle, Tiere, Untermenschen? Keine seelenlose Mordmaschinen, wie sie schon von der Nazi-Propaganda dargestellt wurden? Der Iwan gegen den aufrechten Freiheitskämpfer aus der Ukraine, dessen angebräunte Seele und Verehrung für den Faschisten, Antisemiten und Kriegsverbrecher Stefan Bandera lieber verschwiegen wird. Genau wie die Massaker von Wolhynien und Ostgalizien mit wohl 100’000 von ukrainischen Nationalisten ermordeten Polen. Ist das wirklich unser Schwarzweissbild, mit dem wir russische Propaganda und Zensur kritisieren wollen?

Nein, da gilt kein «die auch, wieso dann wir nicht». Aber Kritik an anderen und an Zensur und an Lügen ist nur dann glaubwürdig, wenn sie keine grossen blinden Flecken aufweist.

Angenommen, am Moskauer Filmfestival wäre die Doku «Russians at War» zuerst angekündigt, dann gecancelt worden. Man sähe die Halszäpfchen der Kommentatoren. Typisch. Putin. Zensur. Die armen Russen. Verblendet und einseitig informiert. Denen fehlt halt unsere westliche Meinungsfreiheit.

Welch elende Heuchelei der Mainstream-Medien. ZACKBUM wiederholt sich. Die schaufeln sich nicht in erster Linie das Grab, indem sie das Skelettieren als Weichenstellung zum Qualitätsjournalismus schönschwatzen. Sondern durch ihre abgründige Heuchelei und feige Doppelmoral.

Ach, NZZaS

Quo vadis, wie der Lateiner im Denkerblatt sagen würde.

Selbst der eher sanftmütige Peter Rothenbühler hat die Nase voll. Das Blatt verlottere zusehends, und Chedredaktor Beat Balzli möge doch bitte, bitte, keine Editorials mehr schreiben, bei denen einem die Füsse und das Hirn einschlafen.
Sagt ZACKBUM schon länger.

Auch die neuste Ausgabe will das – leider – beweisen.

Das Editorial trägt den Titel «Der Dichtestress ist das kleinere Übel als …» Offenbar geht Balzli zu recht davon aus, dass sowieso keiner weiterliest. Wer’s aber dennoch tut, wird mit einer Anekdote aus dem deutschen Trash-TV über Auswanderer bestraft.

Apropos eingeschlafenes Gesicht, das hier soll Kaufreiz auslösen?

Die (gähn) 10-Millionen-Schweiz, Trump und die Nahrungsmittel (schnarch), Machtmissbrauch der UBS (nun auch die NZZaS), «Tödlicher Sex» (huch), und als Duftnote: «Röstis Bruder spritzt Gülle auf geschützte Wiese» (Sippenhaft).

Auch die grafische Gestaltung des Blatts setzt Massstäbe – nach unten:

Sowas wäre selbst Verwendern von CoralDRAW zu peinlich. Apropos, «Rapper vs. Swift», die musikalische Auseinandersetzung im US-Wahlkampf, ein ganz zentraler Aspekt wird hier von Andreas Mink aufgegriffen. Ist halt auch blöd, wenn man sich ständig etwas aus den Fingern saugen muss – statt einfach mal pausieren.

Aber immerhin, kleine Lichtblicke gibt es auch:

Die NZZaS kümmert sich auch um Wichtigeres als eine misslungene Provokation eines Politik-Pin-up, nämlich um das Massaker, die Tragödie, den Menschheitsskandal im Sudan. Wo die Welt zuschaut, wegschaut. Falsche Gegend, falsche Hautfarbe.

Apropos 10-Millionen-Schweiz, ob das subversive Absicht ist?

Grossbritannien sei einstmals Vorbild bei der Integration von Ausländern gewesen (wann?). Aber nun nähmen Muslime immer mehr «Raum in der Gesellschaft ein. Und die Politik tut rein gar nichts», gesteht Bettina Schulz.

Dann bricht wieder das grosse Gähnen aus:

Wenn es ein Thema gibt, über das alle alles gesagt haben, das von oben, unten, links und rechts beäugt wurde, dann das. Deshalb ist ZACKBUM ein Ameti-freier Raum – und wird das auch bleiben.

Wie schön wäre es, wenn die NZZaS eine Patti-Basler-freie Zone würde. Denn wenn die sich über Satire Gedanken macht, dann kann man das nicht einmal als Realsatire nehmen. Hier schlafen nicht die Füsse ein, aber die Zehennägel rollen sich nach oben vor peinlicher Berührtheit.

Dass Peter Hossli, zufällig Leiter der Ringier-Journalistenschule, über die «Journalistenschule als Geschenk für die Schweiz» salbadern darf – die Ergebnisse ihrer hochkarätigen Ausbildung kann man täglich im «Blick» bewundern –, ist selbst als Kollegensolidarität einem ehemaligen Mitarbeiter gegenüber hochnotpeinlich.

Der Aufmacher der «Wirtschaft» zeigt, dass der AD sich weiterhin austoben darf. Rohes Fleisch mit einem Text, der kaum lesbar ist, wieso steht da nicht besser schwarz auf weiss (oder weiss auf schwarz): Überblätter mich!

Wer zusehen will, wie einer Kolumnistin die Luft und die Themen ausgehen, sollte sich die einstmals grossartige Kolumne «Geld & Geist» reinziehen:

Auch auf die Gefahr hin, wieder als misogyn abgestempelt zu werden: eine Kolumne, die so beginnt, bettelt darum, nicht gelesen zu werden: «Vor kurzem hörte ich einem Gespräch über Emotionen zu.» ZACKBUM ist zu höflich, um die Emotionen zu beschreiben, die den Leser überkommen.

Aber ZACKBUM ist auch furchtlos; wir haben quer weitergelesen. Und sind über diese Perlen gestolpert:

«Fakt ist: Jeder Mensch hat Gefühle … ein Gefühlsvokabular aufbauen … am allerwichtigsten ist jedoch, Gefässe für den Austausch von Gefühlen zu schaffen».

Hier braucht es ein ganz, ganz grosses Gefäss, um Dampf abzulassen, dass man mit solchem Flachsinn belästigt wird. Dass es für diese Geistlosigkeit noch Geld gibt …

Jetzt aber, Männer, aufgepasst, ihr könnt mit dem Geschlechtsakt zu Mördern werden. Ungelogen: «Sex kann Auslöser allergischer Reaktionen sein. Männer übertragen mit ihrem Sperma Stoffe, die sie Stunden zuvor zu sich genommen haben – das Liebesspiel endet so gelegentlich tödlich».

Wahnsinn. Männer, verwendet Kondome. Aber sicherheitshalber auf nüchternen Magen.

Dann kommt Serie, Teil zwei. Nachdem in der letzten NZZaS einige Schweizer Kunstschaffende abserviert wurden, nun die vorhersehbare Fortsetzung: «Jung, unkonventionell und mit Mut zum Risiko». Neue, junge Künstler, hereinspaziert; NZZaS-Autoren zeigen ihre subjektive, nicht wirklich interessante Auswahl.

Schliesslich hat sich Linus Schöpfer das «City Bid Book» besorgt; die Gebrauchsanweisung, wie der ESC zu organisieren sei. Das wurde von der SRG an interessierte Städte verteilt, sollte aber geheim bleiben. «Ätsch, Öffentlichkeitsgesetz» sagte Schöpfer. Nicht schlecht, sozusagen ein leise versöhnlicher Ausklang.

Aber: Jonas Projer wurde von der eigenen Redaktion weggemobbt, weil er zu sehr gegen deren Schrebergärten, Hobbys und Überheblichkeiten anging. Dass sich damit die Redaktion selbst ins Knie schoss und nun zu grössten Teilen der NZZ angeschlossen ist, Künstlerpech.

Balzli lässt alle machen, inklusive ein unterirdisches Layout. Da er selbst nicht mal ein interessantes Editorial hinkriegt, dürfen sich alle Schreiber austoben, wie es ihnen drum ist. Oder anders gesagt: wer ein Aufmacher-Meinungsstück über ein verglühtes Politik-Sternchen zulässt, hat die Kontrolle über sein Blatt verloren.

Wenn Eric Gujer gerade mal nicht mit Weltenlenken beschäftigt ist, wird er etwas unternehmen. Aber wahrscheinlich rettet Balzli vorläufig noch, dass man nicht wieder so ein Schlamassel wie bei der Nachfolge von Projer anrichten möchte. Nur: welches Schlamassel ist letztlich grösser, das im Blatt oder das einer rumpeligen Nachfolge?

 

Im Sudan verrecken Millionen

Ein Lob an Arne Perras. Der Redaktor der SZ berichtet über eine vergessene Katastrophe.

Fast alle Länder der Welt unterstützen die Sanktionen der NATO-Länder gegen Russland nicht. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sie die Heuchelei von Europa und die Doppelmoral der USA und ihrer Verbündeten unerträglich finden.

Wenn’s ins politische Machtkalkül passt, geht es um die Verteidigung angeblicher westlicher Werte, um Humanität, Menschenrechte, deren Verteidigung gegen russische Untermenschen und einen kriegslüsternen Autokraten in Moskau.

Da wird grosses Geschrei erhoben, die Gazetten sind täglich wohlgefüllt, jedes tote Kind, jede bombardierte zivile Einrichtung löst einen Aufschrei aus – wenn es auf ukrainischem Gebiet stattfindet. Viele Seiten werden vollgeschmiert mit Darstellungen der besonderen asiatisch-slawischen Grausamkeit der Russen, der Skrupellosigkeit ihres verbrecherischen, verrückten Anführers.

Gleichzeitig finden in anderen Orten der Welt viel grausamere, menschengemachte Katastrophen statt. Nur haben hier die Opfer die falsche Hautfarbe, sind die Gebiete nicht von geopolitischem Interesse, gibt es keine nennenswerten Rohstoffe auszubeuten, besteht kein Anlass für einen Stellvertreterkrieg.

Der Sudan ist so ein Elendsloch, in dem rund 25 Millionen Menschen leiden und dem Hungertod geweiht sind. 25 Millionen, die Hälfte der Bevölkerung.

Das interessiert die empfindsamen Woken, die schon lange neben der Regenbogenfahne eine Ukraineflagge schwingen, einen Dreck. Das interessierte die westliche Wertegemeinschaft einen feuchten Kehricht. Das entlockt den Journalisten höchstens ein gelangweiltes Gähnen. Sudan? Wo ist das schon wieder? Worum geht es dort? Ach, immer diese Neger, Pardon, Schwarzen, mit diesen Kindern mit Hungerbäuchen, diese Elendsgestalten, die klaglos und stumm wie die Fliegen sterben.

Immerhin weist Arne Perras immer mal wieder auf diese Menschheitstragödie hin, dafür gebührt ihm grosses Lob. Er beschreibt nüchtern das Desaster im Sudan, was seinen Kommentar noch beklemmender macht:

«Viele Zonen sind militärisch abgeschottet und lebensgefährlich. Dort herrschen Milizen, denen das Leben eines Menschen nur dann etwas wert ist, wenn es taugt für den Kampf, für militärische Hilfsdienste, Aufklärung oder Nachschub. … Der Krieg ist der Vater des sudanesischen Hungers, daran besteht kein Zweifel. Und solange sich die Kämpfe weiter durchs Land fressen, treiben sie Hunderttausende ins Verderben. Mindestens. Potenziell sind es noch viel mehr. 25 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen.»

Und weiter:

«Es ist ein seelisches Martyrium, das sich in der wohlgenährten Welt kaum jemand vorstellen kann. Und doch geschieht all das im Sudan, fernab globaler Aufmerksamkeit, die sich auf Gaza und die Ukraine richtet.
Sicher ist: Der Westen wendet viel zu wenig Zeit und Kraft auf, um daran etwas zu ändern. Wann kommen Aussenminister oder Staatschefs schon einmal zusammen, um sich mit der sudanesischen Katastrophe zu befassen

Dabei ist ein Staat, der sich immer mehr zum Bundesgenossen des Westens mausert, hier übel beteiligt: die Vereinigten Arabischen Emirate.

«Die Gleichgültigkeit, mit der die Weltgemeinschaft ein von ihr selbst verhängtes Waffenembargo kollabieren lässt, ist bezeichnend: Die leidende Bevölkerung im Sudan kann sich nicht nur keineswegs darauf verlassen, dass ihr die internationale Diplomatie beispringt. Sondern sie muss zudem befürchten, dass opportunistische Länder wie die Emirate Nutzen aus ihrem Leid ziehen, der Milizenführer und Goldminenbetreiber Hemeti ist ihr Geschäftspartner.»

Wenn die Achtung vor den Menschenrechten und die Verteidigung angeblicher westlicher Werte glaubwürdig sein will, dann müssen diesen Prinzipien doch weltweit gelten. Nicht nur da, wo es aus machtpolitischen Gründen in den Kram passt.

Ist es nicht verständlich, dass allen afrikanischen Staaten, den meisten lateinamerikanischen und asiatischen das Geseier des Westens über die Ukraine und ihren Freiheitskampf nicht nur zum Hals raushängt, sondern Übelkeit verursacht?

 

Leichen zählen

Eine der verlogensten Tätigkeiten der Medien.

Es gibt Leichen, die interessieren die Medien nur sehr am Rande. Oder wissen Sie, wie viele Tote es in den letzten Jahren im Sudan gab? In Somalia? In Äthiopien? In Eritrea? In Myanmar? Wie viele Opfer der Drogenkrieg jährlich in Mexiko fordert? Eben.

Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte zählt über 10’000 zivile Opfer des Ukrainekriegs. Ein grosse Dunkelziffer existiert bei den Angaben über militärische Verluste auf beiden Seiten. Sicherlich völlig unparteiische US-Geheimdienste gehen von 315’000 toten oder verwundeten russischen Soldaten aus. Das wären 87 Prozent der bereitgestellten Bodentruppen. Das britische Verteidigungsministerium schätzt die Anzahl auf 70’000 Tote plus bis zu 240’000 verwundete Soldaten.

Auf ukrainischer Seite werden 120’000 «irreversible Verluste» geschätzt, also tote oder schwerverwundete Soldaten.

Das wäre ein wundersames Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Opfern. In modernen Kriegen geht man davon aus, dass auf einen gefallenen Kombattanten bis zu neun zivile Opfer kommen.

Während aber im Ukrainekrieg die öffentliche Meinung eindeutig auf der Seite der Ukraine steht, ist es im Nahen Osten komplexer. Während nur fanatische Irrläufer die von den fundamentalistischen Wahnsinnigen der Hamas begangenen Massaker am 7. Oktober kleinreden wollen, ist die Anzahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen zu einer meinungsentscheidenden Grösse geworden.

Israel gibt rund 1200 Tote und 5’500 verletzte Zivilisten an, grössenteils durch den Terrorangriff der Hamas. Die Verluste der Streitkräfte beliefen sich auf 750.

Einzige übergeordnete Quelle im Gazastreifen ist die Palästinensische Gesundheitsbehörde, die sich unter der strikten Kontrolle der Hamas befindet, was ihre Angaben nicht völlig unglaubwürdig, aber sehr fraglich macht. Sie spricht von rund 20’000 Toten und über 52’000 Verletzten, wobei sie keinen Unterschied zwischen Zivilisten und ihren eigenen Kombattanten macht.

Israel wiederum behauptet, seit Beginn der Invasion rund 8000 Hamaskämpfer getötet zu haben. Das würde bedeuten, dass auf jeden getöteten Hamassoldaten zweieinhalb Zivilsten kämen, würden die Angaben beider Seiten stimmen. Was sie offensichtlich nicht tun.

Nicht nur in der Masse sind diese Zahlen bedeutend in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Dass das israelische Militär drei israelische Geiseln getötet hat, die laut Augenzeugen eine weisse Fahne schwenkend und mit nacktem Oberkörper auf die Soldaten zugingen, hat in Israel die ohnehin schwankende Unterstützung für Premierminister Netanyahus Kriegsführung erschüttert. Vor dem Hamas-Massaker versuchte er bekanntlich, sich selbst vor dem Knast zu retten, indem er eine höchst umstrittene Justizreform auf den Weg brachte, gegen die Hunderttausende von Israelis protestierten.

Sobald dieser Krieg beendet ist, wird dieses Problem mit voller Wucht Fahrt aufnehmen. Ebenso die Diskussion, warum Israel am 7. Oktober völlig unvorbereitet war und wer dafür die Verantwortung trägt.

Während die Zahl der Opfer im Gazastreifen im Zentrum der Debatte steht, interessieren sich die Medien eher weniger für die weit über 250 durch illegale israelische Siedler ermordeten Palästinenser in der Westbank. Während der Gazastreifen nach dem vollständigen Rückzug der Israeli in die Hände der Hamas fiel, verwandelte sich die Westbank durch illegale Besiedelungen und die Politik Israels in einen Fleckenteppich, in dem die palästinensische Autonomiebehörde und die Al Fatah nur über kleine Teile die Kontrolle ausüben. Dass diese Organisationen hoch korrupt sind, trägt auch nicht gerade zur Anerkennung ihrer Autorität bei.

Leichen zählen, das ist seit Anbeginn der Kriege ein Propagandaschlachtfeld. Schon immer werden die Verluste des Feindes übertrieben, die eigenen schöngeredet. Schon immer ist der Feind unmenschlich und grausam, die eigenen Streitkräfte versuchen, so schonend wie möglich vorzugehen. Schon immer begeht der Feind brutale, entmenschte Kriegsverbrechen, während die eigene Seite sich an alle Regeln der Haager Landkriegsordnung hält.

Und schon immer war ein Geschehen so grausam wie noch nie. Seien es die Massaker der Hamas in Israel, seien es die Flächenbombardements der Israelis im Gazastreifen.

Leichen zählen, das ist ein Geschäft, mit dem politische und öffentliche Pluspunkte gesammelt werden sollen. Auch hier versagen die Medien in ihrer Funktion, möglichst unparteiisch einzuordnen, auf die Quellenlage hinzuweisen und keinesfalls ungeprüft Angaben einer Kriegspartei zu übernehmen.

Jede Leiche, jede behauptete Leiche, jedes getötete Kind, jede geschändete Frau wird als Propagandawaffe eingesetzt. Das individuelle Schicksal ist grausam, dieser Missbrauch verächtlich.

Da war doch noch was?

Die schwindsüchtigen Medien können kein Multitasking.

Eigentlich ist der ukrainische Präsident Selenskyj fast zu bedauern. Da ist er extra nach Brüssel gereist, wird dort auch mit allem Brimborium empfangen, fordert wie immer mehr Geld und mehr Waffen, kann das sogar auf Englisch sagen – aber irgendwie verhält sich die Öffentlichkeit so wie der Teenager, der so tut, als würde er dem Vater zuhören, während er in Wirklichkeit seine Social Media Kanäle überprüft.

Richtig Schlagzeilen macht das nicht.

Dabei verging doch bis zum vorletzten Samstag kein Tag, an dem nicht neue Theorien über die Erfolge (oder Misserfolge) der ukrainischen Offensive aufgestellt wurden. Besonders blamiert hat sich dabei der ETH «Militärökonom» Marcus Keupp. Die «Weltwoche» haut ihm um die Ohren, dass er im November 2022 einen furchtbaren Fehler machte. «Russland wird den Krieg im Oktober verloren haben», wagte er eine Prognose mit Zeitangabe. Schwerer Fehler, so vom Oktober 2023 aus gesehen. Könnte man meinen. Der Nachfrage nach seinem «Expertenwissen» hat das aber keinen Abbruch getan.

Schade, früher wurde der Seher, der sich mit seiner Prognose getäuscht hatte, mit Schimpf und Schande in die Wüste geschickt – wenn er den Zorn seiner Gläubigen überlebte. Heute darf Quatschkopf Keupp einfach weiterfaseln. Sicher bald über Israel, Vorläufig diagnostiziert er aber eine «Woche des russischen Blechhaufens». Endlich wissen wir, woher der Ausdruck «Blech reden» kommt …

Aber das macht alles nix, die Ukraine ist einfach nicht sexy im Moment.

Das gilt aber eigentlich immer für die Schlachtereien in Gegenden der Welt, die nur von Schwarzen bewohnt werden, die nicht auf bedeutenden Rohstoffen hocken. Das gilt auch für Myanmar, wo die Militärdiktatur immer mal wieder ein Massaker an den Rohingya verübt. Das gilt für Afghanistan, wo nach Nachbeben ganze Landstriche völlig verwüstet sind, Tausende von Menschen gestorben und Hilfe nur ganz schwer zu den Einsatzorten gelangt, weil die Infrastruktur inklusive Strassen verkommen ist.

Das gilt für Millionen von Frauen, die in einer der wohl grausamsten und brutalsten Riten, die es gibt, verstümmelt werden. Rund 200 Millionen Mädchen und Frauen sollen nach Schätzungen weltweit beschnitten worden sein. Ihnen wurde mit oftmals primitivsten Werkzeugen die Klitoris ohne Betäubung herausgeschnitten.

In rund 30 Ländern Afrikas und des Nahen Ostens sowie in einigen Ländern Asiens und Lateinamerikas wird Genitalverstümmelung praktiziert. Im Sudan oder in Guina zum Beispiel sind über 90 Prozent aller Frauen verstümmelt; beschnitten kann man das nicht nennen.

Damit soll die Libido der Frau verringert werden und sichergestellt, dass sie vor der Ehe keine sexuellen Beziehungen hat und währenddessen treu bleibe. Wer das durchführt, duldet oder gar befürwortet, ist ein Verbrecher. Erfreut sich aber des weitgehenden Desinteresses der westlichen Medien.

Dann gibt es die lange Liste von korrupten, menschenverachtenden und ihre Bevölkerung in Armut haltenden Diktaturen oder Regimes, die aber eine Eigenschaft haben, weswegen sie mit Nachsicht rechnen können. Sie sind dem Westen zugetan und lassen westliche Transnationale mehr oder minder ungehemmt die Rohstoffe ausbeuten, die das Land hergibt.

Natürlich möchte kein Medienkonsument von morgens bis abends mit solchen Meldungen beschallt werden. Das wäre ja nur mit Aufhellern oder grösseren Mengen Alkohol zu ertragen.

Aber diese repetitiven, um die gleichen Fakten und Bilder herummäandernde Berichterstattung über das Grossereignis des Tages, der Woche, gar des Monats, das ist mindestens so schwer zu ertragen. Genau wie die sehr selektive Auswahl, was denn nun gerade der Riesenrumms ist.

Aber nicht nur das Gelärme ist schwer zu ertragen, auch das Schweigen ist oftmals widerwärtig. Während ein paar Todesmutige versuchen, noch etwas Verständnisvolles über die Hamas zu sagen, haben sich alle Palästinensertuchträger, alle Lagerbesucher, alle Solidaritätsredner mit der palästinensischen Sache in ihre Löcher verkrochen und hoffen, dass man nicht an alte Aussagen von ihnen erinnert.

Nicht minder widerlich ist das kollektive Schweigen aller Kampffeministinnen. Geht es darum, die vermeintlichen Untaten eines Pop- oder Filmstars zu beklagen, dann sind ganze Chöre unterwegs, die sich vor Entrüstung nicht mehr einkriegen. Ungeachtet, ob die Vorwürfe auch nur einen Hauch von Plausibilität haben.

Nun hat es mehr als einen Hauch von Plausibilität, dass die Hamas-Horden in Israel nicht nur getötet haben, sondern auch massenhaft vergewaltigt. Nur: da schweigt das «#metoo»-Lager stille. Selbst bei angeblichen russischen Vergewaltigungen erhebt sich noch Protest, aber hier? Bislang null.

Das gilt im Übrigen auch für die islamischen oder islamistische Organisationen in der Schweiz. Natürlich wird die Gewalt verurteilt, ungefähr so butterweich wie vom Palästina-Freund Fabian Molina die «Gewalteskalation». Aber eine klare Aussage dazu, ob sich die Hamas zu Recht auf den Islam, auf den Koran beruft oder nicht? Schweigen.

Wie dichtete Bertolt Brecht in anderen Zeiten, in unseren nicht mal so fernen Zeiten an die Nachgeborenen:

«Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!»

Nur: vielleicht wollen die Klimakleber über Bäume sprechen, aber die anderen wollen lieber über alles schweigen, was ihnen nicht zupass kommt. Wie armselig.

Kleine Ereignisse – grosse Folgen

Die NZZaS wirft ihr Coverkonzept über den Haufen.

Im Sudan starben vor Kurzem mindestens 40 Menschen bei einem Luftangriff auf Dafur. Mindestens 32 Zivilisten wurden bei Artillerieangriffen der sudanesischen Armee getötet. Über 7 Millionen Menschen sind innerhalb des Sudans auf der Flucht. Insgesamt forderten dort die Konflikte bis 2019 geschätzt 400’000 Menschenleben. Die neusten Kampfhandlungen kosteten bislang bis zu 10’000 Menschen das Leben.

Warum gibt es hier nur ungefähre Zahlen, wieso ist der Leser erstaunt? Weil der Sudan – mit Verlaub – kein Schwein interessiert. Genauso wenig übrigens wie der Jemen, wo die westlichen Verbündeten Saudi-Arabien und VAE seit Jahren einen der schmutzigsten und verbrecherischsten Kriege der Neuzeit führen.

Macht das die verbrecherischen Anschläge der Hamas, die Geiselnahmen, die Mordtaten besser, entschuldigt sie gar? Ist es Whatsaboutism, also der ablenkende Verweis auf andere Untaten, um von Untaten abzulenken?

Nein, aber es illustriert die durch nichts zu rechtfertigende willkürliche Auswahl, welche Ereignisse auf der Welt gewaltige Resonanz in den Medien auslösen – und welche den Qualitätsmedien schlichtweg scheissegal sind.

Die Anzahl Opfer ist offensichtlich nicht das Kriterium für Berichterstattung; Gräueltaten, Ungerechtigkeiten, Kriegsverbrechen, das Leiden der Zivilbevölkerung offensichtlich auch nicht.

Natürlich ist es jedem Medium in der Schweiz unbenommen, Prioritäten zu setzen. Und wenn die zufällig bei allen, als wären wir hier in Nordkorea, auf Israel liegen, dann halt. Aber vielleicht sollte man dann aufhören, sich scheinheilig zu wundern, wieso in weiten Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens die Fixierung der USA und Europas auf den Ukrainekrieg – und nun auf den verbrecherischen Angriff der Hamas auf Israel – als scheinheilig, eurozentristisch und heuchlerisch kritisiert wird. Und daher die meisten Länder der Welt auch nicht bei den Sanktionen gegen Russland mitmachen.

Womit zum Thema «Angriff auf Israel» hier alles gesagt wäre. Ausser vielleicht noch: «Nahost-Expertin: «Eine Eskalation ist zu befürchten»». Wie man ohne rot zu werden dem Leser einen solchen banalen Flachsinn servieren kann, unglaublich.

So nebenbei vermeldet die NZZaS, oberhalb der kleinen Meldung, dass im weit entfernten Afghanistan nach einem Erdbeben Hunderte von Toten befürchtet werden, dass sie mit Beat Balzli schon wieder einen neuen Chefredaktor hat. Die Viererbande an Spitze hatte sich schon zuvor halbiert, zwei waren abgesprungen, zwei geblieben, einer wollte gerne, der andere nicht so.

Auch dieser und jener in der Redaktion machte sich kühne, aber vergebliche Hoffnungen, auf den Chefsessel klettern zu dürfen. Aber offensichtlich hat’s gerumpelt. Denn Balzli war eigentlich für die Eroberung von Deutschland vorgesehen und bringt dafür auch die besten Voraussetzungen mit. Um die «digitale Transformation» des Titels voranzubringen eher weniger. Denn ein Digital Native ist er ganz sicher nicht, und ob er vom Internet mehr weiss, als dass es verdammt praktisch ist und man es heutzutage einfach haben muss – man weiss es nicht, befürchtet aber nein.

Also ist der Schluss wohl erlaubt, dass eigentlich jemand anders für den Chefposten vorgesehen war. Und auf der Zielgeraden strauchelte. Blöd gelaufen ist es nun auch für die NZZaS-Redaktion. Die wiegte sich nur kurz im dummen Triumphgefühl, Jonas Projer weggemobbt zu haben.

Dafür wird sie nun näher an die NZZ geflanscht. War das bei Projer noch unausgesprochen, ist’s bei Balzli offizielles Programm. Zunächst einmal wird die Wirtschaftsredaktion als wichtigster Taktgeber zusammengelegt. Pech für Guido Schätti, da braucht es dann nicht zwei Häuptlinge. Pech auch für alle Primadonnen bei der NZZaS, die wochenlange angebliche Recherchen betreiben konnten, auch der grösste Spesenritter dort wird sich zukünftig bescheiden müssen. Und das «NZZ am Sonntag Magazin» wird hoffentlich entweder eingestellt, oder wieder lesbar gemacht. Mit dem Interview mit einer mediengeilen Prostituierten hat es sicherlich dazu beigetragen …

Aber zurück zum Blatt. Klimapolitik ist immer ein Thema, Ukraine bleibt immer ein Thema, russische Spione in der Schweiz ist auch immer ein Thema, Polemik gegen allzu viele Vorschriften beim Essen auch. Aber kein Artikel über die Gefahren, beim Gähnen eine Kiefersperre zu bekommen oder beim hastigen Umblättern die Hand zu verrenken.

Aber dann wird es wieder saukomisch, denn Aline Wanner führt das grosse Wort in der Medienkolumne. Unter dem provokativen Titel «Wer hätte das gedacht?» macht sie sich über die Unsitte lustig, Experten Flachheiten sagen zu lassen. Dafür verwendet sie Beispiele aus Tamedia und SRF. Soweit richtig. Aber wenn sie sich die eigenen Blätter vorgenommen hätte – oder sie mindestens erwähnt – dann röche die Kolumne entschieden weniger streng nach Konzernjournalismus. Denn Kritik am Konkurrenten ist wohlfeil; Kritik am eigen Haus, das bräuchte Zivilcourage.

Aber immerhin, man soll doch auch loben, «Das einsamste Volk der Welt», die leidensvolle Gesichte der Armenier, hebt sich wohltuend aus dem Brei der Betroffenheitsheuchelei über die Vorgänge in Karabach hervor. Sonst haben die Armenier wieder einmal richtig Pech. Ukrainekrieg und nun auch Israel, man kann ja nicht an alles denken.

Ein Bijou ist auch der Nachruf auf den Pfarrer Uwe Holmer, der nach dem Mauerfall den ehemaligen, schwerkranken Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und dessen Frau bei sich aufnahm, als der nach einem Spitalaufenthalt nicht wusste, wo er unterkommen konnte.

Das hier ist zwar ein Inserat, aber selten wurde politische Korrektheit so konsequent ins Bild gesetzt:

Das nennt man eine Randgruppe ansprechen und die eigentliche Zielgruppe aussen vor lassen.

Und die Wirtschaft, welcher Schwanengesang ertönt?

Hm, sehr nutzwertorientiert, muss man sagen. Den Leser dort abholen, wo er als Hausmann steht. Ach so, drüber steht «Sponsored Content für Schulthess». Ist aber mit Abstand der interessanteste Artikel.

Und sonst? Da muss man Shakespeare missbrauchen: Der Rest ist Schweigen.

Und das ist sehr nett von ZACKBUM, denn es umfasst auch das «Magazin» der NZZaS.

Wir wollten eigentlich hier eine Doppelrezension leisten (Leistung muss sich wieder lohnen, siehe Bettelbox oben). Aber manchmal ist das Medium stärker als ZACKBUM.

Denn die SoZ lockte mit diesen beiden Anrissen: «Wenn Ihr Hund zum Psychiater muss» und «Warum sind die Löcher im Emmentaler-Käse so gross». Da wir kein Hund sind, nicht zum Psychiater wollen und uns die Frage der Löcher im Käse schon von Kurt Tucholsky restlos beantwortet wurde, haben wir verzichtet.

ZACKBUM setzt damit auch ein Zeichen der Solidarität mit Kim (nein, der andere Kim, der mit Horizont und Arschbacken), über dessen Verbleib nun schon seit Monaten angeblich aus Persönlichkeitsschutzgründen nichts bekannt ist. Wir fragen das Unsagbare: ist dieser Kim, der sich schon mal das Haupthaar rasierte, beim anderen Kim, der auch Frisurprobleme hat?

Welches ist der echte Kim?

Wir wollen beide Kims! Nein, zugegeben, das ist rabenschwarz gelogen.