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ElleXX hat Geld zum Verbrennen

Crowdinvesting: 1,43 Millionen einkassiert.

ElleXX nennt sich neuerdings «Fintech» und betont die weibliche Seite des Investierens. Dabei sind die Prognosen für die Zukunft, gelinde gesagt, ambitiös. Der letzte ausgewiesene Jahresumsatz lag bei 180’000 Franken. Zahlen für 2023 werden nur «interessierten Investor:innen vor Ort gegen die Unterzeichnung eines NDA» vorgelegt; also einer Stillschweigensvereinbarung.

Ziemlich lautstark hat ElleXX aber verkündet, dass trotz dieses mickrigen Umsatzes der Firmenwert bei 16 Millionen Franken liege, der Jahresumsatz bis 2026 auf 26,3 Millionen steigen solle; eine Explosion von plus 15’000 Prozent im Vergleich zu 2022. Schon 2023 sei es prognostiziert eine Million.

Angepeilt war ein Maximalziel von 3 Millionen Franken frisches Geld, minimal eine Mio. Hereingekommen sind nun 1,43 Millionen Franken, schön in der Mitte. Trompetenstösse: «Europarekord im Crowdinvesting», noch nie sei von Gründerinnen in Europa eine solche Summe erreicht worden.

Meilenstein, Innovationskraft, Engagement, historisches Ereignis, bedeutender Schritt, keine Geschlechtergrenzen, Blabla.

Nun sind Zahlen weder weiblich noch männlich, sondern geben einfach Fakten wieder. Das angebliche Kussattacken-Opfer Patrizia Laeri hat ihren Lohn bei ElleXX offengelegt. 8000 Franken netto seien das. Ist sie also Angestellte der AG, wären das mit Arbeitgeberbeiträgen rund 10’000 Franken. Nehmen wir an mal 12, da man in einem Start-up vielleicht auf den 13. verzichtet.

Nun turnen auf den Werbefotos 11 Frauen um die Buchstaben XX herum. Wir hoffen mal, dass man auch unter Frauen den Einheitslohn kennt. Das wären dann also im Monat 110’000 Franken. Lassen wir Peanuts wie Infrastruktur, Büro, Webseite, etc. grosszügig weg. Damit wären wir pro Jahr bei einer Payroll von 1,32 Millionen. Damit blieben dann noch von den eingenommenen 1,43 Millionen rund 100’000 Franken für die angekündigten Investitionen in «Produkte und Technologie».

Ausser natürlich, Umsatz (und Gewinn) gehen durch die Decke. ZACKBUM ist gespannt, wann wir die ersten Zahlen für 2023 erfahren dürfen.

Kanonendonner

Jeder Schuss ein toter Russ. Wir erzählen wieder Stuss.

So hetzte vor dem Ersten Weltkrieg eine blutrünstige Presse. Natürlich überschätzen Medien seit ihrer Geburt ihre Wirkungsmacht. Sie schwafeln vom Blitzlichtgewitter, und aus Verzweiflung interviewen sich immer wieder Journalisten gegenseitig, wenn es sonst beim besten Willen nichts zu berichten gibt.

Sie sind auch sehr flexibel, wenn es um gummihalsige Berichterstattung geht. Einerseits wurde die Durchführung der Olympischen Spiele in der Winterhochburg Peking streng kritisiert. Gigatomie, ungeeignete Umgebung, Geldverschwendung, ein neues Sotschi. Nun würden wohl Winterspiele in Russland tatsächlich boykottiert werden.

Aber ein Ausflug in die chinesische Diktatur, mal eine Pause in der Berichterstattung über die Uiguren, das muss man verstehen. Wann kommt heute der Redaktor schon mal aus seiner Verrichtungsbox in der Hölle des Newsrooms heraus? Das ist doch fast wie früher. Flug in die weite Welt, Wichtigkeit, persönliche Anwesenheit.

Das verfolgen die Zurückgebliebenen mit Neid. Sie fragen sich sowieso, wann sie mal die Hauptrolle in einem Sequell von «The Expendables» spielen dürfen. Denn entbehrlich sind die meisten schon längst, nur leider nicht für eine Hauptrolle geeignet.

Die Zentralredaktion. Unklar, ob von Tamedia oder CH Media oder «Blick».

Da bietet mitten in die Tragödie hinein, dass Corona langsam abgibt, eine potenzielle Kriegsszenerie neue Chancen. Aber leider wird auch hier das fatale Prinzip angewendet, mit dem sich die Journaille schon bei der Pandemie um Kopf und Kragen und Glaubwürdigkeit schrieb. Mangels analytischen Fähigkeiten ist nur möglich, mit Steigerungen auf sich aufmerksam zu machen.

Hintergründe, Analysen, Erklärungen? Ach was.

Hintergründe des Ukraine-Konflikts, darf Russland auf seinem eigenen Territorium Truppen verschieben, während die USA Truppen in fremde Länder schicken? Wer will Krieg, wer nicht? Will sich Russland wirklich die Invasion eines korrupten, bankrotten, mehr oder minder «failed State» ans Bein binden?

Braucht Präsident Putin ums Verrecken einen kriegerischen Erfolg, um von inneren Schwierigkeiten abzulenken? Dank massiv gestiegener Preise für Öl und Gas spült es ihm doch gerade Multimilliarden in die Kassen, und strategisch vertieft sich die Bindung zwischen Russland als Rohstoffquelle mit einigermassen funktionierendem Militärapparat und der neuen wirtschaftlichen Supermacht China.

Aus diesem Grund kann Putin locker behaupten, dass ihm die westlichen Sanktionen schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigehen. Das wären Ansätze zu einer Lagebeschreibung.

Aber doch nicht für unsere ausgehungerten und kriegslüsternen Massenmedien. Tamedia ruft den möglichen Kriegsbeginn  – unter Berufung auf eingeweihte Kreise ganz oben in Bern – für den 15. Februar aus. 24 Stunden nach dem Valentinstag, den die sentimentalen Russen halt noch abwarten wollten. Klappt’s nicht mit dem Krieg, hatte man natürlich einen Abbinder parat, Diplomatie könne doch noch das Schlimmste verhüten.

Tamedia übernimmt wie immer die kreischen Analysen des US-Korrespondenten der «Süddeutschen Zeitung», der für einmal nicht einen drohenden Bürgerkrieg in den USA sieht. Hubert Wetzel hat umgesattelt und schimpft nun Richtung russischer Bär: «Die USA blasen Putins Nebelwand davon».

Kriegsspiele, Sandkastenspiele, Manöver

Dazu stellt Tamedia ganze Sandkastenspiele von Hobbykriegern: «Was im Osten alles auf dem Spiel steht», und zum Nachspielen: «Sechs Szenarien einer Invasion. Wo die Ukraine russische Angriffe befürchten muss.»

Redaktionskonferenz, modern.

Bebildert wird das mit einer Vorwegnahme des Kriegs:

Tamedia lässt’s schon mal krachen.

Als Stimme der Vernunft versucht sich die NZZ; sie spekuliert zwar  in der Sonntagsausgabe ebenfalls über das Datum des Kriegsausbruchs, interviewt aber am Montag immerhin einen an der Deeskalation nach der Annexion der Krim beteiligten Schweizer Spitzendiplomaten über «verschiedene Wege aus der gegenwärtigen Krise um die Ukraine».

Auch die Bebilderung ist weniger kriegslüstern:

Bei der NZZ ballert es (noch) nicht.

Der «Blick» gibt einer Gastkommentatorin Gelegenheit, die Schweiz in die Pflicht zu nehmen:

«Die Frage, wann und wo Russland in die Ukraine einmarschieren wird, ist nebensächlich. Viel wichtiger wäre es zu fragen, wie Russlands Verstoss gegen die Uno-Charta zu sanktionieren ist – auch von der Schweiz.»

Als Rechtsanwältin in Genf sollte die Dame vielleicht schon mal etwas von der Schweizer Neutralität gehört haben.

Spendenaktion ins Auge fassen?

Die deutsche «Bild» hingegen zeigt mal wieder, wie man die Sache zu einem Kracher hochschreibt: «So will uns Putin in den KRIEG treiben». Nazivergleiche sind immer schwierig, aber hier liegt die Erinnerung an die Hitler-Lüge, «seit 5.45 wird jetzt zurückgeschossen», auf der Hand.

Figurenset für den Kriegsspielsandkasten.

«20 Minuten» kümmert sich, Hemd näher als Hose, um die «Auswirkungen auf die Schweiz», sollte der Krieg ausbrechen. Die «Schaffhauser Zeitung» verlegt den Beginn immerhin auf den «Mittwoch» und übernimmt damit wie alle Kopfblätter die Sauce aus der CH Media Zentralredaktion. «Nau.ch» leiht sich vom grossen Bruder im Norden die Einschätzung: «Bundesregierung hält Ukraine-Lage für «extrem gefährlich»». Denn  «Blick» weiss: «Jetzt sind die Russen stark genug für eine Invasion».

Das neue Handwerkszeug für Kindersoldaten in News-, Pardon, War Rooms.

Wir versuchen, die Lage zusammenzufassen. Der Krieg kommt. Ob heute oder morgen oder «in diesen Tagen» das ist noch nicht ganz sicher. Deutschland muss unbedingt mehr tun, um den tobenden Bären in die Schranke zu weisen. Die Schweiz sowieso. Sollte Putin Toblerone mögen, käme ein Schokoladeausfuhrverbot als schärfste Waffe in Frage. Die gehört zwar schon längst einem US-Multi, wird aber immer noch in der Schweiz hergestellt.

Es ist allerdings die Frage, ob angesichts der Ablehnung der Milliardenspritze die Anschaffung von Sandkästen für die Newsrooms, in denen Kriegsszenarien nachgespielt werden könnten, noch drinliegt. Vielleicht sollte man eine Spendenaktion ins Auge fassen.